Walter Serners Gedicht „Manschette 7“

WALTER SERNER

Manschette 7

Es ist nicht schwierig blond zu sein

Seit es in manchen Nächten
rote Ringe sprengt einher
ist jede Hoffnung auf den Sinn der Stunde
faul

Schau mir ins Auge
Krachmandel auf Halbmast
Cointreau triple sec mit Doppeltaxe
Jede Halswolke ein Fehlgriff
Jede Bauchfalte ein Vollbad
Jedes Hauptwort ein Rundreisebillet
Je te chrache sur la tête
Schau mir ins Auge
A

Ist es so schwierig blond zu sein

1919

aus: 113 DaDa-Gedichte. Hrsg. v. Karl Riha. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 1987

 

Konnotation

Bewundert als „Bruder der Sphinx“ und als „Nihilist der Menschenliebe“, hat Walter Serner (1889–1942), der mit bürgerlichem Namen Walter Eduard Seligmann hieß, der DADA-Bewegung eine ungeheure Dynamik beschert. 1919 verfasste er das wichtigste „manifest dada“, das anarchistische Glaubensbekenntnis „Letzte Lockerung“, und inszenierte „die letzte und größte aller Dada-Shows“ in Zürich, wo man ihn im April 1919 von der Bühne jagte. Im Herbst 1919 gründete er die Zeitschrift Der Zeltweg und publizierte darin eine Reihe von „Manschetten“.
In seinen aktivistischen Jahren hatte Serner gemeinsam mit seinen Weggefährten Hans Arp und Tristan Tzara sogenannte „Simultangedichte“ verfasst, die sich am „automatischen Schreiben“ der Surrealisten orientierten. In seiner „Manschette 7“, die er im Untertitel als „Romance“ kennzeichnet, entwirft Serner ein sehr modern-urbanes Liebesgedicht, das in bizarren Bildern und französischen Sprachpartikeln von durchwachten Nächten und den Imponderabilien der Leidenschaft handelt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

0:00
0:00