23. Januar

Früh auf; länger nichts geträumt; bin am Roman … bin im Roman, sehe zu sehr von mir selbst ab. – Fazit aus dem Spätwerk so manch eines Künstlers/Autors: Nach innovativem Aufbruch die Rückkehr zur klassischen beziehungsweise gängigen Form – Iwan Puni wird Jean Pougny und malt ohne Not gefällige Strandlandschaften; ähnlich reaktionär – freilich kunstpolitisch bedingt – ist das späte Schaffen so radikaler Neuerer wie Wladimir Tatlin, Aleksandr Rodtschenko, Kasimir Malewitsch. Und … aber Francis Picabia? Gottfried Benn? Boris Pasternak? Jaroslav Seifert? Helmut Heißenbüttel? Sich bis zum Spätwerk … sich auch mit dem Spätwerk an die eigenen Anfänge halten! Nur wenige tun’s – Friederike Mayröcker ist weit über achtzig und hat noch immer diese Mädchenstimme, diesen unverwechselbaren dichterischen Sound; was auch für Nathalie Sarraute oder Marguerite Duras gilt. Hingegen Sarah Kirsch, Günter Grass, Christa Wolf und ihresgleichen, die mit dem Älterwerden auch immer altmeisterlicher, nein, immer altbackener schreiben und dabei weit hinter ihre Anfänge regredieren. – Habe zusammen mit Krys das Auto freigeschaufelt und mit heißem Wasser die Fenster, die Scheinwerfer enteist; danach zum Kaffee bei mir; interessant Krys’ Bemerkung: Verführerische Frauen (die sie nicht mag) hätten durchweg einen innern Mangel auszugleichen – entkernte Persönlichkeiten mit ständigem Hunger nach Erfüllung. Sexappeal signalisiere Hunger, wo eigentlich nur Leere sei. – Der Anfang mit ›Alias‹ ist gemacht, von eigendynamischem Schreiben kann noch keine Rede sein – von Satz zu Satz ergeben sich neue Probleme. Ich muss das Vorhaben, im Präsens zu erzählen, aufgeben, weil dadurch die Zeitstruktur zu stark eingeschränkt würde. Ohne die verschiedenen Vergangenheitsebenen, ohne das Futur Zwei, ohne den Konditional kann ich den Stoff nicht fassen … kann ihn nicht fassbar machen.

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