Lutz Seiler: Über Jörg Schiekes „auf wunsch einer einzelnen dame“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

− Über Jörg Schiekes „auf wunsch einer einzelnen dame“ aus Jörg Schiecke: Die Rosen zitieren die Adern. −

 

 

 

 

JÖRG SCHIEKE

auf wunsch einer einzelnen dame

du sagst in deinem kopf gehn schwere schritte
und öffnest unsre worte daß sie leugnen,
ja schau aus dem haus wir sind die mitte
du willst dich weit aus dieser gegend beugen

jedoch du willst dich weit aus dieser gegend beugen,
vom rand der steine tut das meer
nicht weh, die art sich so und hier zu geben
ist deine nicht, du fragtest leise, wer

wer hat gesagt wir glauben dies und nichts,
und wollte einmal unsre feier wenden
im lande wo das meer angrenzt, du sprichst
als legtest du die dinge aus den händen

 

„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“

Es gibt bestimmte Wendungen und Sätze, an die wir uns im Laufe unseres Lebens immer wieder erinnern – oft ohne besonderen Anlass oder Zusammenhang, unwillkürlich, und fast möchte man sagen: unnötiger Weise. Denn nicht selten erscheinen diese Erinnerungen trivial und kaum der Rede wert. Zum Beispiel kommt mir öfter ein Satz meines Onkels Edgar in den Sinn, der zu meinem Vater sagt: „Wenn ich von jedem, der da unten nicht anhält, eine Mark kassieren würde, Reinhard, wäre ich schon reich.“ 1971 oder 1972 – ich war acht oder neun Jahre alt, als der Mann Edgar Seiler, Planierraupenfahrer und Judoka mit schwarzem Gürtel (ein Held meiner Kindheit, der zwanzig Klimmzüge mit nur einem Arm machte am Reck, es waren nicht nur die Muskeln, er hatte dafür eine besondere Technik) diese Überlegung anstellte. Gemeint war das Schild vor der Kreuzung, an der das Haus meines Großvaters lag – obwohl STOP darauf geschrieben stand, hielt kaum jemand an. In einem Seitenflügel des Fachwerkhauses hatte Edgar mit viel Mühe eine Wohnung ausgebaut, nachdem unsere Familie aus dem thüringischen Dorf Culmitzsch in den Ort Teichwolframsdorf umgesiedelt worden war – die SDAG Wismut brauchte Raum für den Bergbau, der das spaltbare Material für die russischen Atombomben aus der Erde holte. Seit Jahrzehnten also taucht mein Onkel mit diesem Satz auf, spontan, durch nichts vorbereitet, ohne einen speziellen Auslöser, egal ob ich unterwegs bin oder zu Hause, am Abend einer Lesung oder während des Frühstücks: „von jedem eine Mark“.
Es ließen sich noch einige andere Unvergänglichkeiten zitieren, zum Beispiel meine Mutter, die sagt „Hast du deinen Ranzen schon gepackt?“ Oder mein Vater, der sagt „Was drei Beine hat, steht“ (er meinte es rein statisch, er wollte mir nur etwas über Statik erklären, eine Grundregel gewissermaßen), oder Lehrmeister Bocklich, der sagt „Das Eisen muss immer etwas rostig sein“ (sein Blick geht dabei in die Tiefe der Schalung, wo der von uns, den Lehrlingen des ersten Lehrjahrs, mit Mühe und Rödelzangen geflochtene Stahlkorb nach und nach vom frisch eingepumpten Beton geschluckt und das Ganze zu Stahlbeton wird), aber soweit ich es sehe, befindet sich im Fundus dieser unabweisbaren, in undurchschaubaren Rhythmen ins alltägliche Bewusstsein vordringenden ÜberIieferungen, nur ein einziger Vers; er heißt:
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“.
Die Zeile entstammt einem Gedicht von Jörg Schieke mit dem Titel „Auf wunsch einer einzelnen dame“. Der Text ist zuerst in dem 1988 selbstverlegten Band umso meer erschienen, (der auch Gedichte von Thomas Kunst und Jörn Hühnerbein versamnmelt), und dann, nur wenig verändert, in dem Buch die rosen zitieren die adern, das 1995 im Galrev-Verlag herauskam.
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“.
Oft ist es so, dass ich den Vers, wenn er mir in den Sinn kommt, vor mich hinspreche. Er verleitet mich zum Sprechen. Dabei genieße ich seinen Rhythmus und seine Ernsthaftigkeit. Ich genieße das Pathos der Ansprache und die unaufdringliche Surrealität des Bildes.
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“
Im allerersten Moment, bevor ich zu sprechen beginne, höre ich die Stimme des Autors, das heißt, ich kann hören, wie Jörg Schieke seine Gedichte vor über fünfundwanzig Jahren, zu einer Zeit, in der wir uns regelmäßig getroffen und uns manchmal auch vorgelesen haben, gesprochen hat: leise, monoton, überlegen und mit einer Art Stralsunder Akzent, nordisch jedenfalls. Ich vermute, der Vers bezieht seine Resistenz zu keinem geringen Teil aus dieser „originalen“ Lautgestalt. Denn jedes mal spüre ich dabei die Verlockung, seine Vortragsweise zu übernehmen – und gebe nach. Nicht so, dass ich mir papageienhaft und komödiantisch vorkommen müsste, sondern vorsichtiger, vor allem das Wesentliche, den Tonfall betreffend, als könnte ich auf diese Weise etwas kosten (auf die Zunge nehmen) (und zehren) von der magischen Qualität der Zeile.
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“
Ich flüstere, ich „schmecke“ die Stimme, und der Tonfall öffnet den Raum in eine andere Zeit. Mitte der achtziger Jahre wohnten wir in Halle an der Saale. Die Wohnung Jörg Schiekes lag in einem Hallenser Abbruchhaus, der Blick aus dem Fenster ging auf die Polizeiwache der Stadt, die Fußböden durften an manchen Stellen nicht betreten werden, da man Gefahr lief, ein oder zwei Etagen durchzubrechen. Der Clou aber war eine Tür in der Küche links neben der Spüle, die nicht, wie erwartet, ins nächste Zimmer, sondern direkt ins Freie führte, auf Höhe des vierten Stocks – der anschließende Gebäudeteil war bereits abgerissen: „du willst dich weit aus dieser gegend beugen“. In der Stimme dieses Verses sind die Räume von damals, in denen wir uns getroffen und Gedichte gelesen oder vorgelesen haben, aufgezeichnet, ihr Tonfall hat die Details kopiert.
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“
Wer wäre jemals in der Lage, sich aus seiner Gegend zu beugen? Die Surrealität des Bildes ist berührend, weil sie die Vergeblichkeit des Ganzen unterstreicht und das auf eine beinah vornehme Weise: mit einer Verbeugung. Eine Verbeugung vor der Ferne, der Fremde, aber wohl nicht in sie hinein. Es ist kaum möglich, das nicht für eine Geste der Verzweiflung zu halten, obwohl das Verzweifelte daran fein aufgehoben und gleichsam bewahrt wird im Bild der Verbeugung, das ich sehe. Es ist das Noble dieser Geste, mit dem der Sprecher sich und sein „du“ über dem Grund (Abgrund) der Verzweiflung zu halten versteht und die Verzweiflung selbst zu einer besonderen Erfahrung erhebt.
Dabei vergesse ich nicht, dass nur von einer Absicht die Rede ist („du willst…“), und erst recht vergesse ich nicht, dass das Beugen, wenn es – physikalischen Gesetzen folgend – den festgelegten Punkt überschreitet, in eine vollkommen andere als diese im wahrsten Sinne des Wortes zurück-haltende Form des Daseins mündet. Wirklich weit hat sich noch niemand gebeugt vor dem Sturz, weder „aus dem haus“, noch vom „rand der steine“. Obwohl im Gedicht nichts explizit ausgesprochen wird und zudem alles im Konjunktiv bleibt, spürt man am Ende das Übergewicht: Der Punkt ist überschritten und mit einer Formel vom Loslassen schließt das Gedicht: „du sprichst / als legtest du die dinge aus den händen“.
„jedoch du willst dich weit aus dieser gegend / beugen“
„Jedoch“ und der Vers wird wiederholt. Das Formel- und Spruchhafte ist ein Kennzeichen dieses Gedichts. Es herrscht ein hoher Ton, der vor allem von der Ansprache („ja schau“ / „du sprichst“ / „jedoch du willst“), aber auch von bestimmten Worten und Bildern getragen ist und im Duktus an die Dichtung der Jahrhundertwende erinnert. Man denkt an Rilke oder George und Formulierungen wie „und wollte einmal unsre feier wenden“ oder „du öffnest unsre worte daß sie leugnen“ scheinen mehr oder weniger direkt von dort adaptiert. Mich hat das nie irritiert, im Gegenteil. Sprachform und Bewegung stimmen überein und bedingen sich; das Bild, das ich sehe, die zentralen Geste des Gedichts, ist nur in dieser Sprache zu haben:
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“
Es muss Gründe geben, die es jenem „du“ nicht erlauben, einfach fortzugehen. Gründe, die zum einen, rechnet man die Entstehungszeit des Gedichtes ein, politischer Natur sein können. Mitte der achtziger Jahre hätte man das kaum anders verstanden, der Sprecher wird festgehalten in seiner Gegend, „im lande wo das meer angrenzt“. Die Umschreibung des politischen Territoriums mit Gegend  – auf den ersten Blick wirkt das fast tröstlich, und „vom rand der steine tut das meer / nicht weh“. Das Meer ist Grenze und Trost zugleich, es ist eine Art zweite Hauptperson im Gedicht. Aber bleibe ich beim Duktus dieser Verse und vertraue mich ihrer Sprache an, ihrer vordergründigen, wie ausgestellt wirkenden Noblesse (das Ziselierte und Pittoreske daran), könnte es genauso gut heißen: Dieses Land ist es nicht wert, genauer genannt zu werden. Aber letztlich entscheidet die Art zu sprechen, die ein in diesem Sinne „realitätsgetreues“ Vokabular nicht zulässt, bei Strafe vollständigen Poesie-Absturzes.
Zum anderen die „persönlichen“ Gründe, die uns binden, die Verwurzelung in einer Herkunft, die eigene, nicht zu negierende Schwere. Und dabei der immerwährende Wunsch, das alles doch einmal zu überwinden, fortzukommen in eine ganz andere Gegend. Die Bedrängnis (Unruhe) ist groß: „du sagst in deinem Kopf gehn schwere schritte“ oder „die art sich so und hier zu geben / ist deine nicht“. Das Grundgefühl: Nie am richtigen Ort. Nirgendwo zu Hause. Immer im falschen Leben.
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“
Die Widersprüchlichkeit von weit und beugen, von Wollen und Können, von Hinausstreben und natürlicher, nicht zu überwindender Körperlichkeit und Schwere (fliegen wäre nicht übel), verleiht der Geste jene Spannung, die mich berührt: ein Bild der Vergeblichkeit, vergebliches Bemühen in auswegloser Lage. Gleichzeitig nehme ich alles wörtlich (fast immer geschieht mir das beim Lesen) und sehe, was gesagt wird. Ich verstehe das Gesagte wie ein Kind, nicht auf eine irgendwie übertragene, vermittelte, sondern auf ganz direkte Art und Weise, das Bild tritt mir leibhaftig vor Augen. Das heißt: Es gibt diesen Mann, der sich weit hinausbeugen kann (wenn er will), und dann sehe ich, wie er sich weit und weiter und noch weiter beugt und streckt und streckt… Und ich identifiziere mich mit ihm, denn irgendwie ist das die Lösung. Man muss nicht fort, um in andere Gegenden zu kommen, man bleibt dort, wo man daheim und verwurzelt ist und beugt sich einfach weit hinaus.
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“
Welche Verrenkung. Am Ende ist es das Groteske, Lächerliche, wie es in jeder Verbeugung entdeckt werden kann, das einen Widerspruch erzeugt zur edlen Vergeblichkeit, von der uns der Klang dieser Zeile ein wenig ins Ohr träufeln möchte. Andersherum ist es gerade das Groteske, das einen Eindruck von Vergeblichkeit und Verzweiflung hervorruft. Das Ganze wirkt nobel und skurril zugleich. Als entstamme das Bild einer traurigen Komödie, ähnlich einer Stummfilmszene mit Buster Keaton – man weiß, dass die Sache scheitern muss, nur dass unten kein Wasserfass steht, in das unser Held zu fallen geneigt ist.
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“
Manchmal sehe ich einen Mann, der sich daheim aus seinem Fenster beugt und lauscht. Die Nachtluft kühlt seine Stirn, er lauscht, er beugt sich in die Welt und sein Kopf ist umschlossen vom Geräusch der Ferne.
„du willst dich weit aus dieser gegend beugen“
Bisher war es so: Der Vers tauchte auf und „stimmte“ auf irgendeine Weise und verschwand wieder. Jetzt hoffe ich, dass ich nicht insgeheim damit beginne, genauer darüber nachzudenken, im Gegenteil, ich hoffe, dass ich das, was hier geschrieben steht, bestmöglich wieder vergessen kann, damit es dabei bleibt, damit das weite Beugen weiterhin mitsummen kann in jenem unklaren Fundus der wundersamen, unabweisbaren Überlieferungen, die zusammen eine Art hintergründiges Gemurmel (eine in sich vollkommen sichere, unaufgeregte Murmel-Melodie) machen zu dem, was „vorn“ passiert im alltäglichen Leben, was „vorn“ gesagt, erklärt, behauptet und geschrieben wird.

Lutz Seiler

Aus dem Zusammenhang

Als ich 1994 meinen ersten Gedichtband zusammenstellte, gab es ein Gedicht, das ich bis zum letzten Moment mal ein- und dann wieder aussortierte, und dem ich, Zeichen der Unsicherheit, allerlei verschiedene Titel umlegte. Am Ende kam es mit ins Buch; den Titel würde ich im Nachhinein eher zurücknehmen. Überschriften sitzen bei Gedichten ja oft ziemlich locker.
Dieses nun von Lutz Seiler zitierte Gedicht ist mir schon bald nach seiner Entstehung ein wenig verdächtig gewesen, ein wenig zu hoch im Ton und zu erhaben in seinen Gesten, ein wenig zu jünglingshaft bei gleichzeitiger Erprobung noch weit in der Zukunft liegender Abenteuer. Inzwischen ist der Text 25 Jahre alt; ein, für ein Gedicht, schwieriges Alter. Beim FDJ-Poetenseminar 1987 (einer Werkstatt für junge Dichter in der DDR) hatten die Seminarleiter – das weiß ich noch – diese Zeilen aufs schärfste bemängelt, weil sie ihnen zu sehr nach Gevatter George und Rosenzüchter Rilke klangen, möglicherweise fiel auch der Name Benn – und wie stolz war ich seinerzeit auf dieses Vorstrafenregister. Eigens für diese Dichter, so scheint es mir heute, hatte man in der DDR das Attribut „spätbürgerlich“ justiert und regelmäßig nach-justiert, ud die so gezeichneten Gesänge hatten eben zu gelten als Teil des Abgesangs auf eine Epoche und die dazugehörige Dichtung. Was man diesen gern als dekadent, artistisch, parfümiert oder gar lebensmüde benoteten Versen bei den Poetenseminaren entgegenhielt, waren zum Beispiel die – in der Tat großartigen – Texte des Griechen Jannis Ritsos, dessen den Dingen zugewandte Poesie als ein Bekenntnis zu Daseinsfreude und klarer Weltanschauung synchronisieren ließ.
Ritsos mochte ich auch, genauso wie Tranströmer oder die besagten Spätbürgerlichen oder das, was allmählich aus dem Prenzlauer Berg bis in die Provinz rüberschwappte. Ich lernte Gedichte auswendig seinerzeit; ich konnte „Melopee“ von Paul van Ostaijen (ein flämischer Dichter) und „Freundin Schlaf“ von Karl Mickel und mindestens 4 Gedichte von Stefan George. George war einfach zu lernen, weil streng im Rhythmus und verlässlich im Reim. 1987: Da brach ich mein Studium ab und ging Teller waschen auf der Insel Hiddensee. Ich wollte Gedichte schreiben und hatte lauter Leute um mich rum, Saisonkräfte, die entweder in den Westen wollten oder zumindest aus einer geradlinigen DDR-Biographie ausgestiegen waren. Im Prinzip feierten wir unentwegt Abschied und fühlten uns kein bisschen traurig dabei. Am Ende der Saison gingen alle nach Berlin oder Leipzig oder Halle zurück, und im nächsten Frühjahr kamen die meisten wieder. Keiner wusste, wie es darüber hinaus weitergehen würde, und keiner wollte es wissen.
Es war (um eine von Lutz Seiler gern benutzte Wendung abzuwandeln) die wie aus jeder konkreten Zeit gefallenen Gesten, eine zur Schau getragene Entrücktheit, die mich zu George zogen und zu eigenen Zeilen angestiftet haben: „ja schau aus dem haus wir sind die mitte“ oder: „du willst dich weit aus dieser gegen beugen“. Die Gegenwart, mein Alltag des Jahres 1987 waren wie auf Eis gelegt; das heißt, sie waren mit magisch aufgeladenen Vokabeln wie „Gegend“ und „Mitte“ und „Haus“ erschöpfend erklärt.
Lutz Seiler weiß, was ich meine, er kennt das Hiddensee dieser Jahre. Und Thomas Kunst natürlich, beide heute bekannte Lyriker, mit denen ich Ende der achtziger Jahre bei den zentralen Poetenseminaren in Schwerin Texte vorzeigte. Lutz Seiler, ich erinnere mich, beschrieb einmal ein Gemälde von Lyonel Feininger, Thomas Kunst experimentierte damals schon mit indianischen Frauennamen; ich hatte es, wie gesagt, mit Meeren und Inseln. Rebellisch, politisch gewagt im Sinne von: „Wenn ich aus dem Fenster seh, seh ich eine Mauer“ war das nicht und durfte es, da waren wir uns einig, auf gar keinen Fall sein. Komisch, wir waren Mitte zwanzig und wollten nicht mal mutig sein in unseren Gedichten. Womöglich wollten wir nicht mal jemanden erschrecken, die Eltern nicht und nicht die Seminarleiter. Wir wollten keine eindeutig doppeldeutigen Stellen, denn die liefen wieder hinaus auf: Ursachen, Zusammenhänge, Gründe, Schlussfolgerungen. Lustige, traurige, authentische, gescheite. Um etwas anderes sollte es gehen und sich drehen, um Verse, die so lange stur und fremd in einem puckerten, bis man diese Fremdheit auch einlösen musste. Das war seinerzeit kein Programm, keine Poetologie, aber es war doch schon eine Ahnung. Diese Ahnung suchte sich ihre Vokabeln. Andere sonderte sie konsequent aus. Dabei ist es geblieben. Gedichte sollen Abschiede verzapfen und gleichwohl Heimwege erleuchten. Kein Licht am Fahrrad, aber Musik im Kopf.

Mit einem Gedicht als Proviant: Diese oder jene Stadt, diesen oder jenen Menschen in eine neue Konstellation verwickeln. Gedichte, so sehe ich es seit ungefähr 1987, brauchen keinen Auftrag und kein Ziel. Sie sollen uns von den Aufträgen und den Zielstrebigkeiten entbinden.

Jörg Schieke

Die Texte wurden entnommen aus: die horen, Heft 246, Wallstein Verlag, 2. Quartal 2012

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