HEIDI PATAKI
Wiener lebenslauf
die hand ins feuer legen
die kastanien aus dem feuer holen
den kürzeren ziehen
fersengeld geben
auf dem holzweg
im fallen begriffen
in bausch und bogen
auf holz klopfen
auf den meniskus klopfen
beklopft
Maria Theresienschlößl
Rosenhügel
Baumgartner Höhe
1965/1966
aus: Heidi Pataki: Schlagzeilen. Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1968
In ihren „5 Reflexionen über den poetischen Akt“ hatte die experimentierfreudige Wiener Dichterin Heidi Pataki (1940–2006) dereinst das baldige Ende der „aussterbenden Gattung“ Lyrik angekündigt: „Dieses Unterfutter von Schmerz muss allen Gedichten zugrunde liegen, die heute geschrieben werden.“ Zuvor aber wollte die Dichterin die verbrauchten Symboliken und überstrapazierten Klischees in modernen Gedichten bloßlegen: „die sprache hängt in fetzen, jedes wort verhunzt.“
In ihren ersten Gedichten, die sie 1968 in ihrem Debütband Schlagzeilen sammelte, überprüft Heidi Pataki gängige Sprichwörter, Redewendungen und naseweise Sprüche auf ihre alltagssprachliche und ihre poetische Tauglichkeit. Paradoxerweise repräsentieren hier Redensarten, die eine inhärente Neigung zur Gewalt besitzen, einen „Wiener Lebenslauf“. Ans Ende dieser sprachskeptischen Reihung von Redensarten werden lakonisch drei Wiener Spitäler gesetzt, die in ihrem Namen verbergen, dass es in ihnen um Leben und Tod geht. Und dass es Orte des Lebensendes sind.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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