Felix Philipp Ingold: Aufs Wort (genau) – Francis …

Aufs Wort (genau) – Teil 33

 

Teil 32 siehe hier

Francis Ponge, auch er ein Wortkünstler von Rang, hat schon sehr früh und sehr souverän seine schriftstellerische Grundsatzentscheidung für die «Wörter» einerseits, gegen die «Ideen» beziehungsweise die «Worte» andererseits getroffen. Aus seiner «verzweifelten Unfähigkeit, auch nur zwei Ideen miteinander zu verbinden», zog er schon 1924 die für sein Schreiben fortan gültige Konsequenz: «Der Dichter darf niemals einen Gedanken, er muss einen Gegenstand vorlegen. Das heisst, er muss den Gedanken dazu bringen, sich als Gegenstand darzubieten.»
Mit dem Gegenstand ist hier (wie bei Ponge nun allenthalben) das Wort gemeint, das sich in seiner Laut- und Schriftgestalt objektiv konkretisiert, ohne eine vorab festgelegte Bedeutung – ein Gemeintes, eine Idee – mitzutragen. Das Wort soll nicht für einen aussersprachlichen Gegenstand («objet») stehen, sondern selbst als rein sprachlicher Gegenstand, als Gegenspiel («objeu») zur konventionellen Wortverwendung fungieren. Das Wort als Gegenstand wäre demzufolge ein Gegenzug zur Idee als Wort.
Der Dichter spricht demnach nicht mehr vermittels von Wörtern, vielmehr bringt er die Wörter dazu, sich selbst auszusprechen («s’exprimer»), sich selbst als Wortdinge zu erzeugen («sexprimer»): «… die Kerze zum Beispiel, was hat sie zu sagen? Nun, ich höre sie mir an und sie spricht sich aus, sie kann sich aussprechen nach allen Varianten, den ‚cadenzas‘, die ihr gefallen. Und sie ist entzückt, auf solche Art autorisiert zu sein.» Der Autor gibt seine Autorität an den Gegenstand ab, damit dieser selbst sich als Wortding konstituiere – dem Dichter bleibt die Aufgabe, das Wort hin und her zu wenden, es unentwegt abzufragen nach seiner Her- und Hinkunft, seiner Assonanz- und Assoziationsfähigkeit, es zu bestätigen in seiner sprachdinghaften Präsenz fern aller Repräsentation: «Auf dass jedwedes Wort losgelöst von seiner Bedeutung erscheine oder auch von seinem Gegenstand – kraft der Aufarbeitung seiner strikt sprachlichen Eigenschaften.»

… Fortsetzung hier

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