DUNKELHEIT IN DER LAUSITZ III.
Rund um die Feuerstelle
der Versuch mit der Glut der Augen
Sternzeichen
in die Nacht zu brennen
das ergibt nur Punkte –
Doppelpunkte
hinter denen anstelle von Worten
Stille steckt
im Haus seitlich im Licht
sitzen zwei Frauen
und schreiben einander
in der alten Sprache die ihnen zuwuchs
mit einem Lächeln
noch sagen sie: Name
und: verstehe spüre
noch
dann steht ein Mann in der offenen Tür
und die Stille lodert
kühl auf
hinter der Feuerstelle
Übersetzung Róža Domašcyna
In der Nähe des neuen Dreiländerecks Deutschland-Tschechien-Polen lebend, muß er auf die versehrte Umwelt durch die Kohleförderung der Tagebaue hinweisen. Dabei drängen zudem Themen, die an Wichtigkeit nichts einbüßen: Geburt, Leben, Sterben. Milan Hrabal brennt für den genauen, hingewandten – ja, zugewandten Blick seiner Gedichte auf die Probleme unseres Lebens, die verknüpft sind mit dem Dasein. Durch diese unbedingte Nähe sind sie um so eindringlicher.
Ankündigung in Elfriede Jelinek: Poesiealbum 370, MärkischerVerlag Wilhelmshorst, 2022
Milan Hrabals Gedichte führen die Versehrtheit der Natur vor Augen, das Abholzen ganzer Wälder, verwüstete Landstriche, karge, steppenähnliche Tagebaufolgelandschaften, ausgebeutete Gegenden, wie man sie auch anderswo auf der Welt findet. Die unbedingte Nähe dieser Gedichte macht sie so eindringlich. Hrabal schaut in die Welt seiner Kindheit, der Religion und Geschichte. Wichtig ist ihm der genau hingewandte, ja zugewandte Blick.
Axel Helbig
Die Gedichte des Milan Hrabal leben durch eindrucksvolle Sprachbilder, reife philosophische Gedanken und manchmal schalkhafte Nuancen. In der Kindheit kommen zudem Fragen auf, mit denen sich der Mensch lange trägt, daß sich das Gehörte in Erlebtes wandelt. Hrabal verarbeitet dies in seiner bildhaften Poesie.
Rejza Šěnowa
Mit wachem Blick beschreibt er gefährdete Orte, etwa die Lausitz und das mit politischem Kalkül verordnete, unzeitgemäße Festhalten am Kohleraubbau.
Michael Ernst
Ein ganz besonderer Reiz dieser Verse liegt darin, daß scheinbare Gegensätze wie die Momente der Gefahren und des Gefallens sich nicht ausschließen, ein leichtfüßiger Ansatz, der an ausgelassenes Spiel erinnert.
Volker Strebel
In diese Dichtung eingeschweißt ist das Rätsel des Lebens.
Peter Gehrisch
Milan Hrabal geht auf die heutige weltweite Disharmonie, Orientierungslosigkeit und Überreiztheit vieler Menschen im Alltag ein.
Peter Huckauf
Wenn politische Grenzen sich verschieben, Menschen vertrieben werden oder auswandern, bleibt in der Landschaft, in den Orten und Häusern, die Ahnung von ihnen als Vermächtnis zurück. Hrabal nimmt sie noch als Schatten, Geräusche oder Fußstapfen wahr. Diese Spuren aber sind es, denen der Dichter nachgeht.
Róža Domašcyna
Hrabals Gedichte sind verknüpft zum einen mit dem alltäglichen Dasein und zum anderen den elementaren Themen: Geburt, Leben, Sterben und Tod. Eingewoben sind zudem seine gedankliche Rückkehr an schreckliche Vorkommnisse aus Kindheit und Geschichte, die das einfache Leben überschatten – unbestimmte Ängste flackern auf: Menschen auf der Flucht, Militär und Not. Religiosität ist bei Hrabal nicht ein Strohhalm für einfache Leute, sondern sollte allen Menschen Achtung vor der Schöpfung vermitteln.
MärkischerVerlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2022
Manfred Orlick: Elfriede Jelinek, Milan Hrabal und Kurt Marti zum Kennenlernen
literaturkritik.de, November 2022
Róža Domašcyna und Volker Sielaff sprechen über ihre Dichtungen und lesen aus ihren Werken.
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