Ezra Pound: Poesiealbum 279

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Ezra Pound: Poesiealbum 279

Pound/Gaudier-Brzeska-Poesiealbum 279

DAS SCHACHSPIEL
Dogmatische Aussage, das Schachspiel betreffend:
Motiv für eine Reihe von Bildern

Rote Springer, braune Läufer, helle Damen,
Setzen aufs Brett in farbkräftigen Ls,
Laden aus, stoßen im Zickzack zu
aaaaaaaaaaaahalten einfarbige Fronten.
Dies Brett ist geflammt mit Licht;
aaaaaaaaaaaadie Figuren leben aus ihrer Satzung,
Ihre Züge sprengen und bilden aufs neu das Gewirk:
aaaaaaaaaaaaleuchtend Grün von den Türmen,
Durchkreuzt vom X-Zug der Damen,
aaaaaaaaaaaagekettelt in Rösselsprüngen.

Y-Bauern dämmen und brechen auf!
Wirtel! Zentripetal! Matt! König fällt in den Wirbel,
Ringen, verschränkte Kettfäden, grelle Bänder, gestrafft,
Blockiertes Licht drängt ein. Ausweg. Erneutes Treffen.

 

 

 

Stimme zu Ezra Pound

Ezra Pound widmete etwa ein Fünftel seiner Arbeitszeit der eigenen Dichtung und mit diesen zwanzig Prozent seines Energieaufwandes schreibt er einen hohen, einen bemerkenswerten Anteil der großen Dichtung, die je von einem lebenden oder toten Amerikaner geschrieben worden ist… Die übrige Zeit bemüht er sich darum, das materielle wie das künstlerische Los seiner Freunde zu bessern. Werden sie angegriffen, so verteidigt er sie. Er bringt sie in Zeitschriften unter und holt sie aus dem Kittchen. Er leiht ihnen Geld. Er verkauft ihre Bilder. Er veranstaltet Konzerte für sie. Er verfaßt Artikel über sie. Er macht sie mit reichen Frauen bekannt. Er bringt Verleger dazu, ihre Bücher anzunehmen… Er schießt ihnen die Krankenhauskosten vor oder redet ihnen den Selbstmord aus. Und am Ende verzichten ein paar wenige von ihnen darauf, ihm bei der erstbesten Gelegenheit ein Messer in den Rücken zu stoßen.

Ernest Hemingway, 1925

Poesiealbum 279

Ezra Pound, ein Mensch, der sich mit seinen fatalen Radiosendungen im 2. Weltkrieg unmöglich gemacht hat, dessen bahnbrechende Kunst aber unmöglich ignoriert werden kann, da sie – in alle Weltsprachen übersetzt – mächtig weiterwirkt. Seine kleineren Gedichte sind witzig, wütend und formklug, seine Cantos überrreich an Form und Inhalt und manchmal so komplex, daß sie sich erst in Eva Hesses kaum zu überbietender Nachdichtung erschließen. Pound – immer wieder angegriffen, immer wieder gefeiert, immer wieder mythisiert – ist zweifellos einer der bedeutendsten Lyriker des 20. Jahrhunderts.

MärkischerVerlag Wilhlemshorst, 2008

 

Beitrag zu diesem Buch:

Turmsegler: Die Frau des Flusshändlers
Turmsegler, 16.6.2008

 

Ezra Pound in London

An einem Herbsttag des Jahres 1916, als wir über Wimbledon Common spazierengingen, erklärte mir Ezra Pound den Stand der englischen Literatur und bildenden Kunst von damals; zweifellos ein lehrreicher, umfassender Bericht, eine Art Betrachtung aus der Vogelschau für eine Landpomeranze, die gerade in der Hauptstadt eingetroffen war. Obwohl wir schon seit längerem miteinander korrespondiert hatten, bekam ich ihn doch damals zum erstenmal zu Gesicht.
Anfangs redete Pound ausschließlich über T.E. Hulme [1883–1917], und wieso dessen Gedichte im Anhang zu seinem eigenen Gedichtband Ripostes mitabgedruckt worden waren. Obwohl vieles von dem, was er da wohl gesagt haben mag, in Glenn Hughes’ Imagism and the Imagistes später festgehalten und nachlesbar geworden ist, habe ich für meine Person ehrlich zu bekennen, daß ich damals von seinen Mitteilungen praktisch kein Wort mitbekommen habe – höchstens ein paar Namen aus einem sicherlich unschätzbaren und höchst persönlichen Vortrag von augenfälliger Dramatik. Überdies pfiff der Wind uns um die Ohren und riß Pound die kaum gesprochenen Worte von den Lippen; weg waren sie, irgendwo im Weiten. Ja, nicht genug damit: Pound spricht alles anders aus als der normale Mensch: die Basis ist wohl amerikanisch, doch spaßeshalber durchsetzt von verwegenen Kreuzungen aus „high society“-Redensarten und deftigem Cockney, garniert mit französischen, spanischen und griechischen Ausrufen, seltsamen Urlauten, sonderbarem Gewieher, das Ganze durch theatralische Pausen und Diminuendos höchst eigenartig moduliert. Man braucht Zeit, um sich daran zu gewöhnen, umso mehr als Pounds sprunghafter Geist seine Rede – ebenso wie seine Schriften – mit Untertönen und Anspielungen spickt. Ich begriff von dem, was er mir da sagte, so wenig, daß er genauso gut einen Hund hätte spazierenführen können; außerdem war ich viel zu aufgeregt – schließlich schritt ich ja neben dem leibhaftigen Geist der Auflehnung einher! Und dennoch war das alles für Pound so bezeichnend, so typisch für seine warmherzige Art, sein Bestreben, sich mitzuteilen und zu belehren, falls nur irgend etwas davon auf dankbaren Boden fiele.
Zu jener Zeit stand sein Name in England, zusammen mit dem des Bildhauers Jacob Epstein, für alles, was bedenklich anders und entsetzlich neu war. Noch hatte sich der Ragtime kaum zum Jazz entwickelt, noch wurden die Röcke erst ganz allmählich ein wenig kürzer. Die Allgemeinheit hatte nur verschwommen etwas über Futurismus, Kubismus, Imagismus und Vortizismus raunen hören, die sie mehr oder weniger für dasselbe, jedenfalls aber für nicht ganz geheuer hielt. Indessen ein paar ehrgeizige junge Leute gab es doch schon, die mit Schwung ihren Maeterlinck und Kipling in die Ecke gefeuert hatten und mit jenem schönen, ahnungslosen Enthusiasmus, der die jüngere Generation immer so liebenswert macht, hatten alle ihre kleinen Segel gesetzt für den neuen großen Wind, der da wohl aufkam. Man war einfach der Meinung: etwas Erregendes lag in der Luft, etwas, das die Jungen anging. Pounds Gedichte, in den Massenblättern dem Gelächter preisgegeben, hatten ihm gleich einen Anhang gewonnen. Um nicht den Eindruck der nachträglichen Übertreibung zu erwecken, zögere ich, davon zu sprechen, was die Dichtung von Pound und seinen Weggefährten seinerzeit für die rebellische Minderheit bedeutete. Fest steht, daß zwei- oder dreitausend junge Leute zwischen siebzehn und fünfundzwanzig sofort daran gingen, Gedichte in der gleichen Manier und im gleichen Tonfall zu schreiben, allerdings oft mit kläglichen Resultaten. Und daß man es dann im Endeffekt – in der Prosa weit mehr als in der Lyrik – tatsächlich vermied, „sieben Wörter“ zu nehmen, „wo drei genügten“, ist denkwürdig genug; Pounds Einfluß auf ein Dutzend Schriftsteller aber, die heute in der englischen und amerikanischen Literatur eine Vorrangstellung haben, ist überhaupt nicht wegzudenken. Sein Einfluß machte sich geltend im weitreichendsten Sinn sowohl wie in der unmittelbaren Anregung. Seit dem „zersetzenden Einfluß“ von Leigh Hunts „Cockney-Dichtung“ hatte es etwas Derartiges nicht mehr gegeben.
Pound spielte damals eine ganz eigenartige Rolle, was zum Teil daran lag, daß seine heißblütige Natur ihn von Anfang an – ebenso wie Leigh Hunt – zum Lehrer und Künder bestimmte, und andererseits daran, daß er als Amerikaner an den militärischen Aktionen von damals nicht teilzunehmen brauchte.
Heutzutage scheint die Ansicht zu herrschen, daß von 1914 bis 1918 kein Mensch in England Interesse an etwas anderem gehabt haben könnte, als Kriegsmaterial herzustellen, verwundete Soldaten zu unterhalten, belgische Flüchtlinge im Wohnzimmer kampieren zu lassen oder an der Front zu kämpfen. In Wirklichkeit empfand die vom Krieg am direktesten betroffene Generation das martialische Geschehen gar nicht als so welterschütternd. Junge Männer wurden in Uniform gesteckt und kamen an die Front; junge Frauen erhielten bessere Löhne; und dennoch war der Krieg niemals das ganze Leben. Er war viel eher eine grassierende Plage für die andere verantwortlich waren, etwas, das nun die junge Generation ausbaden mußte. Die Liste der Gefallenen in den Zeitungen bot die einzig zuverlässige und daher einzig interessante Information über das, was „drüben“ vorging. Sechzigtausend englische Freiwillige fielen, tot oder verwundet, an einem einzigen Tag, was publizistisch als großer Geländegewinn gewertet wurde – freilich, wir wußten wohl, was da wirklich passiert war, aber wir wollten es nicht sehen. Und die Gewohnheit half uns dabei. Die Männer, die überlebten und auf Urlaub nach Hause kamen, fragten in allererster Linie nach dem, was sie auch in normalen Zeiten interessiert hätte. Henri Gaudier-Brzeska [1891-1915] meißelte an seinen Statuen; Siegfried Sassoon und die anderen schrieben noch in den Schützengräben ihre Gedichte. Und erst als alles vorbei war, wurde uns der Krieg bewußt, erst dann wurde er von den Überlebenden in seinem ganzen unheilvollen Ausmaß und Widersinn erkannt.
Die Moderne in der englischen bildenden Kunst und Dichtung, von Pound und seinen Gefährten verkörpert, zu der die Kriegsgeneration naturgemäß das Ihre beisteuerte, war schon vor dem Krieg angebrochen. Bereits 1912 befand sie sich in vollem Gang. Der Krieg tötete einige der Begabtesten wie Gaudier-Brzeska und Hulme und verbitterte andere wie Richard Aldington und Robert Graves. Aber der Krieg war nicht die Geburtsstunde des Neuen, sondern beschleunigte nur, was da kommen wollte. Als der Krieg ausbrach, hatte James Joyce bereits das Jugendbildnis geschrieben oder war doch gerade dabei, es zu beenden. Ford Madox Hueffer, der sich später Ford Madox Ford nannte [1873–1939], hatte D.H. Lawrence bereits in der English Review abgedruckt. Harriet Monroe hatte die Seiten ihrer Zeitschrift Poetry bereits den Rebellen der Dichtung zur Verfügung gestellt. Wyndham Lewis hatte Tarr geschrieben und die fuchsinrote Zeitschrift Blast hatte mit ihren Manifesten und postkubistischen Illustrationen wie eine Bombe in den Salons eingeschlagen. Und Freud – gleicher Aufbruch auf ganz anderem Gebiet – hatte seine Vorlesungen in den Vereinigten Staaten bereits gehalten. Es ist vielleicht notwendig, auf diese Zusammenhänge hinzuweisen, bevor man behauptet, daß es 1916 Menschen gab, für die der Name „Ezra Pound“ mehr bedeutete als der Name „Joffre“. Die Überzeugung, daß Kriege kommen und gehen, Kulturen aber sich der Nachwelt eher kraft ihrer künstlerischen Leistungen als durch militärische Aktionen einprägen, war damals noch durchaus möglich. Ganz gewiß hat Pound selber dies niemals vergessen und wacker dazu beigetragen, daß sich die anderen dessen ebenfalls bewußt blieben.
Es ist kaum je zur Genüge anerkannt worden, welch schwere und wichtige Arbeit Pound zu jener Zeit für das Fortleben der Literatur geleistet hat. Es gab zahllose Aspekte dieses Wirkens. Als literarischer Berater des Egoist und als Londoner Redakteur von Poetry – später auch von The Little Review – durchkämmte er ständig die unbekannten kleinen Zeitschriften und spürte neue, noch unveröffentlichte Manuskripte auf. Es war für ihn etwas Selbstverständliches, junge Schriftsteller zu ermutigen und zu lancieren, als ob er – dabei selber ganz mittellos einer jener Kunstmäzene sei, von denen Lord Chesterfield sprach, als er seine Zeitgenossen daran erinnerte, es sei das „Privilieg der Privilegierten, den Besitzer von Geist zu fördern“. Nur der Briefträger mag wissen, wie viele Tonnen Manuskriptseiten sich in die winzige Wohnung hinter der Kirche von Kensington ergossen. Pound las sie nicht nur gewissenhaft, sondern wenn sich irgendwo auch nur der kleinste Ansatz einer Begabung abzeichnete, nahm er Stellung und kritisierte in explosiven, seitenlangen Briefen, verbesserte das Manuskript mit seinem Blaustift, erhielt es später korrigiert zurück und nötigte es, wenn es gut war, den nicht immer willigen Verlegern auf. Abgesehen von den Autoren, die auf dem Weg über die Post zu ihm fanden, gab es werdende Künstler, Bildhauer und Musiker, die zu unterstützen waren. Man mußte Gönner für sie finden, billige Zimmer, Freunde, eine Mahlzeit, geistige Anregung und eine ästhetische Erziehung; man mußte sie beglücken, indem man sie in ein Restaurant setzte, wo der Schatten der Großen – Yeats oder Arthur Symons – sie möglicherweise fruchtbringend berührte, oder man mußte sie mit dieser oder jener Anekdote, dieser oder jener noch nicht druckfähigen literarischen Lästerung, die nicht in Vergessenheit geraten durfte, traktieren.
Zudem mußten die Freiheit verteidigt, Ungerechtigkeit und Muckertum bekämpft, und das Recht gewahrt werden – auch hier wieder das Leigh Hunt-Motiv. Dann mußte nach Pounds Überzeugung etwas geschehen, um möglichst die mißlichen Zustände abzustellen, die zum Beispiel zum Verbot von D.H. Lawrences The Rainbow, zur Weigerung der Drucker, James Joycens Roman zu setzen, und zum Einsatz jungfräulicher Mädchen für das Ausschwärzen gewisser Zeilen in Blast führten. „Etwas muß geschehen“, sagte er damals, „oder wir alle werden verboten sein, nach Art der Gegenreformation, tot und abgetan.“ Also mußten Hunderte von Briefen geschrieben werden, um einflußreiche Leute mobil zu machen.
Weitere Hunderte von Briefen mußten versandt werden, um den Leuten klarzumachen, wie unklug es von ihnen wäre, sich T.S. Eliots Prufrock und Joyces Jugendbildnis nicht zu kaufen, und das zu einer Zeit, da weder Eliot noch Joyce über eine größere Anhängerschaft verfügten. Und Gaudier-Brzeska, auch für ihn mußte etwas getan werden. Da war der Krieg zu weit gegangen und hatte dieses junge Genie den Lebenden entrissen. Diese Werke mußten erhalten bleiben: es galt, einen vorausschauenden Sammler zu finden, der einen Teil davon übernahm, um die übrigen mußte man sich selber kümmern. Ein anderer, ein junger Dichter, war als Kriegsdienstverweigerer soeben aus dem Gefängnis entlassen worden, mehr tot als lebendig nach einem Hungerstreik: irgendwie mußte ihm klargemacht werden, daß er nicht nur ein Verweigerer war, sondern ein Rebell für etwas Reales, daß die Zivilisation mehr war als ein Chaos. In Triest saß Joyce, von Erblindung bedroht – war für ihn etwas unternommen worden? Nun erst sah man, wie weit der Krieg reichte. Dutzende von jungen Künstlern und Schriftstellern, die für die Zukunft Bedeutung hatten, waren stündlich in Lebensgefahr. Was war zu tun? Wer kannte den Premierminister oder hatte Beziehungen zu dem einen oder anderen Kabinettsmitglied, wer konnte Lady Cunard dazu bringen, mit jemandem in dieser Sache zu sprechen? Irgendwie geriet der Apparat in Bewegung, und Anfang 1918 war eine ganze Anzahl der vielversprechenden jungen Männer von der Front nach England zurückgeholt worden.
Bei all dieser Geschäftigkeit mußte Pound auch noch an seine eigene Arbeit denken und sich selber über Wasser halten. So übersetzte er damals nebenher das Libretto einer Oper (vielleicht waren es auch mehrere), während er zugleich hingebungsvoll die chinesischen Gedichte und japanischen Dramen nach den Notizen Fenollosas rekonstruierte. Kein Mensch konnte rühriger und heiterer sein. Er begann seine Briefe nach chinesischer Art zu unterzeichnen, mit einem Siegel, das Edmond Dulac für ihn geschnitten hatte; vom Zubereiten des Essens (eine der Künste, die er zur Vollkommenheit beherrscht) wandte er sich in seinem wallenden, abgetragenen Morgenmantel dem Cembalo zu, das Dolmetsch für ihn gebaut hatte; wenn er durch die Straßen streifte, mit weit zurückgeworfenem Kopf, sah er alles, begegnete er aller Welt, sprudelte über vom letzten Klatsch, ebenso wie von Erregung über die Bildhaftigkeit der chinesischen Schriftzeichen oder über eine Zeile von Rimbaud oder Leopardi, wobei er nie zu erwähnen versäumte, wie sehr ihm der Universitätsbetrieb, der elisabethanische Einfluß und Byrons Metrik gegen den Strich gingen, oder wie suspekt ihm die Altphilologie erschien.
Ein Treffpunkt, wo alle Menschen mit gleichem Geschmack und gleichen Interessen gelegentlich zusammenkommen konnten, schien ihm erforderlich. So kam es zunächst in einem billigen Restaurant in Soho und später, als dem Besitzer die Luftangriffe zuviel wurden, in einem Lokal der Regent Street zu allwöchentlichen, zwanglosen Zusammenkünften, wo sich alle einfanden, die es zu Pound zog, um auf eigene Rechnung zu essen und miteinander Fühlung zu nehmen.
Zu dieser allwöchentlichen Zusammenkunft fand sich 1917 und 1918 ein Kreis von Menschen ein, der einem aus der heutigen Sicht höchst eigenartig zusammengewürfelt vorkommt. Das Restaurant betrat also Pound, wie es schien, stets in wehendem Gewande, und ließ seinen Ebenholzspazierstock ratternd zu Boden fallen; unter seinem flammendroten, üppigen Haar das blasse katzenartige Gesicht mit den grünlichen Katzenaugen. Ergriff er das Wort, so räusperte er sich, gab seltsame Urlaute und Ausrufe von sich, benahm sich aber im übrigen recht förmlich und sehr zuvorkommend. Mit ihm kam Mrs. Pound, die sich leise und behutsam bewegte, wie eine jugendliche viktorianische Lady auf Schlittschuhen; sie hatte das klare, liebliche Profil einer Kwannon aus Porzellan. Unförmig, von seiner Uniform eingeengt, mit kornblumenblauen spähenden Augen in der weiten Landschaft eines hochroten Gesichts, mit schwerer Hängelippe unterm sandfarbenen Schnauzbart, das war Ford Madox Ford, der mit dröhnender Stimme endlose Anekdoten über Große Viktorianer, Große Präraffaeliten und Henry James zum Besten gab und dann von irgendjemandem erzählte, von dem kein Mensch je gehört hatte und den selbst damals niemand für ganz möglich hielt – Ford war für manche von uns eine Art Kuriosität, seit wir wußten, daß er als Kind für den kleinen Sohn Wilhelm Tells auf Rossettis Gemälde Modell gestanden hatte. Hochgewachsen, hager und hohlwangig, stets in das förmliche Schwarz gekleidet, das seiner hauptberuflichen Tätigkeit in Lloyd’s Bank entsprach, erschien als regelmäßiger Gast T.S. Eliot; für gewöhnlich war er schweigsam, hatte aber eine Art zu lächeln, die schüchtern-freundlich wirkte; drei oder vier junge weibliche Wesen, die dank eines Fünkchens Talent für Malerei oder Dichtung Einlaß gefunden hatten, himmelten ihn stets leidenschaftlich aber stumm an.
Der junge Mann in Uniform, der einem Farmer ähnelte, war Richard Aldington, auf Heimaturlaub von der französischen Front. Größer und schweigsamer noch als Mrs. Pound, irgendwie verstört wirkend, das war die Dichterin H.D., Aldingtons Frau [Hilda Doolittle 1886–1963]. Arthur Waley, von bleichem, gelehrtenhaftem Aussehen, der so leise und abgehackt sprach und unglaublich belesen war, fand sich fast jede Woche ein – er hatte gerade mit den hervorragenden Übersetzungen aus dem Chinesischen und Japanischen begonnen, die so deutlich Pounds Einfluß zeigen. Dann war da jemand vom russischen Ballett. Und wer war die Dame mit dem strengen Hut und dem nervösen Gebaren, die stets so hoch aufgerichtet dasaß? Das war die löwenherzige Miss Harriet Weaver, die Joyce abdruckte, als niemand anderer sich traute, und die es, davon bin ich überzeugt, dem Dichter überhaupt erst ermöglicht hat, sich dem Ulysses zu widmen, obwohl sie Joyce persönlich nie kennen gelernt hatte. Sie war es gewesen, die T.S. Eliot, Wyndham Lewis und Amy Lowell herausbrachte, als kein anderer etwas von ihnen wissen wollte; sie war es, die das Jugendbildnis, Tarr, Prufrock und Ulysses veröffentlichte (bis die Zensurbestimmungen es ihr verboten). Nur unter Druck, oder wenn geschäftliche Erwägungen es unumgänglich erscheinen ließen und auch dann nur so leise wie möglich und mit unsäglicher Gelassenheit, hörte man sie je über sich selber oder über ihre bemerkenswerte verlegerische Tätigkeit sprechen.
Hin und wieder tauchten auch andere Gestalten auf – Wyndham Lewis, von der Front zurück, gespenstisch bleich unter seinem schwarzem Haar, war anfangs von einer Einsilbigkeit, die gelinde gesagt einen gewissen Argwohn gegen seine Mitmenschen zu bekunden schien, offenbarte später aber eine unnachahmliche Kunst der Konversation, sang ausgelassene Lieder und entfaltete einen umwerfenden Humor. Zuweilen erschien auch Yeats mit der berühmten Stirntolle, die ihm in die Augen fiel. Er hing sehr an Pound, der früher unter seinem Einfluß gestanden hatte, und mit dem zusammen er gerade den gesamten Landor gelesen hatte. Arthur Symons kam ein- oder zweimal, gebrechlich und elegant, geradewegs aus dem Sanatorium. Die ausgefallensten Klatschereien machten die Runde und mischten Tageskram mit Weltweisheit. Man erzählte sich, was der junge H.W. Nevison im Café Royal über St. Augustinus und den Tod seiner Mutter gesagt hatte, um Ordentlich anzuecken; man sprach von Li T’ai Po und von Catullus, von Keats und der Edinburgh Review [1802–1929] und von dem großen Rüstungswerk, das (so wollte es allmonatlich das Gerücht) über Nacht von Zeppelinbomben zerstört worden war. Man sprach von einem Restaurant, wo man auf seine Lebensmittelkarten mehr Fleisch bekommen konnte, als einem eigentlich zustand. Beim Getöse der Luftangriffe hörten wir Jüngeren zum erstenmal von Proust reden, von der Baronin Elsa von Freytag-Loringhoven, von Negermusik und chinesischer Dichtung, vom Ödipus-Komplex, Rousseau dem Zöllner und von Gertrude Stein.
Das Fazit, dessen man sich damals allzu wenig bewußt wurde, war, daß etwas, worauf es ankam, auf wunderbare Weise in dieser Tischrunde fortwirkte, ja einfach am Leben blieb – zu einer Zeit, da so vieles andere in alle Winde versprengt oder nur noch Schutt und Asche war, da so viele Menschen umgebracht oder ins Gefängnis geworfen wurden, eine ganze Welt sich verloren wähnte. Es war, als erinnerte uns jemand daran, daß der Krieg nicht ewig dauern werde (wie es einem mittlerweile vorkam), und daß es auf lange Sicht wichtiger sei, neue Musik, neue lebensvolle Literatur, schöpferischen Drang und leidenschaftliche Interpretation zu haben, als zu glauben, in Mons wären Engel vom Himmel gestiegen oder die deutsche Bevölkerung verzehrte aus angeborener Niedertracht nunmehr Margarine, die aus Leichensud gewonnen werde. Solange diese Zusammenkünfte währten, war uns der Tod der Vielen nicht so wichtig wie der Fortbestand von etwas Lebenswertem: auf einmal konnte man sich wieder vorstellen, daß es schließlich neben jedem Marlborough auch einen Voltaire gibt und die Dinge, die überdauern, nicht Dummheit oder Furcht sind.
Pound setzte seinen Glauben in die Sache der Kunst, wie andere Menschen von Zeit zu Zeit an Patriotismus, Freiheit, Frauenstimmrecht oder Religion „geglaubt“ haben. Er drückte seine ureigenste Überzeugung aus, als er schrieb: „Künstler sind die Fühlhörner der Gattung, wenn auch die hartschädelige Mehrheit niemals ihr Vertrauen in die großen Künstler setzen wird.“ Und wenn er dann fortfuhr: „Friede beruht auf Mitteilung. Alle große Kunst besteht in dem Bemühen, sich mitzuteilen“, so liegt dies ganz auf der Linie dieser allwöchentlichen Zusammenkünfte, seines Glaubens an die „Gegenwart aller Zeiten“ und seiner wiederholten Behauptung: „Morgen bricht über Jerusalem an, indes Mitternacht noch die Säulen des Herkules verhängt. Alle Zeitalter sind gegenwärtig… Die Zukunft regt sich im Geist der Wenigen… viele Tote sind Zeitgenossen unserer Enkel“. Der leidenschaftliche Wunsch nach Mitteilung und Kontinuität, nach mündlicher Überlieferung und persönlichem Kontakt, der all dem zugrundeliegt, kommt in seinen Worten zum Ausdruck:

London ist eigentlich eine große Universität, und an die besten Fachleute kommt man vielleicht nur durch zufällige Gespräche heran.

Deswegen erschien es ihm so wichtig, dieses wöchentliche Essen zu veranstalten, das noch für die ärmsten Angehörigen dieses sich stets verändernden Kreises erschwinglich war. Deswegen mußten hinterher ein paar von ihnen – mochten sie noch so unbekannt, unbeholfen, provinzlerisch und aufreizend sein – zu Yeats’ Montagabenden geführt werden, wo sie unter Kerzen sitzen durften, um Yeats mit seinem „oi remember…“ zu lauschen und aus den Unterhaltungen ihrer Altvorderen zu ergattern, was sie nur konnten, um mit der Vergangenheit und miteinander in unmittelbare Fühlung zu kommen. Deswegen war er bereit, einen ganzen Nachmittag an den unsympathischen und eingebildeten jungen Mann zu wenden, der ein paar Gedichte geschrieben hatte und vom Lande hereingeschneit war, um ihn zu sehen. Deswegen vergeudete er einen ganzen Vormittag an einen langen Brief mit Ratschlägen für eine linkische junge Dame über den Benimm im literarischen Umgang der er verbrachte einen Abend mit dem Abtippen eines langen Briefes über die Ganze Kunst des Schreibens, der, falls er richtig verstanden wurde, dem Empfänger vielleicht einen kleinen Beitrag zum großen Strom der Literatur entlocken mochte. Deswegen machte er sich zum leidenschaftlichen Anwalt von Joyce und Eliot, Gaudier-Brzeska, Lewis und George Antheil. Und das war auch vor allem der Grund, warum er sich in die provenzalische Dichtung, den Großstadt-Slang und die chinesische Poesie so sehr einleben konnte. Das nahm er auf in seine Sprache und seine Gestaltung. Sie versucht, von überall her Quellen zu erschließen und in eine Einheit zu bringen, die in Wirklichkeit die autonome Einheit seines Selbst war.
Eine Herausforderung von solchen Graden, ein Einsatz für etwas so Festumrissenes und Unpopuläres, eine so energische Hingabe an eine Sache sind einem friedlichen Dasein kaum zuträglich. Es ist wohl über keinen Lebenden soviel Gehässiges und Zorniges gesagt und geschrieben worden wie über Pound – er für sein Teil hat das alles von Herzen genossen.

Bei weitem nicht alle, die in der fraglichen Zeit seine Gefährten und Schüler waren, sind ihm in Freundschaft verbunden geblieben – übrigens sind von diesen auch untereinander längst nicht mehr alle befreundet. Alle aber erinnern sie sich seiner, ungeachtet der Reibereien, die seither das Verhältnis belastet haben mögen, mit einer gewissen Dankbarkeit und Herzlichkeit. Denn Pound schätzte die Menschen häufig völlig falsch ein, mißverstand ihre Beweggründe und hielt sie für etwas, das sie ganz und gar nicht waren, oder traute ihnen Dinge zu, die ihnen durchaus fern lagen, und behandelte sie dann dementsprechend. Sein eigenes Auftreten war oft recht beunruhigend, um nicht zu sagen unheimlich. Grace Rhys erinnert sich mit einer gewissen Rührung, aber doch noch mit einer Spur der damaligen Bestürzung, wie Pound einmal bei ihr und ihrem Mann in Hampstead zum Abendessen eingeladen war. Es muß wohl im ersten Jahr seines Londoner Aufenthaltes gewesen sein. Der junge Amerikaner mit dem flammenden Haar und dem wehenden Gewande lehnte das Essen ab, griff aber eine Handvoll Rosenblätter aus der Blumenschale auf dem Eßzimmertisch und zerkaute sie, während er sich mit den Gastgebern unterhielt. Als sie von Tisch aufstanden, packte er eine große Karaffe Wasser, leerte sie auf einen Zug und warf sich dann – der Darstellung seiner Gastgeberin zufolge – der Länge nach auf ein Sofa, wo er leise blubbernd für den Rest des Abends liegenblieb.
Violet Hunt, die von jeher viel Phantasie besessen hat, verkündete in einem Augenblick der Gereiztheit, daß Ezra in Wirklichkeit der Abkömmling nomadisierender Indianer sei, die ihn als Kind ausgesetzt hätten; dem sonderbaren Säugling sei es jedoch gelungen, sich am Leben zu erhalten, indem er aus einem Kanister den er irgendwo in der weiten Wüstenlandschaft Amerikas gefunden hatte, Petroleum sog – bis er von einem reizenden alten Herrn aus dem Mittelwesten gerettet wurde, der keine Gelegenheit vorübergehen läßt, ohne mit heiterem Stolz seinen seltsamen Findling zu erwähnen. Es steckt viel von dem echten, dem hoch-explosiven Ezra in dieser kuriosen Geschichte. Das Porträt, das Wyndham Lewis von ihm malte, trifft diesen „echten Ezra“ noch besser. Etwas mehr als lebensgroß, das Gesicht wie gemeißelt (der katzenartige Ausdruck ist eben doch der einer ägyptischen Katze), Haare wie lange Feuerzungen, die lose graue Jacke, die das majestätische Wallen und Wogen seiner Kleider so trefflich wiedergibt, der mokante Ausdruck, der unvermeidliche Ebenholzstock, die Kraft, die Gefährlichkeit, die Einfalt des Mannes – dies alles ist hier festgehalten. Die riesige, überlebensgroße Büste Pounds von Gaudier-Brzeska ist inzwischen wahrscheinlich tief in der Erde von Violet Hunts Garten versunken. Pound selber bleibt heutzutage [anno 1931] unsichtbar, und abgesehen von seiner Dichtung hört man nicht viel von ihm. Er amtiert nicht mehr und hat nur ein paar Anhänger – als habe er mit jener ungeheuren Kraftanstrengung von 1912 bis 1919 alles Menschenmögliche (und eigentlich noch mehr) getan, und sei nun froh, von seinem fünfunddreißigsten Lebensjahr an den eigenen Garten bestellen zu dürfen.

Iris Barry, 1931, in: Eva Hesse (Hrsg.): Ezra Pound. 22 Versuche über einen Dichter, Athenäum Verlag, 1967

Im Schatten seiner Übersetzerin

– Eva Hesses ,Ezra Pound‘. –

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Das Auge denkt. Wer diese Überschrift im Zusammenhang mit dem Bildnisfoto auf der Poundbiographie Eva Hesses sieht, hat den ersten Schritt zum Verständnis schon getan. Ein antikes Haupt, das aus Zeitenferne in unsere Tage ragte, sich ruhelos forschend darin umsah und dabei zu Einsichten gelangte, die das mitgeborene Erbe aus Geist und Sprache mit dem zu verbinden suchten, was ihm entgegenkam, oder, wie man heute sagt, was auf ihn zukam. So entstand Werk. Das ,gesprochene‘ ist dabei womöglich noch ausgiebiger als das in Buchstaben niedergelegte. Denn der Dichter war zugleich der Rhetor seiner Überzeugungen. Wer Pound während der Mussolini-Ära in Rapallo hofhaltend und kulturdiktierend erlebte, wird beipflichten! Daß er in den Vorhaben des italienischen Staatsmannes (der sich selbst blindlings den Untergang bestimmte, indem er wähnte, politisch verpflichtet zu sein, mit den Nazis zu paktizieren) Ansätze zur Realisierung eigener Reformgedanken entdeckte, wer wird ihm das heute nicht nachsehen, wo eben diese Reformvorhaben, nur mit anderen Vorzeichen versehen, in den Staatskanzleien der alten und der neuen Welt ventiliert werden? Und trotzdem war Pound kein ,Prophet‘. Er sah nur etwas weiter. Türmer, der er war, „zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“.
Das geschriebene Werk, die Dichtungen, die theoretischen Versuche, die Nach- und Umdichtungen, merkwürdig geschlossen alle, und zugleich merkwürdig offen, das heißt ohne magisches oder gar mystisches, absichtlich im Geheimnis Belassenes, ist mehr wohl das Beispielwerk eines Lehrers als etwa angewandte Poesie im Sinne seiner Generation.
Pound, am 30. Oktober 1885 in Hailey (Idaho) geboren, war zeit seines Lebens mit den typischen Eigenschaften des Skorpions belehnt, etwa der Fähigkeit, andere in ihren Begabungen zu steigern, selber aber in den vielfältigen seinigen unfertig zu verharren. Wer sich Pound ergab, konnte mit den eigenen Anlagen mehr erreichen, als in sie gelegt war. Der Fall T.S. Eliots steht dafür. Man weiß heute, daß Waste Land in seiner Urfassung nicht nur von Pound zusammengestrichen und in die Form gebracht wurde, die seinen Autor weltberühmt machte, sondern auch Verbesserungen im Wörtlichen erfuhr. Eliot wußte seinem Lehrer und Korrektor Dank. Aber er war es zufrieden, daß jene verräterische Urfassung des großen Gedichts anscheinend verloren war. Anscheinend. Denn kürzlich ist sie wieder aufgefunden worden und zeigt den Anteil Pounds in einem solchen Maße, daß man das Werk zwei Herren zusprechen muß. Dem, der die Idee gefaßt hatte, Eliot, und dem, der ihr Form gegeben, Pound.
Dies dürfte symptomatisch sein für die Wirkungen, ja für das eigentliche ,Gegebenhaben‘ des Verfassers der Cantos, in denen soviel ,Brandsätze‘ den Denkablauf unterbrechen, daß der Leseakt zum angestrengten Studieren entartet. Pound war ein Meister im ,Nachhelfen‘. Was er damit bewirkte, wer kann das ermessen? Gewiß ist er in vielen Schriftwerken der Gegenwart mit anwesend, auch da, wo sein Einfluß strikt geleugnet wird. Doch in wessen Vision ist er übertroffen? Die Barke Charons, des Totenschiffers, füllte sich in diesen Jahren mit vielen berühmten Geistern. Man spürt die Ablösungswelle im Wogengang des literarischen Geschehens. Pounds Mittlertum – auch das zwischen der west-östlichen Antike und unserer Moderne – war versprechender als das, was nun wirklich daraus geworden ist.

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Die Münchner Anglistin und Verfasserin literarischer Essays Eva Hesse hat mehr als ein Jahrzehnt ihres Lebens dafür aufgewendet, das Schriftwerk des Amerikaners Ezra Pound auf Deutsch verständlich zu machen. Sie geriet dabei an einen schier unerschöpflichen Bildungskosmos, in den sie sich, soweit als möglich, hineinarbeitete, bis der eigene Bildungsstand in etwa den Anforderungen einer Übersetzung entsprach. Dank ihr liegt uns der größere Teil des Poundschen Schaffens lesbar und vorzüglich kommentiert vor.
Danach setzte bei Eva Hesse eine rückläufige Bewegung kritischen Betrachtens ein. Was sie Pound dankte, was ihr durch ihn an Wissensgebieten erschlossen worden war, wurde ihr nun zum Mittel, sein Weltbild als fehlbar zu verdächtigen. Pound und sein Großwerk, die Cantos (Canti würde der Romanist sagen), wurde ihr durch die jahrelange Befassung bis zur Anzweiflung vertraut. Als Folge davon versucht sie dem Dichter nachzuweisen, wo er irrte, und macht ihn posthum darauf aufmerksam, wo er die Weichen anders hätte stellen sollen, um richtig zu fahren. Richtig im Sinne unserer heutigen Existenzvorstellungen, unserer heutigen Wirtschaftstendenzen. Er hätte – beklagt sie in ihrer Pound-Erkundung Von Sinn und Wahnsinn (Kindler Verlag) – nicht an Marx und nicht an Freud vorübergehen dürfen. Ging er denn wirklich daran vorüber, ohne Kenntnis zu nehmen? Wenn er sich davon hätte belehren lassen, wäre sein ganzes Werk anders herum gelaufen, auch all das, was Eva Hesse anfangs so überzeugte, daß sie die anstrengende Arbeit einer Übertragung auf sich nahm. Und uns Lesern wäre jener Pound verloren, der gerade durch seine spezielle Problematik ,schöpferisch‘ beschäftigend auf uns wirkt.
Frau Hesse hat da eine schwierige Position bezogen. Und noch schwieriger ist sie nachvollziehbar. Denn wer darf sich vermessen, vorauszuwissen, wie man in 100 Jahren dazu steht? Ist es wirklich gänzlich auszuschließen, daß man einst unsere materialistische Industriezivilisation mit allen ihren ,Leitwerken‘ als wahnhafte Verirrung, als Psychose eines ganzen Zeitalters einschätzt, einschließlich dann allerdings auch des Faschismus, des Nazismus, in denen Pound rettende Tendenzen oder doch Momente einer Umkehr insgesamt vermuten wollte.

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Das Werk Pounds ist ohne die Voraussetzungen einer möglichen Verkehrtheit seines Weltanschauungsansatzes gar nicht zu denken. Und sein Büss- und Leidensweg war die Konsequenz einer ,gelebten‘ Überzeugung und verleiht ihm damit die Größe eines tragischen ,Futuristen‘. Pounds Werk gibt Auskunft über das, was ihm das Denken und Handeln seiner Zeit aufnötigte. Durch das Prisma seines Geistes gesehen, kommt es uns noch einmal nahe, martyriös wie das christliche Mittelalter, und dennoch nicht ausgedient, abgehalftert, sondern menschenfresserisch wie eh und je. Auch auf Zukunft hin.
Und wenn Frau Hesse heute die Lehren von Karl Marx als die letztmögliche, die ablösende Überhöhung alles uns Vorangegangenen empfindet und anpreist, dann ist und bleibe Pound davon ausgeklammert. Er hat gedacht, geredet, artikuliert – hat seine Vision eines ihm möglich scheinenden Nächstbesseren angeboten, dafür gelitten, ist daran kaputtgegangen. Mit ihm heute ,abzurechnen‘, ist so absurd, als wolle man den Kairos, der uns werden ließ, vor Gericht ziehen.

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Es liegt im Zuge unserer allenthalben die Summen ziehenden und die Ernten aller Zeitalter einstreichenden ,planetarischen‘ Gegenwart, daß unsere ,Großen‘ die ,pastness of the past‘ (die Vergangenheit des Vergangenen) werkentsprechend auszubeuten suchen, indem sie alte Denkbilder in heutige einschmelzen und damit Literaturpolitik auf Zukunft hin treiben. Hybrides Unterfangen, gewiß. Dazu paßt gut, daß gerade die beiden Unerschöpfbaren der englischsprachigen Welt – Joyce und Pound – in ihrer finalen Position eine Sympathiebeziehung zu den Großsteinbauten des Megalithikums zu erkennen geben.
Joyce beginnt sein Schlußwerk, Finnegans Wake – eine Art Urgeschichte der Sprache –, mit einem Dialog zwischen zwei uralten Pfeilersteinen auf irischer Heide. Und Pound wünschte sich in einem seiner späten Cantos (XCI/613) in der Stonehenge begraben zu sein, jenem einzigartigen, undeutbaren Rundbau in England.
Eva Hesse setzt denn auch ein durchaus symbolisch zu verstehendes Foto ,Sonnenaufgang in der Stonehenge‘ an den Schluß ihres Buches. Dem Groß-Gescheiterten, könnte man hinzufügen. Daß zahllose Dokumente und Fotos aus Pounds Lebensgang, seine Wirkungsstätten, Porträts seiner Freunde und Feinde den Text vielfältig ergänzen, kommt der Publikation zugute.

Werner Helwig, Neue Rundschau, Heft 4, 1979

Pound und „Zuk“

Pounds Äußerungen im Gespräch waren wie seine Schriften durchsetzt mit genialen Maximen übers Gedichteschreiben; von Vorteil war dabei, daß man ihn manchmal bitten konnte, sich durch Beispiele zu verdeutlichen. Seine Maximen gingen keineswegs immer untereinander, geschweige denn in seiner Praxis auf – nie aber waren sie irrelevant. Man dachte über sie nach – das gilt jedenfalls für mich – und zog möglicherweise seinen Nutzen aus ihnen.
Um 1929 oder – 30 hatte sich Zukofsky einige von Pounds besonders zwingenden Maximen herausgegriffen und neu formuliert (in einer Sprache, die ich – leider! – für den obskuren Jargon eines Pedanten hielt): er richtete sich nach ihnen aus und schien sie auf alles, was er in Verse faßte, anzuwenden.
Pound übte gesprächsweise an meinen frühen Gedichten, desgleichen an meinem Villon, mit blitzschneller Zunge einiges an Kritik: weitgehend so, wie er es auf sehr viel gewichtigere Weise an Eliots The Waste Land getan hatte. Er entwarf vieles neu, verbesserte ein wenig und wies mich an, mehr zu verbessern. Später fischte er einiges, was ich verworfen hatte, aus meinem Papierkorb und bestand darauf, es veröffentlichen zu lassen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll.
Zukofsky seinerseits ging Gedichte, die ich ihm schickte, mit peinlicher Sorgfalt durch, Wort für Wort, schlug hier etwas vor, kritisierte heftig dort, und anempfahl manchmal dem Papierkorb. (Bisweilen gab er auch seiner Begeisterung für bestimmte Zeilen und Textstellen Ausdruck.) So ging er damals vor, als, wie in den frühen 30er Jahren der Fall, sich seine Bewunderung – mein Werk, glaube ich, tatsächlich sehr in Grenzen hielt. Und später, nachdem er seine Meinung geändert hatte, behielt er es so bei. Selbst nach dem Krieg war er äußerst behilflich bei The Spoils; und noch mit dem Manuskript Briggflatts mühte er sich ab, wenn auch auf weniger verschwenderische Art und Weise.
Ein Systematiker hätte vielleicht alle helfende Kritik Zukofskys aus Pounds obiter dicta hergeleitet, aber ich bin noch weniger Systematiker als Pound: Zukofskys Geduld und Strenge waren für mich von großem Wert… auch für Carlos Williams – WCW sagte mir das vor langer Zeit.
Es bedurfte mehr als zweitausend Jahre gewaltsamer Opposition, um die Juden so eigensinnig zu machen, wie viele der besten unter ihnen sind. Manchmal mag ich das nicht; aber jeder bewundert, ja liebt diesen Eigensinn bei Spinoza – ihm gab unter den Philosophen Zukofsky den Vorrang – und ebenso bewundernswert ist der Eigensinn, mit dem L. Z. in seiner Dichtung und in seiner detaillierten Kritik auftrat.
Pound war wendig, geschmeidig und voller Scharfsinn. Zukofsky war vergleichsweise invariabel, wenn auch etwas langsamer in seiner Wahrnehmung.

Basil Bunting, Schreibheft, Heft 27, April 1986
Aus dem Englischen übertragen von Lioba Happel

Ezra Pound 

Ezra Pound hat mich im Innersten berührt, seit ich als junger Mensch zum ersten Mal auf seine Spuren stieß. Dabei haben sich die Faszination durch die suggestiven, oft nur schwer zu entschlüsselnden Kürzel seiner Lyrik, die Überzeugungskraft der unakademischen Anweisungen des vitalen literarischen Lehrmeisters, die einem Yeats, Eliot, Joyce, Hemingway geleisteten Freundschaftsdienste und die Anteilnahme am tragischen Schicksal des unter unwürdigen Bedingungen in einem amerikanischen Irrenhaus Internierten (offenbar Vorbild für die sowjetische Praxis, Dissidenten in Nervenkliniken zu isolieren) zu einer emotional nicht auflösbaren Einheit verbunden.
So habe ich Ezra Pound gekannt und war mit ihm vertraut, lange ehe ich ihn nach seiner Entlassung aus dem St. Elizabeth’s Hospital for the criminal insane in Washington D.C. das erste Mal persönlich getroffen habe. Das war Ende Juli 1958 auf der Brunnenburg nahe Meran in Südtirol, wo seine Tochter Mary de Rachewiltz lebte, verheiratet mit einem Ägyptologen. Ich machte mir aus der Entfernung als Leser dessen, was Ezra Pound geschrieben hatte (oder einem Teil davon, sofern ich seiner Schriften habhaft werden konnte) ein Bild von ihm und meinte ihn genau zu verstehen. Die Kraft seiner Dichtung, verbunden mit der Atmosphäre der Tragik, die seine Person und sein Schicksal umgab (und die ich den mir zugänglichen Fotos entnehmen konnte) schlug mich in Bann.
Zum ersten Mal habe ich den Namen Ezra Pound von meinem Freund H.C. Artmann gehört. Er war es, der mich auf die Übersetzung einiger Pound-Gedichte durch Rainer M. Gerhardt hinwies, die in der kurzlebigen Zeitschrift Fragmente erschienen waren. Und dann kam die intensive Begegnung mit seinem Werk in Schloß Leopoldskron in Salzburg. Dort wurden Monat für Monat die Kurse des (von Amerika betriebenen) Austrian Seminar in American Studies abgehalten. Da ich eine Teilnahme an ihm nicht aus der eigenen Tasche finanzieren konnte, hatte ich mich mit einem Text über James Joyce, den der Freund Peter Rhidian Williams perfekt ins Englische übertragen hatte, um ein Fulbright-Stipendium für das vierwöchige Seminar über moderne amerikanische Lyrik beworben, das im Februar 1952 in Schloß Leopoldskron stattfand und bis März dauerte (Leopoldskron hatte einmal Max Reinhardt gehört, war aber von den Nazis enteignet worden). Und ich hatte dieses Stipendium erhalten.
Ich fuhr also nach Salzburg und nahm an der Veranstaltung teil, deren äußere Bedingungen mir damals traumhaft erschienen. Es war, als ob ich aus der Enge meiner Verhältnisse im Wien der Nachkriegsjahre in die Weite der USA versetzt worden wäre. Gleich in der ersten Stunde, nach der gegenseitigen Vorstellung, wurden wir Studierenden, die wir aus den verschiedensten Ländern kamen und an den Kursen teilnahmen, gefragt, welche Dichterpersönlichkeit wir uns für das längere Referat wählen wollten, das wir am Ende des Seminars vorzutragen hatten. Beinahe alle hoben die Hand und sagten: T.S. Eliot, T.S. Eliot, T.S. Eliot… Ein einziger wählte E.E. Cummings, ein zweiter Marianne Moore, ein anderer – ich weiß das nicht mehr genau – W.C. Williams oder Wallace Stevens. Keiner entschloß sich zu Ezra Pound – außer mir. Ich meldete mich und sagte (nicht nur aus Lust am Widerspruch, weil ich mich von den anderen unterscheiden wollte, sondern ebenso aus Überzeugung von dem Rang des von mir favorisierten Autors, obgleich ich diesen seinerzeit nur sehr oberflächlich beurteilen konnte): Ezra Pound.
In der wunderbaren Bibliothek von Leopoldskron (noch immer gerate ich ins Schwärmen, wenn ich an sie zurückdenke – für einen bücherhungrigen jungen Menschen war sie das Paradies) fand ich nahezu alles, was von und über Ezra Pound in den USA bis dahin erschienen war. Ich war begeistert und dachte: das Gleiche würde mir in einem sowjetischen Institut wohl nicht passieren, daß in der Bibliothek des Hauses alles verfügbar war von einem Autor, der im eigenen Land als Unperson und Staatsfeind geächtet, ja eingesperrt worden ist. So wuchs gleichzeitig mit meiner Faszination durch Pound die Achtung vor den Amerikanern, die einerseits diese Person zwar verfolgten, andererseits jedoch alles offenlegten, was ihren Fall betraf, auch wenn dies für sie selbst nicht unbedingt günstig war.
Nach der Zeit in Leopoldskron hörte meine Beschäftigung mit Pound nicht auf. Sie wurde intensiviert durch das Erscheinen der Pound-Übersetzungen von Eva Hesse im Zürcher Arche-Verlag. Pound hatte (und alle Freunde und Verehrer Pounds haben) mit dieser Übersetzerin unheimliches Glück. Nicht nur, daß ihre Zuwendung zu Pound und ihr Elan, sein Werk zu übersetzen und zu interpretieren, ein Leben lang nicht nachließen, sondern sie war auch nicht der leisesten Sympathie für den Faschismus oder irgendeine der kruden ökonomischen Ideen Pounds verdächtig. Im Gegenteil: sie und ihr Mann Mike O’Donnell standen – vergleichbar etwa der Position eines Erich Fried in London – ausgesprochen links und haben daraus nie ein Hehl gemacht. Das tat der Pound-Interpretation gut und hat manches, was er geschrieben und gesagt hat, in ein anderes Licht gerückt.
Das Ausmaß der Poundschen Verstrickung in den Faschismus war mir anfänglich nicht voll bewußt, die Radikalität seiner Reden über Radio Rom 1941 bis 1943 nicht bekannt. Es sollte zu sagen überflüssig sein, ist es aber leider nicht: meine Faszination durch Pound hat nichts mit seiner Schwäche für den Faschismus zu tun. Meine Verehrung gilt Pound, obwohl und nicht weil er sich in einer bestimmten Phase seines Lebens dem Faschismus genähert hatte und sich – wenngleich von den Faschisten vielfach beargwöhnt und kaum verstanden – zu seinem Fürsprecher machte. Ich halte den Faschismus – den deutschen weit mehr als den italienischen – für das Übel dieses Jahrhunderts, das ich am meisten verabscheue. Das Erlebnis der ,Reichskristallnacht‘, deren Augenzeuge ich als Neunjähriger im November 1938 wurde, hat mich (wie ich an anderer Stelle schon ausführlich dargelegt habe) für mein Leben geprägt, die frühe Lektüre der Chassidischen Bücher von Martin Buber eine tiefe Liebe zur jüdischen Mystik geweckt, die später durch Gershom Scholem vertieft wurde. Als ich daher zum ersten Mal die römischen Radioreden von Ezra Pound (Ezra Pound Speaking) im Wortlaut vor mir hatte, war ich nach der Lektüre wie vor den Kopf geschlagen: dieses Ausmaß der Verblendung, diese Gehässigkeit des Tonfalls hatte ich nicht für möglich gehalten, am wenigsten bei Ezra Pound, von dem so viele Zeugnisse selbstloser Menschlichkeit überliefert sind und den ich später persönlich als einen von Erfahrungen gezeichneten, schließlich resignierenden, von Trauer ergriffenen, aber nie gehässigen, nicht einmal bitteren alten Mann kennengelernt hatte.
Gewiß, Pounds – des Amerikaners – Reden über Radio Rom während des Zweiten Weltkriegs waren keineswegs das, wofür er 1945 angeklagt (und in ein Irrenhaus verbannt) wurde: Hochverrat. Aber sie waren schlimmster Antisemitismus. Und war Antisemitismus in einem Jahrhundert, das Auschwitz und Treblinka hervorgebracht hat, nicht unendlich schlimmer als jede Art von Hochverrat? Pound selbst hat in seinen späteren Jahren hierin seine Sünde wider den Geist erkannt. So sagte er 1967 zu Allen Ginsberg in Venedig:

The worst mistake I made was that stupid, suburban prejudice of anti-semitism. All along, that spoiled everything.

Wann immer ich später die Radioreden Ezra Pound Speaking zur Hand nahm, war ich für längere Zeit verstört und unfähig zu irgendeiner weiteren Beschäftigung mit Pound. Es waren dann immer wieder die Cantos, die Pisan Cantos vor allem, aber auch die ,Letzten Texte‘ oder sein ABC des Lesens, die mich zu dem Pound zurückführten, den ich trotz allem für den ,wahren‘ halte.
Als das literarische Amerika nach 1945 allmählich mit dem Fall Pound zu leben lernte, man seine Gedichte wieder in Anthologien aufnahm – aus denen man sie zuvor entfernt hatte – und eine Jury, der Conrad Aiken, W.H. Auden, T.S. Eliot, Robert Lowell, Katherine Anne Porter, Allen Tate, Robert Penn Warren und andere Träger illustrer Namen angehörten, ihm für die Pisan Cantos den Bollingen Award verlieh, setzte sich als Formel der Verständigung die Sprachregelung durch, man dürfe nicht ,Pound the poet‘ mit ,Pound the man‘ verwechseln, sondern müsse Werk und Person streng auseinanderhalten.
Aber können sie denn getrennt werden? Ist eine solche Unterscheidung zwischen dem Menschen und dem Dichter zulässig? Ist sie überhaupt möglich? Ich glaube: nein. So einfach ist es nicht, daß man sagen kann: hier der gute Pound, der ganz in seine Dichtung eingegangen ist – und dort der böse Pound, der Mensch, der in seinem Leben schreckliche Dinge gedacht und gesagt (wenn auch nicht getan) hat.
Tatsächlich ist es doch wohl so: Pound the man hat Pound the poet erst möglich gemacht, hat ihn hervorgebracht, ihn ernährt, ihn mit seinen Erfahrungen gefüttert, ihn mit Wahrnehmungen, Bildern, Assoziationen, Gedanken und Zusammenhängen versorgt, aus Pound the man hat Pound the poet seine Eingebungen bezogen und schließlich auch seine Irrtümer, Pound the man hat den Grund gelegt und den Boden bereitet für das Werk von Pound the poet und er hat es durcheinandergebracht, er hat es befördert und hat es gehemmt und beinahe zerstört, Pound the man hat Pound the poet nach Rapallo geführt und er hat ihn in das Lager von Pisa gebracht und in St. Elizabeth’s Hospital, bis es am Ende Pound the poet war, der auch Pound the man das Tor in die Freiheit öffnete, die Heimkehr nach Italien, nach Meran, Rapallo und Venedig möglich machte; denn es war der Dichter, dem man schließlich verziehen hat, nicht der Mensch.
Ohne seine politische Verblendung, ohne seine Verstrickung in den Faschismus wäre es nie zu den römischen Rundfunkreden gekommen. Ohne diese in Kriegszeiten in Feindesland gehaltenen Reden hätte es nie die Gefangenschaft in Pisa und die jahrelange Internierung in einer Irrenanstalt gegeben. Ohne die extreme Ausnahmesituation im Straflager der amerikanischen Armee wäre es nicht zu den Pisan Cantos gekommen (wohl nie in der Geschichte ist große Dichtung unter so armseligen Bedingungen geschrieben worden). Ohne die Pisan Cantos wäre Pounds dichterischer Ruhm ein sehr begrenzter geblieben. Ohne die Internierung unter kriminellen Geisteskranken wäre nie das Bild des gefangenen Dichters entstanden, das den Mythos Pound begründete und uns in den fünfziger Jahren so sehr bewegte.
Darum mag ich nicht an die Formel vom doppelten Pound, vom Dualismus seiner Psyche glauben. Was wir an ihm lieben und was uns an ihm abstößt, gehört untrennbar zusammen. Es ist nicht so, daß der böse Pound über Radio Rom Roosevelt und die Juden attackiert hat und der gute Pound in den Pisan Cantos das Lob einer von Geistern durchwirkten Natur gesungen hat. Es gibt nur einen Pound. Nur ein Mensch, in dem sich dieses Maß an Sensibilität, Erfahrung, Leidensfähigkeit mit dem Bewußtsein – oder wenigstens der Ahnung – einer ungeheuren Schuld vereinigte, konnte die Pisan Cantos und schließlich die Folge der späten Cantos von 1958 bis 1959 schreiben.
Zwischen dem Pound, den ich 1958 auf der Brunnenburg fand, und dem Pound, den ich ein Jahr später dort antraf, bestand ein unüberbrückbarer Unterschied. Einmal begegnete ich einem zwar alten, aber noch ebenso wißbegierigen wie tatendurstigen Mann, der viele Pläne schmiedete, der davon sprach, daß er diesen oder jenen aufsuchen wollte und daran dachte, Symposien zu veranstalten – ein Jahr darauf traf ich dagegen einen Menschen, für den alles Vergangenheit geworden war, der mit niemandem mehr kommunizieren wollte, der vor allem aufgehört hatte zu schreiben und wußte, daß es für immer war.
Ezra Pound saß zusammengesunken in seinem Lehnstuhl in der Ecke des Zimmers, den Kopf zurückgelehnt. Von ihm ging lastendes Schweigen aus. Er wirkte erschöpft, bis zum Grund seines Wesens ,ausgeschöpft‘, wie es nur jemand sein konnte, der sein ganzes Leben hindurch schöpferisch war und nun in sich vollkommene Leere spürte. Ich war erschüttert, ihn so zu sehen, und darum kaum überrascht, als ich später von seinem Selbstmordversuch hörte.
Vielleicht, so dachte ich, war es mir vergönnt, diesem Menschen ein wenig zu helfen. Aber ich wußte zunächst nicht, wie. Doch ergab sich einige Jahre später dazu Gelegenheit. Ein Schulfreund, Walter Pöldinger, war inzwischen Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Basel. Seine Adresse gab ich Eva Hesse, die sie wiederum nach Venedig (wo Pound inzwischen in der Obhut von Olga Rudge, der Mutter Marys, lebte) weiterleitete. Auf Veranlassung von Olga Rudge verbrachte Pound dann als Patient 1966/67 etwa ein halbes Jahr in der Basler Klinik. Doch sein Zustand erwies sich als zu ernst, als daß mein Freund mehr hätte erreichen können, als Pound jene Balance auf dem schmalen Grat zwischen weiteren Suizidversuchen und vollkommener psychischer wie physischer Bewegungsstarre zu verschaffen, die ihm dann ein Weiterleben halbwegs möglich machte.
Nach seinem Tod habe ich sein Grab auf der venezianischen Toteninsel San Michele wie auch seinen Lebensmenschen Olga Rudge in ihrer Wohnung in der Calle Querini, Dorso Duro 252, nahe den Salzmagazinen und der Kirche Santa Maria della Salute aufgesucht, und mit Olga Rudge habe ich lange über Pound, über seine Dichtung und über den Faschismus gesprochen. Hier hatte ich Pound vor Jahren einmal vor der Haustür getroffen und ihn stumm auf seinem Spaziergang begleitet, der ihn bis zur Zattere agli incurabili führte. Ich hatte Pound von der Aufführung seiner Nō-Spiele am Theater in Ulm berichten wollen, aber ich war nicht dazugekommen, ihm irgendetwas zu erzählen.
Die Poundsche Fassung der Nō-Spiele, schon in den zehner Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden, ist höchst bemerkenswert. Pound hatte von der Witwe des bereits 1908 verstorbenen Japanologen Ernest Fenollosa dessen nachgelassene Papiere mit den Rohübersetzungen japanischer Nō-Spiele erhalten, denn sie meinte, ihr Mann habe sie als Dichtung, nicht als Philologie, verstanden wissen wollen. Pound hat sie bearbeitet und ,eingerichtet‘, und mehr: er hat sie zu höchst poetischen Stücken geformt. Eva Hesse hat dann im Namen Pounds deren Übersetzung ins Deutsche mir anvertraut, was sich als zwar sehr ehrenvolle, aber besonders schwierige Aufgabe erwies, galt es doch sowohl der Poesie Pounds als auch dem originalen Wortlaut (den ich zum Beispiel in den sehr viel getreueren Übersetzungen von Arthur Waley fand) gerecht zu werden.
Ich glaube, daß schließlich etwas durchaus Spielbares herausgekommen ist, wie die Aufführung in Ulm bewiesen hat. Aber das zu beurteilen fühle ich mich nicht berufen – ich bin eindeutig Partei. Doch darf ich sagen, daß mir die Dichtung Ezra Pounds unendlich viel gegeben hat. Darum berührt es mich schmerzlich, wenn ich sehe, daß den Namen Pound von den jüngeren Leuten heute kaum einer noch kennt.

Wieland Schmied, aus Wieland Schmied: Lust am Widerspruch, Radius Verlag, 2008

Versuch über Pound

Wie kam ich auf jenen, der mir als Faschist galt und keine Zeile wert, keinen Vers, der ja eine kleine Verbeugung wäre? Doch zu einem Geburtstag, ich konnte mich nicht wehren, schenkte mir ein Mitbewohner und Freund dieses giftgrüne Buch. Ezra Pound. Eine Auswahl. Das ist einige Zeitlang her.
Ein Zwischenstand und es wird immer Zwischenstand bleiben. Aufarbeitung, was für ein Wort. Gedichte als Brennstab. Schnelle Brüter. Literatur zwischen den Positionen. Klar, ein Text verlässt den Autor im Moment, da er Wort wird. Gesprochen, getippt oder gedruckt, jedenfalls außerhalb des Kopfes sich ansiedelt, der ihn gedacht.

I
Texte sind Texte und sie haben den Autor verlassen auf ihrem Weg zum Text, zum textlichen Sein, zur Textur und zu mir, dem Leser im Zwischenbereich. Verstehen, nicht Verstehen, Erstaunen, dazwischen, ach Leser; ich lerne in meinem Leben nicht mehr Chinesisch. Singsang am Rande einer Entscheidung, meiner Entscheidung, mich zu verweigern, war immer auch eine Option. Aber warum? Ein voller Topf Honig, mitten im Weg, hier verbindet sich Superlativ mit Superlativ. Canto mit Canto.
Fünfzig Jahre lang arbeitete Pound am Konvolut, ohne es zum Abschluss zu bringen. Er selbst am Ende, betrachtete er es, resigniert, als unlesbar zerfasert. Warum aber sollte ich schneller lesen, als Pound schrieb? Vielleicht lese ich auch fünfzig Jahre, wenn mir die Zeit bleibt.
Zerfasert mag stimmen, unlesbar aber stimmt nicht. Es ist Sprache in Schrift. Sichtbar und haltbar. Der alte Mann aber hatte den Blick für etwas verloren, wenn er ihn je hatte, und nicht nur Geschick, in Zerfaserung liegt letztlich der Reiz der Lektüre, ihre Wahrheit.

II
Es gibt kein anderes Werk, bei dem ich mir lesend so oft ins Wort falle, in den eignen Gedanken, das mag deshalb sein, da zuweilen die Übersetzung Eva Hesses näher am Eigentlichen arbeitet, als das Original von Pound.
Ich begebe mich hier mutmaßend auf das verminte Terrain der Eigentlichkeit, ein Gebiet, das ich eigentlich seit Jahren zu meiden versuche, nicht zuletzt wegen der Warnschilder, die die Protagonisten der Kritischen Theorie darum positioniert haben. Lohn für Jargon.
Mit über 50 aber bin ich mir meiner selbst bewusst genug, mich auch jenen Autoren zu nähern, die mit einem Ausrufezeichen auf weißem Grund im roten Dreieck gekennzeichnet sind, allgemeine Gefahrenquelle, wie Heidegger und damit auch Pound.
Mein Gespräch mit den Cantos mündet immer wieder in ein Selbstgespräch, das am Ende meist ein Selbststreit ist. Ein Streit, der mir unerlässlich, er ist noch lang nicht entschieden.
Im Grunde mache ich auch noch heute um die Cantos einen Bogen, aber ich fühle mich herausgefordert und angezogen.

III
Ein Menschenkäfig ’45 in Pisa, darinnen ein Pound mit Bart und struppigen Haar.

IV
Immer wenn ich die Lektüre beginne, trägt der Text mich, egal an welcher Stelle ich einsteige, Argos im Text. Im Fluss auf der Suche nach Schlaf, das Schaf. Sprache, Facetten, ich vergesse das Vermögen, Kritik und meinen Anspruch und lese und lese. Knietief im Morast, ich Treidler ehe unchnjem jeschoiras iii jeschoiras im Bienemajauniversum

aaaaaaauf dass das leibliche Licht austrete
aaaaaaaaaaaaaaadem leiblichen Feuer
Dass deine Augensterne zutage treten,
aaaaaaaaaaaaaaaaus den Tiefen, darein sie versanken,
Reina – dreihundert Jahre danach,
aaaaaaaaaaaaaaasolang schon versunken
Dass deine Augen treten aus den Höhlen der Tiefsee
aaaaaaaaaaaaaaa& Licht fortan
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaagleich dem Ilex- Blatt
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaqui laborat, orat
So nahte Undine dem Fels,
aaaaaaaaaaaaaaaam Circeo
und die Augen von Stein schauen wieder landaus. („Canto XCI“, Seite 108)

V
Kein anderer Text, der mir das Wort Überwältigungskunst so spürbar erschlossen, ein Ichverlust. Im Dunst hier der Link zu Wagners Opern und Nietzsches Kritik. Selbst fremdsprachige Passagen lese ich, als würden sie sich öffnen wie fremde Musik. Etwas geht aus diesem Text, er ist überwältigend in Ambivalenz. (Jetzt drückt mir der Heideggermist doch arg auf die Perücke. Aber, Mann, ich halt das schon aus.) Das Flackern im Fenster das Blitzen und Donnern der Wahrheit. Im sitzen elektromagnetische Entladung immer dieses Metapherngeflimmer. Wahrheitssmog.
Bis zu dem Punkt lese ich, da! die Be- und Verwunderung in Anstrengung umschlägt, und in Erschrecken. Wir sind verführbar, und sich der Verführung durch Pounds Cantos hinzugeben, ist ein riskanter Versuch.
Antidot: Die Zeichentrickfigur stülpt sich, wenn sie zu ertrinken droht eine Wasserblase über die Rübe wie einen Helm.
Der Reihenfolge ist nicht zu trauen nicht immer folgt Himmel auf Hölle, verfährt Pound sampelnd im Grunde. Wie Gott. Der Weg durch den Text – ein Zickzack. Und machen wir uns selber nichts vor, es ist ein Text, er wird auf dem Tisch liegen, auch wenn ich eine Pause brauche, und das Zimmer eine Zeitlang verlasse, um Luft zu schnappen und etwas trinken gehen.
Poundpause: einbrechendes Licht.
Aber Erleuchtung ist es nicht.
Ich denke weniger an Dante als an Loyolas erste Höllenmeditation und die Aufgabe, sich die Ausdehnung der Hölle rein räumlich zu denken, das heißt vorzustellen.

VI
Auf Youtube Fragmente, ein Film, dokumentarisches Material, schlechte Bildqualität, Bilder.
Pasolini bei Pound in seinem letzten Rückzugsort, ein Schloss im Norden Italiens (woher hatte der die Kohle?) und führt mit ihm ein Gespräch, Bildschnipsel dokumentieren. Diese Filmschnipsel waren mir Anlass zu einem langen Gedicht, „Il Manifeste“; das folgendermaßen endet:

Es sind Pounds Texte wie Wagners Musik: sie bleiben
Überwältigungskunst nämlich, und meine Sympathien
sind verteilt,
ihre Zeilen zielen knapp an meinem Großvater
vorbei. Kein Exil dem zweiten Mann meiner Oma
der so gern noch einmal nach Italien marschiert wäre
als Reisender, der starb, weil er nichts mehr getrunken
wegen der Schmerzen beim Pissen und kein Wort
mehr über Pound!

Wäre das Ende dieses Gedichts das Ende meiner Begegnung, ich hätte kapituliert vor Pounds Werk. Doch blieb es Stachel. Wieder und wieder sehe ich die Videos. Da ich kein Italienisch verstehe, verstehe ich nichts von dem, was die Männer sich sagen. Manchmal erkennt man, dass Pasolini etwas vorliest. Gedichte wahrscheinlich, ich vermute erst, dass es Passagen der Cantos sind. Im Schneegries des Filmes sehe ich nur, höre ein Kratzen. Hintergrundrauschen. Die Sprache. Der Rest Interpretation.

VII
Später Passagen als Transkription im Schreibheft. Aber da hatte sich mein Eindruck bereits verfestigt. Ich nähere mich diesem Bild, nur dem Bild? wie ich mich einem vergangenen Jahrhundert nähere. Ich nähere mich meiner eigenen Herkunft, einer Herkunft, zwischen Faschismus und Kommunismus.
Auf dem Bild aber zwei Dichter, jeweils Anhänger sich ausschließender Ideologien.
Phänomen des Jahrhunderts oder der Kunst überhaupt? Nicht nur im Angesicht Pounds verbinden sich Faszination und politische Abscheu, wie bei den Lehrstücken Brechts beispielsweise, dem einen oder anderen Vers Majakowskis. In Texten der Seghers, Entbehrungen. Bei den Lehrstücken, für mich wohl das Beste, was der Augsburger geschrieben, geht es mir so.

WER ABER IST DIE PARTEI?

Während ich lese, klingelt das Telefon: die Apotheke bringt mir Medikamente vorbei.

VIII
Ladies and Gentleman, Get ready to rumble
In the red corner Brecht vs. Pound in the blue
ein Battle oder eine Umarmung, wer weiß das schon zu sagen. Ich. Kichern)
Auch der Herold kam und führte den lieblichen Sänger
Ihn, den die Muse liebte; sie gab ihm Gutes und Böses:
Denn sie nahm ihm die Augen und gab ihm süße Gesänge.
Voss nach Homer: Odysee 6. Gesang Vers 61–63
Ausgangspunkte schon wieder.

Grauer Schuber, blaues Leinen, rote Schrift, Dünndruck, weil es sonst die Tischplatte bricht.
Die Rückkehr der Schuber. Übersetzung von Eva Hesse, inzwischen in einem Münchener Altersstift:
Während für Pound die Cantos Fragment sind, finden wir uns in der Lage, da die Übersetzerin ihren Teil, mit Hilfe zwar, aber zum Abschluss gebracht hat, dass uns ein Werk vorliegt, dass zwar fragmentarisch war aber nun vollständig übersetzt ist. Vollständigkeit, die aus Unvollständigem hervorquillt. (Welche Übersetzung ist nicht umstritten?) Jeder Übersetzer sieht sich doch selbst, und nur sich auf dem einen, richtigen Weg; aber man muss sich in diesem Werk bewegen wie ein Elefant, weil man sich sonst zu verlieren droht, und schlüge man nicht hier und da einige Pflöcke ein in den Text und auch einiges an Geschirr kaputt, verschwände man darin ganz, denn der Text breitet sich aus, ist nur scheinbar linear; Linearität nur Illusion des Drucks der Buchbindetechnik. Ein Meer von einzelnen Seiten verteilt vor dem Leser durch die Schritte des Lesers geteilt, und wieder geteilt, zu Inseln getürmt, was ist hier Wasser, der Text, der Zimmerboden, was Land, der Teppich?

IX
Diesen Text lesen mit Brecht im Gepäck. Augsburger Anker. Rettung suspekt. Zwischen beiden spannt sich das Jahrhundert, ein durchlöcherter Schirm, und wenn für Pound Wirtschaftskritik ein Grund für Antisemitismus, so war Wirtschaftskritik ein Anlass für Brechts Nähe zum Stalinismus. Beide bauten aus Interpretation der Ökonomie, aus einem ökonomischen System heraus. Brecht baute den schnell populär gewordenen Vers:

Was ist der Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer Bank.

Etwa zur gleichen Zeit formuliert Pound:

Zinsen genossen an allen
Geldern, die sie, die Bank aus dem Nichts schafft
aaaaaHalb-privater Anreiz
sagte Mr. Roth Schild, weiß der Deibel welcher Roth-schild.
Warenfetischismus. Die Ware zunächst ein Ding, ein äußerer
Gegenstand.
Panzer Aktie Messer Obligation Brot Sportrad Tapete
Der Sieger ist immer jener, der bleibt.

Aber das nur Wahrnehmung von einem, der aus brecht-affinem Stall stammt, in welchem Bewunderung weniger dem Autor und seinem Werk galt, als einzelnen Versen, in denen Hoch Lenin zitiert wurde oder dem Titel des Gedichtes Lob des Kommunismus.
Die Mutter, also Personenrede. Wäre ohnehin ein Changieren zu konstatieren zwischen politisch engagierter Kunst und Ästhetizismus, und vielleicht ist ja eine Entscheidung zwischen beiden Polen dogmatisch und kontraproduktiv.
… das schwer zu machen ist.
Festzuhalten aber, dass diese Entscheidung für Dichter im letzten Jahrhundert von keiner geringen lebenspraktischen Bedeutung war. Abgesehen von der Frage, ob wir wirklich so etwas wie eine Bezugsgröße brauchen, hielte ich für fatal, den politisch Engagierten hinter den vermeintlich apolitischen Dichter zurücktreten zu lassen, denn damit würde Opportunismus an die Stelle des politischen Irrtums treten, und die ästhetische Kraft des politischen Irrtums, würde outgesourct (um einen in den allgemeinen Sprachgebrauch gesickerten neoliberalen Begriff zu gebrauchen). Übrig bliebe Gewimmel um Fleischtöpfe und Töpfe vielleicht mit veganem Brei und darin steckend eine Rückkehr in vorhobbessche Natur. Fliegengesumm, Fleischfliegen in Massen, die einen nicht abgedeckten Kuchen im Hof zum Kindergeburtstag grün färben. Mut ihn zu essen. Oder Ignoranz Gleichmut, die Eltern die am Bohnenkaffee nippen. Und mit den Kindern zusammen bald in ein Fertighaus ziehen. Es liegt schon die Bodenplatte. Nicht unterkellert.
Am 20.11.45 notiert Bertolt Brecht in sein Arbeitsjournal:

Ezra Pound wurde in Italien arretiert und wird als Verräter hierher gebracht. Etwas feudale Würde hängt um diese George, Kipling, D’Annunzio, Pound. Immerhin historische Figuren, nicht gerade auf den Märkten zu finden, eher in den Tempeln – am Rande der Märkte.

Ein sardonisches Zitat aus der Zeit der Pisaner Cantos. Aber die beiden verband mehr als die Zeit. Ich glaube zwar nicht, dass Pound von Brecht etwas kannte, doch Brechts leise Bewunderung für Pound unverkennbar, später, genau 1954, wird er dem Amerikaner ein Gedicht widmen, folgendes Gedicht:

E.P. Auswahl seines Grabsteins
Die Herstellung von Versteinerungen
Ist ein mühsames Geschäft und
Kostspielig. Ganze Städte
Müssen in Schutt gelegt werden
Und unter Umständen umsonst
Wenn die Fliege oder der Farn
Schlecht plaziert wurde. Überdies
Ist der Stein unserer Städte nicht haltbar
Und auch Versteinerungen
Halten sich nicht sicher.

Und Pound wird Brecht um einige Jahre überleben.
Pound im Käfig in Pisa. Brecht vor dem Ausschuss für unamerikanische Angelegenheiten.

I never was a member of the Communist Party. You must take the lead.:

Da war eben auch Zuwendung zu fernöstlichem Denken, die in mehr oder weniger adaptierter Form das Werk beider durchzieht.
Meti. Minleh.
Pound wandelt dieses Denken, indem er es in seiner Materialität belässt, den Cantos an.
Vielleicht, um vorsichtig zu formulieren, besteht die Möglichkeit dafür in einem autoritären Kern des fernöstlichen Denkens. Auch hier wieder eine merkwürdige Dialektik, denn im Gegensatz dazu wird Brecht, der das Material verwandelt, selbst zu so etwas wie einem östlichen Denker, und im Gegensatz zu Pound ist sein Autoritätsseil einer, der sich selbst bewusst zu sein scheint.
(Du musst die Führung übernehmen!) The lead.
Eine entscheidende Wendung bekommt Brecht durch Anleihen beim Nihilismus. Auslöschung. Brecht war immer näher an Nietzsche als an Marx.

X
Pound lesen heißt auch, der Tisch voller Papier, jetzt angeordnet um die blaue Leinenausgabe.
Daneben Reprints der Literaturzeitschrift fragmente und einige Nummern des Schreibheftes. Ein großes Wörterbuch ohnehin. Rainer Maria Gerhardt war meines Wissens der erste, der ein deutsches Publikum mit den Cantos bekannt machte, für fragmente, die Zeitschrift, die er herausgab, übersetzte er Teile des Werkes, genauer den „Canto XIII“ ins Deutsche.
Es war Rainer Maria Gerhardt nicht vergönnt, die Sache Pound weiter zu verfolgen. Er starb 1954.
Und in Heft 2 kamen eben die Verse aus dem „Canto XIII“:

Kung ging spazieren
aaaaaaaaaaaaaaam dynastischen tempel
Und in den zedernhain
aaaaaaaaaaaaaaund trat hinaus am untern fluss,
Und mit ihm Khieu Tchi
aaaaaaaaaaaaaaund Tian der leisesprecher.

Den Staffelstab bezüglich Pound, der Gerhardt aus den Händen gefallen war, nahm Eva Hesse auf. In ihrer Übersetzung hört sich die gleiche Stelle allerdings folgendermaßen an:

Kung ging vorbei
aaaaaaaaaaaaaaam kaiserlichen Ahnentempel
Und in den Zedernhain
aaaaaaaaaaaaaaund fürbass an den Unterlauf des Flusses,
Und bei ihm waren Ksiu Tschi
aaaaaaaaaaaaaaund Dian mit der leisen Art;

Die Texte unterscheiden sich nicht nur in der Umschrift chinesischer Namen, schon in diesen Auszügen erkennbar der andere Zugriff Hesses aufs Werk, dass ihre Übersetzung den Zeitgeist der 50er-Jahre abstreift, dass sie ins zeitlich Universelle geht. Allerdings kann es auch sein, dass ich den Zeitkern in ihrer Übersetzung nicht erkenne, weil er zu nah an der Zeit und am Jetzt ist.

XI
1908 übersiedelte Pound nach Europa und kam während des ersten Weltkrieges in Kontakt mit dem italienischen Futurismus, wurde Anhänger Mussolinis. 1914 begann er an den Cantos zu arbeiten. Zunächst wollte er ein Werk wie Dantes Göttliche Komödie schreiben, aber der Text, oder besser die Texte, das Konvolut wucherte metastatisch, zog Material an, aktivierte Material wie ostasiatische Einflüsse und ökonomische Theorien.
Zentral im Werk sind die Pisaner Cantos, geschrieben nach der Verhaftung und Internierung durch US-Truppen.
Pound der Freak, hat sich nie vom Faschismus distanziert. 67 lässt er sich von Breker in Paris porträtieren.
***
Im „Canto LXXIX“ heißt es:

Das junge Ross wiehert wider den Klang der Bumskapelle:
seiner Erfindung der Produktion und dem Gemetzel
(auf beiden Seiten) in memoriam

Und etwas weiter unten im gleichen Gesang:

Mein lieber William B. Y., dein ½ war zu gelinde
„pragmatisch Schwein“ (falls Gojm) tut’s für Zweidrittel
ganz zu schweigen von der Geldanlage in dem Merbeide
und ähnlichen Unternehmen

Die Cantos sind ein irres Projekt, aber nicht das Projekt eines Irren. Letztere Position einzunehmen wäre einfach und würde an Pounds Text das vollziehen, was jene, für die er Partei nahm, an ihren Gegnern vollzogen: etwas zu Irrsinn erklären, ausscheiden, wegsperren, ist Eingeständnis der eigenen Schwäche Unsicherheit gegen die eigene Position.
Die Faschisten hatten diese Macht, sie haben sie weniger aus Angst, denn aus Hass und Menschenverachtung. Allerdings war das, was sich in Pogromen entlud, lange in der Gedankenwelt der Menschen angelegt und sedimentiert. Die Nazis ließen es frei, setzten es in die Maschine.
Politisch-ästhetischer Exkurs:
Ohne gezielte und bewusste Handlung von Menschen dringt nichts Geschichtliches an die Oberfläche, weder im Guten noch im Schlechten. Charles Bernstein schreibt in seinem Essay „Pound und die Dichtung von heute“, der im Schreibheft Nr. 80 vom Februar 2013 erschienen ist:

Beginnend mit den 1980er Jahren haben Kritiker und Literaturwissenschaftler wie Nicholls, Richard Sieburth, …, am hartnäckigsten aber Robert Casillo, versucht, Pounds politisch-ökonomische und Geschlechterideologie in das tropische System seiner Dichtung zu integrieren. Damit gewährten diese Leser Pound zunächst den Respekt, ihn beim Wort zu nehmen. Im Gegensatz zu jenen Kritikern, die sich wie wohlmeinende Verwandte gezwungen sahen, zu behaupten, Pound habe nicht gewusst, wovon er rede.

Und ich möchte behaupten, dass mich die Lektüre der Cantos, die noch lange nicht abgeschlossen ist, nicht zum Antisemiten gemacht hat, und auch nicht dazu machen wird. Sie ist in ihrer Gedankenfülle und Verästelung gewissermaßen das Gegenteil einer Propagandaschrift. (Pound sei der Lieblingsfaschist der Intellektuellen, las ich kürzlich, irgendwo auf einem Blog. Das mag stimmen, aber das hat auch seinen Grund.)
Man kann sich nicht mit Pound beschäftigen, ohne auf seinen Faschismus einzugehen. Pound vertrat antisemitische Thesen und verehrte Mussolini! Er teilte damit eine Krankheit, die in Kreisen künstlerischer Avantgarde weit verbreitet war, denn wir sollten nicht vergessen, dass die totalitären Strömungen des vergangenen Jahrhunderts sich selbst als avantgardistische, politische Bewegungen begriffen. Als Vorhut, entweder der Volksgemeinschaft oder der Arbeiterklasse. Aus eigener bitterer Erfahrung kann ich sagen, dass die Vorstellung, einer avantgardistischen Gruppierung anzugehören vor allem für Jungen und junge Männer von enormem Reiz ist. Und es hat zumindest in meinem Falle einer Reihe einschneidender Erlebnisse bedurft, um hinter die Fassade der kommunistischen Bewegung blicken zu können, ja es brauchte letztlich den Zusammenbruch des kommunistischen Systems.
Wie aber kann man eine politische Position ablegen und dennoch an künstlerischen Produkten festhalten, die unter dem Einfluss dieser Position entstanden sind? Wie kann man angesichts der Cantos, angesichts der politischen Implikationen von einem Guten, ja einem grandiosen Werk sprechen? Gut heißt für mich zunächst, dass es mich und mein Denken in Bewegung setzt. Es ist also nicht an sich gut, schon gar nicht in einem moralischen Sinne. Aber auch nicht in einem landläufigen, in der Hinsicht, dass es das erreicht, was es sich vornimmt. Es ist eben keine Propagandaschrift. Bernstein schreibt:

Ein Gedicht, das die Geschichte mit einbegreift, bedeutet auch, dass wir Geschichte lesen müssen; Geschichte wie sie in Pounds Stil, in der symbolischen/semiotischen Ökonomie des Gedichts, in den materiellen Produktionsmitteln geschrieben steht, ebenso sehr wie in seinen „entkörperten“ „Ideen“. Dichtung ist ebenso wenig wie Geschichte oder Philosophie deshalb wert, gelesen zu werden, weil sie tröstlich oder unbeschwert oder verständlich oder erhebend ist. Auch bedeutet auf eine Politik der poetischen Form hin zu lesen nicht, dass solche Formen selbst eine befreiende Wirkung entfalten; viel häufiger müssen wir mit Ray DiPalma feststellen, dass alle Formen koerzitiv sind. … Allerdings ist Pounds Dichtung zu keiner Zeit bloße Widerspiegelung seiner Politik; tatsächlich würde ich ganz im Gegenteil argumentieren, dass Pounds Werk seinem Faschismus widerspricht.

Es entstehen Fragen, und es entsteht Genuss bei der Lektüre, ein Stocken jedoch, wenn es um Ökonomie geht, beispielsweise. Pound war Anhänger der irrwitzigen Theorie, des negativen Zinses, die das Geld gewissermaßen am ununterbrochenen Zirkulieren halten und Schatzbildung auf diese Weise bestrafen will. Eine in ihrer Grundstruktur antisemitische Theorie, die sich letztlich auf die stereotype Vorstellung des Geldverleihers als Wurzel allen Übels gründet. (Wenn man aber die Proteste der vergangenen Jahre betrachtet, scheint eine gewisse gedankliche Vereinfachung ökonomischer Theorien nach wie vor verbreitet und man sucht den Grund des Unheils in der Welt noch immer in der Sphäre der Geldzirkulation, ohne zu beachten, dass auch dieser Sphäre ein handelnswertes Produkt zu Grunde liegen muss, und ich bin mir nicht sicher, was im moralischen Sinne böser ist, eine Streubombe oder ein Derivat.)

XII
Wie verhält sich ein Text zur politischen Position seines Autors? Eine Frage, die bei der Lektüre der Cantos jederzeit mitschwingt. Im Zentrum der Überlegung Folgendes: Pound hat versucht, sein Material nach Maßgaben zu ordnen, aber dieses Material ist reichhaltiger, als er selbst es erwartet hatte, damit widerständiger als er denkt. In der Wut, es zu bezwingen, bezwingt er es nicht.
Der Text erweist sich als Ausdruck des Materials als Widerstand gegen sich selbst.
Der Text der Cantos mag jenes, oben aus Canto LXXIX zitierte, junge Ross sein.

Jan Kuhlbrodt, aus Jan Kuhlbrodt: Schrift unter Tage. Essays und Kolumnen, Gans Verlag, 2023

Die Causa Pound

1
Für eine Überfahrt war es eigentlich schon zu spät gewesen, aber ich war doch entschlossen, das Fährschiff am späten Nachmittag nach Murano zu nehmen und unterwegs an der Friedhofsinsel auszusteigen. Ich war immer ganz gern in diesem ruhigeren Teil Venedigs spazierengegangen. Man saß da gut und vor allem ungestört an den Fondamente nove. Sie streckten sich lang hin, und die Stadt lag einem im Rücken.Von hier aus konnte man San Michele, die Friedhofsinsel, in der Ferne schon sehen oder zumindest erahnen, wenn wieder einmal Dunst über der Lagune lag. Beim Passieren des Gittertores zu den Liegestätten der Seligen zeigte sich dann, daß mir kaum mehr als eine Viertelstunde blieb, auch nur die wichtigsten Künstlergräber zu besichtigen. Die Anlage hatte etwas Verwirrendes, es gab mehrere Séparées, Nischen für die verschiedenen Konfessionen – wie im realen Leben auch. Oder war es der störrische Lageplan, den mir der Wind aus der Hand riß? Die Zeit reichte höchstens für eines der Gräber auf meiner Liste – es galt, sich schnell zu entscheiden. Igor Strawinski war bereits abgehakt, blieben noch Ezra Pound und Joseph Brodskij. Der Übervater der modernen amerikanischen Dichtung und der Dichter-Dissident aus der Sowjetunion, der kleine Leningrader Jude, der aus der Kälte gekommen war oder vielmehr aus dem Nichts. Ganz ehrlich gesagt, die Wahl fiel am Ende nicht schwer.
In dieser Wahl, fünf Minuten vor Toresschluß, fand so ziemlich mein ganzer bisheriger Lebensweg Ausdruck. In ihr lag vieles verschlüsselt: die frühe Verfallenheit an die Dinge der Poesie, das Motiv der Flucht aus einem geschlossenen Imperium, das ich nur zu gut kannte, der unbedingte Wille, sämtliche Ideologien, die linken wie die rechten, abzuschütteln. Richtiges Handeln von falschem zu unterscheiden. Il paradiso terrestre – man konnte das Paradies auch verfehlen, das zumindest war mir damals schon klar.

 

2

I sat on the Dogana’s steps
For the gondolas cost too much that year

Auf den Stufen der Dogana saß ich,
Denn die Gondeln waren zu teuer in diesem Jahr
(„Canto III“, 1–2)

Es gibt nur wenige Gedichtanfänge, die mir so unter die Haut gefahren sind wie dieser. Es waren aus den Cantos die ersten Zeilen, die mich auf Anhieb packten. Ich weiß auch noch den Moment, als ich sie entdeckte, Ende der siebziger Jahre in Dresden. Es war im Lesesaal der Sächsischen Landesbibliothek, und ich fand sie in einer Schweizer Ausgabe der Cantos I–XXX. Auf den Autor war ich zuerst im heimischen Brockhaus-Universallexikon gestoßen. Der Artikel hatte ihn als amerikanischen Dichter ausgewiesen, Anhänger des italienischen Faschismus, wegen Landesverrats vom US-Militärgericht angeklagt, begnadigt nur aufgrund einer schweren geistigen Erkrankung. Von diesem Moment an war ich an der Angel. Was die Neugier so anstachelte: Es waren verbotene Früchte, es war Stoff, der auf den Index gehörte, radioaktives Material, nur auf Umwegen zu beschaffen. Der Name sagte den meisten in meiner Umgebung nichts, auch die literarisch versierteren Freunde wußten nichts mit ihm anzufangen. Und so hatte ich damals das Gefühl, der einzige Mensch in Dresden zu sein, der wußte, wer dieser seltsame Ezra Pound war.
Wenig später lernte ich am Theater noch einen zweiten kennen, einen jungen Regisseur, der mir brüderlich seine einzige Pound-Ausgabe überließ. Ich sehe sie vor mir: ein Taschenbuch, auf dem Umschlag groß ein chinesisches Schriftzeichen in knallroter Farbe. Und da las ich dann die Fortsetzung:

and the palace hangs there in the dawn, the mist,
in that dimness,
or as one rows in from past the murazzi
the barge slow after moon-rise
and the voice sounding under the sail.

und der Palast hängt da im Frühlicht, milchig
in jenem Dämmerlicht,
oder wenn man heranrudert vorbei an den
murazzi
die Barke langsam nach Mondaufgang
und die Stimme trägt weithin unter dem Segel.
(„Canto XXV“, 87–91)

Beschrieben war die Ankunft am Dogenpalast – der Erzähler war nunmehr offenbar von der anderen Seite herübergekommen. Wie schon zuvor auf den Stufen der Dogana war hier der Sprecher selbst ins Bild gerückt, in einem bedeutsamen Augenblick seines Lebens, einem Wendepunkt, wie sich sofort mitteilte. Es gibt mehrere solcher Stellen in den Cantos, und manchmal kündigt der Autor sein Auftreten auch an: „ego scriptor cantilenae“. Dieses Aufblitzen des Biographischen gefiel mir, es hatte etwas Grundaufrichtiges, entwaffnend Naives, wobei in den tonangebenden Lyrikerkreisen meiner Umgebung gerade das damals als verpönt galt. Es war die Indiskretion, mitten in ein Historiengemälde die eigenen Gesichtszüge einzutragen, die mich verzauberte. Da war die Geschichte der Lagunenstadt, lang und breit referiert aus Chroniken und Gerichtsakten, es ging um die Rechtsprechung der Serenissima, um die Erweiterung des Dogenpalastes, und plötzlich steigt dort der Dichter an Land und schaut sich um. Ein Greenhorn an einem der geschichtsträchtigsten Orte Europas – in einem Moment von Schwäche und maßlosem Ehrgeiz.
James Joyce’ Lebensregel für den ausdauernden Künstler kam einem in den Sinn:

Silence, exile and cunning.

Der Mensch Ezra Pound, dieser schwierige Einzelgänger, würde die Kombination kennenlernen im Lauf seines Lebens, ein Stichwort nach dem anderen, nur in umgekehrter Folge. In jungen Jahren die List und die Cleverness, die es braucht, um in die Nähe von Geld und Mäzenen zu gelangen für seine diversen Projekte zwischen London, Paris und Italien. Später den Rückzug als Eigenbrötler an die ligurische Küste, die Selbstverbannung an einen Ort in Europa, der nur kurzzeitig mehr war als ein Geheimtip für die internationale Hautevolee. Und nachher Kriegsgefangenschaft, Internierung als vaterlandsloser Geselle, Unterbringung in einem Irrenhaus. Als altem Mann war ihm schließlich die Befreiung vom Redenmüssen vergönnt. Die letzten zehn Jahre verbringt er, wie ein Mönch, der ein Gelübde abgelegt hat, in einem vieldeutigen Schweigen. Besucher in seinem letzten Exil auf der Brunnenburg oberhalb von Meran, Literaten vor allem, ehrgeizige Lyriker, wie er selbst einer gewesen war, beschied er gern mit dem Satz: „Es war alles umsonst.“ „Mein eigenes Werk ergibt keinen Sinn.“ An Selbstkritik hat es ihm nicht gefehlt. Mit einer Bitterkeit ohnegleichen konstatierte er immer wieder das Scheitern seines großen Projekts. Es sei ein einziges Chaos gewesen, sein Schreiben,

stupidity and ignorance all the way through.

Damals, in jenem Moment in Venedig, hatte alles, was kommen sollte, die Vergeblichkeit eines ganzen erfüllten Lebens, seinen Anfang genommen. Eine Urszene war, was der Dichter später in den Bericht von der Odyssee durch sein Zeitalter hineinmontiert hatte. Man sieht ihn auf den Stufen der Zollstation sitzen, an der Einfahrt zum Canal Grande. Er saß auf den Stufen der Zollstation, an der Einfahrt zum Canal Grande. Von da aus ließ die Geschichte der Seerepublik und ihres Welthandels sich wie mit einem Rundumblick erfassen. Und nicht nur sie, auch die aller früheren Epochen, die über Seewege und Seeschlachten miteinander verbunden waren. Das Auf und Ab der antiken Kulturen am Mittelmeer: Marco Polos Expedition über die Seidenstraße ins Reich der Mitte, die Chronik der Stadtstaaten Italiens, die Entdeckung Amerikas, seine Besiedlung und wirtschaftliche Inbesitznahme from coast to coast. Es war, als wäre das gesamte ausufernde Gelände der Cantos von diesem einen Punkt aus – der Punta della Dogana – im ganzen schon sichtbar gewesen.
Venedig, und die Ankunft des jungen Dichters dort, ist eines der Leitmotive, die im Werk wiederkehren. Es enthält, nebenbei gesagt, auch seine Liebeserklärung an Europa und an Italien – das Land, in dem er mehr als ein Drittel seiner Lebenszeit verbringen sollte (was er damals noch nicht wissen konnte – so wenig wie das, was an Irrungen und Verwirrungen für ihn daraus folgen sollte). Vielleicht war dies der Grund dafür, daß er mehrmals, bis in die späten Cantos darauf zurückkam, aus immer anderer Perspektive.

And
I came here in my young youth
aaaand lay there under the crocodile
By the column, looking East on a Friday,
And I said: Tomorrow I will lie on the South side
And the day after, south west.

Und
Ich kam daher in meiner grünen Jugend
aaaund ließ mich nieder unter dem Krokodil
Am Fuß der Säule, Blick ostwärts an einem Freitag,
Und sagte: Morgen werde ich auf der Südseite liegen
Und übermorgen in Richtung Südwest.
(„Canto XXVI“, 1–6)

 

3
That year aber ist lange her. Heute machen die Touristenmassen (die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe und Besitzer der Autos, die sich im einzigen Parkhaus am Ort stapeln) jeden kontemplativen Venedig-Moment zunichte. Auch die Armut der Dichter sieht anders aus als im Jahr 1908, da ein junger Mann, verfolgt von der Finanzkrise in seiner Heimat (Panic of 1907), aus Idaho herübergekommen war, Europa zu umarmen. Die Arme waren dafür nicht lang genug, aber der Atem, der große Atem für ein künftiges Lebenswerk war bereits da. Im selben Jahr ließ er seinen ersten Gedichtband drucken, auf eigene Kosten, in einer kleinen stamperia in Venedig. Das Buch trug den italienischen Titel A Lume Spento („Bei erloschenem Licht“). Das klang nach Symbolismus und Fin de siècle, nach Impressionen vom Untergang des Abendlandes, mit oder ohne Spengler. Damals befand sich der Dichter in einer Krise. Noch vierzig Jahre später (oder nach weiteren siebzig Cantos in seiner Zeitrechnung) kommt er darauf zurück. Er sei damals drauf und dran gewesen, erzählte er gern, die Druckfahnen seines ersten Gedichtbandes ins Wasser zu werfen und das Dichten aufzugeben.

by the soap-smooth stone posts where San Vio
meets with il Canal Grande
between Salviati and the house that was of Don Carlos
shd/I chuck the lot into the tide-water?
aaale bozze „A Lume Spento“
aaaaaaand by the column of Todero
aaashd/I shift to the other side
aaaaaaor wait 24 hours

an den seifenglatten Steinpflöcken, wo San Vio
auf il Canal Grande stößt
zwischen Salviati und dem Haus, das Don Carlos gehörte,
soll ich das Ganze ins Flutwasser schmeißen?
aaa
le bozze „A Lume Spento“
aaaaaaund an der Säule des Todaro
aaasoll ich hinüber auf die andere Seite
aaaaaaoder 24 Stunden warten
(„Canto LXXVI“, 296–303)

Ezra Pound hat sich damals nicht umgebracht (und auch später nicht, in Schuld und Verzweiflung). Denn auch so läßt die Zeile mit der anderen Seite sich deuten. Statt dessen fährt er über die Lagune hinüber und fängt eines Tages ein Werk an, das sich im ganzen als eine Fahrt ins Totenreich lesen läßt. Er macht sich auf und wird zum Chronisten seiner Epoche.
Ezra Pound war der amerikanische Hummer, der in Italien an Land ging und seine Fühler in die Morgenluft des Jahrhunderts streckte. Da saß er nun, zu jeder Eroberung bereit, auf diesem anderen Festland und suchte nach Vorläufern in der kontinentalen Geschichte. Schrieb noch Gedichte in der Manier der kühnen Außenseiter unter den Alten, schwieriger Erneuerer der Form wie Catull, Arnaut Daniel oder François Villon. Die Cantos sollten sie später alle versammeln, seine wilden, neoterischen Vorbilder: Sordello und Cavalcanti, Dante und die Troubadoure Okzitaniens, und dazu ein paar tatkräftige Männer, von denen die Annalen berichten – Condottieri wie jene Malatesta, Sforza und Medici, deren asiatische Pendants wie Tamerlan oder Kublai Khan, aber auch zeitgenössische Vertreter dieser Spezies wie Mussolini und Hitler. Was alle diese Typen verband, war audacia – die Kühnheit, der Wagemut oder auch nur die skrupellose Anwendung von Gewalt. In Pounds persönlichem Glossar bezeichnete das Wort eine Grundtugend, es hatte für ihn einen magischen Klang. Ebenso wie virtù, das noch etwas schärfer gewürzt war, deutlicher auf den martialischen Drang abhob, auf die Führungsstärke, auf die es politisch nach Machiavellis Lehre zuallererst ankam. Kurz gesagt, der Dichter hatte eine Schwäche für die starken Männer –

and the only people who did anything of any interest were H., M. and
aaaFrobenius der Geheimrat

und die einzigen, die etwas Nennenswertes taten, waren H., M. &
aaaFrobenius der Geheimrat –

wie es in den „Pisaner Cantos“ („Canto LXXIV“, 386), unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, durchaus trotzig heißt. Wobei das Bizarre in der Gleichstellung der drei Genannten, allesamt Autodidakten, lag. M. oder Mussolini war für ihn primär ein Künstlertyp, weniger der Diktator. Leo Frobenius der deutsche Völkerkundler, der ihm die afrikanischen Kulturen nähergebracht hatte – einer aus der langen Reihe von Lehrern und Anregern. Aber H. alias Hitler – ernsthaft?
Wie war das gemeint? Wieder einmal gesamthistorisch? Daß ein Scheusal wie Hitler „etwas Nennenswertes“ getan hatte, wissen wir Heutigen – wir Deutschen können ein Lied davon singen. Kein Tag vergeht, ohne daß wir an die Auswirkungen seiner Herrschaft erinnert werden. Dank Hitler sind wir in den Schuldturm der Geschichte eingesperrt. Und es handelt sich wirklich um Schuld, die diffuse Gesamtschuld einer Nation als Erbin einer Volksgemeinschaft der Großelterngeneration, an der auch die Teilung nichts ändern konnte, wie wir jetzt sehen. (Der Faktor Antifaschismus sei nicht vergessen, weder als kommunistischer und sozialdemokratischer noch als bürgerlich-liberaler Widerstand, auch nicht in seiner verstaatlichten Form im Osten Deutschlands, der schließlich zum Untergang verdammt war.) Dennoch hat die Scham darüber nie zu brennen aufgehört, in jedem Einzelnen, der sie noch fühlt – auch wenn das Sprachspiel der Beteiligten und der Unbeteiligten lange schon zwischen Scham, Schuld und Schande pendelt und viele in diesem Dreieck der ethischen Kategorien in die Irre gehen. Aber das betrifft, ganz klar, nur die Deutschen.
Daß aber ein Autor von solcher Größenordnung ein Anhänger Mussolinis war, macht den Fall problematisch. Es war die fixe Idee, sehr amerikanisch, im Geist Machiavellis: Der Starke ist am mächtigsten allein. Er handelt rücksichtslos, mit der Begründung, der Masse des Volkes (der Volksgemeinschaft) nützlich zu sein. Auch wenn er dabei ein paar tausend Feinde beseitigen muß. Getreu der geschichtlichen Logik, die den Verfolgern das Vorrecht gibt, den Verfolgten keine Träne nachweint: keine Gnade den Juden. Unklarheit herrscht darüber, ob Pound den Genozid persönlich befürwortete. Neue Manuskriptfunde aus der Beinecke Library in Yale, wo der Nachlaß des Dichters verwaltet wird, verheißen in dieser Hinsicht nichts Gutes.
Kein Zweifel aber: Es gibt eine Instrumentalisierung geschichtskonservativer Dichtung bis in unsere Tage. Insofern ist Pound nie aus der Mode gekommen. In den reaktionären Kreisen Amerikas betreibt man regelrecht einen Kult um ihn. Das sind Kreise, die nun auch die Weltöffentlichkeit kennengelernt hat, etwa die alternative Rechte (Alt-Right). In Italien ist es die Casa-Pound, eine Bewegung hipper Neofaschisten, die mit Häuserbesetzungen begann, später landesweit Aufmärsche organisierte und mittlerweile bei den offiziellen Wahlen kandidiert. Selbst der Ministerpräsident Berlusconi, heißt es, mußte sich mit ihren Anführern schon in Hinterzimmern treffen, um Koalitionsgespräche für einen Rechten Block zu führen. Einmal sah ich sie selber in Aktion, in Rom auf der Piazza Navona, mit Schlagstöcken bewaffnet, als sie gegen linke Studenten vorgingen als eigener Blocco studentesco. Rechte gegen die Antifa, es war das moderne Kain-und-Abel-Spiel.
Für die Splitterpartei mit der Schildkröte als Vereinssymbol (nach testudo, der Kampfformation römischer Legionäre, die seit Julius Cäsar als geschlossener Verband unter ihren Schilden vorrückten) ist die Popularisierung von Mussolinis ventennio (seiner zwanzigjährigen Herrschaft) erklärtes politisches Kampfziel. Ezra Pound war für sie der ideale Markenname: Eine Stifterfigur aus der internationalen Kunstszene, der Ausländer mit der platonischen Liebe zum heimischen Faschismus. CasaPound ist in Italien äußerst aktiv, zum Leidwesen der Familie des Dichters, die vergeblich gegen den Mißbrauch des Namens prozessiert hat. Nachdem ein Sympathisant aus der Szene auf einem öffentlichen Platz in Florenz zwei Afrikaner getötet und zwei weitere lebensgefährlich verletzt hatte, strengte Mary de Rachewiltz, Pounds Tochter, die in Südtirol auf der Brunnenburg das Erbe des Meisters verwaltet, einen Prozeß an, um den Namen des Vaters zurückzubekommen –  doch sie verlor vor dem obersten Gericht.

Sie mißbrauchen seine Ideen. Mein Vater stand für eine Begegnung zwischen den Zivilisationen.

Das Hauptquartier der Bewegung liegt in Rom, zufällig direkt hinter unserer Wohnung in der Via Napoleone. Mitunter hängen dort große Stoffbahnen aus den Fenstern, mit faschistoiden Parolen bedruckt. Die meiste Zeit geht es da friedlich zu, wie in jedem politischen Spießerverein. Ein Glatzkopf im schwarzen T-Shirt sieht aus dem Fenster, die tätowierten Unterarme gemütlich auf den Sims gestützt. Er schaut den Tramwagen zu, alten klapprigen Waggons, die durch die Straße heulen. Die Touristenströme ziehen brav an der nächsten Ecke vorüber, stadteinwärts oder die Straße hinauf zur Stazione Termini. Kaum einer biegt einmal ab und verirrt sich in diese Straße, die eine der Hauptadern des Esquilino-Viertels ist.
Zu allen Zeiten hat es Versuche gegeben, das Werk des Dichters von seinen politischen Verfehlungen zu trennen. Freunde und Fürsprecher hatten sich für eine Generalamnestie stark gemacht, mit der Begründung, es handele sich um einen Ausnahmefall, kaum zu beurteilen nach dem Maß der Normalsterblichen – um den spektakulären Betriebsunfall eines Avantgardisten. Das Muster solcher Entlastungsversuche war immer dasselbe: Poesie und Propaganda müsse man auseinanderhalten, den ideologischen Müll von der reinen lyrischen Imagination trennen. Hatte es nicht unverdächtige Anwälte gegeben, Verteidiger der Moderne, als deren Verkörperung Ezra Pound erschien? Unter den Besuchern der letzten Jahre waren so unterschiedliche Geister wie Allen Ginsberg und Pier Paolo Pasolini, beide Grenzgänger auf ihre Weise. Der eine war angereist, ihm als Buddhist und Jude die Absolution zu erteilen, der andere suchte als Kommunist bei dem greisen Dichter nach heimlichen Anzeichen von linkem Humanismus. „È musica“, schwärmt er beim Anhören des Usura-Cantos – und bestätigt damit bloß, was der Dichter meinte mit seiner Theorie von der Melopoaia:

Kann von einem Ausländer mit feinem Gehör wahrgenommen werden, auch wenn er die Sprache, in der das Gedicht geschrieben ist, nicht kennt.

Ob er die Segnung annehmen könne, fragt ihn der jüdische Beatnik. Aber da hat er nicht mit Pound gerechnet, der weist das Ansinnen zurück. Sein schlimmster Fehler sei der Antisemitismus gewesen, dieses dumme, provinzielle Vorurteil, und das habe alles verdorben. Aber Ginsberg läßt nicht locker: Ein grober Schnitzer sei das gewesen, mehr nicht, man könne auch sagen, eine Frage des Temperaments, der fehlgeleiteten Leidenschaft, wie sie zum Drama des Dichters nun einmal gehöre. Zur Ehrenrettung mußte die romantische Vorstellung vom Künstler als Ausnahmemenschen herhalten, als wären wir nicht im zwanzigsten Jahrhundert, in dem auch ein Dichter zuallererst ein Paßinhaber (U.S. Citizen) und Honorarempfänger war (Radio Roma). Aber wir sind auf den Bericht des Beatnik-Chefs angewiesen, und der hatte sich von seinem Besuch beim Patriarchen der amerikanischen Poesie (dem Statthalter Walt Whitmans auf Erden) die Übergabe des Staffelstabes und etwas wie eine offizielle Dichterweihe erhofft.
Ich weiß noch, wie ich in jungen Jahren Legenden wie diese aufgesaugt habe. Ich bin mit den Cantos aufgewachsen. Das Werk hatte etwas Respektgebietendes, es war anziehend und abschreckend zugleich, ein Monolith, mehr als tausend Seiten schwer. In meiner Vorstellung hatte er etwas von jenen griechischen Bronzestatuen, die Fischer im Mittelmeer in ihren Netzen heraufgeholt hatten, den sogenannten Riesen von Riace. Um sie zu sehen, war ich einmal eigens nach Reggio Calabria gepilgert, wo sie im Archäologischen Museum ausgestellt sind. Derselbe Eindruck von monumentaler Größe, der einen einschüchterte. Die Cantos – ein Wortgebirge, an dem man nicht vorbeikam, wenn man weiterwollte. Das einen verfolgte wie eine Verpflichtung im Raum der Kunst. Pound-Zitate flogen einem um die Ohren, und man begegnete ihnen überall, als Motto in Büchern und in den Kunstkatalogen. Du willst Dichter werden, und so, genau so wie den Verfasser der Cantos stellst du dir einen Dichter vor, einen Wanderer durch die Sprachen.

 

4
Rückblende: Es war in Klagenfurt, man hatte mich zu einem literarischen Wettbewerb eingeladen, einem Wettlesen, besser gesagt. Der Name Ingeborg Bachmann sorgte dafür, daß man nicht Nein sagen konnte. Das war in den frühen neunziger Jahren, die Mauer war eben gefallen, und plötzlich gehörten junge Kräfte wie ich zum Betrieb. Daß ich mir dennoch dort fremd vorkam, lag vor allem an einem Mißverständnis. Man hatte mich mit einer Prosaarbeit eingeladen, und dabei war ich doch jemand, der fast ausschließlich Verszeilen schrieb. Auch ging mir das ganze Prozedere, die Medienshow und die Kritikereitelkeit, höllisch auf die Nerven, und so kam es, daß ich entsetzlich fror unter den Scheinwerfern. Der Fluchtreflex war also vorprogammiert. Nicht nur wollte ich diesem Lese-Zirkus dringend entfliehen, ich hatte auch ein unanfechtbares Alibi, zumindest mir selbst gegenüber. Ich mußte zu einer Ausstellung fahren, von der ich in der Zeitung gelesen hatte, auf schnellstem Wege hinüber nach Bozen, das Thema war zu verlockend: Ezra Pound und die Künste.
Vorbei an den Dolomiten in der Ferne fuhr ich, mit Umsteigen in Fortezza, Franzensfeste, im nächstbesten Eilzug. Vorm Panoramafenster erschienen die ersten Alpengipfel, die ich in meinem Leben sah, schroffe Felsenzacken, die etwas von Wohntürmen, Wolkenkratzern hatten. Mit ihren Schneekappen verwirrten sie einem außerdem den Sinn für die Himmelsrichtung. Dahinter sollte also Italien liegen – und nicht der Anfang von etwas wie Spitzbergen? Es war meine erste Pilgerreise ins Pound-Gelände. Aber am Ziel begrüßte mich Walther von der Vogelweide. Das war mein Mann:

Weh, wie tun die Jungen so, die vor Freuden sollten in den Lüften schweben?

„Das heis’ Walterplatz“
heard in Bozen (Bolzano)

„Das heiß’ Waltherplatz“
gehört in Bozen (Bolzano)
(„Canto LXXXIII“, 262)

Die Ausstellung war nicht gerade der Kracher, ein paar schwache Zeichnungen, kein Wyndham Lewis, kein Brancusi darunter, geschweige denn Alte Meister wie Duccio oder Carpaccio. Ich erzähle hier von der Zeit nach der Zeit, als Ezra Pound für eine Menge von Neulingen wie mich als die Summe galt der modernen abendländischen Dichtung. Er war der Pate – Vater der modernen amerikanischen Lyrik –, ein echter Mafiapate mit einem enormen Einflußradius. Man rief sich den Namen unter den Clanmitgliedern wie eine Grußformel zu.
Es hat lange gedauert, bis mir dämmerte, daß Old Ez, wie die Freunde ihn nannten, immer bis zum Bersten mit Polemik und Pädagogik angefüllt war. Poesie war für ihn eine Form der Propaganda, auch wenn es um Schönheit ging, anders konnte er sie sich nicht denken. Er war eine streitsüchtige Natur, ein Mann mit einer heiligen Mission, ein Dichterdiktator mit einem Erziehungsauftrag, er gehört in die Reihe der Stefan George oder Bertolt Brecht. Kaum eine längere Passage in den Cantos, zu welchem Thema immer, in der nicht der Lehrer, auch der Darwinist mit ihm durchgeht. Die Eidechse lauert, gleich wird sie scharfen Speichel absondern, und selbst die Ameise hat bei ihm als Kentaur zu kämpfen in ihrer Drachenwelt.
Die Cantos waren jener gewaltige Felsen von einem Werk, in dem viele Jahrhunderte eingeschlossen lagen, das Denkmal eines Wegbereiters der Moderne, um das schwerlich herumkam, wer nach ihm zu schreiben anfing – ich meine, Gedichte zu schreiben. In den Echoräumen der Poesie waren die Cantos so etwas wie Picassos vielgestaltige Leinwände für die Entwicklung der Malerei. In ihrem Formenreichtum, ihrer stilistischen Wandelbarkeit waren beide Künstler einander ebenbürtig. Aber kein Kurator würde sich finden, der diese Parallelwelten heute gemeinsam inszenieren könnte. Weil jeder der beiden weltanschaulich auf einer anderen Seite stand und der Abstand von Venedig (Rom, Rapallo) und Paris (Barcelona) himmelweit blieb.
Nach meinem Geschmack hätte es bei den ersten dreißig Cantos bleiben können. In ihnen war alles enthalten, was die moderne Lyrik als Ausdrucksform seinerzeit ausmachte. Der Abgesang auf die Antike, der Untergang der Welt von gestern infolge des Massenschlachtens im Ersten Weltkrieg, die Entdeckung der Renaissance, der Kulturen Ostasiens und der alteuropäischen Dichtung. Die Archäologie, das Lob auf die Architektur und eine erste Kritik am ausbeuterischen Kapitalismus und den Finanzspekulationen der Banken und Börsen. Außerdem aber auch die Schönheit der alten und neuen Künste, Licht und Luft und Mythos, Jugend, Erotik und Eleganz. Es hätte so schwungvoll enden können mit einer Feier der Großtaten des Lord Malatesta und einem „Explicit canto XXX“. Aber der Dichter wollte es anders, er suchte die Fortsetzung, und damit wurde er zum ersten Serienproduzenten der Lyrikgeschichte. Von nun an folgte eine Staffel der nächsten. Schon vier Jahre darauf (1934) erschienen Eleven New Cantos. Darin ging es um Thomas Jefferson, John Adams und die neue Welt. Er vertiefte sich in die Geschichte der Vereinigten Staaten, danach in die der weltweiten Geldwirtschaft und der verschiedenen Staats- und Regierungsformen von Altgriechenland über China bis in die Neuzeit – wo er schließlich beim Faschismus herauskam. Und hier verliert das Ganze an Halt und auch an Schwung. Von nun an werden die Cantos immer materiallastiger, sie füllen sich seitenweise mit bloßen Exzerpten aus Geschichtswerken und Fachliteratur zur Geldtheorie. An dieser Stelle höre ich den Einwand:

Oh, aber die Pisaner Cantos, was ist mit denen?

Well, auf die wird man noch zurückzukommen müssen.

 

5
Bekanntlich beginnen die Cantos mit einer Fahrt in die Unterwelt (Nekyia).

Swartest night stretched over wretched men there.
The ocean flowing backward, came we then to the place
Aforesaid by Circe.

Pechschwarze Nacht starrt auf die Sterblichen dort.
Der Ozean, rückdriftend, führte uns an den Ort,
Den Circe bezeichnet hatte.
(„Canto I“, 16–18)

Odysseus steigt hinab zu den Manen, wo er den toten Gefährten wiederbegegnet – so wie Dante sich auf Wanderschaft in die christliche Hölle begibt. Doch dieser hat einen Führer bei sich, Vergil, der ihm alles erklärt; Odysseus geht unbegleitet. Und Pound, wen hat er dabei? Zumindest auf den ersten paar Metern seinen alten Dichterfreund T.S. Eliot. Eine Weile lang geistert der noch als Old Possum durch sein Lebensepos. In Verona auf den Stufen der römischen Arena sitzen beide für einen Moment zusammen, dann aber trennen sich ihre Wege. Brieflich halten sie noch Verbindung, zeitlebens wird Eliot dem Freund dankbar sein für sein Lektorat von The Waste Land. Ihm ist es gewidmet: „For Ezra Pound – il miglior fabbro“ (ein Dante-Zitat: „dem besseren Handwerker“).
Pound aber ist da längst abgedriftet in die schwärzeste aller Welten, er geht mitten hinein in das Europa der Kriege und der tödlichen Weltanschauungen. Dort streift er seitdem umher, verloren zwischen den Massengräbern und Krematorien. Es fällt ihm schwer, ins Paradies vorzustoßen, bis zuletzt gibt es den Plan dazu. Sein paradiso terrestre blitzt immer wieder einmal auf, in Gestalt realer Berge und Landschaften, meistens sind es italienische. In den „Pisaner Cantos“ streift ihn mehrmals ein Luftzug, und die kleinen Tiere (Ameisen, Eidechsen, Schmetterlinge und Vögel) spielen die Vorboten einer besseren Welt. Noch in den letzten Entwürfen bemüht er sich um den Ausgleich, ruft die alten Götter herbei. Sie sollen ihm den Weg weisen in eine hedonistische Sphäre des erfüllten Diesseits.
Ezra Pound ist der Höllentourist des zwanzigsten Jahrhunderts, aber er war auch der Dichter der irdischen Welt – jener Formel gemäß, die Erich Auerbach, der jüdische Exilant, für Dantes Erzählkunst geprägt hat. Ein Gedanke aus Mimesis, Auerbachs bahnbrechender komparatistischer Studie zur europäischen Literaturgeschichte, kann hier weiterhelfen.

… schon Flaubert (um nur von realistischen Schriftstellern zu reden) litt unter dem Mangel an gültigen Grundlagen für seine Tätigkeit, und die nachher wachsende Neigung zu rücksichtslos subjektivistischen Perspektiven ist ein weiteres Symptom. In den Jahren um und nach dem Ersten Weltkrieg, in einem an unausgeglichenen Gedankenmassen und Lebensformen überreichen, unsicheren und unheilschwangeren Europa finden einige durch Instinkt und Einsicht ausgezeichnete Schriftsteller ein Verfahren, welches die Wirklichkeit in vielfältige und vieldeutige Bewußtseinsspiegelungen auflöst.

Das war auf die Romanprosa der James Joyce, Virginia Woolf und Marcel Proust gemünzt, es traf aber auch auf die dichterische Methode des Ezra Pound zu, nur daß Auerbach die Cantos vermutlich nicht kannte. Phanopoeia hieß das Zauberwort – „wodurch Bilder auf die visuelle Einbildungskraft projiziert werden“, wie es in How to Read (1928) heißt; das war eine der Säulen seiner Poetik. Das genau gesehene Detail war damit gemeint, die sinnliche Qualität einer Dichtung. Es gibt haufenweise Belege dafür in den Cantos. Die soapsmooth stone posts („seifenglatte Steinpfosten“) in Venedig sind nur einer von vielen.
Da war die revolutionäre Erzählmethode – Überlagerung der Bilder, das Collage-Prinzip und daß das Ganze, eigener Aussage zufolge, notiert war „wie eine Fuge von Bach“. Es gab den Wechsel der Schauplätze, unvermittelt, die Technik der parallelen Stimmführung, es gab die persönlichen Anspielungen – von denen manche bis heute unentschlüsselt blieben. Von den Kompositionsweisen sind wenigstens zwei hervorzuheben, weil sie etwas absolut Neues darstellten in der Wissenschaft von der Lyrik.
Da ist die Technik des Halbzitats. Sichtbar ist nur die eine Seite der Medaille, der Sinn erschließt sich erst, wenn man auch die andere kennt. Der uninformierte Leser wird so bewußt abgeschreckt, ihm muß vieles dunkel bleiben. Es sei denn, er macht sich auf und findet die andere Hälfte, indem er sich in die Quellentexte vertieft. Er kann sie sich auch vom Anmerkungsapparat liefern lassen, ohne den kaum eine Ausgabe der Cantos auskommt. Fragt sich nur, ob es Sinn und Zweck von Poesie ist, erst in Gelehrtenkommentaren ganz aufzugehen. Immerhin ist das alles weit entfernt von sogenannter Sprachhermetik. Wer sich die Mühe macht, den Spuren nachzugehen, der wird die Cantos von Mal zu Mal transparenter finden, eine große gläserne Gesamtkonstruktion mit Durchblicken in die verschiedenen Kunstepochen und auf die Schlüsselwerke der Weltliteratur.
Und da ist die thematische Verknüpfung, die Verflechtung mythologischer, historischer und privater Erzählstränge. Es ist bei Pound ein Sprung nur von Aphrodite (mit all ihren Epitheta: glaukopis, paggkala, Kypris, Kythera deina), zu den Troubadouren auf Aquitaniens Straßen und weiter zu einem alten Philologen in Freiburg. Nur wenige Schritte von der Gründung der Banca Monte dei Paschi in Siena zu Napoleons Feldzügen und zur russischen Revolution – das Ganze aufgemischt von Zitaten aus einem Handbuch des Fliegenfischens. Das Epos organisiert die Gleichzeitigkeit der Ereignisse, der weit auseinanderliegenden Schauplätze, und verknüpft sie mit Anekdoten aus dem eigenen Leben. Ein Stichwort kann einen ganzen Korridor von Assoziationen öffnen. Szenen, aus den Raumtiefen heraufgefischt, werden überlagert von dünnen Schichten von Bildern –

Adige, thin film of images

Die Etsch, durchsichtiger Bilderfilm
(„Canto IV“, 129)

– an die der Leser sich in seiner Gegenwart erinnert fühlt, wenn es nach dem Willen des Autors geht. Mnemotechnik, die nach einem Geheimrezept der Übertragung von Bildinhalten funktioniert. Diese Technik beherrscht Pound wie kaum ein anderer – in stenographischer Kürze. Es sind vor allem Reiseimpressionen, persönliche Erlebnisse, Anekdoten, Bestandteile einer historischen Autobiographie.
Unterstützt wird solche Erinnerungsarbeit durch die Wiederkehr signifikanter Episoden. Pound scheut sich auch nicht, einzelne Lebensmotti wie einen Refrain einzuhämmern, über Jahrzehnte hinweg, in den verschiedenen Staffeln. Es sind die Prunkzitate, die der Pound-Leser bald auswendig weiß.
Mit seiner neuen Erzähltechnik fühlt sich der Dichter als einer der „Herren der Lyra“ (anaxiforminges – so die Berufsbezeichnung bei Pindar, die Pound adoptiert). Nach dem Willen des Autors sind die Cantos ein Echoraum der verschiedenen Weltkulturen, ihrer Sprachen und Alphabete. Ägypter, Griechen, Römer und Araber treten in Originalsprache auf. Chinesen, Mongolen, Japaner folgen, und dann die Troubadoure und die Frauen und Männer der italienischen Renaissance, das Europa der Aufklärung, Amerika. Und Hebräisch? Fehlanzeige. Es gibt eine Leerstelle, um die das Epos beharrlich kreist. Die Geschichte der Juden ist beinah durchweg negativ konnotiert. Der Hinweis auf Leviticus, Anspielungen auf die Kabbalah und der Bericht vom Besuch der Synagoge in Gibraltar, eine der ausführlichsten Erzählpassagen, bilden die Ausnahme. In „Canto XXXV“ taucht ein gewisser Tsievitz auf, der dem Dichter den Zusammenhalt unter den Juden erklärt:

die wohligen Wonnen,
die interne, beinah intravaginale Wärme
hebräischer Zuneigung im Schoß der Familie

Man hat gesagt, daß auch hier Neid durchklingt, sozialer Neid auf eine andere Form der Herzlichkeit unter den ewig Verfolgten.
Heute frage ich mich, was mich damals mehr beeindruckt hat? Solche Offenheit im Bekenntnis zerrissener Gefühle – oder der Zorn, der achilleische Zorn eines Dichters über die Einrichtung der Welt. Da war der enorme Furor der Höllen-Cantos, der alles übertraf, was man in der Literatur traditionell den „angry young men“ zuschrieb. Der exzessive Gebrauch von Fäkalsprache unmittelbar nach dem Hohenlied auf die Schönheit. Oder die realpolitische Empörung, die alles überbot, was man bis dahin an lyrischer Rhetorik gewohnt war?

the great scabrous arse-hole, sh-tting flies,
aaarumbling with imperialism

das breite schrundige Arschloch, Fliegen scheißend,
aaapolternd vor Imperialismus
(„Canto XV“, 4–5)

– deutlicher ließ es sich kaum sagen. Es sind Verse von satirischer Bildkraft. Karikaturen von Kriegstreibern werden da hingepinselt, von Waffenschiebern und frommen Blutsäufern. Daß viele mit dem Eigennamen daherkommen, mag die Historiker unter den Lesern verstören. Wo hatte man das je so scharf gezeichnet gesehen? Allenfalls auf den graphischen Blättern eines George Grosz.
Der Gebrauch älterer Heldenepen schließt auch die Kritik an ihnen mit ein. Angefangen bei der Irrfahrt des Odysseus: Wie viele müssen untergehen, namenlos, vom Meer verschlungen, daß einer einen großen Ruhm davon hat und nachts sich ausbreiten darf bei der Göttin? „Was gab man denen? – Wachs in die Ohren.“ „Corned Beef des Apollon, zehn Dosen für eine Bootsladung.“ Das klang, sehr früh schon, wie Sartres Abrechnung mit der westlichen Zivilisation – „Barbarei im Namen der Akropolis“.
Oder die Ruhmestaten des Herrn von Rimini, Sigismondo Malatesta, am Ende waren sie allesamt vergeblich – bis auf den Bau seines Tempio, der aber nie vollendet wurde und damit zum Sinnbild wird für das Scheitern der Cantos. Wie der Tempel in Rimini, den ich eines Tages besuchte, unterwegs auf den Spuren des Dichters, werden auch sie nie vollendet werden. Sie bleiben ein Rohbau mit einigen fertigen Kammern, ein Ensemble von Fragmenten.
Und doch sind die Cantos auch der epische Versuch einer Globalgeschichte, wie sie sich erst heute als historische Disziplin langsam zeigt. Man denke an Monumentalstudien wie die von Christopher Bayly (Die Geburt der modernen Welt, 2004) und Jürgen Osterhammel (Die Verwandlung der Welt, 2009). Der eine erzählt die Entstehung des britischen Commonwealth erstmals im Zusammenhang, der andere schreibt eine Weltgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts, die den Ansatz zu einer Universalgeschichte birgt. Daß der Dichter auf seine Weise hier Vorarbeit geleistet hat, in einem Versepos, das Zeiten und Räume verklammert, ist schwer zu bestreiten. Es war ein Ansatz auf eigene Faust, der Irrtum lag in der falschen Parteinahme. Daß sie falsch war, hatte mit Pounds monomanischer Theorie vom Wucher (usura) zu tun. Nach der letzten Bankenkrise, den Wetten der Hedgefonds-Spekulanten gegen ganze Nationen (ausgerechnet Griechenland) denken wir anders darüber. Pound war im Zorn auf den Finanzkapitalismus, als Amerikaner mit republikanischer Familientradition (Großvater Mitglied im Senat) und einem ausgeprägten Hang zur Radikalität auf die schiefe Bahn geraten. Im Herzen war auch er ein naiver Futurist, ein Barde der Selbstermächtigung – die einzige ernst zu nehmende internationale Stimme des Faschismus. In Worten Umberto Ecos:

Fügen wir dem italienischen Faschismus einen radikalen Antikapitalismus hinzu (der auf Mussolini nie besonders reizvoll wirkte), dann haben wir Ezra Pound.

 

6
Er war aber auch der geborene Dandy. Der Mann mit dem modischen Spitzbart, der üppigen Haartolle in frühen Jahren. Die Jacketts leger, die Krawatten mal schmal, dann wieder breit – er war der exzentrische Foreign Correspondent in Europas Jagdgründen. Später ließ er das Stöckchen wirbeln, trug den Kopf im Profil und tat überhaupt alles, um als Erscheinung auffällig zu bleiben. Es ist nicht fair, wenn Brodskij den alten Mann in seinen post-war-years als Haile-Selassie-Double mit Stab und Pelerine ironisiert. Dadaismus, Vortizismus, Kubismus, das alles war ihm geläufig, und er war immer mitten  drin. Ausdruckstechnisch steckte er voller Marotten, in den Briefen an Freunde wimmelt es von Großschreibungen, wilden Satzzeichen, verballhornten Wörtern (yourup statt Europe und solchen Späßen). Er war einsam in seiner Sprachkunst, später auch isoliert unter all den Paradiesvögeln der Avantgarde, Leuten wie Picasso, Picabia, Tzara, Joyce, Cocteau oder Hemingway. George Antheil, der junge Komponistenfreund, nannte ihn die „Mephistophelische rotbärtige Ziege“. Überhaupt war er anders als alle seine Freunde. Der Faschismus galt ihm als letzter radical chic. Und während er sonst aus jeder Bewegung, jeder neuen Kunstströmung schnell wieder herausfand, war er hier in die Falle gegangen und blieb darin hängen. Die Faszination für Mussolini, den cäsarischen Demokraten (Max Weber), war etwas, das diesen sonderbaren Amerikaner, wohnhaft in Rapallo, von allen seinen Künstlerkollegen unterschied. Seine Schwäche für den Futurismus hatte ihn, nach Begegnungen mit Marinetti, anfällig gemacht für Formen des Extremismus. Der Mythos vom einzelnen starken Mann, der alles richtet, war auch der seine.
Aus vielerlei Gründen war Mussolini, der Choreograph des Faschismus, sein Mann. Die Idee einer italienischen Vormachtstellung im Mittelmeerraum behagte ihm, dem Zugereisten, so sehr, daß er zeitlebens nicht von diesem Traum lassen konnte. Darin war alles enthalten, was er erzählerisch fassen wollte. Eine innere Logik und Muskulatur, die ihn von Cavalcanti, Dante und Leopardi bis zu den Zeitgenossen D’Annunzio und Marinetti mit der Aeneis verband, Vergils Gründungsepos nach dem Untergang Trojas. Pound war der politische Laie, der sich vorstellte, er könne die Trümmerteile zusammenfügen zu einer höheren Ordnung.
„I need a hero“: Lord Byrons Parole bezeichnete das Bewegungsprinzip großer Dichtung. Und was Napoleon für Hegel bedeutete, war Mussolini für Pound: Die Verkörperung des Weltgeistes in seiner Gegenwart. Mussolini, der im Laufe seiner Karriere alles mögliche gewesen war, Journalist, Agitator, Intellektueller, hatte sich vom Linkssozialisten, Marx-und-Nietzsche-Sympathisanten zum italienischen Imperialisten nach dem Vorbild des Kaisers Augustus gemausert. Die Zweitausendjahrfeier des römischen Imperatore wurde dementsprechend als große faschistische Show inszeniert.

Vilfredo Pareto, der Ökonom und Soziologe und einer seiner Ideengeber, hatte ihm 1922 den Rat erteilt, um der Stabilisierung der Macht willen das Parlament in gewandelter Form am Leben zu lassen.

Massen, die demokratischen Gefühlen zuneigen, sind am besten durch ein Organ neutralisierbar, das ihnen die Illusion einer Beteiligung an der staatlichen Macht vermittelt.

Hannah Arendt hat in ihrem 1970 erschienenen Buch Macht und Gewalt nüchtern festgestellt, nur wenige Autoren von Rang, wie Pareto, hätten die Gewalt um ihrer selbst willen verherrlicht. Von ihm könne man viel über die Motive lernen, die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts dazu veranlaßten, Theorien der Gewalt anzuhängen.
Dabei war Pound zeitlebens Antimilitarist! Sein Eintreten für die Neutralität Amerikas in allen europäischen und außereuropäischen Konflikten war absolut überzeugend. Und das blieb es auch während der finstersten Reden für Radio Roma. Wie kam es dann aber, fragt man sich, daß er, dem die Völkerverständigung als Dichter im Blut lag, im Lager der Kriegstreiber gelandet war – aufseiten der Achsenmächte. War es das Temperament, sein Verlangen nach action? Wie der blinde Seher Teiresias war er einerseits hellsichtig, andererseits jedoch blind für die wahren Weltkriegsursachen. So sehr entsprach der Faschismus seinem unbedingten Reformdrang, daß er alles andere übersah. Die Verfolgung der Oppositionskräfte – der Kommunisten, Sozialisten, Liberalen –, das System der Verbannungsinseln, den Kolonialkrieg in Abessinen, die Indoktrination der Jugend – zuletzt auch die Verfolgung der italienischen Juden unter deutscher Regie, in den Monaten der faschistischen „Republik von Saló“, die nur mehr eine Farce war, ein Marionettenregime, da hat Pasolini in seiner Filmsatire Die 120 Tage von Sodom kaum übertrieben. Man hat es ihm übelgenommen, daß er in einer Szene seiner gewaltpornographischen Abrechnung mit dem Faschismus auch ein Zitat von Pound eingeschaltet hat. Was aber hätte der Autor der Cantos einem Primo Levi sagen können, wäre der ihm auf den Straßen Turins begegnet, bevor er nach Auschwitz deportiert wurde?
Die Frage wird nicht gestellt, um anzuklagen – für Anklagen ist es zu spät. Sie erhebt sich nur um der Logik der Sache willen. Hatten sich alle anderen denn geirrt? Alle früheren Weggefährten wie Yeats und Eliot, Hemingway, Cummings, Williams (mit Ausnahme von Wyndham Lewis), und nur er hatte den Durchblick? Daß die meisten Schriftsteller seiner Zeit, seit dem Spanischen Bürgerkrieg, auf seiten der Zivilgesellschaft standen, hat ihn das nicht irritiert?
Er hatte immer den direkten Draht zu den Machern gesucht, das war seine Vorstellung von der Souveränität eines Dichters. In Briefen an Staatsmänner und Senatoren versucht er, den drohenden Krieg abzuwenden. Er schreibt sie alle an: Sogar Stalin, heißt es, habe von ihm Post bekommen. Roosevelt aber lehnt es ab, den Citizen Pound im Weißen Haus zu empfangen. Der einzige, an den er herankommt, ist Mussolini, der ihm 1933 in Rom eine Audienz gewährt, an seinem Amtssitz im Palazzo Venezia. Der Duce wird sich gewundert haben über diesen seltsamen Paradiesvogel. Was wollte der americano von ihm? Nichts, außer der Zusicherung, in Ruhe dichten zu können. Mit anderen Worten, Pound bat ausgerechnet den Führer der aggressivsten politischen Bewegung in Europa, einen Unruhestifter par exellence, um eine Feuerpause im ideologischen Weltbürgerkrieg, um etwas Frieden für die kommenden Jahre. Als Gastgeschenk hatte er eine Ausgabe der ersten Cantos dabei (A Draft of XXX Cantos), mit einer persönlichen Widmung für den Duce. Ein Vierteljahrhundert nach seiner Ankunft in Italien wird Rom zum neuen Schauplatz, und wieder ist es ein historischer Tag für den Dichter. „Canto XLI“ verewigt die Episode. Er wird ihn später in seinen Ansprachen auf Radio Roma in voller Länge rezitieren. Am 12. Februar 1942 ist er auf Sendung und hält eine Dichterlesung, die auf der anderen Seite des Atlantiks die Leute vom Foreign Agent Service eifrig stenographieren. Es ist das einzige Mal, daß er bei seinen Haßpredigten gegen die gewählten Vertreter der westlichen Welt seine Dichtung zum Einsatz bringt, ein bizarrer Moment.
Feierlich setzt er ein mit den Worten des Duce bei ihrer Begegnung in Rom und geht dann schnell über zu einer Eloge auf die guten Taten des Regimes. Aufgezählt werden die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe, die sozialen Wohnungsbauprojekte (man denkt an die Musterstädte Latina, Sabaudia, Lamezia) sowie die staatlichen Maßnahmen gegen Geldspekulation, vornehmlich jene der Juden, notfalls mit Gewaltandrohung. Pound zeigt sich als Bewunderer der drakonischen Maßnahmen.

„Ma qvesto,“
aaasaid the Boss, „è divertente.“
catching the point before the aesthetes had got there“

„Na das hier“,
aaasagte der Boss, „ist aber amüsant.“
schnallte es, eh die Ästheten dahinterkamen)
(„Canto XLI“, 1–3)

Das war Mussolinis Reaktion auf das seltsame Sammelsurium aus der Feder des Dichters. Und man weiß nicht, wer hier wen ironisiert. Pound war alt genug, die Situation richtig einzuschätzen. Er stand einem Mann gegenüber, der beinah täglich Dekrete unterzeichnete, einem Krawallpolitiker, der die Massen mobilisierte mit seinem aktionistischen Regierungsstil. Zur selben Zeit hält ein anderer Amerikaner, der Deutschland-Korrespondent William L. Shirer, mit kühlerem Gemüt als Pound in seinem Tagebuch fest:

Wir hörten ihn im Radio, als er vom Balkon des Palazzo Venezia in Rom herabschrie. Viel Unsinn über dreißig Jahrhunderte Geschichte, römische Zivilisation und Triumph über die Barbarei. Wessen Barbarei? (Berlin, 2. Mai 1936)

Wir sind im Maschinenraum des letzten Jahrhunderts, kurz vor dem Ausbruch der fürchterlichsten Gewaltwelle aller Zeiten – Krieg und Völkermord und Städtebombardement –, und die Dichtung ist mittendrin. Zwei Jahre später findet in Rom eine weitere Ausstellung statt. Und wieder ist unser rasender Vers-Reporter dabei und hält die Stimmung fest.


Didja see the Decennio?
?
Decennio exposition, reconstructed office of
Il Popolo,
Waal, ours waz like that, minus the Mills bomb an’ the teapot
heavy lipped chap at the desk,
One half green eye and one brown one, nineteen
Years on this case, CRIME
Ov two CENturies, 5 millions bein’ killed off
to 1919…

Haste’n Decennio gesehn?
?
Decennio-Schau, das rekonstruierte Büro von
Il Popolo,
Mann, genau so war unsers, bis auf die Eierhandgranate und den Teepott,
der Kerl mit der schweren Lippe am Schreibtisch,
ein Auge halb grün, eines braun, neunzehn
Jahre an diesem Fall, KRIMINALFALL
Von zwei JahrHUNDerten, 5 Millionen abgeschlachtet bis 1919…

(„Canto XLVI“, 21–29)

Das deckt sich mit Beobachtungen, die Curzio Malaparte etwa um dieselbe Zeit machte. In seiner Monographie Die Technik des Staatsstreichs, einer vergleichenden Studie linker wie rechter Revolutionen, schneidet Mussolini mit Abstand am besten ab. Er hat sich als der Geschickteste unter den Umstürzlern erwiesen. Lenin und die Bolschewiki bekommen die Haltungsnote gut, Hitler und die Nationalsozialisten die schlechteste Kritik. Er ist der Klassenletzte unter den Diktatoren, eine Einschätzung, die Goebbels dem halb deutschstämmigen Autor aus Italien niemals verzeihen wird. Pound jedenfalls landet, aus Empörung über den sinnlosen Ersten Weltkrieg, auf seiten der Revanchisten. Trauer über die gefallenen Künstlerfreunde (darunter Gautier-Brzeska, Bildhauer und Mitbegründer des Vortizismus), der Zorn gegen eine ganze verlorene Generation (Hemingway) treiben ihn in die Arme des Duce. Ein solches Massenschlachten darf sich nicht wiederholen. Und da ist einer, der es verhindern kann, so denkt er. Und setzt ausgerechnet auf den Mann, der von 1933 an als Führer der einzig zugelassenen Partei nicht nur Kriegsminister, sondern auch Marine- und Luftfahrtminister in einer Person war, ausgerechnet der wird ihm zum Garanten des Friedens. In jeder der Radio Roma-Reden („Ezra Pound Speaking“) wird dasselbe Lied angestimmt. Noch im Oktober 1941 – wir sind mitten im Krieg – wird der Faschismus als Retter der europäischen Zivilisation gefeiert. Es bleibt das zentrale Rätsel in Werk und Leben des Ezra Pound, wie er zu dieser Fehleinschätzung hat kommen können. Sie hat ihn nicht nur die Reputation, sondern beinah auch das Leben gekostet.

 

7
Spät erst kennengelernt habe ich die „Italienischen Cantos“, die nun so genannten. In der endgültigen Ausgabe des Verlegers, Dichters und Langzeitlektors James Laughlin (New Directions) fehlten sie noch. Das war insofern auffällig, als es sich bei den Cantos um eine streng durchnumerierte Serienlieferung handelte. Zwischen dem letzten der Cantos über den zweiten US-Präsidenten John Adams (LXXI) und dem ersten der berühmten, nachher preisgekrönten „Pisaner Cantos“ (LXXIV) klaffte eine Lücke, die selbst oberflächlichen Lesern ins Auge springen mußte. Die Nachlaßverwalter hatten die Nummern LXXII und LXXIII bewußt, mit Rücksicht auf das amerikanische Publikum, unterdrückt. Publiziert waren sie längst, in einem faschistischen Provinzblatt, nur waren sie gleichsam mit dem Regime untergegangen. Sie hätten das öffentliche Bild des aus der Psychiatrie entlassenen, fast schon rehabilitierten Dichters wieder verdüstert. Man hätte dann nachlesen können, wie sehr der politische Sonderling dem Projekt des Duce bis zuletzt verfallen war.
In ihrer Brisanz waren sie nur noch vergleichbar mit gewissen Stellen aus „Canto LII“, die erstmals in der Ausgabe von 1987 offen vorgezeigt wurden. Bis dahin war, auf Verlangen des Autors, mit Zensurbalken geschwärzt, was an judenfeindlichen Invektiven dort an die Oberfläche schoß. Es waren Beispiele von solcher Inbrunst, daß sich der Dichter mit ihnen leicht einen Platz in Dantes Hölle verdient hätte – im Graben der Zwietrachtstifter, wo der Prophet Mohammed und der Troubadour Bertrand de Born umgehen und zur Strafe immer wieder ihre Körperhälften zusammenraffen müssen.

jews, real jews, chazims, and neschek
also super-neschek or the international racket
specialité of the Stinkschuld
aaabomb-proof under their house in Paris
where they cd/ store aht voiks
aaafat slug with three body-guards
soiling our sea front with a pot bellied yacht in the offing.

Juden, richtige Juden, chazim und neschek
und Super-Neschek, das internationale Gangstertum
specialité von Stinkschuld
aaabombensichere Keller unterm Haus in Paris
wo sie ihre Kunschtwörke horten
aaaFettsack mit seinen drei Bodyguards
verschandelt unsere Seepromenade mit seiner dicken Yacht.

(„Canto LII“, 27–33)

Das bezog sich auf den Ausblick, den Pound von seiner Dachwohnung aus auf die Bucht von Rapallo genoß. An diesem Tag war ihm die Laune beim Blick auf den Golfo del Tigullio gründlich verdorben. Seit zehn Jahren lebte er dort mit seinen beiden Frauen (Dorothy Shakespeare, der Gattin, und der Geliebten Olga Rudge, einer Geigerin), und nun das. Jüdische Millionäre fahren mit ihren protzigen Yachten vor seiner Haustür auf. Ich erinnere mich an ein Gefühl, das ich vor Jahren beim Besuch der Venedig-Biennale hatte, als am Kai vor den Giardini Pubblici die Super-Yacht eines bekannten russischen Oligarchen festgemacht hatte. Es war ein widerwärtiger Anblick: die freche Demonstration von unrechtmäßig erworbenem Reichtum. Ob der Besitzer Jude war? Mir doch egal. Der Untergang der Sowjetunion, die brutale Aneignung von Volkseigentum hatte ganz andere Emotionen in mir ausgelöst.
Die „Italienischen Cantos“ – es ist gut, daß man sie nun in voller Länge lesen kann. Sie gehören übrigens zu den ausdrucksstärksten Stücken überhaupt. Sie zeigen den Dichter auf der Höhe seiner Kunst. Er hat die Sprache gewechselt und kommt damit seinem Vorbild Dante näher als irgendwo sonst – aber es finden sich auch alle Stileigenheiten wieder. Der Gebrauch von Dialektformen, der Einschub wörtlicher Rede, der rotzige Jargon, die jähen Szenenwechsel, alles wie gehabt. Auch das Unterweltsmotiv findet sich wieder:

We who have passed over Lethe

Der Sprecher steigt hinab in den Hades und nimmt die Parade der toten Faschisten ab.
Als erster begegnet ihm Marinetti, frisch verstorben, aber vital wie immer. Pound erinnert sich an ihre letzte Begegnung in Rom, auf der Piazza Adriana am Lungotevere. Ganz der alte Streiter, Futurist noch im Tod, bittet Filippo Tommaso den Dichter, ihm seinen Körper auszuleihen, damit er rüstig ins nächste Stahlgewitter ziehen kann. Einen jungen Bengel soll er sich besorgen, ein Muttersöhnchen, erwidert ihm Pound. So werde er wiedergeboren, werde zum Panther und könne den Verrat vom September – Mussolinis Sturz durch General Badoglio im XXI. Jahr der Herrschaft – rächen. Nach einigem Hin und Her findet Marinetti zu einer Formel, die beider Leben verklammert.

lo cantai la guerra, tu hai voluto pace,
Orbi ambidue!
aaaall’interno io mancai, tu all’odierno.

Ich habe den Krieg besungen, du wolltest den Frieden;
Bescheuert wir beide!
aaaMir fehlt die Innenwelt, dir das Heute.
(„Canto LXXII“, 43–45)

Nach einem kurzen Intermezzo – ein Bibliothekar und ein Übersetzer kommen ihnen in die Quere – wird es dann ernst. Marinetti ruft, wie in den goldenen Tagen des Äthiopien-Feldzugs, zur Rückeroberung Nordafrikas auf. Im Wüstensand singt ein Totenkopf, in Anspielung auf El Alamein. Feldmarschall Rommels Niederlage soll nie gewesen sein. Man verspricht einander: „Noi torneremo!“ – die Formel wird im Sperrdruck gesetzt: „W i r  k e h r e n  w i e d e r!“
Aber es kommt noch heftiger. Nach einer Weile übertönt ein fanatisches Wutgeschrei alle anderen Stimmen. Und wenn auch mehrmals gefragt wird, wer da so infernalisch herumbrüllt, weiß doch jeder sofort, wer gemeint ist. Die Schilderung ist ein Meisterstück an unheimlicher Lautmalerei, das Italienische eignet sich besonders dafür.

E come tuono che la pioggia ingombra
Saettava frasi senza senso. Finché con scrocchio
Come nello scafo sommerso quando il raggio lo trova
Che precorre forse la morte
aaaed in ogni caso gran pena,
Udii in strido crepitar’: …

Und wie Donner, vom Regenrauschen verschluckt,
Zuckten sinnlose Satzstummel auf. Mit einem Knarzen
Wie in einem U-Boot auf Tauchstation, das die Sonde geortet hat,
Was vermutlich dem Sterben vorausgeht
aaaund auf jedem Fall großem Leiden,
Hörte ich aus dem knisternden Wellensalat heraus: … “
(„Canto LXXII“, 89–94)

Wir wissen, welchen der Teufel des zwanzigsten Jahrhunderts er da herausgehört hat. Selten ist das Geschrei des bekannten Einpeitschers auf allen Kurz- und Langwellensendern der Kriegsjahre so plastisch geschildert worden. Der Name Ezzelino fällt, Anführer der Ghibellinen in Oberitalien, ein Condottiere, der über Leichen ging  – aber die Anspielung auf die neuen Medien, auf U-Boot und Wellensalat, legen nahe, daß es sich um einen anderen Amokläufer handeln muß, der da aus dem Orkus heraufbrüllt. Wir Deutschen kennen ihn aus Hunderten Dokumentarfilmen, beinah jeden Abend darf er die Zuschauer auf dem heimischen History Channel anschreien, daß ihnen das Blut in den Adern gefriert. Plötzlich geht es bei Pound in kontrollierten Terzinen weiter:

Io son quell’Ezzelino che non crede’
Che il mondo fu creato da un ebreo.
Se d’altro scatto io fossi reo
aaapoco t’importa ora.

Ezzelino bin ich, der es nicht faßte,
Daß die Welt gemacht ist von einem Hebräer.
Was ich an Wutausbrüchen auch lieferte,
aaatut jetzt nichts mehr zur Sache.
(„Canto LXXII“, 140–143)

Zweiunddreißig Cantos später kommt der Dichter noch einmal auf den bekannten Schreihals zurück. Und da heißt es dann, furchtbar mehrdeutig:

Adolf furious from perception.
aaaBut there is a blindness that comes from inside –

Adolf wütend aus Scharfblick.
aaaDoch ist da Blindheit, die aus dem Inneren kommt –
(„Canto CIV“, 96)

Nicht nur Ezzelino also, auch Adolf Hitler war hier gemeint – in der raffinierten Technik paralleler Stimmführung, die Pound virtuos beherrschte und die bis heute die Interpreten gegeneinander aufbringt.
„Wütend aus Scharfblick“- mit dieser bagatellisierenden Formel war Hitlers Judenhaß neutralisiert und in eine Linie gestellt mit der eigenen Kritik an den Machenschaften des Finanzkapitals. Zinswucher war das Grundübel seit dem Mittelalter – Domäne der Juden nach dem Verbot, jegliches Handwerk zu ergreifen, was ihnen nur die Geldwirtschaft ließ. Die Juden nutzten den verbliebenen Freiraum, übrigens nicht als einzige, aber seit den Zeiten der Fugger waren auch sie im Geldgeschäft. Man hatte sie eingeschränkt, in die Enge getrieben, später drehte man ihnen daraus einen Strick. Spekulanten an Banken und Börsen gab es viele, aber in der antisemitischen Propaganda galten nur sie als Kapitalschieber und Verursacher der Kriege. In der Logik der Nazis waren sie es, die am Völkermorden verdienten und massenhaft Armut erzeugten. Wer aber in Wut geriet gegen das geldhortende Ungeziefer, waren die rechtschaffenen Christen. „The Jew is underneath the lot“, wie T.S. Eliot dichtete („Burbank with a Baedeker“), der harmlose Reverend, Anhänger der anglikanischen Kirche.
In seinen Radioreden wird auch Pound nicht müde, gegen die Juden zu hetzen. Liest man sie Stück für Stück durch – sie sind heute im Netz zugänglich –, stößt man auf einen Fall von ganz gewöhnlichem Antisemitismus. Es ist die wohlbekannte Leier: Verschwörungstheorie leicht gemacht. Alles, bis hin zu den „Protokollen der Weisen von Zion“, wird für bare Münze genommen. Von „hebraisierten Regierungen“ ist die Rede, von Rabbinern und Bankenschleppern, die ihr Unwesen treiben. Der Jude wird durchweg als kike (Itzig) beschimpft. Es folgt die Liste der üblichen Verdächtigen: Rothschild, Morgenthau, Lehman, Warburg – und man erschrickt, denkt man an Aby, den anderen Warburg, und seinen Mnemosyneatlas, ein Werk, das in manchem Pounds eigener Methode vergleichender Kunstgeschichte gleicht. Darüber hinaus gibt es die Lust an Verzerrung und Karikatur – „Winston babyface Churchill“ wird als Lakai des geldgierigen, kriegstreiberischen Judentums denunziert. Man kann das alles auf die leichte Schulter nehmen wie Allen Ginsberg, es als bloße Künstlerhysterie abtun. Nur, was ist mit einer Soziologie wie dieser anzufangen:

Die Antwort auf die Judenfrage ist einfach. Keep them out of banking, out of education, out of government.

Warum nur? Warum soll ausgerechnet diese eine Religionsgemeinschaft mit ihrem verständlichen Familiensinn ausgeschlossen werden von jeder Finanzwirtschaft, jeder Höherbildung und vom Regieren? Kein eigener Staat, heißt es heute – Israel, ein historischer Fehler?
Im Mai 1939 unterschreibt Mussolini den Vertrag zum Militärbündnis mit Deutschland. Von da an hing der Capo an den Fäden deutscher Augen- und Eroberungspolitik. Italiens Großmachtpolitik setzt sich mit dem Überfall auf Griechenland fort. Nach ihrem Scheitern ist der Duce zuletzt nur noch eine Marionette an den Fäden der SS in seiner lächerlichen Regierungsvilla am Gardasee.
Götterdämmerung, Parade der toten Helden. Das Geschichtsbild gerät ins Wanken. Ganz im Sinne der homerischen Konstruktion warten die „Italienischen Gesänge“ mit einer Liste der Generäle in Mussolinis Diensten auf. Im zweiten der fragwürdigen Cantos, dem perfidesten überhaupt (numero LXXII), wird eine Legende erzählt, die an Drastik und Detailfreude alles überbietet, was in dem Langgedicht bisher ausgebreitet wurde. „Republikanische Korrespondenz“ lautet die Zwischenüberschrift. „Ich schlief dann ein“, so beginnt es („E poi dormii“). Der Dichter ist am Ende seines Lateins. Von Odysseus bis zu ihm ist alles schiefgelaufen. Die Welt wird nun in Wucher und Coca-Cola ersaufen. Unheimlich, wie in den „Pisaner Cantos“ die sympathischen „Neger“ auftauchen und umhergeschubst werden, wie die Atombombe gesegnet wird – „seven words to a bomb“ – und Sprachkritik den Untergang der europäischen Altkultur besiegelt – „one verb and participle one substantive… ὖλη] / one adjective and one phrase sexless that is / used as a sort of pronoun“). Was er dagegen aufbietet, ist eine letzte Ballade aus einer Welt am Abgrund („The Spirit of Romance“). Auf tritt eine Bauernmaid –

Era una contadinella
Un po’ tozza ma bella

– unübersetzbar, aber vielleicht doch so:

Es war eine Bauernmaid
Ziemlich stämmig, schön und bereit

aaaaaaaaaaaaaaach’aveva a braccio due tedeschi
E cantava,
aaaaaaaacantava amore
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaasenz’aver bisogno
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaad’andar in cielo

aaaaaaaaaaaaaabei zwei deutschen Landsern untergehakt,
Und sie sang,
aaaaaaaasang Liebeslieder
aaaaaaaaaaaaaaaohne den leisesten Hang
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaazum Himmelreich.

Nie zuvor haben sich in den Cantos so lange Zeilentreppen geöffnet. Um es kurz zu machen: Das Hirtenmädchen aus der Emilia Romagna, aufgestachelt von der Nachricht von Vergewaltigungen durch alliierte Truppen in der Region, lockt eine Abordnung kanadischer Rekruten auf ein Minenfeld, ihr Bruder hatte die Löcher ausgehoben. Sie selbst opfert sich bei dieser Guerilla-Aktion. Pound folgt hier einer Zeitungsmeldung im Corriere della Sera vom Oktober 1944. „Was für ein Glanz!“ „Lei dava un vezzo“ („Sie hat sich dargebracht“) – und ein paar Zeilen später heißt es:

caaaaaaaaaaaaaaache eroina!
Sfidava la morte.

caaaaaaaaaaaaaaawas für eine Heldin!
Hat sich dem Tod gestellt.
(„Canto LXXII“, 79–80)

Am Schluß der Ballade aber steht die Auferstehungsformel: „Morti non morti son’“ „Nicht tot sind die Toten“. Das zweite der Italienischen Cantos endet als Abgesang auf die faschistische Jugend Italiens:

Ma che ragazza!
aaaaaaaaaaache ragazze,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaache ragazzi,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaportan’ il nero!


Was für ein Mädel!
aaaaaaaaaaaWas für Mädels,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaawas für Jungs,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaalle in schwarzer Kluft.

Unsinn! Man darf diese beiden Cantos nicht vom Gesamtwerk abspalten. Sie gehören dazu, und sie bilden die Brücke zu allem, was folgt. Nach der boshaften Ballade können die „Pisaner Cantos“ sich wie ein Largo ausbreiten, in aller Ruhe des überstandenen Zusammenbruchs. „beauty is diffcult“ („Schönheit ist schwer“). Ezra Pound und das Ende des alten Europas, wie er es sah.

Schicksal, sagt der Führer
(„Canto LXII“, 153)

Es ist eine der wenigen Zeilen in deutscher Sprache. Man muß sie nicht übersetzen. Erich Auerbach kann erklären, was da passiert ist. In seinem Schlüsselwerk Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur kommt ihm im letzten Kapitel („Der braune Strumpf“ – es geht um die Romane Virginia Woolfs) ein Erkenntnisblitz. Er begreift die zersplitterte Wirklichkeit der Moderne, den Wandel der Poetiken unter dem Einfluß totalitärer Herrschaft:

Auch sonst wuchs die Sektenbildung, zuweilen sich um bedeutende Dichter, Philosophen und Gelehrte kristallisierend, in der Mehrzahl der Fälle halbwissenschaftlich, synkretistisch und primitiv. Die Versuchung, sich einer Sekte anzuvertrauen, die mit einem einzigen Rezept alle Probleme löste, mit suggestiver innerer Gewalt Gemeinschaft forderte und alles ausschloß, was sich nicht fügte und einfügte, diese Versuchung war so groß, daß bei sehr vielen Menschen der Fascismus kaum noch der äußeren Gewalt bedurfte, als er sich in den alten Kulturländern Europas ausbreitete und die kleineren Sekten aufsog.

In den „Pisaner Cantos“ kommt Pound noch einmal auf seine Anfänge zurück. Wie der alte Goethe in Dichtung und Wahrheit erinnert er sich an die frühen Auslöser seiner Italiensehnsucht:

coloured photographs of Europa
carved wood from Venice venetian glass and the samovar

handkolorierte Photos von Europa
Holzschnitzereien aus Venedig, Muranoglas und der Samowar

(„Canto LXXIV“, 779–780)

Um dann, zwei Gesänge später, resigniert fortzufahren:

and the Canal Grande has lasted at least until our time
aaaeven if Florian’s has been refurbished
and shops in the Piazza kept up by
aaaaaartificial respiration

und der Canal Grande hielt sich bis in unsere Zeit, immerhin,
aaaauch wenn das Florian’s neu ausstaffiert wurde
und die Läden an der Piazza sich nur
aaaaaakünstlich beatmet erhalten
(„Canto LXXVI“, 152–155)

Wie sagt Brodskij, nach seinem Besuch mit Susan Sontag in der Calle Querini?

Ich war niemals einem alten Faschisten begegnet; ich hatte jedoch mit einer beträchtlichen Anzahl alter Kommunisten zu tun gehabt, und das Gefühl, das ich im Haus der Olga Rudge mit jener Büste von Ezra auf dem Fußboden hatte, war dasselbe. Aus dem Haus tretend wandten wir uns nach links, und nach zwei Minuten fanden wir uns auf den Fondamenta degli Incurabili.

Kein zufälliger Schlußakkord: Die Dichter besuchen einander, wenn auch oft widerwillig, und mancher hält den anderen für ein Monstrum. Unheilbar, im Sinne der Anklage.
Pound ist einer der Untaten der Dichtung des zwanzigsten Jahrhunderts, einer der allbekannten Unbekannten. Würde ich jemals wieder zurückkehren auf die Friedhofsinsel vor Venedig, ich würde sein Grab aufsuchen, und sei es nur, um meinen Frieden zu finden mit diesem unruhigen Geist. Was aber erzählt eine graue Grabplatte aus Marmor schon? Sie trägt einen Namen und sonst nichts. Soviel ich weiß, ist sie in lateinischen Großbuchstaben gehalten. Im dröhnenden Sound einer Ära, die hoffentlich Geschichte ist, steht da: EZRA POVND.

Durs Grünbein, aus Durs Grünbein: Aus der Traum (Kartei). Aufsätze und Notate, Suhrkamp Verlag, 2019

 

Carlos Widmann: Der Club des toten Dichters. Ezra Pound und die Wiederbelebung des Sozialfaschismus in Italien, Merkur, Heft 728, Januar 2010

Nikolaus Halmer: Auf der Suche nach dem verlorenen PARADIES. Die Gier des Kapitalismus bekämpfte Pound mit Lyrik, ideologische Zuflucht suchte er im Faschismus. Erinnerung an einen fast Vergessenen.

Nikolaus Halmer: Eine Liebe zu Pound. Mit Hingabe betreut Mary de Rachewiltz den Nachlass ihres Vaters Ezra Pound. Am 7. Juli 2015 feierte die Schriftstellerin und Übersetzerin ihren 90. Geburtstag

Stefanie Bisping: Er glaubte an die Schönheit als Allheilmittel. In der Brunnenburg über Meran fand der amerikanische Dichter Ezra Pound eine neue Heimat. Heute leitet sein Enkel dort ein Landwirtschaftsmuseum.

 

EZRA POUND

aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaFür Vanni Scheiwiller

Motiv

aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa„Motif“ in „A lume spento“

Einen leichten Wind hörte ich. Er kam mich suchen
aaaaaaaaaadurch beruhigte Wälder.
Ich betrachtete einen leichten Wind. Er kam mich suchen
aaaaaaaaaaüber beruhigte Meere.

Durch das Laub dunkler Gegenden
aaaaaaaaaafolgte ich meinem Weg.
Tag und Nacht ging ich, durch schweigsame Wasser,
in die Irre
aaaaaaaaaund folgte dem leichten Wind.

Jorge Guillén

 

ASTIGMATISMUS
Für Ezra Pound, in großer Freundschaft und Bewunderung und einigen Meinungsverschiedenheiten

Der Poet nahm seinen Stock
Aus fein poliertem Ebenholz.
Das edle Holz verzierten
Wunderliche Bilder;
Muster in bernsteingelb
Und in verhangner grüner Jade.

Die Spitze war aus glattem gelben Elfenbein,
Und es hing ein Troddel aus mattem Gold
An einer blassen Kordel von einem Loch,
Getrieben in das harte Holz,
Umschlossen mit Silber.
Über Jahre hatte der Poet seinen Stock bearbeitet,
Sein Wohlstand hatte ihn bereichert,
Seine Erfahrungen ihn verziert,
Seine Arbeit ihn modelliert und geglättet.
Für ihn war er perfekt,
Ein Kunstwerk und eine Waffe,
Vergnügen wie Verteidigung.
Der Poet nahm seinen Stock
Und ging nach draußen.

Friede sei mit Dir, Bruder.

Der Poet kam an eine Wiese.
Im Gras verstreut waren Gänseblümchen,
Offenen Mundes, nachdenklich, bestaunten sie die Sonne.
Der Poet schlug sie mit seinem Stock,
Die kleinen Köpfe fielen herunter, sie lagen
Sterbend, offenen Mundes und staunend,
Auf der harten Erde.
„Sie sind nutzlos. Sie sind keine Rosen“, sagte der Poet.

Friede sei mit Dir, Bruder. Geh deiner Wege.

Der Poet kam an einen Fluss.
Purpurne und blaue Kalmusblüten wateten im Wasser;
Zwischen ihnen hüpften die gefleckten Frösche,
Der Wind durchstrich sie, raschelnd.
Der Poet hob seinen Stock,
Und die Köpfe der Iris sanken aufs Wasser,
Schwebten davon, erschüttert und ertrinkend.
„Erbärmliche Blumen“, sagte der Poet,
„Sie sind keine Rosen.“

Friede sei mit Dir, Bruder. Es ist deine Sache.

Der Poet kam an einen Garten.
Dahlien bewuchsen seine Mauer,
Levkojen standen tapfer aufrecht mit ihrer ganzen kurzen Statur,
Und Trompetenwein bedeckte eine Laube
Mit dem Rot und Gold seiner Zweige.
Rot und Gold wie die Messingtöne der Trompeten.

Der Poet schlug die steifen Köpfe der Dahlien ab,
Sein Stock kappte die Levkojen am Boden,
Dann brach er die Weinzweige von ihren Stämmen.
Rot und Gold lagen sie verstreut,
Rot und Gold wie ein Schlachtfeld;
Rot und Gold, hingestreckt und sterbend.
„Sie waren keine Rosen“, sagte der Poet.

Friede sei mit Dir, Bruder.
Doch hinter Dir liegen Zerstörung und verwüstete Orte.

Der Poet kam des Abends nach Hause,
Und im Licht der Kerze
Rieb und polierte er seinen Stock.
Die orangene Flamme sprang im gelben Bernstein,
Und sie ließ die Jade wogen wie grüne Teiche.
Sie spielte entlang des glänzenden Ebenholzes,
Und leuchtete in der mattweißen Elfenbeinspitze.
Doch diese Dinge waren tot,
Nur im Licht der Kerze schienen sie beweglich.

„Schade, es gab keine Rosen“, sagte der Poet.

Friede sei mit Dir, Bruder. Du hast Deine Rolle gewählt.

Amy Owell
Übersetzung Annette Kühn

BRIEFE EZRA POUNDS

Um zur Klarheit über ästhetische Ausdrücke zu kommen,
muss man Lebensformen beschreiben.
sagte Wittgenstein
aaaaaaaaaaaaaaaa„gleichgültig gegen seine Umgebung“.
das Datum zur Erinnerung (1969) auf dem Kalender
ein Versuch der Verdichtung des James-Romans
(ein junger Amerikaner T.S. Eliot,
ihm schreiben nach Merton, Oxford.
Man sollte ihn, denke ich, im Auge behalten
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaund
sein Bildnis einer Dame ist sorgfältig ausgeführt.)
in Allen Ginsbergs literarischem Umfeld
(Whitmans apokalyptische Tradition, gewiss)
konnte nur hier unternommen werden
(Kommt ihr Leute an der Cam überhaupt zu
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaawas
das einem Milieu gleichkommt.)
Alte Formen, alte Zustände, derer es bedarf,
wie auch Yeats (1929) geschrieben
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahat,
Ezra bei Neuschöpfung des Propertius
entgeht der eigenen Skepsis.
Wenn auch im Ansatz „historisch oder philosophisch“,
ist es dennoch
eine Art Übung, die nicht beruht
auf dem Stand deiner Leber;
der Bus ist spät ein Gedanke in den Wehen
und weder Stift noch Papier
(doch per Notruf einen Krankenwagen rufen diese Nacht
hat noch mehr Geschrei gebracht.)

Ich glaube nicht an persönliche Bindungen,
sagte der junge Anthropologe
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa(eine Frau),
Ich glaube an die Fantasie.
Aber sich in einen seiner Lehrer verlieben,
auch das ist eine Frage der Ökonomie.

Veronica Forrest-Thomson
Übersetzung Norbert Lange

 

Fakten und Vermutungen zum Poesiealbum + wiederentdeckt +
Interview
50 Jahre 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6

 

 

 

Fakten und Vermutungen zur Herausgeberin + Kalliope +
Johann-Heinrich-Voß-Preis
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Keystone-SDA
Nachrufe auf Eva Hesse: FAZ ✝︎ SZ

 

 

Stefan Troller: Ein Mann auf dem Weg zur Toteninsel

Hans Magnus Enzensberger: Überlebenskünstler Ezra Pound

 

 

Michael Reck: Prospero. Ein Gespräch zwischen Ezra Pound und Allen Ginsberg
DU, Heft 9, September 1968

Franco Antonicelli: Ein Besuch bei Ezra Pound
DU, Heft 2, Februar 1967

Pierre Imhasly: Dichtung in vielen Zungen
DU, Heft 2, Februar 1967

Zum 80. Geburtstag des Autors:

Hans-Jürgen Heise: Ezra Pound zum 80. Geburtstag
Die Tat, 29.10.1965

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Steve Lake: Ezra Pound
Akzente, Heft 5, Oktober 1985

Zum 45. Todestag des Autors:

 

 

Zum 50. Todestag des Autors:

Hans-Ulrich Fechner: Vor 50 Jahren ist der Dichter Ezra Pound gestorben
Die Rheinpfalz, 1.11.2022

Willi Winkler: Bürgerkrieg unter friedlichen Affen
Süddeutsche Zeitung, 27.10.2022

 

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + MAPS 1, 2 & 3 + IMDb +
PennSoundArchiv + Internet Archive + Poets.org + Kalliope
Porträtgalerie: Keystone-SDA
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Nachrufe auf Ezra Pound: Die Tat ✝︎ Merkur ✝︎ Tumba

 

Ezra Pound liest Canto XLV.

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