Robert Walsers Gedicht „Welt I“

ROBERT WALSER

Welt I

Es lachen, es entstehen
Im Kommen und im Gehen
Der Welt viel tiefe Welten,
Die alle wieder wandern.
Und fliehend durch die andern
Als immer schöner gelten.

Sie geben sich im Ziehen,
Sie werden groß im Fliehen,
Das Schwinden ist ihr Leben. –
Ich bin nicht mehr bekümmert,
Da ich kann unzertrümmert
Die Welt als Welt durchstreben.

1900

aus: Robert Walser: Die Gedichte. Sämtliche Werke, 13. Bd. Suhrkamp Verlag. Frankfurt a.M. 1986

 

Konnotation

Bei aller Unsicherheit über die Eigenschaften der „Welten“, die das lyrische Ich Robert Walsers (1878–1956) hier durcheilt, ist eins gewiss: Es ist eine große Zuversicht, aus der heraus das lyrische Subjekt sein Lebensprogramm formuliert. Ein „unzertrümmertes“ Ich spricht und selbst die Einsicht in die Vergänglichkeit der zu durchlaufenden Existenzformen kann den Optimismus nicht dämpfen.
Walser, der sanftmütige Autor, der zeitlebens in subalterne Berufe ausweichen musste, hatte 1898 seine ersten Gedichte veröffentlicht, die ihm einen ersten Zugang zur literarischen Welt verschafften. In diesem frühen Gedicht, das 1900 erstmals unter dem Titel „Glück“ publiziert wurde, später dann in der Buchausgabe von die Überschrift „Welt“ erhielt, kultiviert hier – ungewöhnlich für einen Autor der Selbstverkleinerung – einen Gestus der Weltzugewandtheit.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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