Auf meiner Hand liegt eine Flaumfeder,
die vom Himmel herabgesunken ist,
hellgrau mit einem Hauch von Rosa.
Der Vogel, der sie verloren hat,
weiß nichts von meinem Glück.
Die Verse der Toyotama Tsuno spiegeln nur Winzigkeiten der Wirklichkeit, und sie erhellen doch nicht selten einen ganzen Kosmos. Die stillen Entdeckungen sind oft voller Dramatik. Es geht um tiefes seelisches Erleben, wo mit leichten Pinselstrichen ein unscheinbares Ereignis skizziert ist. In jahrhundertealten japanischen Traditionen und in der Gedankenwelt des Buddhismus wurzelnd, entfalten sich ihre Gedichte wie blütenzarte Gebilde.
Ankündigung, Francisco de Quevedo: Poesiealbum 217, Verlag Neues Leben, 1985
sind die Gedichte der Toyotama Tsuno getragen. So, als seien sie mit der Feder des fliehenden Vogels geschrieben – ein Hauch Rosa im hellen Grau.
Spinnwebfein scheinen die Fäden, die diese Gedichte an die Wirklichkeit binden, gleichnishaft eingesponnen in die Landschaft ihrer japanischen Heimat.
Da erscheint als Sinnbild der göttlichen Einsamkeit der Fujiyama, aber es ist der Angstruf des Vogels, der das Herz mehr anrührt. Da ist das Schweben des gelösten Haares, die Stille des Tempelgartens, in dessen Brunnen fließend die Zeit verströmt… Es war ein kurzes, leises Leben, das die Japanerin lebte, bis sie zweiunddreißigjährig in der Fremde starb. Wenig weiß man. Und vielleicht war es nur ein Schattendasein. Denn Schatten sind durch alle Gedichte gewebt, Schatten des flüchtigen Glücks. Und wäre nicht der Hauch Rosa im hellen Grau, würden uns diese Gedichte zu traurig stimmen.
Christa Kozik, Verlag Neues Leben, Klappentext, 1985
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