DU DENKST ICH BIN KORRUPT
Du denkst, ich bin korrupt, weil ich verhandle
und handle, während sich Systeme mischen.
Der Austausch ist’s, durch den ich mich verwandle.
Das alte Ding ist nicht mehr aufzutischen.
Ob Freunde, Feinde kommen, gehen, stehen,
ob sie von Ost nach West und umgekehrt,
ich muß den Wegen folgen, umzudrehen,
das Rätsel, das wie Alptraum mich beschwert.
So I stay cool – You think about the X.
That’s what I say – I do believe it’s high.
I lost experience – I don’t get sex.
I am aware – I habe to ask you – why.
So I go back to put it into me –
That’s weapon X. I got it, I am free
der Arbeit von A.R. Penck, und die vorliegende, erstmals umfassende Auswahl seiner textlichen Reaktionen auf dieses dem Schreiben wesentliche Motiv hin komponiert. Von der monologisch sich wie aus sich selbst schreibenden Prosa bis zum briliant pointierten Knittelvers, der gesamten Bandbreite dessen, was aus über fünfhundert Skizzen- und Notizbüchern sowie Katalogen der letzten zwanzig Jahre ausgewählt wurde, ist gemeinsam: die konsequente Übersetzung scheinbar verselbständigt driftender Strukturen ins epische.
Da dies den bildnerischen Ansätzen A.R. Pencks entspricht, wurde auf die übliche Konstellation (Dichter und Maler) verzichtet. Der Kölner Fotograf Benjamin Katz stellte für PLOT CLAIM einige seiner warmherzigen und privaten Porträts zur Verfügung, was meinem Denken vom Gedicht entgegenkommt.
S. Anderson, Druckhaus Galrev, Ankündigung, 1993
daß er sich in seinen Texten so zwischen Plakativem und Diffizilem windet. Aus Skizzen- und Notizbüchern und Katalogen der letzten 20 Jahre hat Penck nun destilliert, was ihm als scheinbar entzifferbares Zeichen dienen soll. Und doch bleibt vieles im Untergrund des Hermetischen haften, wird vieles zum Kassiber, den Privatmythos mumifizierend, ohne daß es uns gelänge, so leicht Zugang zu finden, wie zu jenen schier popklassischen Aussagen, die er auch drauf hat: „welchen Zusammenhang / gibt es zwischen seichter Musik / und menschlichem Versagen.“ Vom Einzeiler bis zum 25 Seiten langen Poem-Notat, vom banalen Reim bis zum kunstfertigen Sonett bietet der Malerdichter auf, was ihm bei seinen Gratwanderungen zwischen Ich-Raum und Traumfläche so in die Quere kam. Ein Zeugnis, das vor Kalauern nicht halt macht, aber auch verzwickte Zusammenhänge zu transportieren sucht. Da Penck auch in New York lebt, finden sich auch englischsprachige Gedichte.
DER OSTEN
hat mich ausgespuckt
Der Westen
noch nicht gefressen
jetzt werfe ich
meine Erfahrung
vor die Loewen
ohne den Stolz
Das Epiktet
8 Sprünge
um Beute zu machen
8 Verbeugungen
nimm dir
was du brauchst
Hadayatullah Hübsch
– Plot Claim – der Maler A. R. Penck als Dichter. –
A.R. Penck, ein Mann, der in Dublin und New York genauso zuhause ist wie in Berlin, ein Besessener, einer, der gegen den Strom schwimmt, der seine Finger auf die Wunden legt und mit zwanghafter Logik immer wieder dazu auffordert, das, was er uns vordenkt, weiterzudenken und an uns zu überprüfen. Ein Mann, der mit dem Wort genauso gut umzugehen versteht wie mit Stift und Farben. Seine Metaphern wirken oft nur wie Andeutungen und haben nicht selten den Charakter von Tagebuchaufzeichnungen. Wer sie liest, sollte mehr über ihn wissen, als nur einige anonyme Daten.
1939 in Dresden geboren, machte Penck sich schon frühzeitig zum Sprecher einer Minderheit, die mit dem Regime in der DDR in ständigem Widerspruch lebte.
Sprache – für Penck bedeutet sie durchlebte Wirklichkeit, ein Mittel der Selbstverständigung, in der sich Vergangenheit und Gegenwart begegnen und in deren Mitte der Mensch steht. Kunst als Begriff der Wahrheitsfindung und der Auseinandersetzung mit der Zeit. Doch wessen Wahrheit war damals gefragt, und was waren ihre Kriterien?
Und er schreibt: „Ich weiß, die große Hure öffnet ihre Schenkel und alles ist anders. Wie tief werden sie noch herabsteigen müssen, die Sieger der Geschichte.“ Er aber steigt nicht hinab. Sollte er sich auf den Markt werfen, schamlos und ohne Widerstand? Er will sich nicht verkaufen und sagt: „Ihr habt Sprache sinnlos gemacht. Fast hättet ihr mich erstickt, erwürgt und versteinert.“
So war es dann eine, der eigenen Selbsterhaltung und Selbstachtung notwenige Konsequenz, daß er das Land verließ, das ihm seine Sprache gegeben hatte, sie ihm aber auch wieder nehmen wollte.
Jeder stirbt für sich allein, heißt es bei Fallada. Er aber will leben, will hinausschreien, was er denkt und empfindet, will aufrütteln, nachdenklich machen, den Stummen ihre Sprache zurückgeben und jetzt, wo er angekommen ist und wieder einen Weg gefunden hat, gibt er dem zurückgebliebenen Freund Antwort auf eine längst fällige Frage, indem er sagt: „Du kannst nicht fliehen in den romantischen Traum von Macht. Du kannst es ja versuchen, die Macht zur Substanz zu machen. Die Festigkeit wird mürbe, und das Geordnete wird sich zerstreuen.“ Er schrieb das 1983. Und jetzt, zehn Jahre später, fragt man sich: Warum, hab ich das damals nicht so gesehen.
Und er entläßt uns mit den Worten: „Male deine schwarzen Flügel rot an und ziehe die Konsequenz! Was ist denn nun das Neue? DIS DIS E E DIS, meine moderne Melodie. Darüber kannst du improvisieren, mein Freund. Darüber könnt ihr nachdenken.“
Christian Scherfling, Neues Deutschland, 8.10.1993
Katz & Penck: „Mit Ralf war es ein Wechselspiel“
A.R. PENCK
ROT KÄPPCHEN SCHUL MÄPPCHEN
HOPPE HAPP HAPPA FRANK ZAPPA
IM BISS AN SCHISS MERDE PFERDE
ERD APFEL ZIPFEL GIPFEL GAFFER
PIFF PAFF SCHLAFFEL SCHLAFFER
AFFE WAGEN VERSE ESSEN KAMPF
MAGEN KRAMPF JÄGER GEWESEN
Peter Wawerzinek
FÜR RALF
manchmal wird der general elegisch
wie ein vogelfänger unterm saatkrähenschwarm
er läßt die roten streifen seiner hosen bügeln
und befiehlt gewitter
seinen adjudanten degradiert er wegen befehlsverweigerung
als der sich daraufhin erschießt sagt der general
penck
na also
70er
Bernhard Theilmann
Thomas Claus: Er nannte sich Y – Der unbekannte A.R. Penck
Gespräch Martin Rögener mit A.R. Penck – „Wenn ich nicht wär, wär die DDR längst leer.“
Lukas Lessing interviewt A.R. Penck – „Für mich war die Stasi nicht nur negativ“
Asteris Kutulas interviewt Wolfgang Opitz zu Ralf Winkler alias A.R. Penck und zur dresdner Künstlergruppe Lücke.
es wird auf der Frankfurter Buchmesse 1991 gewesen sein. Penck kam völlig verzückt an den stand des Druckhaus Galrev, am gürtel eine geflochtene messerscheide, in der hand ein messer mit verziertem griff und ein stöckchen, an dem er wild herum schnitzte. er hatte das messer vor den messehallen einem kolumbianischem oder bolivianischem indio abgekauft. Penck hatte keinen blick für irgendeine der neuerscheinungen oder überhaupt für literatur. mit einer kindlichen begeisterung zeigte er jedem homme de lettres sein neues messer und war völlig fixiert. diese reine und kindliche freude eines erwachsenen, und dazu noch wohlhabenden erwachsenen, ist mir unvergesslich. plakat oder nicht, Penck war ein guter.
Henryk Gericke auf Facebook