Blaise Cendrars: Ich bin der Andere

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Blaise Cendrars: Ich bin der Andere

Cendrars-Ich bin der Andere

DIE PROSA VON DER TRANSSIBIRISCHEN EISENBAHN UND DER KLEINEN JEHANNE VON FRANKREICH

Damals wuchs ich heran
War kaum sechzehn 1 und hatte schon die Erinnerung an meine Kindheit verloren
Ich war 16 000 Meilen weit weg vom Ort meiner Geburt
War in Moskau, in der Stadt der tausendunddrei Kirchtürme2 und der sieben Bahnhöfe
Und ich konnte nicht genug bekommen von diesen tausendunddrei Türmen und sieben Bahnhöfen
Denn meine Jugend war damals so leidenschaftlich und so verrückt
Dass mein Herz abwechselnd brannte wie der Tempel von Ephesus3 oder der Rote Platz von Moskau
Wenn die Sonne untergeht
Und meine Augen leuchteten alte Wege aus
Und ich war bereits ein so schlechter Dichter
Dass mir nicht gelang, etwas zur Vollendung zu bringen

Der Kreml glich einer gewaltigen Tatarentorte
Goldüberkrustet
Mit den grossen Mandeln der schneeweissen Kathedralen
Und dem honigsüssen Gold der Glocken…
Ein alter Mönch las mir die Legende von Nowgorod4
Ich hatte Durst
Und ich entzifferte Keilschrift
Dann flogen plötzlich die Tauben des Heiligen Geistes über den Platz davon –
Und auch meine Hände flogen davon,5 rauschend wie Albatrosse
Und dies waren die letzten Bilder des letzten Tages
Der allerletzten Reise
Und des Meeres.

Indes, ich war ein sehr schlechter Dichter
Dem nicht gelang, etwas zur Vollendung zu bringen
Ich hatte Hunger
Und all die Tage und all die Frauen in den Cafés und all die Gläser
Ich hätte sie am liebsten ausgetrunken und zerschlagen
Und all die Schaufenster und all die Strassen
Und all die Häuser und all die Leben
Und die Räder all der Droschken, die im Wirbel über das schlechte Pflaster rollten
Ich hätte sie am liebsten in den Schmelzofen einer Waffenschmiede getaucht
Hätte am liebsten all die Knochen zermalmt
Und all die Zungen herausgerissen
Und eingeschmolzen all die stattlichen Leiber, fremd und nackt unter den Kleidern, die mich verwirrten, mich betörten…
Ich ahnte sie voraus, die Ankunft des grossen roten Christus der russischen Revolution…6
Und die Sonne war eine hässliche Wunde
Die aufbrach wie Feuersglut.

Damals wuchs ich heran
War kaum sechzehn und hatte schon die Erinnerung an meine Geburt verloren
Ich war in Moskau, wo ich mich nähren wollte von Flammen
Und ich konnte von den Türmen und Bahnhöfen, diesen Sternbildern vor meinen Augen, nicht genug bekommen
In Sibirien donnerte die Kanone, es herrschte Krieg7
Hunger, Kälte, Pest und Cholera
Und des Amur schlammige Wasser führten Millionen Kadaver8 mit sich
In allen Bahnhöfen sah ich die letzten Züge abfahren
Wegfahren konnte niemand mehr, denn man gab keine Fahrkarten mehr aus
Und die Soldaten, die ausrückten, wären lieber geblieben…
Ein alter Mönch sang mir die Legende von Nowgorod.

Ich, der schlechte Dichter, der nirgendwohin wollte, ich konnte überallhin
Und auch die Händler hatten noch genügend Geld
Um ihr Glück zu versuchen.
Ihr Zug ging jeden Freitagmorgen.
Es hiess, es gebe viele Tote.
Einer verlud hundert Kisten mit Weckern und Kuckucksuhren aus dem Schwarzwald
Ein anderer Hutschachteln, Zylinder und ein Sortiment Korkenzieher aus Sheffield
Ein anderer Särge aus Malmö, gefüllt mit Konservendosen und Ölsardinen.
Und auch viele Frauen gab es
Frauen käuflich zwischen den Beinen, nützlich auch sie

Särge
Sie hatten alle ihren Gewerbeschein
Es hiess, es gebe viele Tote dort
Sie reisten zu ermässigtem Preis
Und hatten alle ein Bankkonto.

 

 

 

Vorwort

„Ich bin der Andere“: In der kaiserlichen Bibliothek von St. Petersburg entdeckte ein junger Bijoutierlehrling aus der Schweiz diese verwirrende Formel, die der französische Dichter Gérard de Nerval kurz vor seinem Tod unter sein Porträt, einen Stich von Eugène Gervais, geschrieben hatte. Hat Freddy Sauser in dieser Verweigerungshaltung gegenüber dem Bild von sich selber den Fingerzeig gesehen, auf den er wartete? Für ihn sollte der andere, das andere Ich, der Dichter werden. Als er sich Ende 1911 nach New York begibt, ist seine Entscheidung klar: Er wird schreiben. Das hält er in einer für ihn typischen Ritualhandlung fest, indem er ein Selbstporträt zeichnet und dieses mit einer Kopie von Nervals Formulierung versieht.1 Um sich Zeit zu lassen, datiert er die Zeichnung mit „5. Mai 12“ und signiert sie mit „FS“, mit Initialen, die bald keine Gültigkeit mehr haben werden, da er für sich einen neuen Namen erfindet: Blaise Cendrars. Vierzig Jahre lang wird dieses „Je suis l’autre“ bei Cendrars von Text zu Text wie ein Wahlspruch immer wieder auftauchen, manchmal auch wie ein Ruf zur Ordnung: Nur nie aufhören, ein anderer zu sein – im Leben wie auch in den Büchern.
Unfassbar zu bleiben war vielleicht der nachhaltigste Anspruch, den Cendrars an sich selber stellte. Ein definierbarer Schriftsteller ist in seinen Augen ein toter Schriftsteller (was für ihn für den Menschen überhaupt gilt). Nichts berauscht ihn mehr, als sich verschiedene parallele Leben auszudenken, von seinen eigenen Verwandlungen zu träumen oder unablässig von einer Identität in die andere zu schlüpfen wie Proteus, der Meeresgott, der damit lästigen Fragen entrann. Oder wie Fantomas, die moderne Verkörperung des Proteus, ein Genie des Verbrechens, das Cendrars als erster Dichter bereits 1914 in einem seiner Elastischen Gedichte feierte und das ihn auch zu den Abenteuern seines Romanhelden Moravagine inspirierte: eines Monsters, dem er ursprünglich nicht weniger als 18 Bände widmen wollte. Der Allmachtstraum, den er Dan Yack, der ihm selber ähnlichsten Figur, verleiht, ist auch sein eigener:

Verschwinden. Am liebsten in alle Länder der Welt zugleich.

Henry Miller, den man nicht so schnell aus der Reserve locken konnte, stimmte vorbehaltlos zu:

Er macht Verwandlungen durch, ohne seine Identität preiszugeben.

Dieser Wunsch zu verschwinden mag erstaunen, scheint er doch im Widerspruch zu stehen zur starken Präsenz, die Cendrars in seinen Büchern hat. Dadurch, dass er sich ins Rampenlicht stellt, wirft seine Person einen Schatten auf seine Texte. Das verleitete immer wieder zur Annahme, das Schreiben von Abenteuergeschichten sei ihm wichtiger als das Abenteuer des Schreibens. Bilder, Reisen und Reportagen traten bei diesem „Bourlingueur“2 als eine Trinität in Erscheinung, mit der er eher im Abseits der poetischen Moderne zu stehen schien. Schrieb er denn nicht gleichsam so, wie man bei einem Zwischenhalt seinen Koffer auspackt, ohne sich gross darum zu kümmern, was sich literarisch gesehen daraus ergeben sollte? Es handelte sich da zweifellos um einen Mann der Tat (ein Text kann eine Tat sein); aber war das denn der Autor eines Werks, mit allem, was das sowohl an Besessenheit wie auch Konstruktionswillen, an Experimentierfreude wie auch Ausdauer bedeutet? Und will denn einer verschwinden, der alles daran setzt, nicht in Vergessenheit zu geraten? Cendrars ist das absolute Gegenbeispiel zu einem Pessoa oder einem Cioran, für die sich das Leben eines Schriftstellers – zum grossen Leidwesen aller, die an Biographien interessiert sind – nur zwischen seinen Buchdeckeln abspielt. Das Paradox bei Cendrars ist, dass er sich jedem Zugriff gerade dadurch entzieht, dass er sich besonders ausstellt. Bei ihm vermischt sich das Werk wie bei Nerval, in welchem er klarsichtig seinen Doppelgänger erkannte, mit dem Leben des Autors. Die Bücher beider Autoren prägt die erste Person Singular mit einer manchmal überwältigenden Dominanz, sie schiebt immer wieder den Namen des Autors in den Vordergrund, sei’s in der Form von Zeitbetrachtungen, sei’s in Verbindung mit Reisen oder in Liebesbekenntnissen. Wie kommt es denn, dass diese Werke, die unablässig eine biographische Lesart suggerieren, eine solche so gut sabotieren können? Dass Cendrars es mit den Fakten nicht immer so genau nahm, ist seit langem bekannt; doch statt ihn nun deswegen einfach der Lügen und der Mythomanie zu bezichtigen, ist es lohnender, das Ziel seines Schreibens zu hinterfragen: vor dem Hintergrund seiner ebenso einzigartigen wie selbstverständlichen Art, Fiktion mit Zeugenschaft zu vermischen. Die Unbestimmtheit dieses seltsamen autobiographischen Raums hat sehr früh schon die Legendenbildung begünstigt. Wieviel Poesie haben diesbezüglich gerade die besten Literaten aufgeboten! Für Guillaume Apollinaire ist Cendrars der Bücherwurm in den Bibliotheken; für Jean Cocteau der Pirat vom Genfersee; John Dos Passos adelt ihn als Homer der Transsibirischen Eisenbahn, Paul Morand als deren Tolstoi. Louis Calaferte hat aus all diesen Metamorphosen seinen eigenen Schluss gezogen und verneigt sich vor „dem Menschen Gottes“.3
Wie dem auch sei: Das Bedürfnis, um seine Person herum eine Legende zu bilden, ist bei Cendrars schon frühzeitig da, bleibt konstant und hat System. Das geht Hand in Hand mit der Wahl eines Pseudonyms und mit der Tatsache, dass er schreibt. „Ich bin alle Gesichter“, verkündet schon der frühe Dichter von Panama, während vom andern Ende seines Werks her der Homme foudroyé4 das Echo dazu erklingen lässt:

Ich möchte der Anonyme bleiben.

Anonym nicht in Ermangelung eines Namens, sondern aus Lust am Exzess. Wie soll man einen bezeichnen, der den Weg wählte, sich zu entblössen, indem er sich vervielfacht? Für die Literaturgeschichte war der Fall klar: Cendrars ist eine dubiose Figur, ein Querschläger, den man schlecht einordnen und klassifizieren kann. Ein so unordentlicher Schriftsteller bringt die Literaturkritik zur Verzweiflung; sie weiss nicht, was sie mit ihm anfangen soll; bald reiht sie ihn unter die literarischen Kubisten und andere Vorläufer des Surrealismus ein (Max Jacob, Salmon, Reverdy), bald unter die Reiseschriftsteller (Segalen, Levet, Larbaud), und dann rechnet sie ihn wieder den Autoren des Ersten Weltkriegs zu (Genevoix, Dorgelès, Barbusse), den Abenteuerschriftstellern (Mac Orlan, Kessel) oder, in jüngerer Zeit, den „Autofiktionalisten“ (Céline, Soupault, Calaferte). Dabei entsteht jeweils das Bild eines Wegbereiters oder Freischärlers, das aber nur aus einer zufälligen Kenntnis seines Werks (einiger Gedichte, einiger Romane) resultiere, wobei die Kontinuität – oder Diskontinuität – dieses schriftstellerischen Unternehmens weder dargestellt noch hinterfragt wird.

Wie wird man ein Proteus? Eine Frage, wohlverstanden, auf die es keine Antwort gibt. Immerhin weiss man heute besser, wie Cendrars vor dem Ersten Weltkrieg in einem Europa mit durchlässigen Grenzen zum Dichter wurde. Ein frühes Reiseerlebnis hat in Freddy Sauser die Lust geweckt, sich vom gängigen Alltag zu lösen; eine Lust, der er treu bleiben sollte. Er ist ein „Suisse pérégrin“, ein „Reiseschweizer“, wie Nicolas Bouvier5 als Kenner der Materie treffend sagt. Schon als junger Mann hat er zwei Jahre lang das vorrevolutionäre Russland und ganz Europa bereist: Italien, Deutschland, Belgien und Frankreich, bevor er dann New York entdeckte, von wo aus er mit seinem Gedicht „Ostern“ zurückkehrte und sich in Paris einen Namen machte. Der Erste Weltkrieg setzt dieser Horizonterweiterung ein jähes Ende. Dass Cendrars 1914 als Freiwilliger der Fremdenlegion beitritt, kann nicht über seine Lehrjahre hinwegsehen lassen, während deren der junge, zweisprachige Dichter gleich nach seiner Ankunft in Paris mit Les Hommes nouveaux eine deutschfranzösische Zeitschrift gründet und anfänglich sowohl in Paris wie in Berlin publiziert. Er verkehrt gleichzeitig mit den Kubisten, den Expressionisten und den Futuristen. Mit der Entdeckung Brasiliens macht er einen weiteren Schritt aus dem alten Europa hinaus. Alles verführt ihn dort: das Völkergemisch ebenso wie die kosmogonische Schönheit der Landschaft, die Zeugnisse des Barocks ebenso wie die riesigen Kaffeeplantagen. Und insbesondere der Umstand, dass es dort keine festgefügten Traditionen gibt. Während der abtrünnige Surrealist Marcel Arland 1924 in seinem Artikel „Sur un nouveau mal du siècle“6 für das schriftstellerische Abenteuer im stillen Kämmerlein plädiert, wird der Dichter „der ganzen Welt“7 zum Kronzeugen eines neuen Heimwehs, das in einem gegenläufigen Sinn das Anderswo zur Heimat und das Verreisen zur Sehnsucht erklärt.
Zwar stammte er aus La Chaux-de-Fonds, doch wählte Cendrars als Ort seiner Geburt (vgl. Im Herzen der Welt, Anm. d. Ü.) und Wiedergeburt die Rue Saint-Jacques in Paris, was manche Biographen in die Irre führte (später, in seinen Lebenserinnerungen, war er auch bestrebt, aus Paris einen Meereshafen zu machen). Apollinaire, der von Ostern begeistert war, führt ihn in die Zirkel der Avantgarde ein, und Cendrars pflegt ab 1912 Kontakt mit jenen Malern der „École de Paris“, die er später zu den „seinen“ zählen wird: Chagall, Léger, Roger de la Fresnaye oder Modigliani. Mit der Publikation der Prosa von der Transsibirischen Eisenbahn und der Kleinen Jehanne von Frankreich in Form eines Leporellos, das Sonia Delaunay künstlerisch gestaltete, wird Cendrars ein Jahr später zum Dichter von Paris, der „Stadt des einzigartigen Turms, des Grossen Galgens und des Rads“. Zusammen mit den Delaunays beteiligt er sich am Streit um die Herkunft des Begriffs des „Simultanen“, den Henri-Martin Barzun8 für sich beansprucht. Lässt er sich jetzt von ästhetischen Grabenkämpfen vereinnahmen? In seinem Erinnerungsroman Bourlinguer9 sagt er, dass er das damals befürchtet habe. Der Krieg verschafft ihm also eine erste Gelegenheit, mit einem Literatenleben zu brechen, das ihn ohnehin nicht befriedigte. In diesem Krieg, dem er sich als Freiwilliger auf französischer Seite aussetzt, verliert er am 28. September 1915 seinen rechten Arm, seinen Dichterarm. Künftig ist er der Einarmige der französischen Literaturszene, womit sich die Legendenbildung um seine Person aufgrund eines buchstäblich einschneidenden Ereignisses verstärkt. Diese Verwundung löst in seinem Leben wie in seinem Werk eine Wende aus, deren Tragweite lange Zeit rätselhaft geblieben ist. Im Verlauf des Sommers 1917 macht Cendrars aus dieser Wunde des Todes eine Wunde des Lebens. Er wird sich bewusst, dass der bei Nerval entlehnte Wahlspruch sozusagen geradezu nach dieser Verstümmelung rief, damit er Wirklichkeit werden und er, Cendrars selber, durch diese Attacke auf seinen Körper die unerhörte Gelegenheit einer Wiedergeburt bekommen konnte. Der andere, auf den er gewartet hatte, war der Dichter der linken Hand. Und er selber damit endlich der Verheissungen würdig, die sein Pseudonym in sich birgt.
Cendrars mag keinerlei Zugehörigkeit. Wie Nerval ist er der Ansicht, dass, wer ein freier Mensch sein will, sich zuerst einmal des Namens entledigen muss, den er erhalten hat. Eine Abnabelung, die in einer Gedichtzeile im nachgelassenen Fragment „Im Herzen der Welt“ zum Ausdruck kommt:

Ich bin nicht der Sohn meines Vaters.10

Zwar beschwört er immer wieder in Hülle und Fülle seine Familiensaga herauf, doch gelingt ihm dabei der Coup, nie seinen Familiennamen preiszugeben. Das Pseudonym ist für ihn nicht nur ein Künstlername, sondern auch ein diskreter Vatermord, und trotz einiger Versuchungen wird ihn nichts dazu bringen, sich irgendeiner Gruppierung anzuschliessen, weder einer literarischen Bewegung noch einer politischen Partei. Eines Tages vertraut Cendrars Nino Frank überraschend an, sein Pseudonym sei sein „einzig wahrer Name“. Aus einer Laune heraus lässt er durchblicken, dass er sich mit dem Pseudonym nicht nur einen neuen Namen geben, sondern mit diesem auf provozierende Art auch eine symbolische Absicht verbinden wollte. Blaise Cendrars steht für „braise“ (Glut) und „cendres“ (Asche). Damit beschwört er das Bild des Phönix, der aus der Asche steigt, und macht es zum Wahrzeichen seines Wunsches zu schreiben: auferstehen in seinem eigenen Werk, ein Wiederauferstehungsprozess ohne Ende.

Im Kreis um Apollinaire diskutieren die jungen Dichter vor allem drei Schlüsselbegriffe: das Neue, die Moderne und die Avantgarde. Begriffe, die ohnehin nicht dasselbe bedeuten, darüber hinaus aber auch unterschiedliche, je nachdem sogar gegensätzliche Vorstellungen und Haltungen implizieren. Apollinaire hat sich zum Meister des Neuen proklamiert, insbesondere mit seinem Vortrag „L’Esprit nouveau et les poètes“ von 1917, der grossen Widerhall findet und Polemiken auslöst. Der Begriff Avantgarde gehört dagegen nicht zum Wortschatz des Dichters von La Jolie rousse. Apollinaire ist auf der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen Erneuerung und Tradition, zwischen Abenteuer und Ordnung, und misstraut dem Aktivismus der italienischen Futuristen und ihres Vorreiters Marinetti. Cendrars dagegen distanziert sich bald einmal von den Anhängern des „Neuen“, die er als eine harmlose ökumenische Bewegung betrachtet:

Apollinaire
Geht einen Schritt vor, einen zurück, hält manchmal inne
.
11

Er sieht in Apollinaire einen Dichter des Übergangs, der auf Kosten von radikaleren Brüchen bloss das Überraschende pflegt. Cendrars nimmt aber auch nicht für die Avantgarde Partei, hinter der eine Haltung steht, mit deren Launen er sich nie wird anfreunden können. Er mag die „-ismen“ nicht, diese literarischen und künstlerischen Bewegungen mit ihrem arroganten Suffix, die kollektives Arbeiten höher bewerten als das einsame Abenteuer, das für ihn Schreiben unabdingbar bedeutet. Unwirsch verwirft er den „literarischen Cancan“ und die Schulen, die demonstrativen Auftritte und Manifeste. Er ist unempfänglich für Ideologien und verteidigt die Freiheit des Künstlers gegenüber Programmen und Theorien. Ein politisches Engagement, welcher Art auch immer, hält er für unvereinbar mit dem Schreiben oder der Kunst, eine Ansicht, die zu einem langen Streit mit seinem alten Freund Fernand Léger führen wird.
Seine klare Absage an die Avantgarde verhindert bei ihm auch jede Kumpanei mit den Dadaisten und später auch mit den Surrealisten, obwohl es zwischen diesen und ihm einige literarische Berührungspunkte gibt. Ihm missfällt ihre Gruppendynamik, und so verabschiedet er sich von den Pariser Literaturzirkeln und besteigt einen Dampfer nach Brasilien. Die Ironie des Schicksals will, dass er in São Paulo von einer Gruppe von Modernisten empfangen wird, die sich von Europa emanzipieren möchten, indem sie Cendrars zum Vorbild nehmen und seine Lyrik kopieren wollen. Lange Zeit später freut er sich, in „Trop c’est trop“, immer noch über ihre überraschten Mienen:

Sie hatten noch keinen wie mich gesehen, der ganz anders aussah, als sie erwartet hatten…

Im übrigen hatte der Erste Weltkrieg eine neue Situation geschaffen. Der Verstümmelte verstand nicht mehr, wie man den Krieg mit verbalen Bleisoldaten nachstellen konnte. Diese kriegerischen Posen und Texte, diese Leidenschaft der Polemik: Für die Erfahrung, dass sie direkt in die Schützengräben führen, hatte er mit seinem eigenen Blut bezahlt. Wie konnte man denn jetzt wieder mit militärischen Metaphern spielen? Für Cendrars bedeutet Avantgarde, in jedem Sinn des Wortes, „avant-guerre“ (Vorkrieg).
Die Moderne holt ihn aber immer wieder ein. In der Nachfolge Baudelaires macht er sie zu seinem Fetischwort. Doch zieht ihn, anders als die Avantgardisten, dabei als Zeit nicht die Zukunft an, sondern die Gegenwart, die Aktualität, in der es immer wieder, einschliesslich der Mode und der Werbung, etwas Neues, Unvorhergesehenes und Vergängliches gibt. 1913 träumt er von „Plakat-Gedichten“ und entwirft zusammen mit Sonia Delaunay ein solches für die Uhrenmarke Zenith. 1927 lanciert er, einem Manifest gleich, einen Text mit der provozierenden Gleichung „WERBUNG = DICHTUNG“, die er in Profond aujourd’hui wieder aufnimmt, einem Band mit Schlüsseltexten, den man als sein Pendant zu Baudelaires berühmtem Buch Peintres de la vie moderne betrachten kann. Die antike Welt kannte die Sieben Weltwunder; Cendrars zählt deren 700 oder 800 auf, die ihn umgeben, täglich vergehen und wieder neu erstehen. In seinem ganzen Werk wird er nicht müde, immer wieder eine Bestandsaufnahme des „zutiefst Heutigen“ zu machen: der Zug, der Eiffelturm, das Flugzeug, das Grammophon, das Automobil, die Werbung, die Monokultur, der Ozeandampfer, die Strasse und natürlich das Kino… Nachdem der Zweite Weltkrieg mit der Technik so viel Schrecken verbreitet hatte, distanzierte sich Cendrars von der modernistischen Begeisterung seiner Anfänge. Doch trotz seiner Verbitterung und seiner Desillusioniertheit blieb er dabei, dass die Moderne sich durch drei Wesensmerkmale auszeichne: durch die Hinterfragung von Autoritäten, die Ablehnung von Modellen und Regeln sowie durch die Passion des modernen, generell zu Ruhelosigkeit und Entfremdung verurteilten Menschen, in der sich Freude mit Not paart; ein spezieller Blick auf die Welt, in der Cendrars das jeweils andere aufgehoben sieht; ein Prinzip des permanenten Experimentierens und Erforschens, kurz: der Wille, ein Pseudonym zu bleiben…

Während seiner Begegnung mit Cendrars im Frühling 1917 zeigte sich Philippe Soupault entzückt von diesem „wahren Dichter“, der ihm im Gespräch so viele Perlen servierte. Von ihm hatte er erfahren (und dann nie mehr vergessen), dass „man die Poesie, bevor man sie schrieb, leben musste – Schreiben, das war etwas Überflüssiges“.12 In der Heraufbeschwörung dieser Freundschaft auf den ersten Blick im Café Flore, wo Apollinaire seine Freunde um sich scharte, schleicht sich unauffällig das Phantom Rimbauds, dessen Bruch mit den literarischen Zirkeln und dessen Abkehr von Paris Cendrars und Soupault gleichermassen faszinierten. Weniger greifbar wird die ebenso verwirrende wie einschüchternde Stille, die Rimbauds Verschwinden hinterliess und die alle modernen Dichter erst einmal angehen und bewältigen mussten, um überhaupt schreiben zu können. Welches Wort konnte dem Schweigen Rimbauds überhaupt standhalten? In seinem Text „Im Zeichen von François Villon“13 kehrt Cendrars den Spiess um und macht Rimbaud zum Vorwurf, dass er verstummt sei. Das war Rimbauds einziger Fehler:

Er hätte zurückkommen sollen, weiterhin schweigen oder wieder mit Schreiben anfangen sollen, aber mit etwas völlig anderem.

Was aber bringt es, als Schreibender vor einem solchen Schweigen zu kapitulieren? Die Konsequenz lautet für Cendrars: Poesie machen aus allem, was wichtig ist. Ein Schriftsteller, der es fertigbringt, seiner Asche zu entsteigen, dankt niemals ab.
„Ich bin der Andere“ ist damit die Devise eines Autors geworden, der das Experimentieren zu seinem höchsten Gut macht, ohne sich dabei um irgendeinen Formalismus zu kümmern. Es ist gut, wiedergeboren zu werden, wenn das immer wieder aufs neue geschieht. Wenn ein literarischer Vorgang, und sei es ein noch so geglückter, zum Rezept werde, interessiere er ihn nicht mehr, vertraute Cendrars Michel Manoll 1950 während ihrer Radiogespräche an.14 Die literarischen Klischees, die er am meisten hasst, sind seine eigenen, denn sie bedrohen seine Fähigkeit, sich zu erneuern. Sollen sich doch andere der Formulierungen bedienen, die er auf den Punkt gebracht hat! Eine seiner liebsten Selbsteinschätzungen ist die des Wegbereiters, bei dem andere abschreiben. Gleichzeitig entzückt ihn dabei, dass er wahrgenommen wird. Mit welchem Genuss lässt er doch immer wieder durchblicken, ohne es wortwörtlich auszusprechen, dass Apollinaire ohne sein Gedicht Ostern vielleicht nicht so, wie er’s tat, durch seine Zone15 hätte schweifen können und dass Céline nie dieselbe Reise ans Ende der Nacht hätte machen können, wenn er nicht Moravagine16 als Reiseführer gehabt hätte…
Sich dem Ruf des Publikums zu entziehen fiel ihm manchmal schwer. Mit der Erzählung „Rhum“, und erst recht mit, dem unvollendeten Roman L’Argent, versuchte er den unverhofften Erfolg von Gold ein weiteres Mal auszubeuten, ohne dass er nochmals die magische Sogwirkung dieses Buches herstellen konnte. Hingegen brach er die Serie seiner Reiseblätter nach der Publikation des ersten Bändchens Die „Formosa“ ab, wiewohl er deren sieben geplant hatte! Selber schuld, der Leser, der Panama entdeckt und bedauert, dass Cendrars nachher die Form des langen Gedichts verliess, um künftig Sonette zu „denaturieren“ oder aus einem Fortsetzungsroman von Gustave Le Rouge „verbale Fotografien“ auszuschneiden. Muss sich ein Schriftsteller mit einem Pseudonym gegenüber einem renommierten Kollegen nicht wie ein Nomade verhalten? Inwiefern ein Autor ein Nomade ist, erschliesst sich weit stärker aus den Reisebewegungen seiner Texte als aus der Aufzählung seiner tatsächlichen oder imaginären Reisen. In dieser Hinsicht ist die Qualität der Ernte weniger wichtig als das „unstillbare Bedürfnis nach Tapetenwechsel und Transplantation“, das Cendrars sich im Text „Une Nuit dans la forêt“17 zuschreibt und das ihn, mit unterschiedlichen Ergebnissen, dazu antreibt, mit sich selber zu brechen und sich, einmal mehr, zu verabschieden: in der Hoffnung auf die Wiedergeburt.
Seine Ungeduld und die Hektik der Termine drängen ihn zunehmend, immer mehr Tageseinfälle zu notieren, die oft nur eine einzige Zeile ausmachen. Vieles bleibt dabei nur Projektskizze, hat aber Einfluss auf später Publiziertes, verschiebt Bedeutungen und erweitert das Spektrum, indem es dem kreativen Fluss freien Lauf lässt und ihm vor einem – wie immer gearteten – Endprodukt Priorität gibt. Wie kann man schreiben, ohne dass man einen Unbekannten vor sich weiss? So kündigt Cendrars in seinen Publikationsverzeichnissen von Buch zu Buch „33 Bände“ an, die er in Vorbereitung habe, zusätzlich zu den Bänden, an denen er gerade arbeite oder die im Druck seien – allerdings unter langsamen Druckerpressen, denn einige dieser Titel erscheinen nie, obwohl sie offiziell angekündigt waren, so zum Beispiel Aleijhadino. Histoire d’un sanctuaire brésilien, Archives de ma tour d’ivoire oder Le Poids de la planète.

Was für eine Rolle spielt die Spontaneität in der so augenfälligen Diskontinuität seiner Bücher? Anders als es den Anschein macht, ist die Improvisation bei Cendrars von langer Hand geplant. Hat seine langsame und peinlich genaue Arbeitsweise damit zu tun, dass er sich in jungen Jahren zum Bijoutier berufen fühlte? Zeit seines Lebens führte er im geheimen sorgfältig Buch über seine Werke und hinterliess damit Aufzeichnungen, die das Entstehen dieser Werke in ein oft überraschendes Licht tauchen. Sein Liebäugeln mit dem Augenblick und sein Wiederkäuen, seine Leidenschaft für das Neue und die ihm eigene Sturheit verbinden sich auf sonderbarste Weise: So schrieb er Gold in sechs Wochen nieder, doch dieser Roman hatte eine Inkubationszeit von 15 Jahren. D’Oultremer à Indigo geisterte als Titel zwanzig Jahre lang herum, bevor das Buch schliesslich 1940 erschien. Und als La Main coupée18 1946 herauskam, wurde sich Cendrars bewusst, dass er dieses Buch schon seit 1918 angekündigt hatte. Hinter den laut verkündeten Brüchen verbergen sich lauter Spiegelungen und Weiterentwicklungen! Cendrars arbeitet im Zeichen der Spirale, und sein komplexes Spiel von Wiederaufnahmen und Verwerfungen lässt in seinem Schreiben jene endlose Bewegung erkennen, die den Phönix wach hält, den manch anderer in seinem Pseudonym hätte sanft entschlafen lassen.
Ein Buch von Cendrars folgt dem andern, ohne dass eines dem andern gleichen würde. Paradoxerweise scheint ihre Diskontinuität aber geplant, ja sogar einem präzisen Rhythmus unterworfen, was dazu führt, dass man das Gesamtwerk aufgrund seiner Frontenwechsel in klare Zeitabschnitte unterteilen kann. Auf die dichterische Periode (1912–1924) folgt zunächst die der Romane (1925–1929), schliesslich die der Lebenserinnerungen (1945–1949). Das ist zweifellos nur eine Grobeinteilung, doch sie drängt sich auf. Um eine trotz aller Brüche so klare Entwicklung interpretieren zu können, muss man auch berücksichtigen, was für einen Einfluss der Zeitgeist auf sie hatte; zum Beispiel, was sich jeweils in Zeitschriften, Zeitungen und im Verlagswesen tat. In dieser Hinsicht könnte man Soupault und Cendrars in ihren Entwicklungen miteinander vergleichen. Was dem Dichter der Reiseblätter aber höchst eigen war, ist seine spezifische Lust auf Brüche und Trennungen:

Wenn du liebst, musst du abhauen. 19

Ein echter Dichter ist, wer alle Brücken hinter sich abbricht. Cendrars’ Utopie war: Schreiben ist verreisen ohne jeden Gedanken an eine Rückkehr. Jedes Buch muss sich seine eigene Poetik erschaffen. Diesbezüglich ist Cendrars oin Vorläufer von Georges Perec, der die Idee, zweimal das gleiche Buch zu schreiben, genauso verwarf, ausser man tauche es damit in ein völlig anderes Licht. Modernité oblige, die Moderne verpflichtet: Ein neues Projekt legitimiert sich nur dadurch, dass man jedesmal alles, was man über das Schreiben weiss, wieder in Frage stellt. Teilt man das Werk in Perioden ein, so gibt es in jeder von ihnen wieder Unterschiede. So gibt es zum Beispiel einen schroffen Gegensatz zwischen der epischen Anlage der Prosa von der Transsibirischen Eisenbahn und der spielerischen Dekonstruktion der Denaturierten Sonette, zwischen der Hermetik der Elastischen Gedichte und dem Ansichtskartenstil der Reiseblätter. Ist es denn tatsächlich derselbe Autor, der, tief beeindruckt von der christlichen Liturgie, das Gedicht Ostern schreibt und sich dann in den Dienst der Werbung stellt? Unter solchen Umständen ist es ein Ding der Unmöglichkeit, einen Dichter wie Cendrars näher definieren zu wollen! Während André Gide Die Prosa von der Transsibirischen Eisenbahn, die er mit der Saison en enfer und dem Bateau ivre von Rimbaud vergleicht, gegenüber seinem Freund Jacques Rivière lobt, verwahrt sich dieser 1919 lautstark dagegen, etwas von Cendrars in der Nouvelle Revue Française zu publizieren. Hat er nicht eben in einer Zeitschrift ein Gedicht von Cendrars ausgemacht, dessen „Ungewöhnlichkeit vor allem in einer mehr oder weniger ungewöhnlichen typographischen Darstellung besteht“? Cendrars mochte zwar als der Strawinsky der neuen Dichtung gelten, doch dieser Dichter amputierte Rivière nach dessen eigenem Bekunden „sowohl Arme wie Beine“.20

Nach Auffassung von Cendrars beginnt die Poesie an den Schnittstellen von Leben und Traum, Wirklichkeit und Fiktion sowie dort, wo sich das individuelle Schreiben mit dem Schreiben anderer vermengt. Der Dichter ist weder Literat noch Spezialist. Er schreibt nicht immer in Versen, auch, nicht in freien Versen ohne Interpunktion. Man erkennt ihn eher an seiner Vision als an der Metrik oder der Typographie. Damit die Vision entstehen kann, braucht es einen offenen Zeichenfluss, den Identitätstausch im Sinne des Doppelgängertums, „unsagbare Übergriffe“ seitens Raum und Zeit sowie das Aufmischen von Alltagstexten in der Form der Collage oder des Palimpsestes. Le Rêve et la vie und Dichtung und Wahrheit: Diese beiden Titel von Nerval und Goethe hätte Cendrars gerne selber erfunden. Und zusätzlich braucht es den Blitzschlag der Eingebung, der solche Interferenzen kristallisiert, damit sie ihr Geheimnis preisgeben können.
Entsprechend sind alle Figuren bei Cendrars die Alchimisten ihres eigenen Lebens. General Suter, Dan Yack und Galmot21 weigern sich, besessen zu sein von ihrem Besitz; sie sind allzeit bereit, alle nur denkbaren Risiken auf sich zu nehmen; sie horten nichts, sondern setzen konsequent auf das Neue, das Ungewohnte und das Unvorhersehbare. Sie widerstehen allem, ausser dem Ruf des Unbekannten. Diese Männer der Tat sind Dichter, denn sie erschaffen ihr eigenes Universum und erfinden dabei ihr Leben. Wenn sie auf Reisen gehen, reisen sie ins Land ihrer Kinderbücher, um mehr vom Leben zu verstehen. Wenn sie bauen, bauen sie mit dem Material ihrer Träume. Offiziell gelten sie als Sammler, doch jeder Buchhaltung ziehen sie „die kumulative Bestandsaufnahme der Welt“ vor, wie Paul Morand im Zusammenhang mit Cendrars formulierte. Damit er ihr Biograph werden kann, listet Cendrars mit rabelaisschem Vergnügen ihre Tätigkeiten und ihr Scheitern auf. Auf die Reise nach Amerika macht sich bei ihm ein „Johann August Surer, Bankrotteur, Ausreisser, Strolch, Vagabund, Dieb, Hochstapler“. Wen erstaunt da, dass dieser Mann stolz erhobenen Hauptes vom Schiff steigt? Ebensowenig lässt sich ein John Paul Jones22 hinter Gitter und Definitionen versorgen, ein Mann, der nichts weniger gewesen sein soll als „ein Held, ein Feigling, ein Verräter, ein Patriot, ein Humanist, ein freier Weltbürger, ein Freiheitsheld.“ Die schönste Wortparade bietet Cendrars aber, wenn er Galmot beschreibt:

Hauslehrer, Immobilienbesitzer, Aushilfekraft in der Gegenspionage, Reporter, Essayist, Feuilletonist, Forscher, Geometer, Botschaftsbeauftragter, Kolonialist, Goldsucher, Seringhero,23 Kautschukzapfer, Balata-Jäger,24 Basarbetreiber, kleiner Angestellter, Industrieller, Inhaber einer Schiffs- und einer Fluglinie, Financier, Multimillionär, Abgeordneter von Guayana, Erfinder der Landeslotterie, Mäzen, Kapitalist, Philanthrop, Insasse im Pariser Santé-Gefängnis, Romancier…

Wunderbar, wie da einer durch lauter Erklärungen zum Verschwinden gebracht wird! Man täusche sich aber nicht über die Herkunft eines solchen Katalogs von Heldentaten: Ihre Poesie resultiert aus der Überhöhung eines Misserfolgs und einer unheilbaren Verletzung.
Wie viele Listen legte Cendrars doch an! Sie können für ihn nicht ausufernd und disparat genug sein. Damit nimmt er die Welt in Besitz. Er katalogisiert alles: die Länder, die er bereiste, wie die Vögel; Heilige, die der Legende nach fliegen können, wie Frauen, Städte wie Bücher, Edelsteine wie Wörter. Unermüdlich lässt er sie alle Revue passieren, mit derselben Genüsslichkeit wie Rabelais, Jules Verne oder Whitman: unverbesserliche Weltensammler, in deren Gefolgschaft er sich sieht, ausserhalb jeder literarischen Schule. Besonders hingezogen fühlt er sich zu Enzyklopädien (Camille Flammarion, Elisée Reclus), zu Anthologien (die Patrologie von Abbé Migne),25 populären Jahrbüchern und Kalendern (vorzugsweise ohne korrekte Orthographie); und er behauptet, dass er überallhin das Generalverzeichnis der Tarife der Zolldirektion mit sich schleppe, das mindestens 50 Kilo26 wiegt. Dem Interviewpartner Michel Manoll, dessen angestammte Leichtgläubigkeit dabei allerdings etwas ins Wanken gerät, gibt er zur Antwort, das sei alles nur eine Angelegenheit der Sprache, und er habe zum Beispiel, um den Roman L’Homme foudroyé schreiben zu können, vorweg eine Liste von 3.000 Wörtern erstellt, die er dann auch alle verwendet habe. Diese Liste ist nie gefunden worden, doch sie antizipiert kurioserweise, ob es sie nun gab oder nicht, ein zwanghaftes Vorgehen, das später Raymond Queneau und seinem „Oulipo“27 eigen war. Vor allem entsteht beim Leser der Eindruck, dass auch ein Abenteurer ein grosser „rhétoriqueur“28 sein kann.
Einen Ehrenplatz haben bei Cendrars folgende „Welt-Bücher“: Le Devisement du monde von Marco Polo,29 L’Ève future von Villiers de l’Isle-Adam, Le Mystérieux Docteur Cornélius von Gustave Le Rouge und Le Latin mystique von Remy de Gourmont, eine Kompilation lateinischer Autoren des Mittelalters, deren Entdeckung Cendrars mit seiner eigenen intellektuellen Geburt gleichsetzt. Im Alter von zwanzig Jahren hat er Gourmom zu seinem Meister erkoren, und er bleibt diesem facettenreichen Vielschreiber treu, der eine wandelnde Bibliothek und eine Art Fantomas der Literatur war.
Die Bücher, die Cendrars verschlingt, weisen darauf hin, dass er sich keinen Deut um den literarischen Kanon scherte und sich, wie Nerval, mit Vergnügen in die niedrigeren Gefilde der Literatur begab. Besonders spannend sind bei Cendrars die wuchernden Wortreihungen, die ins Unermessliche weisen, was er selber als „barocke Szenographie“ bezeichnete. Diese Gier zeigt sich schon in der Prosa der Transsibirischen:

Ich hatte Hunger
Und all die Tage und all die Frauen in den Cafés und all die Gläser
Ich hätte sie am liebsten ausgetrunken und zerschlagen
Und all die Schaufenster und all die Strassen
Und all die Häuser und all die Leben

Und eine ähnlich starke Begierde tritt in Panama in Erscheinung:

Ich habe Durst
Verflucht
Verflucht noch mal
Verflucht noch mal

Woher kommt diese Atemlosigkeit, die sich Cendrars’ beim Schreiben bemächtigt? Das Vermessen, Zählen und besonders das Benennen verwandeln die Welt in einen begehrenswerten, grossen Leib, den sich dieser nomenklatorisch versessene Dichter auf die Fahne schreibt. Im Spätwerk enthüllt Le Lotissement du ciel, der letzte Teil seiner Lebenserinnerungen, die mystische Variante desselben Begehrens:

Die Kraft des Gebets besteht darin, die Dinge der Schöpfung aufzuzählen und sie in einer Gefühlsaufwallung bei ihrem Namen zu nennen.

Ein, wenn man so will, ähnlich magischer Akt wie die Erfindung des Pseudonyms. Wer die Welt tauft, kann mit ihr zusammen jedesmal, wenn er sie anruft, wieder neu geboren werden. Darin steckt, im weitesten Sinn des Wortes, ein Akt der Dankbarkeit. Wenn der Dichter die „Dinge der Schöpfung“ buchstabiert, beruft er sie zum Leben. Dabei findet er zur unbändigen Freude zurück, die ihm das Abc in seiner Jugend verschaffte, als sich unter dem verwunderten Blick des Kindes Briefe und andere Gegenstände wie kommunizierende Gefässe austauschten. Kraft der Aufzählung kehrt der Dichter zweifach zu den Ursprüngen zurück. Er knüpft bei den Gefühlen seiner Kindheit an, gleichzeitig beginnt er damit, die Welt neu zu erschaffen. Das Abrufen wird ein Einberufen. Indem er die mythische Handlung des Allmächtigen Namensgebers wiederholt, schreibt der Dichter eine zweite Genesis, und indem er die Wesen und Dinge aus dem Urchaos holt, entreisst er sie dem Unbestimmten und gibt ihnen Leben.
„Heute morgen ist der erste Tag der Welt“: Diese Zeile aus Panama enthält eine ganze Poetik. Cendrars hat die Leidenschaft der Kosmogonie. Leidenschaft existiert bei ihm nur in einem kosmogonischen Zustand. Und diese Leidenschaft – gleichzeitig seine erste Verletzung – verbindet ihn mit seiner Mutter, die ihn in schönen Bilderbüchern lesen lehrte, wo er zum erstenmal Dinge wie diese sah:

Den Wal
Die dicke Wolke
Das Walross
Die Sonne
Das grosse Walross
Den Bären den Löwen den Schimpansen die Klapperschlange und die Fliege

Die Mutter nahm ihn dabei auf den Schoss. Das ist alles, was er von dieser Frau hatte, die an Depressionen litt und sich in Schweigen hüllte. Seither hat Cendrars immer Durst. Tinte und Druckerschwärze werden ihm nie die Muttermilch ersetzen können, die ihm entging; die Mutter erlebte er immer nur als eine Person, die Herbarien anlegte und mit lateinischen Namen beschriftete. Mit der Lust am Lesen (und am Schreiben, was der nächste Schritt ist) vererbte sie ihrem Sohn einen unlöschbaren Durst, eine „enorme Zahl ungestillter Wünsche“, für die das Schreiben zugleich Zufluchtsort und Bühne wird. In den Mutterleib zurückzukehren ist eine Wunschvorstellung, die in den Texten von Cendrars immer wieder herumgeistert. Davon zeugen sowohl das berühmte „Scheisse, ich will nicht leben“ aus Im Herzen der Welt30 wie auch die Erzählung „Les Armoires chinoises“,31 die das Unmögliche beschreibt: die Wiedergeburt des Dichters dank seiner Amputation. Zwischen der Asche der lateinischen Herbarien und der Glut seiner Abc-Welten oszilliert der Dichter genauso wie zwischen dem Ende der Welt und der Erschaffung der Welt: Titel, die er bezeichnenderweise zwei Texten gab.
Die gleiche Leidenschaft bringt Cendrars auch dazu, andere Schriftsteller „auszusaugen“: Er liest nicht nur restlos alles, was ein Autor geschrieben hat, sondern auch alles, was über ihn publiziert worden ist. Als intensiver Bibliotheksbenützer verschlingt er auf dem Schiff nach Amerika den ganzen Goethe und auf den übrigen Reisen durch die Welt jede Zeile von Remy de Gourmont. Und jedes Jahr liest er wieder den Idioten von Dostojewski; das ist seine jährliche Wallfahrt. Cendrars liest wie ein Vampir, doch er will bei sich zu Hause keine Bücher aufbewahren; erstens einmal, weil er nicht gerne etwas besitzt, zweitens gibt ihm das die Gelegenheit, sich die Bücher auf andere Art anzueignen: in der Collage. „Ich bin der Andere“: Da sind wir wieder, auf einer weiteren Kurve der Spirale. Dauernd stösst man bei Cendrars auf die verschiedensten Anleihen; oft fügt er sie nur punktuell ein, manchmal richtet er mit der grossen Kelle an. Seit einigen Jahren verwendet die Cendrars-Forschung viel Energie darauf, diesem Verwirrspiel, das immer neue Überraschungen bietet, auf die Spur zu kommen.
Entsprechende Erkenntnisse haben dazu beigetragen, dass Cendrars wieder stärker als Teil einer Moderne begriffen wurde, der er aber nie direkt angehören wollte. Weit entfernt scheint die Zeit, da ein Breton einem Soupault überheblich vorwarf, dass er „ohne grosse Urteilsfähigkeit“ sämtliche Reiseschriftsteller liebe: Rimbaud, Larbaud, den Cendrars der Transsibirischen… Auch Aragon ging in seiner Abhandlung „Traité du style“ mit Soupault ins Gericht und warf ihm vor, mit dem blassen Verb „verreisen“ Literatur machen zu wollen, wobei er, ohne ihn zu erwähnen, auch auf Cendrars zielte. Doch inzwischen hat sich die Sicht der Dinge verändert. Henri Michaud, der weniger voreingenommen war als die Surrealisten, teilte deren Abneigung gegen das Reisen nicht. Zwar ist er der Ansicht, dass Lyrik und Reisebegeisterung in der Regel kaum eine gute Kombination ergeben, macht aber eine bemerkenswerte Ausnahme: Cendrars und seine Gedichte trügen „das Reisen im Bauch“, ihre „Begabung fürs Reisen“ habe die Leser aller Länder und Völker angeregt. Vielleicht hatte Michaud verstanden, dass dieser grosse Reisende nicht nur durch die grosse weite Welt, sondern auch durch die Texte anderer gereist war…
Das Spiel mit dem Palimpsest begann schon früh. Für Cendrars scheine der Akt des Schreibens identisch zu sein mit dem Verfertigen eines Mosaiks, denn diese Technik wendet er bei all seinen schriftstellerischen Betätigungen an, in den Gedichten und Romanen, in den Essays und den Erinnerungen. Ostern, Die Prosa der Transsibirischen, die Elastischen Gedichte, Kodak, die Reiseblätter, aber darüber hinaus auch die Romane Gold und Moravagine haben hartnäckigen Forschern enthüllt, welchen Stellenwert Texte von anderen bei Cendrars haben: generell, manchmal aber auch höchst konkret. So hat er bei Gustave Le Rouge eine seiner Lieblingsmaximen entlehnt: „Schon nur, dass man existiert, ist ein wahrhaftiges Glück“; von Apollinaire übernahm er die Gewohnheit, seine Briefe mit „Ma Main amie“ („Meine Freundeshand“) zu unterzeichnen, eine Formulierung, die man eigentlich einzig und allein ihm selber zugetraut hätte… Effektiv hat Cendrars schon sehr früh, vor 1912, die paradoxen Lektionen von Lautréamont (eigentlich: Isidore Ducasse), dem Meister des modernen Plagiats, gelernt. In den Éditions de La Sirene hat er dessen Gesänge von Maldoror neu herausgegeben, und er übernahm von ihm explizit den berühmten Satz:

Die Dichtung muss von allen gemacht werden, nicht von einem allein.

Von allen Brüchen in seinem Werk, die darauf zielen, dem Anderen darin Raum zu geben, hat Cendrars einen besonders auffällig inszeniert. 1945 erklärt er in L’Homme foudroyé, dem ersten Band seiner Lebenserinnerungen, er habe im Oktober 1917 von seinen Dichterfreunden Abschied genommen, weil ihm die Poesie, die damals in Paris im Trend lag (der künftige Surrealismus), immer stärker auf einem „spirituellen Missverständnis“ und einer „mentalen Konfusion“ zu beruhen schien. Um diesen Bruch zu markieren, habe er das eben erst fertiggestellte Gedicht ‑ „Im Herzen der Welt“ in eine weisse Holzkiste versorgt, diese zugenagelt und an einem geheimgehaltenen Ort auf dem Land abgestellt. Dieser Erklärung, die er mit einem für ihn selten feierlichen Ton abgab, widersprechen indessen die Fakten. Sieben Jahre später, 1924, publiziert er mit den beiden Bänden Kodak und Reiseblätter doch wieder Gedichte, über die er allerdings gegenüber Nino Frank sagt, sie seien unwichtig. Auf jeden Fall bleibt das Schicksal des Fragments „Im Herzen der Welt“ geheimnisumwittert; möglicherweise blieb dieses Gedicht tatsächlich unvollendet und stellt diese eigenartige Zeremonie des Vernagelns eine kompensatorische Fiktion dar, wenn nicht gar eine symbolische Kreuzigung des Gedichts und seines Dichters. Offenkundig handelt es sich um eine im Rückblick konstruierte Geschichte, die das Rätsel um den Bruch mit der Lyrik noch grösser macht. Warum hat sich Cendrars von ihr verabschiedet? Hat sich die Lyrik nicht eher von ihm verabschiedet? Einige Kommentatoren sehen es so: Die Schrecken des Kriegs und seine Verwundung haben den Dichter in ihm getötet. Er selber hat sich zu dieser Frage erst viel später in seinen Lebenserinnerungen geäussert, wo er diesen Bruch mit der Lyrik nicht nur als einen Akt der Befreiung darstellte, sondern auch als etwas Segensreiches, das ihm im Schreiben eine Wiedergeburt ermöglicht habe. Aus dem Sterben am Gedicht ist er als Prosaschriftsteller wiedererstanden, im Gegensatz zum andern amputierten Autor, Rimbaud, dem er – wie wir gesehen haben – vorwarf, dass er nicht zurückgekehrt sei, um etwas „völlig anderes“ zu schreiben. Eine Bemerkung gegenüber dem Schriftsteller und Verleger Pierre Seghers bestätigt das indirekt:

Weisst du, die Journalisten sind gar nicht so bösartig; keiner von ihnen fragte mich bisher, warum ich aufgehört habe, Gedichte zu schreiben. Im übrigen haben sie von Rimbaud nichts begriffen.32

In seinen Gesprächen mit Michel Manoll präzisierte Cendrars später, wie er das Ganze sehe: 1917 habe er zwar Abschied genommen vom Gedicht, aber nicht von der Lyrik als solcher. Damit gibt er zu verstehen, dass er durch sein ganzes Werk hindurch, unabhängig von der Form seiner Texte, ein Dichter geblieben sei.
Ein unklar datierter Bruch, eine auffällige Inszenierung und das nie gelüftete Geheimnis der Wiedergeburt. Die Versuchung ist gross, den Abschied von der Lyrik in ihrer ganzen Ambivalenz mit der Kriegsverletzung in Zusammenhang zu bringen: Zeichen des Todes, Quelle des Lebens. Wenn Cendrars während des Zweiten Weltkriegs den Mythos von sich selber als einem „homme foudroyé“33 aufbaut, dividiert er sein Werk in zwei Teile, wie das – durch die Amputation seines rechten Arms – auch mit seinem Körper geschehen war. Und er spielt mit dem Feuer, indem er sich mit Orion identifiziert, dem grossen Jäger aus der Mythologie. Der für seine Gewalttätigkeit bekannte Orion wurde von Artemis erschlagen; weil sie ihn aber dennoch liebte, erlöste sie ihn und verwandelte ihn in ein Sternbild. Mit dem Feuer spielen, mit jenem Feuer, das in seinem Armstumpf permanent glüht, bedeutet: ihm einen Teil seines Körpers vorwerfen, um es zu besänftigen. Also schickt Cendrars seine tote Hand ins Sternbild Orion. Und zusammen mit ihr entlässt er auch, als ein Zeichen der Sühne, was sowohl den Ruhm wie das Unglück seiner rechten Hand ausgemacht hatte: die Gedichte, die von ihr stammten, und das Bajonett, mit dem sie die Schützengräben der Deutschen gesäubert hatte.
So erklärt sich in der Erinnerung von 1945 auch die Datierung auf 1917: Das Opfer wurde angenommen und hatte, unter der Obhut seiner neuen Lebensgefährtin Raymone, der neuen Artemis, die er damals kennenlernte, die Geburt des Dichters der linken Hand ermöglicht.
Villon, Nerval, Baudelaire, Rimbaud, Cravan, Gourmont… Alle Dichter, mit denen Cendrars sich identifizierte, waren „hommes foudroyés“, Gespaltene:

Was immer das Schicksal des Dichters ist: Sein Leben ist zwangsläufig tragisch, doch er entsteht aus seiner Asche wieder! Auf der Dichtung lastet keinerlei Fluch. Das Gegenteil ist per definitionem der Fall. Sie ist die Kunst – nicht gerade des Segnens, aber des richtigen Sprechens. Des Singens. Ja. Das Schöpferische. Das Leben.34

Claude Leroy, Vorwort

Nachwort des Übersetzers

Nicht zufällig finden sich in diesem Buch auch ein paar Prosagedichte, die man, wenn man sie isoliert anträfe, nicht unbedingt als Gedichte wahrnehmen würde. Prosa und Lyrik gehen bei Blaise Cendrars immer wieder ineinander über. So wichtig für ihn die Zäsur von 1924 war, als er nach der Publikation eines Teils seiner Reiseblätter beschloss, sich von der Lyrik zu verabschieden – seine intensive Beschäftigung mit der Poesie, deren Erneuerung im französischen Sprachraum zu Beginn des 20. Jahrhunderts von ihm mitgeprägt wurde, ist am künftigen Romancier Cendrars nicht spurlos vorbeigegangen. Auch in seiner Prosa, in seinen Romanen wie in seinen unkonventionellen Lebenserinnerungen, schreibt Cendrars mit einer dichterischen Sprach- und Bildkraft. Er benützt einen variantenreichen, oft überraschenden Wortschatz, erfindet hin und wieder auch Wörter und liebt sowohl treffsichere Kürzestsätze wie auch lange, den Sprachfluss immerfort weitertreibende Satzgebilde. In der Prosa wie in der Lyrik ist sein Schreiben stark rhythmisiert.
Als Dichter setzt uns Cendrars, der immer wieder etwas Neues ausprobierte, verschiedensten Formen von Lyrik aus: vom kleinen Stimmungsbild, das er mit wenigen Worten skizziert wie Picasso mit ein paar kühnen Strichen eine Zeichnung, bis zu Gedichten, die geradezu einen „kleinen Roman“ erzählen, wie Claude Leroy, der Herausgeber des vorliegenden Buches, im Zusammenhang mit den Texten „Hinterlist“ und „Geplatztes Inkognito“ in den Reiseblättern vermerkt; zwei Gedichte, die Cendrars dann später tatsächlich auch zu einem Prosatext verarbeitete.
Das poetische Schaffen dieses Schweizers französischer Sprache, der 1916, nachdem er im Ersten Weltkrieg für Frankreich gekämpft und dabei seinen rechten Arm verloren hatte, französischer Staatsbürger wurde, blieb im deutschen Sprachraum, gerade auch in der deutschsprachigen Schweiz, lange ein Geheimtip. Erst 1962, ein Jahr nach seinem Tod, fanden seine Gedichte, die ja allesamt Frühwerke sind, in einem ersten Auswahlband den Weg über Deutschland zu uns. Pionier war damals der kleine Düsseldorfer Karl Rauch Verlag, der sich für den in Frankreich berühmten, hierzulande aber fast ausschliesslich durch seinen Erfolgsroman Gold bekannten Schriftsteller einsetzte (Poesie. Ausgewählte Gedichte, übersetzt von Jürgen Schroeder). In den Jahren 1976 bis 1978 liess dann der engagierte Schweizer Verleger Peter Schifferli in seinem damaligen Zürcher Verlag der Arche (heute: Arche Verlag) drei Gedichtbände folgen. Für dieses Projekt zeichneten als Übersetzer Jürgen Schroeder, der schon für den Rauch Verlag tätig war, und Hannelise Hinderberger. Sie haben eine enorme Arbeit geleistet, zumal sie Neuland betreten mussten: nicht nur weil Cendrars im Zeichen der Moderne eine neue, eigene Form von Lyrik schuf, sondern weil es in den siebziger Jahren noch kaum eine namhafte Cendrars-Forschung gab; diese war damals im französischen Sprachraum erst am Entstehen und brachte die Früchte ihrer Arbeit vor allem seit 1987, dem 100. Geburtstag des Schriftstellers, in Zirkulation.
Nicht nur in seiner Prosa, auch in seiner Lyrik ist Cendrars, so einfach und prosaisch er da zuweilen auf den ersten Blick wirken mag, ein vertrackter Autor, der jedem Übersetzer zahlreiche Rätsel aufgibt. So verdienstvoll und in vielen Passagen auch durchaus gelungen Hinderbergers und Schroeders Übertragungen von 1976 bis 1978 sind, auf die ich hin und wieder zurückgreifen konnte, enthalten sie indessen auch Fehler, die nicht nur mit dem Interpretationsspielraum zu erklären sind, mit dem jeder Übersetzer arbeitet, ja zwangsläufig arbeiten muss.
Vor allem aber gehen sie (mit Ausnahmen!) wenig auf den Sprachrhythmus ein, der Cendrars (auch da: mit Ausnahmen!) auszeichnet, gerade auch dort, wo er sich scheinbar eher prosaisch gibt. Nicht von ungefähr hat er in seinen Radiogesprächen mit Michel Manoll (Blaise Cendrars vous parle…, Denoël, 1952; auf deutsch: Am Mikrofon, Lenos, 1999) gesagt:

Am Anfang war nicht das Wort, sondern der Satz, eine Modulation. Hören Sie doch, wie die Vögel singen.

Nach seinen ersten, noch epigonenhaften lyrischen Gehversuchen der Sequenzen (der „Jugendsünden“ aus den Jahren 1910–1912, die hier erstmals in einer deutschen Übersetzung vorliegen), nach seinen beiden Initiationswürfen Ostern und Die Prosa von der Transsibirischen Eisenbahn, die (Literatur-)Geschichte machten, und nach dem ungewöhnlichen Familienfilm Panama wendet sich Cendrars immer stärker einem Stil zu, den man als lyrische Reportage bezeichnen könnte. So gibt er 1924 denn einem langen Gedichtzyklus auch den Titel Kodak (Dokumentarfilm), obwohl gerade auch da wieder viel Fiktion mit hineinspielt, denn der Autor bedient sich wacker seiner Lektüren (vgl. dazu der Kommentar zu Kodak und das Vorwort von Claude Leroy).
Besonders die Reiseblätter (Feuilles de route, in der Arche-Ausgabe unter dem Titel Frachtbriefe erschienen) schlagen einen für Cendrars typischen Mischton von Tagebuch und lyrischer Verdichtung des Alltags an. Zwar fliesst auch da einiges aus fremden Büchern ein, das er mit eigenen Erkenntnissen vermischt. Gleichzeitig erweist sich Cendrars aber auch als ein aufmerksamer Beobachter: der Natur und der Menschen, des gesellschaftlichen Wandels und der Neuen Welt, die ihn in Brasilien weitaus mehr fasziniert als in New York, wo sie den jungen Europäer, der dort eine erste Bewusstseinskrise erlebt, eher schockierte. Der Dichter Cendrars hat nebst seinem subjektiven auch einen ethnologischen, oft soziologischen Blick. Dabei leistet er sich durchaus gewisse Frechheiten. Er ist alles andere als „politisch korrekt“, nicht nur, was (aus heutiger Sicht) die damals durchaus übliche Verwendung von Begriffen wie „Neger“ betrifft, die in dieser Übersetzung bewusst so stehengelassen wurden. Wie er sich über andere – seien es ihm vertraute oder auch nur zufällig begegnende Personen – äussert, entbehrt hin und wieder nicht einer gewissen Häme. Dabei ist er nie wirklich bösartig, sondern poetisch direkt, und schliesslich geht er, wie es sich für einen Dichter gehört, auch mit sich selber immer wieder ins Gericht.
Obwohl er gelegentlich depressive Momente kennt, ist er ausserordentlich neugierig und begeisterungsfähig. Lebensfreude und Verzweiflung liegen bei Cendrars oft eng beieinander. In seiner Studie La Phrase poétique de Blaise Cendrars (Champion, 2000, S. 57ff.), die sich allerdings hauptsächlich auf Cendrars’ Prosa bezieht, macht der Schweizer Literaturwissenschaftler Francis Boder auf diesen produktiven Grundwiderspruch aufmerksam. Mit Verwunderung blickt Cendrars auf die grosse, weite Welt und glaubt, trotz seiner bitteren Erfahrungen im Ersten Weltkrieg, an deren Zukunft, vor allem auf der südlichen Hemisphäre des Planeten, wo er eine neue Zivilisation von Mischkulturen ausmacht: „Da gibt’s keinerlei Tradition / Keine Vorurteile“, schreibt er in den Reiseblättern über die aufstrebende Metropole São Paulo. In Brasilien findet er aus der Krise, in die ihn der Erste Weltkrieg stürzte, heraus. Eine weitere Bewusstseinskrise trifft Cendrars freilich, als der Zweite Weltkrieg ausbricht und sich die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts auf furchtbare Weise zu wiederholen scheint.
Lange nur als „Abenteuerschriftsteller“ wahrgenommen, ein Image, zu dem sein Roman Gold über den legendären Schweizer Kalifornien-Pionier Johann August Suter einiges beitrug, erweist sich Cendrars in seinen Gedichten als Forschungsreisender, der sich, ob im Pariser Kulturgeschehen oder am Ende der Welt, leidenschaftlich für alles interessiert, was ihm unter die Augen kommt, und dazu seine Überlegungen anstellt, die er auch in Gedichtform verarbeitet. Wer seine Gedichte genau liest, stösst immer wieder auf die hochsensible Seite dieses Mannes, der sich durchaus auch als Rauhbein geben konnte und heute im deutschen Sprachraum schon nur aufgrund seiner Biographie (verlässt Frau und Kinder) gelegentlich als ein egoistischer „Macho“ gesehen wird. Als 1986 bei Lenos aus der Feder seiner Tochter Miriam Cendrars die Biographie Blaise Cendrars auf deutsch erschien, bekundeten hierzulande vor allem Frauen Mühe mit diesem Buch, das in Frankreich auch beim weiblichen Publikum auf viel Interesse gestossen war. Allerdings war das Kompositionsprinzip dieser umfangreichen Romanbiographie mit vielen eingewobenen (auch unbekannten) Cendrars-Texten, die Wirklichkeit und Spekulation aus subjektiver Sicht vermischte, bei uns eher ungewohnt. Das alles lässt auf eine kulturelle Differenz zwischen dem deutsch- und dem französischsprachigen Literaturraum schliessen. Auch in der Wissenschaft: Da befassten sich im französischen Sprachraum viele Frauen mit Cendrars, während er bei uns eine vorwiegend männliche Fangemeinde (auch von Schriftstellern) zu haben scheint.
Die Lektüre seiner Gedichte zeigt jedenfalls auch einen andern als den bisher im deutschen Sprachraum so oft zelebrierten Abenteurer und Weltenbummler Cendrars (was er zweifellos auch gewesen ist): einen trotz seines literarischen Draufgängertums oft zögerlichen, eher einsamen Mann, der nach seiner ersten Ehe mit Féla Poznanska, der einstigen Studienkollegin in Bern und Mutter seiner drei Kinder, von 1917 bis zu seinem Tod eine tiefe Beziehung mit der Schauspielerin Raymone Duchâteau unterhielt; eine Beziehung, die zwei unabhängige Naturen verband, meistens in einem „living together-apart“, denn Cendrars hatte vor allem ein Lebensprojekt: das Schreiben. Er war viel unterwegs: in seinem Kopf, am Schreibtisch, aber auch real; vor diesem Hintergrund liest sich das Gedicht „Gefährliches Leben“ in den Reiseblättern wie eine Selbstwarnung im Hinblick auf sein Verhältnis zu Raymone. Gerade auch die schwierige Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachten die beiden getrennt. Während Raymone zuerst mit der Truppe von Louis Jouvet auf eine Brasilientournee ging und nachher im besetzten Paris lebte, verbrachte Cendrars lange Jahre in Aix-en-Provence, im „freien“ Teil Frankreichs unter der von Deutschland abhängigen Vichy-Regierung, wo er eine totale Schaffens- und Lebenskrise durchmachte, bevor er an die Niederschrift seiner Lebenserinnerungen ging und dann schliesslich, von Aix aus, mit der Hilfe seines Freundes Jacques-Henry Lévesque auch die Gesamtausgabe seiner Gedichte vorbereitete, die im Mai 1944 in Paris in einer beachtlichen Auflage von über 2.300 Exemplaren erschien (und bereits drei Jahre später in gleich grosser Auflage nachgedruckt wurde). Damit rief sich Cendrars zum richtigen Zeitpunkt wieder in Erinnerung, denn damals zeichnete sich im Kriegsgeschehen eine Trendwende ab. Cendrars wurde mit seinen Gedichten zu einer Symbolfigur jenes modernen, ebenso kultur- wie lebensfreudigen Frankreichs, das Nazi-Deutschland sich mit militärischer Macht hatte einverleiben wollen. Dies, notabene, als ein Zugewanderter aus der Schweiz, den die „Grande Nation“ bis auf den heutigen Tag bestens integriert hat. Das Land seiner Herkunft hat Cendrars allerdings nie ganz vergessen, so etwa, wenn er sich auf der Schiffspassage nach Brasilien an das Blau über dem Genfer See erinnert. 1949 schliesslich, bevor Cendrars definitiv nach Paris zurückkehrt, heiraten Raymone und er in Sigriswil im Berner Oberland, dem schweizerischen Heimatort der Familie Sauser.
Das vorliegende Buch zeugt von der Lebensreise eines jungen Dichters zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die 1944 gleichsam mit der ersten Publikation der Poésies complètes gekrönt wird. Es beginnt mit dem lyrischen Paukenschlag Ostern von 1912 und endet mit der erst 1995 entdeckten Legende von Nowgorod, die offenbar bereits 1907 in Russland erschien und diesen Entwicklungsroman in Versen poetisch abrundet.
Für all diese Texte aus so unterschiedlichen Phasen und mit so unterschiedlichen Stimmungen auf deutsch eine adäquate Form zu finden ist schon deshalb nicht einfach, weil sich die französische Sprache trotz ihrer analytischen Konstruktionsweise weniger schwertut mit emotionalen Begriffen als die deutsche. Und Cendrars ist, so nüchtern er sich immer wieder gibt, doch oft sehr emotional. Vielleicht ist es gerade diese Kombination von Nüchternheit und Emotionalität, die den Lyriker Cendrars kenn- und auszeichnet. Während er in Ostern noch fast durchgehend reimt, sieht er davon bald einmal ab. Um das emphatische Ostern mit seinen starken Bildern nicht um des Reimes willen zu verfälschen, gebe ich es ungereimt wieder. Doch auch später, wenn Cendrars auf Reime verzichtet, arbeitet er immer wieder, auch innerhalb der Gedichtzeilen, mit reimenden Begriffspaaren und Alliterationen wie „carambole/parabole“ oder „calicot/coquelicot“, die auf deutsch so nicht wiederzugeben sind. Mein Bestreben als Übersetzer war, bei möglichst viel Texttreue auch auf deutsch möglichst viel von Cendrars’ Sprachklang und -rhythmus zu transportieren.
Die vorliegende Ausgabe der Gesammelten Gedichte von Blaise Cendrars enthält auch 41 bisher unpublizierte Texte. Sie folgt dem ersten, 2001 erschienenen Band Poésies complètes einer neuen, wissenschaftlich kommentierten Cendrars-Gesamtausgabe des Pariser Verlags Denoël, der bereits in den sechziger Jahren eine (unkommentierte) Gesamtausgabe von Cendrars’ Werken herausgab. Für das neue Projekt verantwortlich zeichnet Claude Leroy, Professor an der Universität Paris X-Nanterre.
Bei meiner Übersetzungsarbeit konnte ich mich zum Teil auf neue Erkenntnisse stützen, die meinen Vorgängern Hinderberger und Schroeder nicht zur Verfügung standen. Doch einiges bleibt immer noch offen. Bei der Lektüre der französischen Originalausgabe fragt man sich an manchen Stellen, die auch für Leserinnen und Leser französischer Muttersprache erklärungsbedürftig wären, warum es da keine Anmerkung gibt. Die Erklärung ist einfach: Die relativ junge Cendrars-Forschung ist noch nicht soweit, und Cendrars ist nicht nur für seine Extravaganzen bekannt, sondern machte sich auch einen Spass daraus, seine biographischen und schriftstellerischen Fährten immer wieder zu verwischen. Selbst wenn man das umfangreiche Gesamtwerk dieses Autors kennt und sich schon seit Jahren mit ihm beschäftigt, steht man als Übersetzer immer wieder vor Fragen, die man nur in einem imaginären persönlichen Dialog mit ihm klären kann. Wo es mir möglich war und sich für deutschsprachige Leserinnen und Leser als hilfreich erweisen könnte, habe ich die Anmerkungen der französischen Ausgabe aufgrund eigener Nachforschungen ergänzt.
Nicht nur mit Claude Leroy, auch mit andern Cendrars-Spezialisten wie dem Schweizer Jean-Carlo Flückiger, der an der neuen Cendrars-Gesamtausgabe bei Denoël mitwirkt, war ich im Verlauf meiner Arbeit immer wieder in Kontakt. Ich fragte sie manchmal auch, in welche Richtung sie die eine oder andere rätselhafte Textstelle interpretieren würden. Die Antwort war oft: Es könnte so, aber auch anders gemeint sein. „An Ihnen liegt es, eine Wahl zu treffen“, schrieb mir Claude Leroy und bestätigte damit, dass das Übersetzen von Lyrik bei aller angestrebten Genauigkeit manchmal nicht nur Finden, sondern auch Erfinden bedeutet.
So liegt dieses Buch nun vor, als neue Möglichkeit, sich dem ebenso vielseitigen wie vielsaitigen Poeten Blaise Cendrars zu nähern, der in der französischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts einen grossen Stellenwert hat. Wie sehr er in Frankreich immer noch geschätzt wird, bezeugen zwei Ereignisse des Jahres 2003. In seiner bei Gallimard erschienenen, 800seitigen Hommage an die (nicht nur französische) Dichtkunst, Éloge des voleurs de feu, beruft sich der amtierende französische Aussenminister Dominique de Villepin einige Male auf Cendrars. Und wer es vorher nicht wusste, erfuhr 2003 auch, dass Bertrand Cantat, der Leadsänger und Kopf der französischen Kultband Desir noir, ein Cendrars-Leser ist (Cantat kam im Sommer 2003 in die Schlagzeilen, weil er seine Geliebte, die Schauspielerin Marie Trintignant, offenbar aus Eifersucht im Affekt erschlagen hatte). Was für ein Spektrum… Cendrars war nie Minister und hat nach unserer Kenntnis, einmal abgesehen von seiner Soldatenzeit im Ersten Weltkrieg, keinen Menschen auf dem Gewissen. Er war ein Dichter, der seiner Zeit nicht nur eine neue poetische Sprache in einem neuen Rhythmus gab, sondern – wie teilweise auch Guillaume Apollinaire, der ihn mitunter geprägt hat – das Gedicht vom Olymp der Klassik in die sogenannten Niederungen des Alltags holte. Damit erweiterte er nicht nur den formalen und inhaltlichen Raum der Lyrik, sondern verschaffte ihr auch mehr Zugänglichkeit.
Sämtliche Cendrars-Texte wurden für diese Ausgabe neu übersetzt oder sind Erstübertragungen ins Deutsche, mit Ausnahme der Prosa von der Transsibirischen Eisenbahn, da konnte ich mit einigen Änderungen auf die neue Übersetzung von Michael von Killisch-Horn (Lenos, 1998) zurückgreifen. Allen, die mich bei der Arbeit an diesem Buch unterstützt haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Peter Burri, Basel und Plombières-les-Bains, im Herbst 2003, Nachwort

 

Ein Kontinent, geschaffen mit der linken Hand

– Wider die Stubenhocker und Zartbesaiteten: Der Lenos Verlag präsentiert die Gesammelten Gedichte des großen Blaise Cendrars. –

Das lyrische Werk des „sibirischen Homer“ Blaise Cendrars liegt nun erstmals geschlossen auf Deutsch, unter dem Titel Ich bin der Andere, vor. Höchst verwunderlich, wie sich eine solche dichterische „Dynamitladung“ zwischen zwei Buchdeckel pressen lässt. In jedem Fall ist der Titel dafür eine gute Klammer – freilich benennt er nur die eine Seite von Cendrars’ Poetologie und Charakter. Ebenso gültig ist die Formel: Ich, Cendrars, bin Ich, und sonst niemand. Der Morgen, den er erlebt, ist der „erste Tag der Welt“.
Nicht Rimbaud („Ich ist ein anderer“), sondern Gérard de Nerval stand für den Titel Pate, der den Satz unter sein Porträt geschrieben hatte. Cendrars zeichnete, als er es entdeckte, ein Selbstporträt, signierte es 1912 mit „FS“ (die Initialen seines Geburtsnamens) und übernahm Nervals Formel, die ihn, in Variationen, sein Leben lang begleiten sollte. Ebenso wie das nicht weniger wichtige Bekenntnis: Ich bin es, Blaise Cendrars.

Schreie
Man denkt ein Flugzeug stürzt ab
Das bin ich.

Wie der Film wollte er sein, so schnell und vieläugig:

Einhundert Welten, eintausend Bewegungen, eintausend und tausend Dramen treten alle zugleich in das Gesichtsfeld des neuen Auges ein…

Ich bin alle Gesichter
So bemerkt denn auch der Herausgeber dieses Bandes (sowie der neuen Gesamtausgabe im Pariser Verlag Denoël), Claude Leroy, nichts habe Cendrars (der von sich sagte „Ich bin alle Gesichter“), mehr berauscht, als „sich verschiedene parallele Leben auszudenken, von seinen eigenen Verwandlungen zu träumen oder unablässig von einer Identität in die andere zu schlüpfen wie Proteus, der Meeresgott… oder wie Fantomas“. Cendrars hat einen geradezu unvorstellbaren Aufwand betrieben, um diesen Identitätswechsel zu vollziehen, ihm eine Form und Gestalt zu geben. Allein seinem Romanhelden Moravigne (einem Monster, das viele Züge von Fantomas trägt) wollte er 18 Bände widmen. Angesichts seiner Phantasien war das tatsächlich geschriebene und in nahezu vierzig Bänden publizierte Werk eher ein Klacks.
Cendrars hat sich im Nomadisieren und im Schreiben an seinem Wunsch abgearbeitet, der unverwechselbare, mit sich selbst identische und doch auch der sich als Fremder anschauende Autor zu sein. Greift man Freuds Kennzeichnung des Unbewussten als dem „anderen Schauplatz“ und Jacques Lacans Neuformulierung des Ziels psychoanalytischer Arbeit – „Wo Ich war, soll Es werden“ – auf, dann erkennt man in Cendrars’ poetologischem und existentiellem Programm nicht weniger als dies: Wo andere in einem konventionell erstarrten, versteinerten Ich eingemauert sind, breche ich, Cendrars, auf zur terra incognita des ewig anderen Schauplatzes und gebe dem Es allen Raum und alle Energie, die mir zur Verfügung stehen.
Und auch eine tragische Komponente verbirgt sich hinter der Formel „Ich bin der Andere“: Cendrars entwirft die Vision eines vom Himmel fallenden abgerissenen Arms. So verfremdet er seine eigene schwere Verletzung vom September 1915. Ihm war der rechte Arm von einer Granate weggerissen worden, und er musste lernen, als der Andere (der Linkshänder) zu schreiben. In einer surrealen Überhöhung des Geschehens erlöst er sich von der traumatischen Erfahrung. Und dennoch bleibt der Phantomschmerz:

Wie meine abgetrennte Hand mir weh tut, die ein Dolch
unablässig durchbohrt.

Auch wenn Cendrars in erster Linie nicht wegen seines lyrischen Werks einen bedeutenden Platz in der Weltliteratur einnimmt, so wird sich doch kaum ein Leser dem einzigartigen Elan dieses „Freibeuters der Literaturmoderne“ entziehen können, der von sich sagte, er sei ein „Fiebernder“, der seine schönsten Gedichte in den großen Städten, an den Schnittstellen von Leben, Traum und Imaginärem, geschrieben habe „unter fünf Millionen Menschen – oder fünftausend Meilen unter dem Meer…“: Menschen / Aus aller Herren Länder / Das gefällt mir.

Elan des Kosmopoliten
Der 1887 als Frédéric Louis Sauser in der Schweiz geborene und 1961 in Paris gestorbene Blaise Cendrars spielt seine Stärken immer dann aus, wenn er sich in einer verdichteten Atmosphäre weiß: im Ersten Weltkrieg an der Front (wo er gleichermaßen der Stille wie dem Kanonendonner lauscht und wo ihn die ganz besondere Mischung aus Heldentum, Angst, Überdruss und Sehnsucht fasziniert); in den Straßen, im Hafen und in den Bars, wo er die Gerüche in sich aufnimmt, sich mit „beherzten Frauen“ umgibt, „die einen tüchtigen Schluck vertragen“, und mit wilden Seefahrern, die heimlich Poeten und Künstler sind.
Er führte ein bewegtes Leben, unter anderem in St. Petersburg, Paris (wo seine auf Beschleunigung angelegten Texte besonders große Resonanz bei den Kubisten und Futuristen fanden), und in New York, wo er sich, 1912, den Namen Blaise Cendrars zulegte und wo sein erstes (noch in Reimen verfasstes), von Apollinaire gefeiertes Gedicht „Ostern“ entsteht. Schon in diesen Jahren sind seine hervorstechendsten Merkmale: der Elan des Kosmopoliten, das Pathos und die Passion des Dichters, der sich am Beginn der Moderne weiß („Werde ich dort dann schreien wie ein Neugeborener?“), die Abneigung gegen Stubenhocker und Zartbesaitete, die Liebe zu den Frauen und zur „Poesie des einfachen Volkes“.
Sein Name: ein Synonym für das Unstete, für Aufbruch und Rückkehr, für das Feuer des Lebens und den Abschied, den Tod: Blaise Cendrars: La braise – die Glut, les cendres: die Asche; ein „homme foudroyé“, ein Gespaltener. Einer der großen Repräsentanten der Literatur, die ihren Stoff aus den Fremderfahrungen, aus dem Simultanen und dem Synkretistischen beziehen. Er ist Frédéric Louis Sauser, und er ist ein Bourlinguer, wie der Held des im französischen Original so betitelten Buches Auf allen Meeren zuhause. Bourlinguer, das heißt auch so viel wie „In der weiten Welt herumkommen“, „Gegen die Wellen ankämpfen“ oder „Herumstromern“, Umschreibungen also der Art, wie Cendrars sein Unterwegssein beschrieb. Er ist, wie seine Figuren, verliebt in Metamorphosen.
Auf eine geradezu wundersame Weise ist aber dieser Dichter „der ganzen Welt“ (den seine Verehrer den „Kontinent Cendrars“ nannten und der von sich selbst sagte, er wolle mit seiner Literatur „Taten“ vollbringen, „Wirbelstürme“ entfachen und lieber „roh“ als „empfindsam“ sein) ein sensibler, von der Sprache verzauberter Jongleur, der den Rhythmen, Vibrationen und Modulationen der Wortfolgen und Sätze lauscht. Und er ist einer, der mit Formen und Haltungen experimentiert: dem liturgischen Rhythmus (in „Ostern“), dem epischen Ton (in dem Bild-Gedicht „Prosa der Transsibirischen Eisenbahn“), der hermetischen Gestalt (in den „Elastischen Gedichten“), der narzisstischen Ich-Manie und dem gleichermaßen ins Fremde verliebten rasanten Erzählen (in den „Reiseblättern“, in „Kodak und der Legende von Nowgorod“), der strengen Form (in den „Sequenzen“), den Lautmodulationen und Konkrete-Poesie-Spielereien (in „Klangarchive und Denaturierte Sonette“), dem beschleunigten Rhythmus, der Geste des Genies und Anarchisten (in „Panama“: „Der Panamakrach war’s, der mich zum Dichter machte“).
Claude Leroy hat die Ausgabe vorbildlich kommentiert – mit jeweils einer präzisen Bestimmung und Zuordnung der einzelnen Gedichtbände sowie fundierten Anmerkungen zu Namen und Begriffen –, und Peter Burris Neu-Übersetzungen treffen genau den teils wilden, teils streng strukturierten Duktus des lyrischen, lyrisch-prosaischen und erzählenden Sprechens von Cendrars. Die vorliegende Ausgabe macht nicht nur die längst vergriffenen Einzeleditionen der Gedichte (in teilweise tatsächlich verfälschenden Übersetzungen) vergessen, sondern enthält darüber hinaus auch noch 41 bisher unpublizierte Texte. Angesichts der Kontinuität, mit der sich der Lenos Verlag in den letzten Jahren dem Gesamtwerk Cendrars’ gewidmet hat, kann man nur von einer vorbildlichen editorischen Betreuung sprechen, die jedem Autor, zumal in der augenblicklichen Verlagsszene, zu wünschen wäre.

Hans-Jürgen Heinrichs, Frankfurter Rundschau, 4.2.2019

Weiterer Beitrag zu diesem Buch:

 Joseph Hanimann: Mit der Transsibirischen
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.8.2004

 

Zweites Gespräch

Michel Manoll: Blaise Cendrars, wir haben uns in der letzten Sendung über Wale unterhalten. Was für einen Eindruck ruft der Anblick dieses riesigen Tiers hervor?

Blaise Cendrars: Den Eindruck von Leichtigkeit, von Behendigkeit, von Lebhaftigkeit. Wenn ein Wal spielerisch ein Schiff umschwimmt, ist es ein einziges Tauchen und Wenden und Aufblitzen und Sich-am-Bug-den-Rücken-Kratzen. Ein grossartiges Schauspiel, wenn man sich überlegt, mit was für einer Geschwindigkeit diese gewaltige Masse schwimmt… mit Anmut schwimmt, mit Anmut taucht. Eine Walherde, die bei schönem Wetter in geschlossener Formation einem Ozeandampfer entgegenschwimmt… Was für ein festlicher, ja königlicher Anblick.
Stellen Sie sich die Wasserspiele von Versailles auf dem Meer vor: tausend Springbrunnenfontänen, die sich entrollenden Bänder von tausend Kielwassern, ein Wirbelgewirr, Wellengekräusel, und darüber der Himmel, blau wie auf einer Lithographie.

Manoll: Sie haben sich intensiv mit den Kirchenvätern befasst, nicht wahr? Was für eine symbolische Bedeutung hat Ihrer Ansicht nach die Geschichte von Jonas im Bauch des Walfischs?

Cendrars: Keine Ahnung. Ich bin ein Ignorant in Sachen Exegese. Für mich geht es auch hier um die Sprache. Ich lese jedes Jahr einen Band von Mignes Patrologie, um das Vokabular der Kirchenväter nicht zu vergessen. Nur deswegen. Meine Neugierde reicht nicht weiter. Sie müssten Ihre Frage Igor Strawinsky stellen.

Manoll: Wie? Strawinsky interessiert sich für solche Dinge?

Cendrars: Ja, sehr sogar; er hat mich oft in Erstaunen versetzt. Ich weiss nicht, warum er sich dafür interessiert. Bei mir geht es nur um die Liebe zur Poesie.

Manoll: Weniger aus Liebe zum Wal als vor allem aus Liebe zur Poesie?

Cendrars: Vor allem aus Liebe zur Poesie.

Manoll: War Strawinsky tatsächlich in christlicher Symbolik bewandert?

Cendrars: Ja, sehr bewandert. Er kennt sämtliche orthodoxen Heiligen und sämtliche lateinischen Heiligen. Vor Jahren habe ich im Sommer mit ihm die alten romanischen Kirchen im Limousin besucht. Er identifizierte auf Anhieb jede Statue; selbst wenn sie zuoberst auf dem Dachfirst stand, erklärte er einem sofort, um wen es sich handelte; er irrte sich nie. Es war wirklich unglaublich.

Manoll: Um auf Dan Yack zurückzukommen, den berühmten Dan Yack, auf den ich das Gespräch immer wieder zu bringen versuche: Ist Dan Yack ein wichtiges Buch für Sie?

Cendrars: Sicher.

Manoll: Ein ausserordentlich wichtiges Buch, an dem Ihnen bestimmt sehr viel liegt.

Cendrars: Für mich hat es einen ganz besonderen Stellenwert, vor allem was den Stil angeht. Ich habe darin zu einem Stil gefunden, der mich selbst erstaunt hat. Ich war von der unmenschlichen Umgebung, in der ich Dan Yack angesiedelt habe, total durchdrungen: von der Insel Struge, von der Polarlandschaft, vom Blizzard…

Manoll: Dem Packeis?

Cendrars: Genau! Sogar meine Sätze vereisten, wurden rissig, begannen zu schmelzen, gerieten ins Schwanken, überschlugen sich, barsten, drifteten ab, wurden wie das Packeis auf dem Meer draussen zermalmt. Ich glaube, das alles ist gut wiedergegeben.

Manoll: Es wurde gesagt, Dan Yack sei das Symbol des modernen Menschen. Stimmt das?

Cendrars: Nein. Glauben Sie tatsächlich an die Geschichte vom Symbol des modernen Menschen?

Manoll: Möchten Sie lieber, dass ich Sie frage, ob Sie nicht Werbung für eine Walfisch-Dosenfleisch-Marke machen wollten?

Cendrars: Das gefällt mir schon besser. Schliesslich… In seinem Essay über mich zieht Louis Parrot eine Parallele zwischen Arthur Gordon Pyms Ende und Dan Yacks Ende. Ich gebe zu, dass ich darüber verblüfft war. Ich hatte nicht daran gedacht. Ich finde diese Parallele ausserordentlich scharfsichtig. Dieser überraschende Bezug hat mich nachdenklich gestimmt und hat mich sogar veranlasst, zwei Schulbücher zu konsultieren: Runen. Ich vermute, Parrot hat Paquitas Schulfibel in L’Homme foudroyé gemeint: Runen und Puppen. Es kommt höchst selten vor, dass die Literaturkritik dem Autor auf die Sprünge hilft. Oscar Wilde hat einmal gesagt, dass wenn die Rezensenten sich über ein Werk nicht einig sind, dies der Beweis sei, dass der Autor wisse, was er wolle, und sich um die Bedeutung seines Werkes nicht zu sorgen brauche. Ich pflichte dieser boshaften Bemerkung voll bei und würde sogar hinzufügen, dass man von der Literaturkritik nie etwas lernt. Daher hat mich Louis Parrots Schlussfolgerung so beeindruckt. Und dies um so mehr, als es das erste Mal war, dass mir so etwas widerfuhr und ich Louis Parrot gar nicht kannte, ich hatte ihn ein einziges Mal flüchtig gesehen und erst noch im Gedränge eines Empfangs! Armer Louis Parrot, ein so begabter Junge. Er starb, nachdem er den Schlusspunkt unter sein Essay über mich gesetzt hatte. Ich konnte ihm nur gerade noch ein Dankestelegramm schicken und weiss nicht einmal, ob er es erhalten hat. Ich besitze nur einen Brief von ihm, sein Begleitschreiben… Was mich ehrlich erschüttert hat.

Manoll: Ich hingegen habe Louis Parrot gut gekannt und kann Ihnen bestätigen, dass er ein hervorragender Geist war, ein hoffnungsvolles Talent, und dass sein vorzeitiger Tod ein grosser Verlust für die Literatur ist. Doch sagen Sie, Blaise Cendrars, ist Community-City, eine bereits mit modernstem Komfort ausgestattete Stadt, die Sie in der fernen Antarktis ansiedeln, nicht eine Vorwegnahme des Kommunismus?

Cendrars: Das ist überhaupt keine Vorwegnahme des Kommunismus. Zur gleichen Zeit, um 1930 herum – Dan Yack ist 1929 erschienen –, hatten die Sowjets damit begonnen, nördlich des Polarkreises eine ganze Reihe geheimnisvoller Städte zu bauen, die schon damals das Misstrauen der Amerikaner erregten und gleichzeitig ihre Bewunderung weckten: Häfen längs der ganzen sibirischen Küste, die den Zugang zum Weissen Meer und zum Arktischen Ozean gewährleisteten, der zehn Monate im Jahr bis zur Nordwestpassage zugefroren ist. Durch die Logik der Dinge und angesichts des Klimas und der feindlichen Natur waren die Russen gezwungenermassen zu den gleichen Lösungen gekommen wie ich, als ich mir für mein Buch eine Niederlassung in einer Landschaft vorstellte, in der noch nie eine menschliche Gemeinschaft versucht hatte zu überleben.

Manoll: Und die drei Protagonisten Ihres Romans, die schliesslich auf ihre Berufung verzichten?

Cendrars: Künstler…

Manoll: Haben Sie nicht selber gesagt, dass Sie aus der Liebe und der Einsamkeit Kraft schöpfen?

Cendrars: In Wirklichkeit leben die Künstler im Abseits, am Rande des Lebens und der Menschheit, was dazu führt, dass sie entweder sehr bedeutend oder sehr unbedeutend sind.

Manoll: Am Rande der Menschheit! Sie betrachten sich also nicht als Künstler?

Cendrars: Nein. Ich habe bereits sechsunddreissig Berufe ausgeübt, und ich bin bereit, gleich morgen etwas ganz anderes anzufangen.

Manoll: Das haben Sie schon oft behauptet, aber Sie haben dem Schreiben nie entsagen können, egal, was Sie gesagt haben mögen.

Cendrars: Man kann sich den Prämissen des Lebens nicht entziehen. Das Bedürfnis, sich auszudrücken, ist etwas Wunderbares. Immerhin, von Zeit zu Zeit muss man sich erleichtern, so wie man sich nach einem guten Mittagessen erleichtern geht. Ich erinnere Sie an Christi Wort: „Merkt ihr nicht, dass alles, was in den Mund hineinkommt, in den Bauch gelangt und an seinen Ort ausgeschieden wird? Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen hervor, und das verunreinigt den Menschen.“ Matthäus 15, 17–18. Das ist nun mal so, und unter Zwang schreiben ist weder ein Grund noch ein Genialitätsbeweis. Auch die Irren schreiben unter Zwang. Man ist nicht immer gleich gut drauf.

Manoll: Die Schriftsteller haben sich schon immer über die Zwänge beklagt, denen sie ausgeliefert sind, und über die Schwierigkeit des Schreibens.

Cendrars: Um sich wichtig zu machen, und sie übertreiben. Sie sollten lieber von ihren Privilegien sprechen und von der Chance, die sie haben, einen solchen Künstlerberuf erfolgreich ausüben zu dürfen, einen Beruf, den ich persönlich hasse, wohlgemerkt, der aber nichtsdestotrotz ein hohes Privileg ist verglichen mit dem Los der meisten Menschen, die wie Bestandteile in einem Räderwerk leben und in der Abhängigkeit vom sozialen Getriebe.

Manoll: Und Sie?

Cendrars: Ich bedaure sie von ganzem Herzen. Seit meiner Rückkehr nach Paris empfinde ich noch nie gekanntes Mitleid für die anonyme Masse, die ich von meinen Fenstern aus betrachte, wie sie zu bestimmten Tageszeiten in der gedrängt vollen Metro verschwindet oder aus der Metro strömt. Ehrlich, das ist kein Leben. Das ist unmenschlich. Das muss ein Ende nehmen. Das ist Sklaverei.

Manoll: Sie haben sie im übrigen immer wieder bedauert, wenn Sie von Ihrer Liebe zu den Menschen und zu den Benachteiligten geschrieben haben.

Cendrars: Nicht nur die einfachen Menschen und die Benachteiligten, sondern die Absurdität des Lebens im allgemeinen…

Manoll: Die Absurdität des Lebens?

Cendrars: Wenn ein Typ wie ich, der an den modernen Fortschritt glaubt, der die vielen schönen Fabriken und die vielen genialen Maschinen bewundert, erkennen muss und sieht, wohin das führt, kann er nichts anderes als verurteilen, denn es ist wirklich nicht sehr verheissungsvoll.

Manoll: Ja, und trotzdem. Ich denke an die Jahre der Besetzung: eine Zeit der totalen Entsagung, in der Sie überhaupt nichts geschrieben haben, trotz Ihres Bedürfnisses zu schreiben.

Cendrars: Nichts. Keine Zeile.

Manoll: Was für Sie äusserst schmerzlich war.

Cendrars: Natürlich habe ich gelitten.

Manoll: Dennoch sind Sie nicht untätig geblieben. Sie haben unbewusst Dinge gespeichert, denn anschliessend haben Sie, einen nach dem anderen, drei Titel veröffentlicht: Ihre Erinnerungen, Ihre drei wichtigsten Bücher.

Cendrars: Möglich.

Manoll: Man findet darin erstaunliche Hinweise auf Ihr Leben. Aber da gibt es noch etwas, was Ihre Sicht der Dinge betrifft, und ich werde nicht lockerlassen…

Cendrars: Nur los!

Manoll: Sie haben vorhin von Ihrem Stil und Ihrer Art zu schreiben gesprochen und haben gesagt, dass Sie selbst überrascht waren, als Sie feststellten, wie sehr sich Ihr Stil in Dan Yack verändert hatte. Aber Ihre Schreibweise unterliegt doch einem permanenten Wandel? Nehmen wir zum Beispiel Ihre Essays aus Aujourd’hui: Wir sind mitten in der Zeit des „Esprit nouveau“, des stürmischen Aufbruchs der Moderne. Sie kommen nach Paris. Ich weiss nicht, ob das auf den Kontakt mit den Kubisten, den Futuristen und den Simultaneisten zurückzuführen ist, Sie schreiben jedenfalls extrem direkt. Sie setzen sich brutal mit dem Thema auseinander. Sie versuchen, eine technische Sprache zu finden, die der Sprache der Ingenieure entspricht. Sie…

Cendrars: Es hat nichts mit den Kubisten und all jenen Leuten zu tun, und ebensowenig mit den Simultaneisten und den Abstrakten. Ich verdanke den Malern nichts.

Manoll: Es hat also mit Ihrem Temperament zu tun.

Cendrars: Jene Maler haben keinen Einfluss auf mich gehabt, im Gegenteil, ich bin es gewesen, der sie verteidigt hat. Ich behaupte und habe immer behauptet, dass ein Junge wie Picasso, der als der Vater der Kubisten gilt, und alle Maler jener Schule fünfzig Jahre hinter der Produktion der Dichter her hinken. Einer wie Picasso veranschaulicht wunderbar Mallarmé: Un coup de dés jamais n’abolira le hasard: Ein Würfelspiel hebt den Zufall nie auf. Aber weil Picasso nie darüber nachgedacht hat, hat er de facto Góngoras Sonette illustriert. Mit anderen Worten: Picasso hat von dem, was die moderne Lyrik sein könnte, ebensowenig eine Ahnung wie jene anderen Maler, die glauben, zur zeitgenössischen Avantgarde zu gehören. Nicht die geringste Ahnung. Die Maler haben Rimbauds Vision noch nicht eingeholt. Daher behaupte ich, dass sie im Hintertreffen sind. Fraglos, sie haben einen starken Einfluss auf die Mode, auf den Dekor des heutigen Lebensstils, auf den berühmten guten französischen Geschmack gehabt, der seit jeher die Domäne der zweitrangigen Pariser Maler war und es bleiben wird, wobei zu sagen ist, dass ihre originellen Einfälle oft gar nicht schlecht sind. Ein Picasso hat nur Geschmack. Selbst wenn er die Dinge zerknittert und zerknüllt, wenn er die Gesichter zerknüllt und zerknittert, prima, er zerknüllt und zerknittert, er arbeitet für die Mode, erarbeitet überhaupt nicht für die moderne Kunst und noch viel weniger für das Leben. Sein Erfolg, sein weltweiter Einfluss, sogar sein Triumph beweisen, dass er kein Meister ist. Wie liesse es sich sonst erklären, dass alle Snobs an der Côte d’Azur plötzlich zu den Initiierten gehören, als seien sie von der Gnade der Götter des Kubismus getroffen worden? Es wurde noch nie hässlicher gemalt. Alles reiner Ästhetizismus. Ein Freund, ein Kubist, sagte mir am Vorabend des Ersten Weltkriegs – und es war nicht Juan Gris, der Ärmste, der sich nie welche hätte leisten können: „Ich weiss nicht, wie die anderen es machen, je mehr teure Farben ich mir leiste, desto trüber male ich…“

Manoll: Glauben Sie nicht, dass Picasso ein Wegbereiter ist?

Cendrars: Nein, ganz sicher nicht! Er ist der Bastard des Akademismus. Sein Vater war Museumskonservator. Er kämpft nicht mit dem Engel, sondern mit seinem Vater. Er hat einen Komplex.

Manoll: Dennoch haben Sie eine Definition des Kubismus gegeben.

Cendrars: Ja, eine intelligente überdies. Aber ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern; das liegt unendlich weit zurück…

Manoll: Sie erinnern sich nicht mehr daran, obwohl Sie zum damaligen Zeitpunkt mitten drin steckten?

Cendrars: Ja, ich schrieb Beiträge für La Rose Rouge, 1919 war das; Beiträge über die Malerei und über die kubistischen Maler, die alle meine Freunde waren und die es mir sehr übelnahmen, als die Beiträge erschienen, weil ich das Ende ihrer Schule ankündigte: die Verwitterung des „Kubus“. Und behauptete, dass man in Kürze von eigenständigen Malern reden und sie nicht mehr alle unter der kläglichen Bezeichnung „Kubisten“ in einen Topf werfen, sondern ihre Namen nennen werde: Braque, Picasso, Léger, Delaunay… Jetzt, da sie berühmt sind und dem Erfolg ausgeliefert, der nicht nur Ruhm bedeutet, sondern auch Rivalität, Intrigensucht und heimlichen Neid, stehen diese gleichen Maler miteinander im Konkurrenzkampf, angespornt von der „Schwarzen Bande“ der Kunsthändler. Und siehe da: Plötzlich erinnert sich jeder an die vor dreissig Jahren geschmähten Beiträge, die ich weder angerührt noch ein Wort daran geändert habe, und jeder beruft sich überschwenglich und werbewirksam auf das ihn persönlich betreffende Dokument, und so findet man meine Beiträge heute, 1950, als Einleitung oder als literarischen Kommentar oder als „ausgewählte Textstelle“ in Kunstbänden mit den Reproduktionen der Bilder dieser Herren. Ich freue mich übrigens sehr über diese Fotobände, die sich, ob schwarzweiss oder farbig, in den Buchhandlungen stapeln, denn die von den Verlagen produzierte Menge ist für mich der Beweis, dass die moderne Malerei je länger, je mehr zum schlichten Accessoire für Museen wird, für Bibliotheken, für Universitätslesesäle, auf Salontischen, in Bars, in Kaffeehäusern… und demnächst wird sie in die Keller hinuntersteigen, wie die klassische Musik es unter dem Einfluss des Jazz bereits getan und dabei ihren Nimbus verloren hat, Gott sei Dank, seit sie nur noch Hintergrundgeräusch ist. Was Satie „Dekorationsmusik“ nannte. Keiner stützt mehr den Kopf in die Hände, um Musik zu hören. Und ebenso glaube ich, dass bald niemand mehr Bilder anschauen wird. Vor allem, dass nicht mehr über Malerei gesprochen wird. Es langt! Überlegen Sie sich’s doch: 100.000 Kilometer Malerei jährlich!

Manoll: Sie sind also tatsächlich überzeugt, dass die Dichter fünfzig Jahre Vorsprung auf die Maler haben?

Cendrars: Was die heutigen Dichter angeht, zweifellos. Die Maler haben Rimbaud noch nicht entdeckt. Können Sie mir einen guten Illustrator von Rimbauds Illuminations nennen?35

Manoll: Für mich ist Rimbauds Genie absolut eigenständig.

Cendrars: So eigenständig, dass die ganze Exegese, die man Rimbaud gewidmet hat – angefangen bei Claudel und Mme Paterne Berrichon, Arthur Rimbauds Schwester, bis hin zu den Stuhlvermieterinnen und den gemeinsten Zeloten –, ein grässlicher Unsinn ist; oder nicht? Weil Rimbaud gegangen und verstummt ist. Schauen Sie ihn doch an auf dem Gruppenbild Fantin-Latours! Den hübschen Jungen am Ende des Tisches mit den aufgestützten Ellbogen, der vor Ungeduld an den Fingernägeln kaut, weil er es kaum erwarten kann, abzuhauen und all den Herren „Scheisse“ zuzurufen. Nun aber: Wo wohnte Rimbaud zu jenem Zeitpunkt?

Manoll: In Paris.

Cendrars: Er wohnte im Senat! Leconte de Lisle, der im Senat Bibliothekar war, hatte ihn dort untergebracht. Begreiflich, dass der Junge es eilig hatte, das Feld zu räumen. Selbst Leon Bloy hatte nichts kapiert, der von ihm sagte: „Rimbaud, ein Lausebengel, der an den Himalaja pinkelt!“ Abgesehen vom armen Lélian, hielt ihn ganz Paris für einen lasterhaften jungen Mann, für einen Schwulen. Ein Skandal!

Manoll: Sie haben gesagt, Ihr Erwachsenenleben habe 1917 begonnen. Ich zitiere: „… als ich begriffen habe, dass die sich Bahn brechende Lyrik auf einem Missverständnis beruht, das die ganze Nation ergreifen und auf die ganze Welt übergreifen wird.“ Was genau meinen Sie mit diesem „Missverständnis“?

Cendrars: Ich habe es Ihnen bereits erklärt: Nachdem ich das Manuskript von Au Cœur du monde in einer Kiste verstaut und die Kiste zugenagelt hatte, verliess ich 1917 Paris, ohne an die Rückkehr zu denken. Ich war glücklich wie eine Frau, die ein Kind haben will, die es bekommt, die den Mann verlässt und ihr Kleinod mitnimmt, um es zu hätscheln, zu verwöhnen, es zu liebkosen und in der Einsamkeit heranwachsen zu sehen, und die sich verschanzt und mit blinder Bewunderung und unendlicher Zärtlichkeit ihr Leben dem Kind widmet. Der Fall kommt selten vor, aber ich habe Frauen gekannt, die das getan haben und dabei glücklich sind. Ich war glücklich. Ich liebte. Die Liebe beansprucht einen ganz.

Manoll: Quand tu aimes il faut partir…

Cendrars: Ich verliess also Paris. Ich hatte mich von der Poesie verabschiedet. Ich war glücklich. Ich war lebend aus dem Krieg zurückgekehrt und wollte leben. Was die Poesie angeht, das Missverständnis der modernen Lyrik und die Surrealisten: Kein einziger dieser jungen Menschen oder Vatersöhnchen hat etwas Neues geschaffen. Ein einziger Flohmarkt. Alles, was die Surrealisten seit dem Dada-Bunker hervorgebracht haben, findet man in Ansätzen in Les Soirées de Paris, deren letzte Ausgabe vom August 1914 datiert. Ich persönlich habe vergeblich etwas von ihnen erwartet, etwas noch nie Dagewesenes, etwas Neues. Ich habe, wie jedermann, immer Vertrauen in die Jugend gesetzt. La jeunesse est un sacerdoce… Mais c’est la jeunesse qui le dit, präzisiert Baudelaire, der Ernüchterte. Die Surrealisten wollten Tabula rasa machen. Sie kündigten es hundertmal an. Sie platzten vor Talent, die Jungs. Doch damit war nichts. Als Anatole France, der lächelnde alte Kinderschreck, starb, spuckten sie seinen Leichnam an, den man durch die Strassen von Paris spazierenführte, und sie staunten selber über ihre Kühnheit, denn sie hatten nicht nur Talent, die Herrensöhnchen, sie hatten auch Beziehungen, und am gleichen Tag warfen sie sich flach auf den Boden, um André Gide zu ehren, der hingegen ein lebender Leichnam war. Übrigens ist Gides Ruhm an jenem Tag entstanden. Der Teufel soll ihn holen.36

Manoll: Sie urteilen hart, Cendrars.

Cendrars: Finden Sie? Ich versichere Ihnen, dass es mein Ernst ist.

Manoll: Sie übertreiben.

Cendrars: Was kann ich Ihnen sonst noch von den Surrealisten erzählen? Ich habe wenig in jenen Kreisen verkehrt. Am Anfang suchten sie mich in meiner Mansarde in der Rue de Savoie auf: der sanfte Philippe Soupault, ein sehr netter, schüchterner junger Mann, der zu einem Zauderer wurde – gelinde ausgedrückt –, zu einem Duckmäuser; der Schleimer André Breron, der bereits das groteske Gehabe eines bornierten Provinzlers zur Schau trug, dem das Vaterland eines Tages erkenntlich SEIN WÜRDE, und der sich nie von seiner Scheinträchtigkeit anthumen Ruhms befreien konnte; Louis Aragon, mit dem ich mich beinahe angefreundet hätte, bei weitem der intelligenteste von den drei, aber auch der sensibelste, denn hinter seinen fiebrigen Worten hörte ich den Puls der Poesie schlagen, ein Aufbäumen, das dann in Hysterie umkippte. Soupault war es, der die zwei anderen zu mir schleppte; er wollte mich dazu überreden, einen Vortrag bei den Dames de France zu halten. Ich verwies ihn an Guillaume Apollinaire, von dem er nie etwas gehört hatte, und Apollinaire war entzückt, Gelegenheit zu haben, sich zu produzieren und in seiner Leutnantsuniform vor den vornehmen Damen in Krankenschwesternuniform, den schönen Gattinnen der Wirtschafts- und Industriekapitäne, zu schwadronieren. Ein lächerliches Theater. Doch wie soll man dem armen Guillaume böse sein? Seit seiner Trepanation war sein Charakter nicht wiederzuerkennen; Apollinaire war kindlich eitel geworden. Doch wenn André Breton sich rühmt, Guillaume sehr gut gekannt und ihn 1917 und 1918 regelmässig getroffen zu haben – wie er in seinen jüngsten biographischen Anmerkungen erwähnen lässt, um was weiss ich für einen armseligen selbstgefälligen Nutzen daraus zu ziehen –, lache ich ihm ins Gesicht und sage ihm rundheraus, dass er lügt…

Manoll: Tatsächlich?

Cendrars: Tatsächlich, und es ist eine Schande! Im übrigen widern mich die Allüren der Surrealisten an, und ich hätte mich niemals zu dieser beissenden Kritik hinreissen lassen, hätte André Breton nicht nach Apollinaire, Max Jacob und anderen Toten, die nichts dafür können, auch Rimbaud und Lautréamont für sich allein beanspruchen wollen. Und ich frage mich, wie das in einem Land wie Frankreich möglich war und man ihn in der freien Republik der Literatur mit Ukas und Prikas wüten liess. Die Leute verbeugen sich respektvoll. Zum Schieflachen ist das! Wir waren immerhin despektierlicher in den Soirées de Paris. Wir schnitten alte Zöpfe ab und räumten mit den alten Herren auf, wir paar Dichter, und spotteten fröhlich über Gott und die Welt. Die Ehrfurcht vor hohen Persönlichkeiten verschlug uns nicht den Atem, und niemand nahm sich ernst – im Gegensatz zu der heutigen Dichtergeneration. Wir hatten einfach unseren Spass.

Manoll: Und was halten Sie von Jean-Paul Sartre?

Cendrars: Da Sartre mir seine Bücher nicht schickt, habe ich keine Meinung über ihn. Was den Existentialismus angeht… nun, Schopenhauer hat mich vor den Philosophieprofessoren gewarnt, die nach ihrer Lehrtätigkeit meditieren, schreiben, denken, Manifeste verfassen; soviel zur philosophischen Doktrin. Und Sartre ist Professor. Philosophische Theaterstücke sind zum Sterben langweilig, und Sartre inszeniert seine Thesen im Theater. Romane sind entweder gut oder schlecht geschrieben, die von Sartre sind weder gut noch schlecht. Die jungen Menschen von heute, ich begegne ihnen täglich, seit ich in Paris zurück bin, und ich frage mich, worin sie spezifisch existentialistisch sind. Weil sie sich jeden Abend verkleiden, um nach Saint-Germain-des-Prés zu pilgern, so wie sich ihre Väter jeden Abend fein anzogen, um sich in vornehme Gesellschaften einzuschleichen oder die Tür eines Privatklubs aufzubrechen? Es ist bloss eine Mode, die vorbeigehen wird, die bereits vorbei ist… Ich verstehe den weltweiten Klamauk nicht. Die Welt muss sich ganz schön langweilen! Das Kino, das Radio, das Fernsehen? Die Wahrheit ist, dass wenig Menschen zu leben verstehen. Und diejenigen, die das Leben so nehmen, wie es ist, sind noch seltener.

Manoll: Ich weiss nicht, was ich vom überhandnehmen der Literaturprofessoren halten soll. Dass Jean-Paul Sartres Bewegung keine Dichter hervorgebracht hat, ist ganz eindeutig. Sie hat keine Dichter geschaffen. Kein einziger Dichter ist aus ihr hervorgegangen.

Cendrars: Sie haben wahrscheinlich recht. Was die Surrealisten angeht, würde ich eine einzige Ausnahme machen: Robert Desnos. Robert war ein feiner Kerl, mit dem ich viel gelacht und viel getrunken habe. Wir trafen uns in einer Bar, die ich L’Œil de Paris getauft hatte, weil sie in der Rue de Rivoli lag, unter den Arkaden, zwei Schritte von der Concorde entfernt; man sah dort ganz Paris an einem vorbeigehen, ohne sich vom Barhocker rühren zu müssen. Robert nannte das Lokal boshaft Chez Madame Zyeux – wegen der Frauen, die hereinkamen, um zur Toilette hinunterzugehen und hochmütig wieder an uns vorbeizurauschen, ohne uns eines Blickes zu würdigen –, und wir prusteten vor Lachen, denn wir waren voll mit den uns zuzwinkernden Likörkirschen beschäftigt, von denen wir ganze Gläser leerten und den Kern den anonymen bepelzten Pinklerinnen nachspuckten, die sich dank frisch aufgetragenem Make-up schöngemacht hatten. Youki brauchte nicht eifersüchtig zu sein. Robert war ein fröhlicher Kumpel. Wir unterhielten uns nicht über „automatisches Schreiben“, und die zwei-, dreimal, als ich versuchte, ihn über diese unselige Gabe auszufragen, die man ihm hatte anhängen wollen, begnügte er sich damit, zu zwinkern und vielsagend zu lächeln wie jemand, der allzugenau Bescheid weiss! Ich habe nie an das Medium Desnos glauben wollen, und ebensowenig an den Mystiker Max Jacob. Robert Desnos war ein grosser Dichter! Ein echter. Lesen Sie Quartier Saint-Merri nochmals. Es hat die Kraft von Villon. Der eine kam aus dem Stadtviertel Saint-Jacques, der andere aus Saint-Martin. Rechtes Seineufer, linkes Seineufer. Es kommt aufs gleiche heraus. An der Quelle trinken. Die kleinen Pariser Bistros…

Manoll: Und was halten Sie von der heutigen Jugend, der jungen Generation von 1950?

Cendrars: Die Jungen von heute sind zum Verzweifeln! Stellen Sie sich vor, sie schreiben mir! Als ich jung war, schrieben mir die Jungen nicht, eben, weil ich jung war.Wenn die Jungen mir heute schreiben, so weil sie mich für einen Alten halten, und das macht mich trotz meines Alters traurig. Was soll’s! Schwamm darüber… Ich gestehe, dass es eine ganze Generation junger Dichter gibt, die noch nicht veröffentlicht haben und die mir schreiben. Ich erhalte zwei, vier Sendungen Gedichte am Tag und hin und wieder ein Gedichtbändchen. Unbekannte…

Manoll: Begabungen?

Cendrars: Wie es halt ist im Leben: begabte junge Menschen, unbegabte junge Menschen, geniale Menschen, nicht geniale Menschen. Ich fühle mich sehr geschmeichelt; ich antworte immer. Doch wenn sie in mir einen Lehrer suchen, irren sie sich in der Adresse. Ich vertrete keine Schule. Ich bin noch nicht so alt, uralt, genügend alt… Dazu muss man verkalkt und gaga sein.

Manoll: Auch wenn Sie diese Lehrerrolle ablehnen, Sie selber haben doch auch Vorbilder: Schriftsteller, die Sie sehr berührt haben, Dichter, die Sie beeinflusst haben. Von Baudelaire wird gesagt, er sei der Vater der modernen Lyrik. Daraus sind zwei Richtungen entstanden: eine, die Meister des Wortes geformt hat – Mallarmé und Valéry zum Beispiel –, und die andere Dichter, die sich ins Abenteuer der Eroberung der modernen Welt gestürzt haben…

Cendrars: Lassen wir Mallarmé. Aber Paul Valéry, diesen Epigonen, der alle seinem Lehrer zustehenden Ehren eingesteckt und sogar ein Staatsbegräbnis bekommen hat – und die Surrealisten haben nicht protestiert! Was Baudelaire angeht, gewiss, ich bin von ihm beeinflusst worden. Er ist ein sehr grosser Dichter, aber in seiner Kritik der Moderne ist er vor allem ein tief katholischer Geist. Als Kritiker war er sogar ganz erstaunlich und seiner Zeit weit voraus; ich denke, dass er durch seine Kritik und sein Dandytum noch lange, sagen wir bis Ende des 20. Jahrhunderts, junge Menschen beeinflussen wird. Seine schönsten Gedichte sind bereits etwas gestrig. Ich aber stehe im Zeichen von François Villon.

Manoll: Ein anderer, der Sie offenbar sehr geprägt hat – wenn man bei Ihnen von prägen reden kann, denn Sie sind kein Mensch, der unter irgendwelchen Einflüssen steht, sondern ein Mensch, der andere unter seinen Einfluss stellt, und viele zeitgenössischen Autoren sind von Ihnen beeinflusst worden…

Cendrars: Ich habe einen Horror davor!

Manoll: Sie können nichts dafür. Pâques à New York, La Prose du Transsibérien, Panama, die…

Cendrars: Seit wann spricht man darüber? frage ich Sie.

Manoll: … die Dix-neuf poèmes élastiques… Man spricht darüber, und Sie werden genau deswegen zitiert, weil diese Gedichte die moderne Lyrik begründet haben, weil sie der Ursprung des modernen Lyrismus…

Cendrars: Sehr liebenswürdig von Ihnen, Manoll, mir so schmeichelhafte Dinge zu sagen…

Manoll: Aber hören Sie, Cendrars, Sie sind doch schliesslich berühmt!

Cendrars: Aha! Ich bin also, wie ein Hahnrei, der letzte, der daran glaubt. Nein-nein, überhaupt nicht, ich habe gar nichts begründet. Die moderne Welt – „grossartig und filigran“ wie das Mittelalter – hat die moderne Lyrik begründet. Und der Ursprung ist Villon. Sollte jemals Max Jacobs Korrespondenz veröffentlicht werden, werden Sie jede Menge Ursprünge und Ausgangs- und Endpunkte darin finden. Er war jemand, der es verstand, alte Zöpfe abzuschneiden, bunt durcheinander falsche Genies und echte Genies, Reine und Unreine wegzufegen. Und er hatte eine sehr scharfe Zunge und gebärdete sich wild.

Manoll: Wie? Die echten auch?

Cendrars: Er zerpflückt sie höhnisch. Sie werden sehen! Zum Totlachen!

Manoll: Ich kann es kaum glauben.

Cendrars: Die Dichter amüsieren sich nicht mehr. Das ist es, was mich heute am meisten erschreckt: der Ernst, mit dem sie sich alle für etwas Besonderes halten.

Manoll: Es stimmt, wir können nicht mehr lachen, und es gibt nur noch wenige Dinge, die uns amüsieren. Es tut mir leid, es zugeben zu müssen, aber das gilt für meine ganze Generation: Wir lachen nicht. Es gibt dafür immerhin Gründe, offenkundige soziale Gründe, wirtschaftliche Gründe…

Cendrars: Glauben Sie etwa, damals sei unser Leben lustiger gewesen?

Manoll: War es das nicht?

Cendrars: Mein lieber Manoll, zur Zeit der Belle Époque bekamen freie Journalisten einen Sou je Zeile, und ein Apollinaire hat Monate und Jahre warten müssen, bevor er seine Manuskripte zeichnen durfte und mit einer regelmässigen, einträglichen Arbeit rechnen konnte. Also hat er Erotisches geschrieben, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie können sich nicht vorstellen, wie fest verschlossen uns die Türen waren. Ich habe den Eindruck, dass man heute viel freundlicher ist; ich treffe überall junge Leute, bei den Zeitungen, beim Radio, im Studio. Schon vor 1914 standen jene, die es versuchen wollten, Schlange vor der Tür oder vor endgültig geschlossenen Schaltern. Die anderen saugten in den Strassen an der Hungerpfote. Das war uns egal. Wir lachten. Die Pariserinnen sind hübsch…

Manoll: Unsere Generation musste auch ziemlich daran saugen…

Cendrars: Alle haben daran gesaugt, das gehört zu den jungen Generationen. Zum Glück gibt es die Hungerpfote, und zum Glück hat man sie noch nicht wie Affenfleisch oder Corned beef zu Export-Dosennahrung verarbeitet. Man behält sie der französischen Jugend vor, damit sie eine tüchtige Jugend bleibt, die sich zu helfen weiss.
Ein Rat an die jungen Menschen: Wenn ihr eine offenstehende Tür seht, Zeitungsredaktion, Radio, Studio, Film, Bank… Bitte tretet nicht ein, ihr seid sonst mit dreissig gaga, denn das Lachen bleibt vor der Tür. Das ist meine Erfahrung. Die Poesie ist auf der Strasse. Sie geht Arm in Arm mit dem Lachen. Sie führt es zur Quelle, geht mit ihm in die Bistros an der Strassenecke einen trinken, wo das Lachen der einfachen Leute von Herzen kommt, und von ihren Lippen fliesst eine wunderbare Sprache.

Manoll: Il n’est bon bec que de Paris…

aus Blaise Cendrars: Am Mikrofon. Gespräche mit Michel Manoll, Lenos Verlag, 1999

Der grosse Dichter und sein Freund

– B. C. hat in der deutschen Schweiz einen literarischen Anwalt. –

Bin ich ein Schweizer wie mein Vater? Oder ein Meerfisch wie meine ägyptische Amme? Bin ich ein Italiener, Schotte oder Flame wie mein Grossvater? Wie immer: Ich bin der erste meines Namens…

Blaise Cendrars hiess Fritz Sauser, stammte aus Sigriswil, geboren wurde er in La Chaux-de-Fonds; Blaise Cendrars jedoch kam im Hôtel des Etrangers in Paris zur Welt und schrieb ein Leben lang die Autobiographie von Fritz Sauser unter dem Pseudonym Cendrars.
Die Biographie beginnt im Jahre 1902, in La Chaux-de-Fonds eben; er ist – in Sachen Autobiographie – so lässig wie Brecht in Sachen geistigen Eigentums, und in der Tat steht es dem Autor durchaus frei, sein Leben so zu sehen, wie er es haben wollte, und wer einen andern Namen für sich erfindet und feststellt, er sei der erste dieses Namens, dem darf man diese Freiheit zugestehen; die Mühsal bleibt späteren Biographen überlassen. Nehmen wir weiterhin an: Der Fünfzehnjährige klettert nachts aus seinem Zimmer, von Balkon zu Balkon auf die Strasse hinunter, einen Koffer mit dem Familiensilber in der Hand haltend, Münzen in der Tasche aus dem zerbrochenen Sparschwein seiner Schwester; mit dem Vater hat er sich verzankt, die Schulbehörde meldet 357 unentschuldigte Absenzen in diesem Jahr – fort!
Wohin?
Gewöhnlich hörten sich die später vor Gericht vorgelesenen biographischen Auszüge ehemaliger Fremdenlegionäre nach ihrer Rückkehr in die Schweiz so an: Mangel an Disziplin und Konzentration, Neigung zu kriminellen Handlungen, Langeweile auf dem heimatlichen Asphalt, Atavismen aus der Reisläuferzeit der Schweiz beinahe – das war nichts Seltenes. (Mein Grossvater verliess als Medizinstudent die Schweiz, fuhr nach Belgien, dann in den Kongo, von wo er nach zwölf Jahren als Kommandant des Leopoldville-Distrikts zurückkehrte, dem Regierungsbefehl gehorchend, Schweizer Bürger dürften nicht mehr in fremden Heeren dienen; die Feststellung, dass General Wille, ein Freund meines Grossvaters, preussische Militärausbildung besass und Hochdeutsch sprach, scheint mir nicht überflüssig.) „Bleibe im Lande und nähre dich redlich“ – es gehört zur Schweizer Mentalität, das Verlassen des heimatlichen Grundes, besonders was Künstler und Schriftsteller anbetrifft, als eine schleichende Form des Verrats zu betrachten, ganz besonders dann, wenn jene ausser Landes zu Ruhm oder Anerkennung gelangen. Es gibt Schriftsteller – Friedrich Dürrenmatt zum Beispiel –, die die Schweiz (freilich mit der Absicht zu verärgern) als lediglich „angenehmen Wohnort“ definieren; für andere ist die Schweiz kein angenehmer Ort zu leben, aus vielerlei Gründen – und dennoch: Die Schweiz bleibt für fast alle, die sie verliessen, Sehnsucht; die Schweiz ist ein Elternhaus, und weder Le Corbusier (im selben Quartier wie Cendrars aufgewachsen) noch Arthur Honegger oder Giacometti vermochten sich je völlig von ihrem angestammten Land zu lösen, so sehr ihnen schweizerische Mentalität verhasst war; zuweilen – so scheint es – ist auch in den Filmen Jean-Luc Godards die grimmige Sehnsucht des Provinzlers zu spüren, der nicht mehr weiss, ob er aus einer kulturellen Minorität ausgestossen wurde oder sich selber von ihr distanziert hat. Die Provinzler-Herkunft jedenfalls schärft das Auge, die Wahrnehmung: In historischer Windstille aufgewachsen, empfindet und durchschaut er rascher, nicht zuletzt auf Grund der Untugend des Provinzlers, immer Vergleiche anzustellen. In die Heimat zurückgekehrt, erfährt er, dass er vorerst nur sich selber erfahren und wenig mitzuteilen hat, was eben die Heimat aus der Ruhe aufschrecken könnte. Und so, auf seine eigene Erfahrung, die nicht allgemein gültig ist, zurückgeworfen, kämpft er ohnmächtig mit der Ohnmacht seiner Heimat.
Doch die Rede sei von Fritz Sauser. Nehmen wir an, dass er an jenem frühen Morgen im Jahre 1902 den ersten Eisenbahnzug von Südwesten nach Nordwesten bestiegen hat:

Bâle? Pourquoi Bâle?

Er ist, schreibt er, wie ein Schlafwandler aus seinem Vaterhaus fortgegangen und besteigt nun wie ein Schlafender einen Zug, dann den nächsten –
Berlin. Hamburg. Dann Königsberg. Breslau. Köln. Er verlässt jeweils den Bahnhof überhaupt nicht, er steigt einfach in den nächsten wartenden Zug, auch wenn die Lokomotive noch kalt wartet. Die meisten Züge fahren nach Berlin.
Tage später findet er sich in Breslau. Im Bahnhofsrestaurant lernt er einen polnischen Diamantenhändler kennen, Rogovin mit Namen.
1902. Cecil Rhodes stirbt steinreich in Kapstadt. In Barcelona schlägt Primo de Rivera einen Aufstand nieder. Kuba wird amerikanisches Protektorat, und Trotzki gelingt die Flucht aus der ostsibirischen Gefangenschaft…
Sibirien. Dorthin nimmt Rogovin den jungen Sauser mit, als Leibwache, Gehilfen, später als Kompagnon. Fritz Sauser gewinnt Vermögen, lebt in China, in der Mongolei, in Siam; später arbeitet er als Jongleur in London, beachtet den Anfänger Chaplin, weilt in Brüssel als Bühnenartist und während der Weltausstellung in Paris als tunesischer Teppichhändler.
1907 verschwindet er wieder in Russland, reist quer durch Asien und gelangt über Kanada nach New York.

Zu Hause indessen, in Basel zu jener Zeit, arbeitet fleissig sein Schulfreund Haberbosch.
Und mit ihm beginnt eine Geschichte. Eine schweizerische Geschichte. Paul Haberboschs Leben mag erfüllt gewesen sein, erfüllt innerhalb jener Grenzen, die er sich selber gesteckt hatte. Fast sechzig Jahre lang jedoch litt er unter dem Wissen, mit einem Mann befreundet gewesen zu sein, der niemals Grenzen anerkannte (auch die eigenen nicht), Wahrheit in Lüge verwandelnd, Lüge in mögliche Wahrheit zurückbiegend, ein Mythomane, dem Lüge nicht reichte, bis er sie in die Wirklichkeit zurückzwang, jene Wirklichkeit, die ihm endlos erschien, bis er sich zu einer neuen Lüge nötigte. So scheint es. Doch die Lügen sind gross, wenn er sie schreibt. Er erfindet voraus, er dichtet sein Leben voraus, und alles, was er schreibt, wird zu einem Wettlauf zwischen Wirklichkeit und Phantasie; beide holen ihn immer wieder ein, und er bricht immer wieder aus. Falstaff als Dokumentarfilmer, Rabelais als Kriegsreporter, ein Held, dem das Maul immer vorauseilt – doch der Besitzer des Mauls folgt früher oder später und stellt sich. In irgendeiner Form.
Paul Haberbosch belauerte seinen Schulfreund vom Schreibtisch aus. Er ist, nehme ich an, schon sehr bald Gymnasiallehrer in Baden geworden, ein guter Lehrer zweifellos, einer, der sich nicht rasch betören lässt (eine Tugend, auf die jeder Schweizer stolz ist, zu Recht, weil aller Ruhm früher oder später wieder zusammenbricht, darum also…), nein, man hat sich hier und jetzt in aller Bescheidenheit und Stille zu bewähren. Zuweilen tönt das gebieterische Hier und Jetzt wie der Schrei aus einer Bleikammer in Venedig. Doch in Bleikammern rinnen die Minuten wie Schweisstropfen. Vielleicht wünschte Haberbosch, dass sein verwegener Schulfreund bei ihm bleibe, im Lande, und irgendwie das Land verändere; vielleicht ging er, Cendrars’ Schulfreund, jeden Tag zum Bahnhof und studierte die Fahrpläne, vielleicht. Das ist ohne Ironie. Vielleicht ahnte Haberbosch zusammen mit Victor Hugo, „que la Suisse aura le dernier mot“. Das wiederum ist nicht ohne Ironie, doch mit Bangen. Er wollte das – vielleicht – Rechte vor dem Richtigen. (Merkwürdig, wie das Suchen nach Worten des Mitgefühls die Worte abschleift, auch das Mitgefühl selber.)
Cendrars lungert 1912 durch New York.

Ich verhungerte beinahe, weil ich nicht arbeiten wollte…

Fritz Sauser, wie er noch immer heisst, verbringt die Tage in der New York Public Library.

Ich vergass nie, dass Arbeit ein Fluch ist, und ich habe auch nie daran gedacht, eine Gewohnheit daraus zu machen.

Also sucht er nach Essbarem, bückt sich nach Zigarettenstummeln; zuweilen hofft er, in einer Schublade „ein zufällig vergessenes kaltes Huhn“ zu finden. Und eines Nachts stolpert er müde durch die Strassen. Ein Sonntag. Aus einer Presbyterianerkirche hört er Haydns „Schöpfung“.

Doch ein Scheisskerl von einem Bischof unterbrach alle fünf Minuten das Oratorium, um Moral zu predigen und an das Herz zu appellieren. Ich ging davon, zerschlagen, angewidert. In meinem Zimmer kaute ich an einer Brotrinde und legte mich schlafen. Dann erwachte ich und begann zu schreiben, schlief wieder ein, erwachte, kritzelte weiter… Um fünf Uhr hatte ich „Pâques à New York“ geschrieben…

J’aurais voulu entrer, Seigneur,
Dans une église
Mais il n’y a pas de cloches, Seigneur,
Dans cette
Ville…

(Jahrzehnte später proletet er in einem Gespräch mit Michel Mannol: „New York me fait rire!“)
Wie immer, Fritz Sauser hat seinen Dichternamen entdeckt; er wird noch im selben Jahr im literarischen Paris von sich reden machen.
Neunundfünfzig Jahre später sitzt der Schulfreund am Schreibtisch, keine Schulhefte plagen ihn mehr. Er ist frei, pensioniert. Endlich findet er die Zeit zur Wahrheit. Einmal muss es gesagt werden, nicht wahr. Der Schulfreund ist wenige Wochen zuvor in Paris gestorben. Vor ihm, Haberbosch, liegt das letzte Lebenszeichen, das er von Fritz Sauser erhalten hatte, 1913, „Pâques à New York“, mit einer Widmung sogar:

Meinem Jugendfreund Paul Haberbosch in Erinnerung an F. Sauser – Blaise Cendrars.

In einem Brief an Radio Bern, das in einer einstündigen Sendung Cendrars’ Leben und Werk zu schildern versucht, schreibt er:

1913 teilten sich übrigens unsere Wege. Mit dem erwähnten Gedicht erhielt ich auch eine Werbenummer „Les Hommes Nouveaux“, Oct. 1912. Ich studierte damals im zehnten Semester und war den Mitmenschen gegenüber kritisch eingestellt, bürgerlich und vielleicht philisterhaft. Ich konnte mich mit der Schreiberei und der Lebensführung meines Freundes nicht einverstanden erklären. Ich sah ihn übrigens von 1908 an nie, und einzig Mitteilungen von Bildhauer August Suter klärten mich über den Lebenslauf Sausers in Frankreich auf.

Fast gleichzeitig – am 4. April 1961 – lässt Paul Haberbosch einen Artikel im Badener Tagblatt erscheinen. Es geht um die Wahrheit, endgültig. Unwiderruflich. Tödlich.
Er schreibt:

Blaise Cendrars, alias Fritz Sauser, ist am 21. Januar 1961 im Alter von 74 Jahren in Paris gestorben.

In vielen Zeitungen wurde man in den Nekrologen mit dem höchst abenteuerlichen Lebenslauf dieses Schweizers, der in Frankreich zu hohen literarischen Ehren aufstieg, bekannt gemacht; so beispielsweise in der NZZ durch François Bondy und im Badener Tagblatt durch Franz Schmid. Dabei konnte man viel Ungereimtes vom Leben dieses für die jüngere französische Dichtergeneration wegweisenden Künstlers erfahren.
Die biographischen Daten scheinen vor allem von Jacques-Henry Lévesque zu stammen. Allem nach zu schliessen, hat dieser aus den Arbeiten, die Cendrars in der ,Ich‘-Form schrieb, alles kritiklos in die Biographie übernommen. Vieles davon ist schon auf den ersten Blick haltlos.
Wir Basler, die mit Fritz Sauser ums Jahr 1902 in die Untere Realschule (das jetzige Naturwissenschaftliche Gymnasium) gingen, können seinen wirklichen Lebenslauf nur bis 1908 überblicken. Von seinem früheren Leben hat der sonst gesprächige Welsche nichts erzählt. Nach seinen späteren Aufzeichnungen muss es sehr abwechslungsreich verlaufen sein. Geburt: 1. September 1887 in einem Pariser Hotel. Aufenthalt in Ägypten, wo er von einer afrikanischen Nurse, und in Neapel, wo er von einer englischen Gouvernante betreut wurde. Reise durch Sizilien mit einem englischen Privatlehrer. Seine Familie soll sich auf dem absteigenden Ast des gesellschaftlichen Lebens befunden haben. Verschwenderischer Luxus in Ägypten mit Palast, Jacht und Pferden; in England im grossväterlichen Schloss; dann eine Zimmerflucht in Paris, eine Villa in Montreux etc. Als wir ihn in Basel kennenlernten, wohnte die Familie Sauser in einer Dreizimmerwohnung im 2. Stock des Eckhauses Winkelriedplatz, in dem heute noch im Parterre das Restaurant Winkelried ist.
Seine Mutter, eine zarte Schottländerin, die zum Präraffaelismus hinneigte, soll ihm früh in einem Hotelzimmer in Florenz weggestorben sein; in Wirklichkeit starb sie aber erst 1908 und zwar in Bern. Den Vater schildert der Biograph als abenteuerlichen Geschäftsmann und ruhelosen Erfinder, der sich mit Kunstfotografien auf Tellern und pasteurisiertem Bier sowie mit Lichtreklamen befasst haben soll. Wir Basler kannten ihn als Weinreisenden.
Fritz Sauser beherrschte in Basel die französische Sprache und sprach und schrieb ordentlich Deutsch. Von Italienisch und Englisch, die er nach den oben erwähnten Aufenthalten und Reisen wenigstens einigermassen hätte sprechen können, merkte man nichts. Als wir im Margarethengut auf den Tennisplätzen als Ballbuben wirkten, verstand er höchstens die gebräuchlichen Ausdrücke von ,play‘ bis ,game‘. Den weiteren Verlauf des Lebens Sausers können wir nach dem Wegzug von Basel genau verfolgen, da noch ein Teil der Korrespondenz erhalten geblieben ist. Bevor wir darauf eingehen, erscheint es als zweckmässig, den phantastischen Verlauf seiner Reisen von 1902 bis 1908 nach den Angaben der Biographen festzuhalten.
Besonders interessant ist die Flucht aus Neuchâtel, die 1902 vor sich gegangen sein soll. (In Wirklichkeit verliess er diese Stadt erst 1904.)
Soweit der Ausschnitt von 1902 bis 1906 aus dem ,Curriculum vitae‘ Sausers. In Wirklichkeit spielten sich seine Flucht aus Neuenburg und sein Aufenthalt im Osten viel prosaischer ab.
Aus Neuenburg schreibt er am 8. September 1904 auf einer Korrespondenzkarte:

Ich habe jetzt eine Stelle in Russland und verreise Ende des Monats. Ich werde über Basel kommen und hoffe einen Nachmittag mit Dir zu sein.

Bei einer Flasche Asti wird Abschied gefeiert. Fritz Sauser reist in aller Ruhe über Berlin nach Moskau; am 1. Januar 1905 tritt er in Petersburg ins grosse Uhrengeschäft K.A. Leuba, Rue aux Pois No. 34, ein, am gleichen Tag, da Port Arthur fiel. Auf Ansichtskarten und in Briefen schreibt er, dass er viel zu arbeiten habe, besonders auf die Messe von Nijni hin, dass er fleissig russische Grammatik lerne und einen Fussballklub gegründet habe. Reisen werden keine erwähnt; aus den Poststempeln ist ersichtlich, dass er fast ausschliesslich in Petersburg wohnte. Allenfalls ist er bis Nijni gekommen. Ein Jahrzehnt später hat Blaise Cendrars im Gedicht „La prose du Transsiberien“, das ihn mit einem Schlag berühmt gemacht hat und ihm den Titel „Homer der Sibirischen Bahn“ eintrug, die abenteuerliche Fahrt während des russisch-japanischen Kriegs beschrieben. Dabei ist er nicht über den Ural hinausgekommen. Im Februar 1907 meldet F. S.:

Am 28. März verlasse ich Russland und fahre nach Hause; in 2–3 Tagen fahre ich nach Moskau.

Am 21. April 1907 ist er in Basel und reist zu seinen Eltern nach Neuchâtel weiter, wo ihn bald darauf die Nachricht vom Tod seiner Geliebten, die in Russland zurückgeblieben war, niederdrückt. Seine Helene hatte im Hause von Bekannten eine Petrollampe umgestossen und versuchte mit den Füssen die Flammen zu ersticken. Dabei entzündeten sich ihre Kleider und verursachten Brandwunden, denen sie zwei Tage später erlag. Im März 1908 kommt eine weitere traurige Meldung aus Bern, der Verlust seiner Mutter. Fred hat in Bern ein Examen bestanden, bereitet sich auf die Matur vor und wünscht zum Studium Zoologie- und Botanikhefte. Adresse: Cäcilienstrasse 32. – Ein letzter Brief aus Bern ist datiert vom 5. März. Die Jahreszahl ist unleserlich; doch muss sie 1909 heissen. Sauser war sechs Monate krank und konnte die Maturitätsprüfung nicht bestehen. „Der Krankheit wegen“ ist durchgestrichen und durch „des Vaters wegen“ ersetzt. Er hat sich mit diesem gezankt (also erst sieben Jahre nach der abenteuerlichen ,Flucht‘ nach Russland) und verdient das Studium mit Stundengeben. Er hat sich an der philosophischen Fakultät der Universität Bern immatrikuliert und arbeitet im Kunsthistorischen Seminar. Dieser letzte Brief schliesst:

Wie sind wir doch fast menschenfremd geworden.

Das nächste Lebenszeichen kam durch den Basler Bildhauer August Suter, der seit ungefähr 50 Jahren in Paris lebt, in meine Hände. Es ist die Oktobernummer 1912 der Zeitschrift Les Hommes Nouveaux, mit einem Beitrag von Blaise Cendrars. Im Redaktorenverzeichnis steht: Freddy Sausey! – Am 15. Februar 1913 schickt der inzwischen bekannt gewordene Dichter sein Gedicht „Les Pâques“ mit der Widmung: „F. Sauser – Blaise Cendrars“. Eine Skizze, signiert mit B. C., zeigt eine plumpe Kopie einer Hodlerzeichnung.
Tatsächlich waren wir einander fremd geworden; und zwar in einer Weise, die Blaise Cendrars bewog, in seinem Werk L’Or, das die Geschichte des Johann August Suter in Kalifornien darstellt, meinen Namen einem kriminellen New Yorker Spelunkenwirt anzuhängen.
Ein Zitat, das das Badener Tagblatt brachte, soll diese kritischen Betrachtungen schliessen. Es stammt aus dem 1957 erschienenen Buch Cendrars’ Trop c’est trop. Er schreibt:

En 1908 j’avais beaucoup bourlingué et vécu maintes et maintes aventures à peu près dans tous les pays du monde civilisé. J’avais vingt et un ans.“ – Jawohl: „Zuviel ist zuviel“! Im Jahre 1908 lebte Fritz Sauser nach seinem zweieinhalbjährigen Russlandaufenthalt in Bern und hatte damals kaum die Grenzen Europas überschritten. Wer denkt dabei nicht an Karl May?

Ja, das Auge Haberboschs folgt dem Freund aus der Kinderzeit, wo immer er sich aufhält oder erahnen lässt: Sibirien, die Steppen Nordamerikas, Hollywood, Brasilien, die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges, wo sich Cendrars zur Fremdenlegion gemeldet hat und seinen Arm verliert, die Tage und Jahre in Paris mit Apollinaire, Picasso, Braque und Modigliani, Filme in Rom und London (mit Abel Gance dreht er 1921 La Roue), dann wieder Amerika, wieder Frankreich („Quand on aime – il faut partir“, schreibt er), aber sein Schulfreund, der nicht liebt, jedenfalls ihn, Cendrars, nicht, bleibt zu Hause, horchend, verfolgend. 1925 erscheint Cendrars’ L’Or, die Geschichte General Suters, dessen Reich in Kalifornien vom Goldrausch verwüstet und vernichtet wird. Gold, berichtet der amerikanische Ingenieur Littlepage, ist eines der Lieblingsbücher Stalins, der – seine Ideologie vergessend und Cendrars’ Inspiration folgend – in Sibirien Anlagen zum Goldschürfen bauen lässt; das Buch wird alsbald in fünfundzwanzig Sprachen übersetzt.
Einer der aufmerksamsten Leser lebt in Baden, Kanton Aargau.
Der Erfolg des fragwürdigen Mitschülers Sauser erfüllt ihn mit Misstrauen. Überhaupt: Was sucht der in der Welt draussen? Reicht ihm der Alltag nicht?
Nein, der Alltag reicht ihm nicht. Nicht einmal die Erde, und so schreibt er ein Buch, das den Titel Le Lotissement du ciel trägt; Cendrars sucht Cäsaren, Monstren, er interviewt Al Capone, widmet seine Geschichten obskuren Gräfinnen und Grafen und setzt sich nachts zu den Zigeunern: L’Homme foudroyé, ein Mann, vom Blitz getroffen… Seine Erlebnis- und Fabulierkraft ist unerschöpfliche Aufschneiderei.
Und jemand sitzt schweigend am Schreibtisch, korrigiert die Aufsätze von Schülern und flucht in sich hinein. Auch die Aare, die versaute, so mag er zuweilen denken, fliesst zuletzt ins Meer.
Nach dem Zusammenbruch Frankreichs, 1940, versteckt sich Cendrars vor den Deutschen in Aix-en-Provence; man hat sein Haus und seine Bücher beschlagnahmt, er lebt und schreibt in einer Küche. Einer der Söhne fällt.
Die letzten Lebensjahre verbringt er wieder in Paris. Kurze Zeit vor seinem Tod taucht er noch einmal im bernischen Sigriswil auf, seinem idyllischen Heimatort am Thunersee.
Nach Cendrars’ Tod beginnt der Jugendfreund an der Aare sich zu bewegen. Jahrelang hat er in die Welt hinaus gehorcht. Nun muss er die Wahrheit sagen.
„Als sein Roman L’Or 1925 erschien, merkte ich, dass er mich nicht vergessen hatte“, schreibt er in einem Brief.

Im Kapitel, das die Ankunft J. August Suters in New York schildert, lässt er als erfundene Figur einen übelbeleumdeten Spelunkenwirt auftreten, der die Einreisenden ausbeutet. Er taufte ihn „Paul Haberposch“! Ich kann nicht sagen, dass ich 1913 Sauser als Bluffer und Hochstapler voll und ganz erkannt hätte; jedenfalls traute ich ihm vieles zu und misstraute ihm.

(Merkwürdig, dass die Redewendung: man traue jemandem alles zu gleich den Akzent des Negativen, ja Kriminellen betont.)
Doch weiter:

Als ich nun nach seinem Tod mir nicht mehr vorwerfen musste, durch Berichtigungen das ,Abenteuerleben‘ zu korrigieren und seine künstlerische Laufbahn zu stören, machte ich mich daran, nicht nur sein Curriculum vitae, sondern auch seine Arbeiten auf Echtheit und Wahrheit zu überprüfen.

Eigenartig, da will ein greiser Mann die künstlerische Laufbahn eines weltberühmten Schriftstellers nicht stören… Er zieht es vor, auf sein Grab zu spucken. Und er tut es mit Hartnäckigkeit. Zeile für Zeile – den linken Zeigefinger auf dem Manuskript links, den rechten Zeigefinger auf dem Manuskript rechts – weist er nach, wie Cendrars-Sauser die 1868 veröffentlichte Chronik des Baselbieters Birmann über den bankrotten und zum König Kaliforniens aufgestiegenen „General“ August Suter ausgebeutet und zum Teil wörtlich übernommen hatte.
Der grosse Dichter und sein kleiner Freund…
Ja, Besoin de Grandeur; nach einer der erschütterndsten Schlachten der europäischen Geschichte, der Schlacht bei Marignano, verzichtete die Schweiz für alle Zeiten auf Grossmachtspolitik und verwandelte sich in ein introvertiertes, scheinbar resigniertes Imperium, schuf mit List, Tücke, Beharrlichkeit und Intelligenz einen Mikrokosmos, in welchem der weisse Terror, das Schweigen eben, erfunden wurde, bevor es totalitären Staaten als Selbstverständlichkeit zufiel. Der beharrlich Schweigende wird gerne angeredet, angeflüstert, er wird ja vom Geflüsterten keinen Gebrauch machen, nimmt der Flüsternde an. In der Tat macht der Schweigende und Hörende keinen Gebrauch vom Gehörten im Sinne der Denunziation; er will das Wissen anderer gegen andere zum Schutz seiner selbst. Er hat – wie Elefanten, Delphine und Hunde – seine Lernfähigkeit ergötzlich perfektioniert, und niemand glaubt – bis er (fast gelangweilt) zuschlägt –, wie lange und unbarmherzig er die Fehler der Stärkeren beobachtet hat. Dieses schweigende Beobachten ist für den, der es selber zu beobachten beginnt, nicht ohne Faszination. Schliesslich erkennt er vielleicht: Das Masshalten – was immer es betreffen, angehen mag – ist masslos.
Das Huhn, bemerkte einer meiner Freunde, ist das einzig freilebende Raubtier der Schweiz.
War die Dämonie zuerst im Ei oder im Huhn? fragte ein anderer.
Und ein dritter fügte hinzu: Immer wenn ich frei bin, fühle ich mich in Ketten, und immer wenn ich in Ketten bin, fühle ich mich frei.
Cendrars bemerkt einmal, eine Welt ohne geographische Grenzen hätte ihn zum grössten Dichter der Welt gemacht. Vielleicht.
Wenn die Ketten jener abfallen, die sich lange Jahre selbst gefesselt hielten, so sind die Kräfte, die dann frei werden, neidgeladen und zerstörerisch.
Im Jahre 1968 findet die Tochter Cendrars, Miriam, in einem verschlossenen Überseekoffer in der letzten Behausung des Vaters an der Rue José-Maria-de-Hérédia ein Bündel Manuskripte und Briefe. Darunter eine Eintragung vom 29. Februar 1912, sie betrifft New York:

Pâle pays! Une Suisse encore plus inhumaine, plus mercantile, plus mécanique, sans bonhomie, rigide, protestante, anglicane, puritaine, poussée à la hauteur d’une hérésie!
Les gens: des bourgeois endimanchés, corrects, qui, comme les chiens, se fourrent le nez dans le cul. Pour sentir quoi, l’amour? Non, l’argent!
Dans la rue quand, assommé par le bruit, écrasé par les gratte-ciel, on n’en peut plus, tout à coup, une réminiscence de lecture vous foudroie le cerveau. Chateaubriand, les Indiens, Paul et Virgine, l’ Amérique et le beauté de sa nature, les tropiques qui doivent être là, derrière ces murs et ces fumées, et les horizons ensoleillés que le voyage vous a mis dans le coeur fusent, en douloureuses nostalgies: partir!
Je me sens autant dépaysé qu’en Suisse.

Jürg Federspiel, aus Jürg Federspiel: Museum des Hasses, Piper Verlag, 1969

 

Hans-Jürgen Heinrichs: Die Signatur des Feuers

Forian Vetsch: Pionier Rückwärts auf dem Zeitstrahl

Jay: Blaise Cendrars

Jan Volker Röhnert: Das Fahrrad von Blaise Cendrars

 

 

Fakten und Vermutungen zum Übersetzer + Archiv
Fakten und Vermutungen zum Herausgeber

 

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Hugo Dittberner: Die Lokomotive des Schreibens
Frankfurter Rundschau, 1.10.1986

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Blaise Cendrars (1887–1961). Dokumentarfilm aus dem Jahr 1999 in der Reihe Un siècle d’écrivains.

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