Sylvia Geist: Nach Georg Trakls Gedicht „Drei Teiche in Hellbrunn“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Nach Georg Trakls Gedicht „Drei Teiche in Hellbrunn“. –

 

 

 

 

GEORG TRAKL

Drei Teiche in Hellbrunn

2. Fassung

Hinwandelnd an den schwarzen Mauern
Des Abends, silbern tönt die Leier
Des Orpheus fort im dunklen Weiher
Der Frühling aber tropft in Schauern
Aus dem Gezweig in wilden Schauern
Des Nachtwinds silbern tönt die Leier
Des Orpheus fort im dunklen Weiher
Hinsterbend an ergrünten Mauern.

Ferne leuchten Schloß und Hügel.
Stimmen von Frauen, die längst verstarben
Weben zärtlich und dunkelfarben
Über dem weißen nymphischen Spiegel.
Klagen ihr vergänglich Geschicke
Und der Tag zerfließt im Grünen
Flüstern im Rohr und schweben zurücke –
Eine Drossel scherzt mit ihnen.

Die Wasser schimmern grünlichblau
Und ruhig atmen die Zypressen
Und ihre Schwermut unermessen
Fließt über in das Abendblau.
Tritonen tauchen aus der Flut,
Verfall durchrieselt das Gemäuer
Der Mond hüllt sich in grüne Schleier
Und wandelt langsam auf der Flut.

 

Drei am Stöckener Friedhofsteich

An bedeckten Nachmittagen liegt er unter Laub
Verbänden im graugrünen Bett. Im Novemberkoma
kennt er keinen, und kaum einer will sich dann
noch sehen im Blumenwasser für die Toten außer
der im grauen Mantel, als gäbe sonst nichts wieder,
was sie heute ist. Untergetauchte, Illegale, die hier

nichts verloren hat, kommst du nur deshalb her,
auf diese Intensivstation um eine Stille, nicht
zu retten, vorm Ambulanzgejaul der Bahn, die immer
endlos bremst, bis die taube Fläche unter einem Luftzug
reißt. Alle Lichter segeln aus den Buchen, eine Vogelbö
durchs Schilf, Funken treiben, und das Blässhuhn

im Kopf, sein Flattern im Bauch, verliere ich die
Stelle, was da stand, das sich ums Leben schwieg und
um sein Leben log, mit niemandem verwandt, ist auf
und zugetan. Schwefelholzduft, Ahorn brennt Löcher
ins schlammschwarze Loch. Die nächste Windnotiz,
die Löschanweisung. Ich atme mit und bleibe warm.

Sylvia Geist, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014

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