Bruchstückhaft

Eine interessante Begriffserweiterung für das literarische Fragment schlägt der Schriftsteller Alain Claude Sulzer vor: Als fragmentarisch hätten demnach auch solche Texte zu gelten, deren Lektüre vorzeitig abgebrochen wird, ausserdem solche, so könnte man hinzufügen, die nur stellenweise − da ein paar Seiten, dort ein paar Seiten − gelesen werden.
Bei diesem Verständnis würde sich die Anzahl der Fragmente naturgemäss um ein Vielfaches vermehren, so dass man auf den Gedanken … auf die Frage kommen könnte, ob letztlich nicht überhaupt so gut wie alle Literaturwerke als Fragmente zu begreifen sind.
Denn kein Text beginnt bei Nichts, jeder Text hat einen Prätext, der ihm vorangeht und auf den er Bezug nimmt, und kein Text hat ein definitives Ende, an das nicht wiederum ein weiterer Text anzuschliessen wäre.
Literatur insgesamt bestünde also, demzufolge, aus lauter Teilstücken, die sich zu einem ständig bewegten, ständig expandierenden, nie abschliessbaren Puzzle mit ausfransenden Rändern fügen?
Eine Vorstellung, die im weltweiten Internet eine reale Entsprechung findet.

 

aus Felix Philipp Ingold: Endnoten
Versprengte Lebens- und Lesespäne

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