12. März

Der Frühling … der Vorfrühling beschränkt sich hier noch immer auf den Friedhof, der außerhalb des Städtchens an eine langgezogene Weidefläche anschließt. In der Runde liegt noch verstockter Schnee, und wo der Schnee wegschmilzt, zeigt sich schwarzbraunes vermatschtes Gras und Kraut. Nur auf den Gräbern sprießt schon neues Grün, erheben sich vereinzelt die Schneeglöckchen, recken sich die Sträucher und … und regen sich endlich die ersten Singvögel und lassen ihre Stimmproben hören. – »Du machst so viel!«, muss ich mir von Gutmeinenden immer wieder sagen lassen, und jedes Mal höre ich Tadel und Neid mitschwingen: Du machst zu viel! Tatsache ist, dass auch ich nur das … nur soviel mache, wie ich bei all meinen Behinderungen und Störungen machen kann. Daran ist nichts Heroisches und auch nichts Unschickliches. Denke ich daran, was ich allenfalls (ohne jene Störungen und Behinderungen) machen könnte, überkommt mich der Schwindel. – Vor dreißig und mehr Jahren hätte ich keinen intellektuellen Zeitgenossen kennen können, der sich für Fußball interessiert hätte oder gar ein Fan von Foot gewesen wäre. Auch die meisten Politiker blieben damals den Tribünen fern – das populistische Potential des Sports lag noch weithin brach. Heute ist Fußball ein echter Volkssport … ein echter Vielvölkersport, eine echte, global vernetzte Wirtschaftsmacht, ein spielerischer Stellvertreterkrieg. Fußballer sind Großverdiener und Idole, ihre betont unbedarfte, weithin gleichgeschaltete Art zu reden ist für Millionen von Jugendlichen vorbildhaft geworden – auch insofern hat Fußball heute als bedeutsamer zivilisatorischer Faktor zu gelten, weit bedeutsamer jedenfalls als die Gesamtheit der Schreibtischtäter, die als sogenannte Intellektuelle zwar überall, vom Tagesfeuilleton bis zum TV-Talk, mitreden, aber längst nichts mehr zu sagen haben und außer kurzfristigen Erregungen auch nichts mehr bewirken. – Seltsames Versäumnis! Der polnische Schriftsteller Kazimierz Brandys – er ist vom Jahrgang 1916, gestorben im Pariser Exil 2000 – steht seit den 1970er Jahren mit mehreren Bänden, teils polnisch, teils deutsch, bei mir im Regal. Und doch hab ich bis vor kurzem nie etwas von ihm gelesen. Keine Ahnung, was mich vor Zeiten veranlasst haben könnte, seine Bücher anzuschaffen, sie zwischen Borowski und Brzozowski ordentlich aufzureihen. Nun lese ich, nach einem beiläufigen Zugriff auf die ›Briefe an Frau Z.‹ von 1965, seit Wochen Buch um Buch und begegne einem der stärksten Autoren jener fernen Zeit, die dominiert war, einerseits, vom nouveau roman, von Alain Robbe-Grillet, Nathalie Sarraute, Claude Simon, anderseits (und auch ganz andersartig) von US-amerikanischen Koryphäen wie Saul Bellow oder Toni Morrison oder bestenfalls Vladimir Nabokov. Mit von der Partie war damals auch Czesław Miłosz, der von Kalifornien aus die polnische Literatur dominierte und 1980 für sein insgesamt weit überschätztes Werk den Nobelpreis erhielt. Auf dieser höchsten Ebene der Anerkennung war Kazimierz Brandys, der bald nach dem Weltkrieg als sozialistischer Realist debütiert hatte, ebenso wenig konsensfähig wie bei der zeitgenössischen Kritik. Zwar wurde er weithin übersetzt, besonders aktiv in Deutschland und Frankreich, doch die Wertschätzung galt eher dem Zeitzeugen und politischen Analytiker als dem exzellenten Erzählkünstler, der er war und als der er sich mit Büchern wie ›Joker‹, ›Postalische Variationen‹, ›Der Einfall‹, ›Rondo‹ noch heute problemlos behaupten kann – heute mehr denn je. Mit singulärer künstlerischer Kraft und Sicherheit führt Brandys in seiner Prosa sinnliche Wahrnehmung, historische Einsicht, philosophisches Interesse und, nicht zuletzt, stilistische Bravour zusammen und gewinnt daraus … und vermittelt dadurch eine rare Intensität des Lesens. Nicht eigentlich Romane oder Erzählungen gibt er zu lesen, es sind eher die einzelnen Sätze und Absätze, bei denen man sich aufhält, Mikrotexte, die in manchen Fällen auch separat bestehen könnten, die aber doch, wenn auch bisweilen gegenläufig oder quergestellt, in den Erzählfluss integriert bleiben. Als Leser bietet sich mir ein ungewöhnlicher Reichtum an Personal, Episoden, Schauplätzen, Bildern, Ideen, eine erzählerische Fülle, die schwerlich in ihrem ganzen Umfang und in all ihren Dimensionen zu erfassen ist. Doch eben dies … dass man bei Brandys nie an ein Ende kommt und dass hinter jeder Wendung (ob episodisch oder stilistisch) immer noch etwas Unerschlossenes sich auftun kann, eben darin liegt das Faszinierende dieser Lektüren. Brandys ist weniger ein Erzähler denn ein Schriftsteller im konkreten Wortverständnis – seine Sache ist nicht die erzählerische Rhetorik, vielmehr eben das Stellen der Schrift, die Architektur des Texts, in der sich das Geschehen verschachtelt und verspiegelt. Statt das Verfahren zu beschreiben, führe ich hier, beispielshalber, eine Seite aus dem Kurzroman ›Der Einfall‹ an; ein Mann (Crusoe) und eine Frau (Katarzyna oder Kaja oder Katharina) sitzen einander gegenüber: »Er spürte jetzt ihr belustigtes Lächeln auf sich ruhn. Etliche Jahre später kam er zum Schluss, dass dies ihr erster gemeinsamer Irrtum gewesen sein musste. In dem Augenblick, da er die Worte ausgesprochen hatte und ihr Blick ihm begegnete, kam es zwischen ihnen zu einem wechselseitigen und gemeinsamen Moment falsch verstandener Vertrautheit. In ihrem einverständlichen Lächeln gewahrte er die Spiegelung eines ruhigen Männergesichts, das Gesicht eines Menschen, den nichts verblüffen kann und der sich selbst nicht ernst nimmt, und er glaubte, es sei sein eigenes Gesicht und er sei schon immer so gewesen. Vorsichtig nahm er einen Schluck Kaffee und versuchte sich dabei zu erklären, was ihn denn derart erschüttert hatte. Er sah ihren Hals, drei Sommersprossen und ein kleines, eng anliegendes Ohr. War es ihre weißliche Haut? Der pure Körpergeruch? Er suchte nach weitern Attributen. Ihre geheimnisvolle, unschuldige Wildheit … Das Huschen um ihren Mund, die Bewegung der Pupillen … Die beiden folgenden Charakteristika waren Eigenschaftswörter. Crusoe fühlte sich befangen – er dachte an das Bild, das im Schlafzimmer seiner Eltern aufgehängt war, ein Bild aus seiner Kindheit. Eine junge Frau mit einem Feldmohnstrauß, mit einem breitkrempigen hellen Hut, hatte ihm zehn Jahre lang ins Gesicht geschaut … Und seither fühlte er überall ihre Anwesenheit. Jene Frau wurde sein Gewissen, zensierte seine Träume, bezeugte seine Gedanken. Während Jahren richtete er sein Handeln nach ihr, berief sich unentwegt auf sie, stellte ihr tiefgründige Fragen, wollte gut sein, nur damit sie es wahrnehme. Gab er einem Schulfreund in der Pause ein Schinkenbrot, dann zitterte er in der Wärme ihres verständnisinnigen Lächelns. Den alten Gottvater warf er aus seinem Gedächtnis, und wenn das Licht ausgemacht war, betete er zu ihr. Sein Gott war weiblichen Geschlechts.« Das ist mehr als eine episodische Erzählung, und es ist auch etwas ganz andres; denn hier werden Beobachtung, Erinnerung, Imagination und Begehren in einer Weise synthetisiert, wie man es eher in oder von der Poesie erwarten würde. Bei Kazimierz Brandys entsteht daraus große Prosa, die aus vielerlei Brüchen ihre Einheit und Ganzheit gewinnt. – Wen die Angst erwählt
aaaaader hat plötzlich ein Gesicht. Und
aaaaaplötzlich trifft sich – im Aug des Betrachters – Verbotenes
aaaaamit einem Verdacht. Die Nacht des Wissens
aaaaaist (man weiß es) weiß. Oft scheint sie
aaaaawie ein schöner blinder Fleck. Und
(aber
aaaaadu hängst zu sehr an der individuellen Eigenschaft, die, denk ich, für die jetzige Frage keine Bedeutung hat. Für die Teile des Ganzen (ich meine die, die von der Welt umfasst werden) ist es notwendig, unterzugehn; das Wort soll die Bedeutung von sich ändern haben. Wenn dies aber ein Übel, und zwar ein notwendiges Übel für die Teile ist, dann dürfte das Ganze nicht gut fahren, wenn sich die Teile ihm entfremden und allesamt auf den Untergang hin angelegt sind) wo direkt über der rechten Braue
aaaaaeine Faust voll toller Funken eintrifft. Ei!
aaaaaWas? Da schwirrt’s. Genug posiert.
aaaaaBesser steht dem Spiegel die Wut.
aaaaaUnd was ängstigt die Fälschung zuvorderst.
– Auf Schlimmes folgt deutscher Gesang oder, noch schlimmer, Migräne; diesmal eine mehrstündige Kopfwehkrise, alle Medikamente und sonstigen Maßnahmen bleiben wirkungslos, ich taumle von drei bis acht Uhr früh zwischen Wachsein und Traum; einer der Träume (abgebrochen durch einen Schmerzschock) geht etwa so: Ich bin mit einer Reisegruppe unterwegs im Nahen oder Fernen Osten … Abessinien oder Afghanistan, meist im Flugzeug, es ist eine alte Militärmaschine russischer Bauart. Man sitzt hier statt in quergestellten Sesseln auf einer beidseitig benutzbaren Bank, die längs durch den Flugzeugrumpf aufgebaut und mit dem bröckelnden, vom Rost zerfressenen Boden vernietet ist. Als Mitreisende habe ich mehrheitlich jüngere Leute um mich, Frauen wie Männer, die ernst und aufmerksam und auch ein wenig ängstlich Schulter an Schulter auf der langen Bank sitzen, die Hände gefaltet und zwischen die Knie geklemmt. Nur der Reiseführer, ungeschlacht und schwer bewaffnet, geht ständig auf und ab, beschreibt bellend die Landschaft, die unter uns durchzieht, gibt hin und wieder harsche Anweisungen oder rezitiert viel zu laut ein Gedicht. Dass wir … ob wir tatsächlich fliegen, ist gar nicht so klar, möglicherweise stehn wir in der glühenden Hitze noch immer auf dem Flugfeld und lassen uns von den rotierenden Motoren … vom Getöse und Rütteln der Motoren täuschen. Nein, diese Klarheit haben wir nicht, wir wissen nicht, ob wir im Anstieg oder im Sinkflug … ob wir überhaupt in der Luft sind. Dennoch werden wir immer wieder zum Aussteigen … immer wieder zum Einsteigen aufgefordert, vermutlich will man uns an die Zwischenhalte gewöhnen und uns den teuer bezahlten Flug vorenthalten. Das Ein- und Aussteigen erweist sich wegen der altmodischen Bauart und Einrichtung des Flugzeugs als ebenso umständlich wie unnötig. Jedes Mal kommt es auf der engen Wendeltreppe zwischen Rumpf und Boden zu Stürzen und ungewollten Umarmungen. Ein blasser Junge stößt versehentlich mit dem Knie an das Kinn einer schwarzen Frau, die vor ihm auf der Treppe geht, und gleich beginnt der Reiseführer, der nun breitbeinig und mit gezogener Waffe auf dem linken Tragflügel des Transporters steht, zu grummeln. Jetzt springt er mit ausgebreiteten Armen herab und geht nach ein paar Überschlägen im Wüstensand auf den schmalen jungen Mann zu, fixiert ihn durch die Helmbrille und brüllt in krächzendem Iwrit: »Da haben wir dich!« Obwohl wir längst unten sind, landen wir sofort, der Schuldige wird abgeführt und zu einem weiträumigen Kirchplatz gebracht, wo vor düsterer Kulisse – Kathedrale, Festung, Forschungsanstalt, Lazarett – byzantinische Priester mit raunendem Gesang ihre Weihrauchfässer schwenken. Wir alle sind schon da, als der Junge auf den Platz gezerrt wird, aber auch die bestellten Gaffer sind schon da, so dass man die Szene zwischen den unzähligen, dicht gedrängten Hinterköpfen nicht sehen kann. Doch nun verfärbt sich unter unsern nackten Füssen der leicht nach oben gewölbte Himmel, und während das Blut nach allen Seiten zum Rand strömt, brü-rüllt der Reiseführer: »Ei-Einsteigen! L-Los!« Aber wir sind ja bereits im Oberwind … im Flugzeug herrscht resignierte Ruhe, wieder hocken wir eng nebeneinander auf der glühend heißen Bankkante, in Erwartung eines neuen Übergriffs. Der Führer übt mit zwei, drei Sbirren seine Macht aus, immer wieder fixiert er jemanden von uns, dich, mich, sie, ihn, als suchte er ein weiteres Opfer … als bräuchte er noch mehr Opfer, viele Opfer, als wären wir alle nur einfach seine Opfer … zahlende Opfer, so dass er als Täter ohnehin entschuldigt wäre. Dass er nun auf mich zukommt, erstaunt und erschreckt mich also nicht, und auch nicht, dass er mir seine metallenen Pranken auf die Schultern legt. Mit einer knappen Kopfbewegung und einem scharfen Miauen gibt er mir zu verstehen: »Ich bi-in … D-Du bist dran!« Ich stehe ungefragt auf, er schubst mich vor sich her, vielleicht wird er mich gleich aus dem Flugzeug stoßen. Angst verspüre ich nicht, denn dass ich dran bin, hat wohl seine Richtigkeit, da doch jeder, sag ich mir, irgendwann dran ist. Meine Mitreisenden kauern mit eingezogenen Köpfen auf der unabsehbar langen Bank und versinken noch tiefer in sich, als ich unter rotierendem Blaulicht abgeführt werde und … und erleichtert hienieden erwache. – Was haben die Milliardengewinne der Spekulanten mit den Milliardenverlusten der Kommunen und damit auch der Steuerzahler zu schaffen? Die Hamburger Elbphilharmonie, der Berliner Willy-Brandt-Flughafen, der Nürburgring in Rheinland-Pfalz, das Schauspielhaus und der Großbahnhof in Stuttgart stehen als Dingsymbole sowohl für Schlamperei und Inkompetenz als auch für die nicht mehr zu bewältigende Komplexität heutiger technischer Systeme, die schon veralten und verrotten, während sie noch im Aufbau sind. Wie soll denn … wie kann noch geplant werden, wenn während der Planung der vorauseilende Fortschritt eben diese Planung gleich schon zunichte macht? Doch nicht nur die Entwerfer und die Großbuchhalter gehen in die Irre (oder lassen sich täuschen), auch auf dem viel tieferen Niveau der Bauarbeit, des Handwerks, der kleinen Technik grassieren Fehlleistungen und Unterlassungen aller Art – falsch verlegte, nicht zusammenpassende oder ins Leere laufende Rohrleitungen, Lüftungsschächte, Rolltreppen, Alarmanlagen, Treppengeländer, Telefonanschlüsse und dergleichen mehr gehören auf Großbaustellen fast schon zur Normalität, werden auch immer wieder öffentlich dokumentiert und kritisiert, scheinen aber einer kaum noch aufzuhaltenden Tendenz zu entsprechen. Dass der Pfusch auch vor Kliniken, Autogaragen, Restaurants, Anwaltskanzleien, Hilfsorganisationen und Behörden unterschiedlichster Funktion nicht Halt macht, ist ebenfalls bekannt. Wozu … warum sollte sich denn also der Einzelne … wozu, für wen sollte also ich mich in meinem kleinen, wirtschaftlich wie politisch völlig irrelevanten Arbeitsfeld noch um Qualität bemühen? Wenn nicht um der Sache willen! Doch das tun ja auch die Zocker, die Geldwäscher, die Waffenhändler und ihresgleichen, deren Sache eben der Mammon ist. So what? – Jörg Drews – ich erfahre es aus dem ›Tages-Anzeiger‹ – ist gestorben; noch vor zehn, zwölf Tagen hat er mich angerufen, um die Shortlist für den Ernst-Jandl-Lyrikpreis abzusprechen. Als sozusagen professionelle Patienten redeten wir auch über gesundheitliche Dinge, hatten aber – beide – nicht ernstlich zu klagen. Vor zwei Jahren, als wir einander in Wien trafen, wie auch vor ein paar Monaten im Berliner Literaturhaus wirkte er zwar heiter wie immer, aber doch auch sehr fragil – statt mir die Hand zu reichen, griff er sich beim Abschied plötzlich heftig ans Herz. Ich kapierte die Geste damals nicht, dachte eher an einen Tick und wandte mich ab mit dem Wunsch: »Weitermachen, Drews, weitermachen!« – Habe heute, nach Tagen der Blockade, eine Seite (oder etwas mehr) weitergeschrieben an ›Alias‹; die Unterbrechungen durch beiläufige Gelegenheitsarbeiten wirken sich ungut aus – ich brauche jeweils mehrere Tage, um den Erzählrhythmus wieder aufzunehmen und die Handlung in diesem Rhythmus (und durch ihn) voranzutreiben. Bin jetzt mit Kirill B . in Wien, habe seinen Bericht über die unerwartete … die unerwartet dramatische Begegnung mit dem untergetauchten SP-Politiker Karl Renner vor Augen, dazu diverse zeitgeschichtliche Dokumente und eigene Gesprächsnotizen – all dies muss nun, über das Dokumentarische hinaus, erzählerisch umgesetzt und dabei notwendigerweise mit fiktionalen Elementen angereichert werden, die teils spontan hereinbrechen, teils aber auch assoziativ aus dem vorliegenden Material sich ergeben. Zufall und Notwendigkeit sollen hier gleichermaßen zu ihrem Recht kommen, die Arbeit an der Sprache und die Arbeit am Plot (wie auch an einzelnen Figuren und Szenen) müssen enggeführt werden, so eng, dass sich aus dem Wechselspiel beider ein Erzählstil … dass sich daraus mein Erzählstil entfalten kann, bei dem Schrift- und Redeform gleichrangig und gleichzeitig zur Geltung kommen sollen. – Krieg als Hygiene der Welt – eine Begriffs- und Funktionsbestimmung, die bis heute als skandalös gilt. Anderseits birgt … bietet Krieg mehr als jede andere Lebenssituation die Chance, zugleich auch die Notwendigkeit, aus möglichst wenig möglichst viel zu machen; die Sinne rundum zu aktivieren und zu schärfen, also aufmerksam zu sein für jede geringste Regung, jeden leisesten Laut, das Knacken, das Knicken eines Zweigs, das Aufblitzen einer Gürtelschnalle im Dickicht, das Schleifen eines Streichholzes in der Dunkelheit. Hygiene, so verstanden, ist Hygiene der sinnlichen Wahrnehmung, ist Entrümpelung des Gefühlshaushalts, Entautomatisierung verhockter Gewohnheiten, ist vor allem Zurückgewinnung des unmittelbaren Wirklichkeitsbezugs und wäre also ein radikaler Gegenzug gegen bequemen Konsumismus, ungefilterte Reizüberflutung, eingespielte Alltäglichkeit und … und allgemein gegen jede Form von Überfluss.

2 Antworten : 12. März”

  1. Sander Ort sagt:

    Löse,teile,wende hier oft den Ingoldschiefer, suche nach den kleinen
    kubischen (?) Einsprengseln von Tatzengold (=Stil). Fast könnte man darüber zum Sammler werden.

    Sander Ort

    (Übers. v. du Bouchet, Jaccottet.)

    P.S. Darf ich Ihnen mein „Versants d’un portrait“ schicken?

    • Redaktion sagt:

      sehr geehrter herr ort, wenn es sich um die französische ausgabe handelt lieber nicht, da ich kein französisch lesen kann.
      mit besten grüßen und weiterhin viel spaß beim sammeln
      egmont hesse

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00