Else Lasker-Schülers Gedicht „Schwarze Sterne“

ELSE LASKER-SCHÜLER

Schwarze Sterne

Warum suchst du mich in unseren Nächten,
In Wolken des Hasses auf bösen Sternen!
Laß mich allein mit den Geistern fechten.

Sie schnellen vorbei auf Geyerschwingen
Aus längst vergessenen Wildlandfernen.
Eiswinde durch Lenzessingen.

Und du vergißt die Gärten der Sonne
Und blickst gebannt in die Todestrübe.
Ach, was irrst du hinter meiner Not.

1902

aus: Else Lasker-Schüler: Werke und Briefe Bd. I,1: Gedichte. Jüdischer Verlag, Frankfurt a.M. 1996

 

Konnotation

Ich sterbe am Leben und atme im Bild wieder auf“, hat Else Lasker-Schüler (1869–1945) in einem autobiografischen Text einmal geschrieben. Diese existenzielle Dauerspannung, verschärft durch eine beständige „Todestrübe“, prägt schon die frühen Liebesgedichte der Autorin, die ab 1902, nach dem Erscheinen ihres ersten Gedichtbandes Styx und ihrer Scheidung von dem Arzt Berthold Lasker, in Berlin, Zürich und Palästina ein ruheloses nomadisches Dasein führte.
In der ersten, 1902 veröffentlichten Fassung trug das Gedicht „Schwarze Sterne“ noch den Titel „Sterne des Tartaros“. Tartaros verweist dabei auf den finstersten Ort der antiken Unterwelt, in dem die Sünder ihre ewigen Strafen verbüßen müssen. Und auch die Beziehung zwischen dem lyrischen Ich offenbar unter einem unheilvollen Stern. Es regieren die bösen Geister, die alles eindunkeln und erstarren lassen und selbst den Gedanken an Aufhellung der trostlosen Szenerie vertreiben.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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