Hermann Allmers’ Gedicht „Feldeinsamkeit“

HERMANN ALLMERS

Feldeinsamkeit

Ich liege still im hohen, grünen Gras
Und sende lange meinen Blick nach oben,
Von Grillen rings umschwirrt ohn’ Unterlaß,
Von Himmelsbläue wundersam umwoben.

Und schöne, weiße Wolken ziehn dahin
Durchs tiefe Blau wie schöne, stille Träume;-
Mir ist, als ob ich längst gestorben bin
Und ziehe selig mit durch ew’ge Räume.

1860

 

Konnotation

Es ist das Produkt einer spätromantischen Phantasie – die harmonische Verschmelzung von Mensch und Natur, das von jeder Bedrohung freie Naturidyll, das die diesseitige Existenz mit dem „seligen“ Dasein nach dem Tod versöhnt. Der Verfasser des Gedichts, der norddeutsche Marschendichter Hermann Allmers (1821–1902), hatte sich für die aufklärerischen Ideen des Vormärz begeistert und sich später den Freimaurern angeschlossen. Literarisch blieb er aber stets der Naturemphase Joseph von Eichendorffs (1787–1856) verpflichtet.
Fast klingt es wie eine naive Übererfüllung des Eichendorff’schen Naturenthusiasmus, wenn Allmers das Glücksversprechen vorbehaltlos an das „tiefe Blau“ und die „weißen Wolken“ des Himmels bindet. Naturschönheit wird in dem 1860 entstandenen Gedicht mit der sinnlichen Erfahrung der Ewigkeit gleichgesetzt. Nichts scheint der Seligkeit entgegenzustehen. Große Popularität erlangte das Gedicht durch seine Vertonung durch Johannes Brahms (1833–1897).

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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