SPIEGEL FÜR DEN WEG
UND DIE GESCHICHTE DER ZWEIGE
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Der Schleier des Weltraums fiel
Als frohe Botschaft hinab
Und außer einem, der vorüberging, ist nichts
aaaaageblieben
Einer, dessen Züge die Brücken aufsogen
Mal ist er ein Stern, der strahlt
Mal ist er ein Stern, der untergeht −
Nichts ist geblieben von der Irrsal der Wege
Außer dem Weg, außer dem Funken
Das Wasser ist ein Zimmermann auf Wanderschaft
Einer, der gibt, einer, der zeigt, der die Hand ausstreckt
Und uns durchwinkt.
Poetisch-philosophisches Streitgespräch mit dem Westen
Das Werk von Adonis zwischen 1965–1971
Anfang der siebziger Jahre, kurze Zeit nach der Entstehung der Gedichte des vorliegenden Bandes, soll Adonis bei einem Auftritt in den USA gesagt haben: „Ich komme aus der Zukunft.“ Das klingt so prätentiös, daß sich wohl kein deutscher, kein abendländischer, ja nicht einmal ein jüngerer arabischer Dichter eine solche Aussage heutzutage erlauben könnte. Der Ausspruch ist aber ein aus dem Kontext gerissenes Heidegger-Zitat und enthält den Schlüssel zur Poetik von Adonis. Der arabische Lyriker nimmt Heideggers Sicht auf Hölderlin aus „Wozu Dichter“ von 1946 für sich in Anspruch:
Hölderlin ist der Vorgänger der Dichter in dürftiger Zeit. Darum kann auch kein Dichter dieses Weltalters ihn überholen. Der Vorgänger geht jedoch nicht in eine Zukunft weg, sondern er kommt aus ihr an, dergestalt, daß in der Ankunft seines Wortes allein die Zukunft anwest.
Nach Heidegger ist also Hölderlin derjenige Dichter, „der aus der Zukunft kommt“. Wenn Adonis diese Aussage übernimmt, identifiziert er sich mit Hölderlin in der Deutung Heideggers als einem „Dichter in dürftiger Zeit“. Diese Identifikation läßt eine besondere denkerisch-dichterische Osmose zwischen Ost und West vermuten, zwischen arabischer und deutscher Dichtung und Gedankenwelt, zwischen Adonis, Heidegger und Hölderlin und wirft die Frage auf, wo Adonis in der Moderne zu verorten ist. Adonis’ Identifikation mit Hölderlin in Heideggers Deutung beruht auf ganz anderen Erfahrungen, als sie Heidegger und erst recht Hölderlin machen konnten. Ein arabischer Dichter ist nicht, kann nicht einfach Heideggerianer sein, wie es unsereinem möglich wäre.
Hölderlin steht am Anfang der deutschen Romantik, war Zeitgenosse der Französischen Revolution. Ein neues Zeitalter brach damals an, und mit seinem schmalen Werk ist Hölderlin der Dichter dieser Zeitenwende geworden. Als Heidegger seinen Aufsatz „Wozu Dichter“ schrieb, waren die Hoffnungen, die mit dieser Zeitenwende Ende des 18. Jahrhunderts begonnen hatten, gescheitert – es war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.
1946, als Heidegger seinen Aufsatz schrieb, steckte die moderne arabische Dichtung noch in den Kinderschuhen, und die arabische Welt stand erst am Anfang ihrer Probleme. Anderthalb Jahrhunderte zuvor, als Hölderlin auf dem Höhepunkt seines Schaffens war, brach die Moderne in Form von Napoleons Expeditionskorp auch über die arabische Welt, über Ägypten herein. Bald erkannten die Araber mit großem Entsetzen ihren technischen und zivilisatorischen Rückstand gegenüber dem Westen. Der Orient reagierte – und reagiert bis heute – mit zwei gegensätzlichen Antworten auf diesen Rückstand. Beide Antworten konstatieren einen Verfall, einen Niedergang der arabischen Kultur und versuchen, diesem Niedergang mit je verschiedenen Rezepten entgegenzuwirken. Die eine Antwort besteht, vereinfacht gesagt, darin, diesen Rückstand aufzuholen, indem man vom Westen lernt, seine offensichtlich erfolgreichen Mittel übernimmt, ja ihn möglichst nachahmt. Dies versuchte der osmanische Statthalter Muhammad Ali in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ägypten, und dieser Ansatz ist bis heute weitgehend dominant geblieben. Er birgt die Gefahr, das Eigene zu verdrängen und zu vergessen. Die andere Tendenz geht von der Annahme aus, man sei in Rückstand geraten, eben weil man das ursprüngliche Eigene schon vergessen habe und sich nicht mehr nach den Erfolgsrezepten der Vorväter richte. Auch diese Grundhaltung konstatiert also einen Niedergang, sieht die Lösung aber nicht in einer Nachahmung des anderen, sondern in einer Rückbesinnung auf das Eigene – und einer Ablehnung alles Fremden und Neuen. Diese Bewegung begann mit den puritanischen Wahhabiten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Saudi-Arabien und zeigt sich heute vor allem in der Fratze des religiösen Fundamentalismus.
Auch Adonis, der Mitte der vierziger Jahre zu schreiben begann, hatte als Dichter die Wahl, sich auf das klassische Erbe zurückzubesinnen und in traditioneller Weise zu dichten oder sich stärker durch die lyrischen Experimente seiner Zeitgenossen und durch die abendländische Poesie anregen zu lassen. Doch es ist klar, daß sowohl das eine wie das andere eine unglückliche Wahl gewesen wäre: Gleichgültig, wofür sich der Dichter entschieden hätte, er hätte einen Teil seiner Identität verleugnet. Denn Adonis kannte die großartige klassische arabische Dichtung, und er liebte sie. Aber ebenso verfolgte er die lyrischen Experimente seiner Zeitgenossen und war allem Neuen, auch der abendländischen Dichtung gegenüber aufgeschlossen. Der Ausweg, den er wählte, bestand darin, nicht die Kultur des Westens zu übernehmen, sondern dem Westen abzuschauen, wie man die eigene Kultur von innen heraus kritisiert. Genau dies konnte er von einem anderen deutschen Philosophen lernen wie wohl von kaum einem zweiten Denker: von Nietzsche. Der besondere, in der arabischen Dichtung bis dahin unerhörte Charakter von Adonis’ drittem in Beirut veröffentlichten Gedichtband Die Gesänge Mihyars des Damaszeners (1961; vgl. Nachwort zum ersten Band der Adonis-Ausgabe) verdankt sich vorrangig der Begegnung mit den Schriften Nietzsches.
Adonis’ Entdeckung Nietzsches, von dem er zuvor nur Bruchstücke auf arabisch hat lesen können, fand während seines einjährigen Aufenthalts 1960 in Paris statt und verlief parallel zur Abfassung von Die Gesänge Mihyars des Damaszeners. Außer Nietzsche entdeckte Adonis in Paris aber auch (neben vielen französischen Autoren, versteht sich) Hölderlin und Rilke. Mit den noch jungen Mitteln der sich seit Ende der vierziger Jahre revolutionierenden arabischen Dichtung unternimmt Adonis in Die Gesänge Mihyars des Damaszener eine „Umwertung aller (islamischen) Werte“. Das Herausragende an dem Gedichtband ist jedoch, daß sich die Umwertung gänzlich entsprechend den Umständen der islamischen Kultur, mit den dichterischen Möglichkeiten des Arabischen und mit einer größtenteils autochthonen Bildlichkeit und Mythologie vollzieht.
Dem kulturellen Reinheitsgebot und den Vorgaben der traditionellen Dichtung entziehen sich die Gedichte allerdings schon durch den Verzicht auf die ererbten, unvergleichlich strengen Formen der klassischen arabischen Qaside, ferner durch die Verwendung abendländischer mythischer Gestalten, besonders Odysseus’, Sisyphos’ und Orpheus’. Die Gesänge Mihyars des Damaszeners wie auch die Gedichte aus „Das Theater und die Spiegel“ im vorliegenden Band enthalten sowohl Prosatexte als auch freie Verse, in denen verschiedene Rhythmen und wechselnde Reime kombiniert werden. Zudem sind die Gedichte für die oft ausschweifende und wortverliebte arabische Dichtung von einer unerhörten Kürze. All dieses, gemessen am klassischen Ideal, Unarabische sowie Adonis’ Nähe zum Kreis der Literaturzeitschrift Shir (Dichtung), welche eine apolitische und zugleich den lyrischen Erfahrungen des Westens sich öffnende Poetik vertrat, trug Adonis schon früh den Vorwurf des Verrats an der arabischen Kultur ein, den Vorwurf, verwestlicht zu sein und für den Westen zu schreiben. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte dabei auch der Name, ein Pseudonym, das in Anspielung auf den vorderorientalischen Wiederauferstehungsmythos von Adonis die Hoffnung auf eine (kulturelle) Verjüngung und Wiederauferstehung symbolisiert. „Es gab starke Widerstände gegen diesen Namen“, berichtet Adonis in einem Interview, „Widerstände von seiten einer Ideologie des Arabertums und von seiten des arabischen Nationalismus, vorgetragen von Schriftstellern und Politikern, die in mir einen Abweichler zu erkennen glaubten, indem sie fragten: Warum ändert einer seinen Namen von dem schönen arabischen ,Ali‘ in Adonis.“ Natürlich ließ es sich Adonis in Anbetracht einer solchen Reaktion auf seinen im Alter von siebzehn Jahren gewählten nom de plume nicht nehmen, die Widerstände dagegen noch zu provozieren, indem er im Refrain eines seiner schwierigsten und sprachlich innovativsten Gedichte, „Dies ist mein Name (1970; vgl. Seite 87 ff.), Nietzsches „Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit“ aufgreifend, schreibt: „Fähig, zu verwandeln: eine Mine für die Zivilisation – dies ist mein Name“.
Da Adonis seine eigene Kultur also nicht aus der Position der anderen westlichen kritisiert, bewahrt er sich die Möglichkeit, genau diese andere Kultur ebenfalls zu kritisieren, genauer gesagt, die Art und Weise zu kritisieren, wie das abendländische Andere in die eigene Kultur eindringt und wie es von den Arabern rezipiert wird. Das arabische Eigene wurde einer von Nietzsche inspirierten Kritik unterzogen; um das Andere, d.h. das Westliche zu kritisieren, wie es sich am Eigenen manifestiert, greift Adonis nun auf einen anderen deutschen Denker zurück, der in Nietzsches Nachfolge steht: Heidegger. Heidegger liefert vor allem deshalb einen passenden Denkansatz, weil sich der Okzident – als der Andere – im Orient besonders in derjenigen Form manifestiert, die Heidegger am vehementesten kritisiert: der Technik.
Adonis’ an Nietzsche geschulte Kritik der eigenen, als defizitär erlebten Kultur ist daher keine Nachahmung des Westens. Es gibt im vorliegenden Band ein sehr kurzes, sehr berühmtes Gedicht, an dem sich zeigt, wo Adonis die Gefahr dieses technisierten, industrialisierten Anderen sieht, wenn es in die eigene Kultur eingreift:
DAS MINARETT
Das Minarett weinte
Als der Fremde kam
Er kaufte es ohne Not
Und baute darauf einen Schlot
Das alte, religiösen Zwecken dienende Bauwerk wird als Fabrik mißbraucht, das heißt die Religion, das Eigene, wird ersetzt durch die Technik, die aus der Fremde kommt. Wir wissen aber aus Die Gesänge Mihyars des Damaszeners, daß Adonis nicht in herkömmlicher Weise religiös ist. Das Religiöse steht hier nur stellvertretend für eine kulturelle Kompetenz, die auch die des Dichters sein könnte. Das geistige und ethische Potential des Menschen, die durch das Wort bewirkte kulturelle Machbarkeit, wird durch die technische, materielle verdrängt und überlagert wie im Gedicht das Minarett vom Schornstein und das vom Minarett aus dem Mund des Muezzins erschallende Wort durch den Rauch – also einem Abfallprodukt. Der Unterschied zwischen dem Fremden, wenn er sich der arabisch-islamischen Kultur bemächtigt, und dem Dichter, der ihr entstammt, wenn er sich seinerseits mit ihr auseinandersetzt, liegt auf der Hand: Jener sieht im Minarett einen Schornstein, ohne den eigentlichen Zweck zu ahnen, dieser hingegen versteht die außergewöhnliche Funktion dieses Bauwerks, steigt hinauf, stürzt den Muezzin der unglaubwürdig gewordenen religiösen Kultur hinunter (wie es Adonis in Die Gesänge Mihyars des Damaszeners tat) und spricht an Stelle des Muezzins aus einem erneuerten Geist. Der Dichter hält die kulturelle Funktion des „vom Turm herab Sprechens“, des Logos, für nützlicher als jede Fabrik und materielle Erfindung, wissend, daß dort, wo diese Funktion gewahrt ist, auch der Dichter noch eine besondere Rolle hat – womöglich die, die Heidegger vorschwebte, als er von Hölderlin sprach. Im Namen der Wahrung der Kulturtechnik, welche des Minaretts, der Kanzel, des Forums und anderer traditioneller Plätze des Sprechens – vielleicht auch des Parlaments? – bedarf, verwirft der Dichter die materielle Technik. Diese Technik, sehen wir, ersetzt die traditionellen „Sprech-Plätze“ durch „Talk-Shows“, also das Hören durch das Sehen, wie ja auch der Fremde das Minarett bloß optisch wahrnimmt und daran seine Funktion zu erkennen glaubt, weil es ihn an einen Schornstein erinnert, während seine eigentliche Funktion eine akkustische ist. Diese Unterscheidung zwischen Hören und Sehen, zwischen der Wahrnehmung der Welt als einer gehörten und einer bloß gesehenen ist sehr wichtig. Adonis entstammt einer alten Kultur des Wortes und damit des Hörens, eines Wortes, das auch der Muezzin vom Minarett herab verkündet. Diese Bedeutung des Wortes, von welcher ja auch die Poesie und die Dichtung zehren, will Adonis bewahren und verteidigen. Er, der sich in Die Gesänge Mihyars des Damaszeners so oft mit Odysseus verglich, segelt zwischen der Skylla der verworfenen eigenen Kultur und der Charybdis der ebenfalls kritisierten westlichen Kultur hindurch, indem er die Vision einer rein kulturellen Moderne heraus-arbeitet, einer Moderne, die ohne technische Kehrseite auskommt. Eine Moderne, anders gesagt, nur mit den Mitteln des Logos – also des Dichters −, nicht eine, die in die Materie eingreift und sich diese unterwerfen will.
Diese Idee erscheint uns vielleicht phantastisch, und in der Tat wurde sie im Okzident kaum je gedacht, weil sie zu keinem Zeitpunkt eine historische Gegebenheit war. Anders hingegen im Nahen Osten. Die historische Konstellation, aus welcher diese Idee, diese Vision, wie Adonis sie nennen würde, entspringt, ist eine sehr spezifische: Das ländliche Syrien in den dreißiger, vierziger, ja noch fünfziger Jahren war so traditionell wie Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende zuvor. Dort, in einem Dorf im Küstengebirge, verbrachte Adonis seine Kindheit und Jugend. Die rudimentäre Schulausbildung fand noch unter dem Baum in der Dorfmitte statt, weder gab es Elektrizität noch motorisierten Verkehr, der Vater war ein gebildeter, der Dichtung und dem unorthodoxen Sufismus aufgeschlossener schiitischer Imam. So traditionell dieses Leben im Alltag war, neue Ideen und vor allem einen ersten Eindruck von der modernen Literatur bekam Adonis in seiner Gymnasialzeit an der Mission laïque française in der beschaulichen syrischen Hafenstadt Tartus. Im Alter von siebzehn las er Baudelaire, aber nicht wie wir in den Haupt- und Vorstädten Europas, sondern wie Vergil ihn auf seinem Landsitz gelesen hätte, fern dem Weltgeschehen und etwaiger Zivilisation, fern aller Technik. Gemäß der Erfahrung, die Adonis in dieser Phase seines Lebens machte, waren die moderne Kultur und die Technik gänzlich unabhängig voneinander. Die technische Lebenswelt, die vom europäischen Epizentrum der Moderne aus betrachtet zur modernen Literatur untrennbar gehört, erschien angesichts dieser Erfahrung als eine überflüssige, unangenehme Nebensache. Die schönste Frucht der Moderne, nämlich die moderne Kultur, die Befreiung des Subjekts und des Begehrens, hatte ja, jedenfalls gemäß der Erfahrung von Adonis, auch ohne den Preis des Tauschs von Minarett gegen Schlot reifen können.
Um diese persönliche Erfahrung einer lediglich kulturellen Moderne zu objektivieren, begab sich Adonis seit Mitte der sechziger Jahre, in dem Moment, wo die Gedichte des vorliegenden Bandes einsetzen, in seinen theoretischen Schriften auf die Suche nach den Spuren einer arabisch-islamischen Moderne a priori, das heißt einer Moderne ohne Technik. Der forschende Blick auf die arabische Geistesgeschichte wendet sich sowohl gegen die eingangs erwähnte Gefahr der Verwestlichung wie auch gegen die der kulturellen, zumal der religiösen Reaktion. Adonis’ Suche beginnt mit dem, was er bei der Lektüre Baudelaires lernte; Baudelaire ist gleichsam der Kompaß, der den Weg zum Pol der Moderne in der eigenen Kultur weist. Derjenige Autor, zu dem Adonis geführt wird, ist ebenfalls kein Unbekannter, doch so, wie Adonis ihn liest, ist er noch nicht gelesen worden: der arabische Dichter Abu Nuwas (757-814). „Abu Nuwas ist der Baudelaire der Araber“, stellt Adonis emphatisch fest. Im Bagdad des achten und neunten Jahrhunderts verwirklicht sich in seinem Werk, von Adonis gelesen, die Moderne ohne Technik, die geistige Moderne ohne ihren technischen Unterbau. Da dieser fehlte, führten die Ansätze einer Moderne im Werk von Abu Nuwas (und anderen) nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung, sondern manifestierten sich im Lauf der islamischen Geschichte immer nur an Einzelgestalten, an immer neuen Orten und stets nur für wenige Jahrzehnte. Hinter diesen verstreuten historischen Einzelmanifestationen vermutet Adonis jedoch einen unterirdischen Strom, dessen wesentliche Ex-ponenten die islamische Gnosis (das bis zur Häresie extreme Schiitentum, dem Adonis als Alawit selber entstammt) und vor allem der Sufismus, die islamische Mystik sind. Und ähnlich wie Adonis in Abu Nuwas Baudelaire sich spiegeln sieht, entdeckt er im Sufismus Tendenzen, als deren Äquivalent in der Moderne der Surrealismus sich anzubieten scheint. Diese Unterströmungen – Dichtung, Gnosis, Sufismus – konstituieren die Moderne vor der Moderne in der arabischen Welt insofern, als sie ein radikal anderes, offenes Konzept des Islams und ein undogmatisches Menschenbild vertreten. Adonis betreibt also keine Kulturgeschichtsschreibung im eigentlichen Sinne, sondern möchte das Potential an Modernität in der Kultur wieder ins Bewußtsein bringen, über das der Orient durchaus verfügt, obwohl es vom religiösen Establishment, den reaktionären Kräften und ebenso von den Vertretern der rein äußerlichen, technischen Rezeption westlicher Errungenschaften verdrängt wurde.
Die dichterische Auslotung der geistigen Situation der Zeit und die Rebellion gegen die Werte des verlebten Mainstreams der arabisch-islamischen Kultur paarte sich dann im Lauf der sechziger Jahre auf fruchtbare Weise mit einer alternativen Rélecture des literarischen Erbes. Adonis entdeckt die eigene Tradition für sich und alle, die es hören wollten – regelrecht neu. Zur Verblüffung seiner Kritiker, die ihm vorwarfen, das eigene Erbe zu verraten, trat der revolutionäre, vermeintlich „unarabische“ Dichter nun als Kulturtheoretiker eben dieser zuvor in den Gedichten scheinbar verworfenen Kultur hervor, freilich mit einem sehr speziellen, auf sein eigenes dichterisches Schaffen bezogenen Ansatz. Diese Rélecture der arabischen Kultur, unerläßlich für das Verständnis von Adonis’ Werk bis in die jüngste Zeit, gipfelt in der ideengeschichtlichen Studie, die er 1973 unter dem Titel Das Statische und das Dynamische publizierte. Adonis formuliert darin theoretisch die Position, die er dichterisch mit den beiden in diesem Band übersetzten Lyriksammlungen umsetzt.
Adonis geht dabei aus von einer Dialektik derjenigen Kräfte in der arabisch-islamischen Geschichte, die auf Weiterentwicklung abzielen, und derjenigen, die möglichst unverändert das Althergebrachte fortsetzen wollen, Gemäß der Auffassung der Traditionalisten, wie Adonis sie schildert, besteht die einzige Aufgabe der Zukunft in der Bewahrung der Überlieferung. Treue zum Text der Offenbarung und zu den poetischen Verfahrensweisen der Vorfahren ist oberstes Gebot. Gemäß dieser Denkhaltung, so Adonis, wird jede schöpferische Kraft des Menschen abgeleugnet und der Mensch als unfähig gedacht, individuelle Erfahrungen von Wirklichkeit zu machen und sie in einer eigenen Sprache auszudrücken. Versucht er dies dennoch, so gilt er als Frevler und Ungläubiger. Ungewöhnliche und schwer verständliche sprachliche Gebilde gelten genau aus diesem Grund als verwerflich ganz so, wie die Dichtung von Adonis ihren konservativen Kritikern als verderblich erschien.
Die wichtigste geistige Gegenströmung gegen den Traditionalismus ist nach Adonis der Sufismus, die islamische Mystik. Im Gegensatz zu den Traditionalisten begreift der Mystiker, so Adonis, das Verhältnis des Menschen zu Gott als ein lebendiges und dynamisches. Die Mystiker suchen die Wahrheit nicht mehr in den Buchstaben der Texte, sondern in deren Geist, so daß der Text unendliche und verschiedenste Interpretationen zuläßt. Während die Traditionalisten, wie Adonis sie schildert, alles wörtlich nehmen, eignet der Offenbarung in der Perspektive der theologischen Erneuerer im Umkreis des Sufismus metaphorische Qualität. Der metaphorische Gebrauch der Sprache öffnet diese für neue, unerhörte Sinnwelten. Auch realisierten sich für den Mystiker die menschliche Existenz und das religiöse Heil nicht in der Gemeinde, im Kollektiv, sondern individuell durch die Hinwendung auf das eigene Innere, die im Idealfall in einen Dialog mit Gott einmündet. Durch das Denken einer Verschmelzung von Gott und Mensch, so Adonis, hat die Mystik dem Menschen das Bewußtsein zurückgegeben, ein frei handelndes, unabhängiges Wesen mit schöpferischen Kräften zu sein. Und als ein solches ist er in der Lage, eigene Erfahrungen in einer eigenen Sprache auszudrücken.
Gegen den Vorwurf der Verwestlichung konnte Adonis nun geltend machen, daß sich seine Dichtung keineswegs nur auf abendländische Vorbilder stützt, sondern daß es auch innerhalb der arabischen Kultur Strömungen gibt, aus denen sich sein poetisches Konzept herleiten läßt, nämlich den in der Lesart von Adonis dem Surrealismus verwandte Sufismus und auch manche innovative Dichtung der klassischen Epoche im islamischen Mittelalter zwischen dem 8. und dem 12. Jahrhundert. In seiner „Einführung in die arabische Dichtkunst“ von 1971 geht Adonis sogar noch einen Schritt weiter und sagt, daß das Problem der Moderne in der heutigen arabischen Welt ein Problem des Dialogs der Araber untereinander sei, nicht ein Problem der Auseinandersetzung mit dem Westen. Bezeichnet man die Moderne als Westimport, so handelt es sich um eine gefährliche Verkürzung, die darauf hinauslaufen könnte, sie als etwas Fremdes abzulehnen, obwohl sie tatsächlich seit jeher, zum Beispiel im Sufismus, der arabischen Welt zugehört. Die Araber, so könnte man als Fazit dieser Thesen schließen, haben also auch als Araber, als Muslime das Potential zur Modernität. Selbst wenn sie sich für die Moderne aussprechen, geben sie ihre kulturelle Identität damit nicht preis. Mit diesen Thesen, veranlaßt durch die Auseinandersetzungen, die seine Lyrik provozierte, ist Adonis zu einem der führenden Theoretiker der Moderne in der arabischen Kultur geworden, und vereinzelt sind seine Ansätze auch schon von Orientalisten aufgegriffen worden.
Die Geschichte mag lehren, daß Modernität im kulturellen Sinne nur durch einen technisch-wissenschaftlichen Unterbau, der die gesamte Gesellschaft beeinflußt, über längere Epochen Bestand haben kann. Die unnatürlich schnelle Rezeption der technischen Moderne in der islamischen Welt, die mehrere Jahrhunderte europäischer Entwicklung in wenigen Dezennien absorbieren mußte, hat zu einer fast ausschließlich auf die Technik beschränkten Modernerezeption geführt. Gegen diese einsinnige Wahrnehmung der westlichen Moderne richtet sich Adonis’ Kritik vorrangig: Sie ist nicht so sehr Fortschrittskritik als Kulturkritik. Adonis’ Absicht ist es daher auch nicht, die Technik abzuschaffen und die Schornsteine wieder aufzukaufen und in Minarette zurückzuverwandeln – dies wollen nicht einmal die Fundamentalisten, die übrigens sehr technikbegeistert, aber nicht gerade kulturbegeistert sind. Vielmehr geht es ihm darum, zu zeigen, daß die arabische Kultur die Moderne nicht importieren muß und daß die Moderne als Kultur – anders als die Fabriken – nichts Importiertes ist, sondern sich in den ältesten arabischen Texten findet und der islamischen Zivilisation als Möglichkeit inhärent ist. Die „fremden“, westlichen Leser werden ihrerseits aufgefordert, Adonis’ Erfahrung einer von der Technik unabhängigen Moderne in ihrem utopischen Potential anzuerkennen und sie in den Kanon, wie Moderne auch und anders gedacht werden kann aufzunehmen.
Die Vision einer anderen Moderne, die Adonis propagiert, hat jedoch zusätzlich eine poetologische Komponente. Sie betrifft die Aufgabe des Dichters und beantwortet die Frage, die Heidegger, einen Vers Hölderlins aufgreifend, am Eingang seines Aufsatzes stellt: „Und wozu Dichter in dürftiger Zeit?“ Die Dichter, wie Heidegger und in seiner Nachfolge Adonis sie sieht, sind die Fackelträger einer menschlichen Moderne in der von Heidegger so genannten „dürftigen Zeit der Weltnacht“. Die Dichtung von Adonis, ließe sich sagen, kämpft vor allem gegen die Gewöhnung, die uns, nach Heidegger, daran hindert, die „Durft der Zeit“ zu erfahren – wenn man Durft als Bedürfnis ebenso wie als Dürftigkeit versteht. Wenn wir nun die Meßlatte von Adonis’ Dichtung und ihres – an Hölderlin und Heidegger geschulten – Selbstverständnisses an die dürftige Zeit (die in dieser Deutung natürlich unsere ist) anlegen, so äußert sich deren Armut und Armseligkeit eben darin, daß Pathos und Vision unglaubwürdig, ja verächtlich geworden sind. Wir haben keine Utopien, weder gesellschaftspolitische noch religiöse, nicht einmal humanistische (allenfalls gentechnische), und wir verbinden mit der Dichtung keinen höheren Anspruch. Der Impuls, die Welt, in der wir leben, zu überschreiten, so muß es dem arabischen Dichter scheinen, existiert heutzutage im Westen nicht mehr. Vielleicht ist dies gut so und die Lehre, die man aus den verhängnisvollen Heilsversprechen der Ideologien des 20. Jahrhunderts gezogen hat. Dennoch ist es zum mindesten einseitig. Adonis, mit seinen ganz anderen Erfahrungen, hat den Mut zu dem Pathos, seine Vision einer menschlicheren Moderne in der Dichtung und in den Essays gegen die von ihm so erfahrene „Durft der Zeit“ zu vertreten. Er verteidigt die Notwendigkeit des Wortes und seiner traditionellen Medien – Poesie, Minarett, Forum, Parlament – vor der bloßen Nützlichkeitserwägung des Technikers, der alles, einschließlich des Menschen, in Rohstoff und Material verwandelt. Wie Adonis 1997 in einem Aufsatz geschrieben hat: „Die Kritik an den Zuständen der Welt genügt nicht mehr, vielmehr geht es darum, eine tiefgreifende Verbrüderung des Menschen mit dem Unbekannten und der Unendlichkeit des Seins zu begründen. Vor diese Aufgabe gestellt, schreitet die Kunst wie ein entbergendes Licht auf den Wegen der Wissenschaft und atmet auch die Technik die Luft der Kunst.“ Wenn dies die Utopie ist, die Adonis vertritt, kommt er zu uns freilich nicht aus der Zukunft, sondern vor allem aus einer anderen Weltgegend, mit Erfahrungen und Vorstellungen, die gerade hier, wo sie „aus der Welt“, ortlos, utopisch scheinen, besondere Aufmerksamkeit verdienten.
Stefan Weidner, Nachwort
gilt als der bedeutendste arabische Dichter unserer Zeit – ein moderner Klassiker, der es wie kein zweiter verseht, eine Synthese zu schaffen zwischen der großen Tradition der arabischen Dichtung und der modernen westlichen Lyrik. Gerade diese Polyphonie ist es, die Lesern verschiedener Herkunft den Zugang zu seinem Werk ermöglicht.
Adonis zeigt, dass der Orient sich durchaus für eine Moderne aussprechen kann, ohne seine kulturelle Identität preiszugeben, wie es die reaktionären Kräfte stets behaupten. Die alte arabische Tradition des Wortes und des Hörens, eines Wortes, das auch der Muezzin vom Minarett herab verkündet, will er bewahren und verteidigen.
Anstatt die Kultur des Westens zu übernehmen, gilt es, dem Westen abzuschauen, wie man die eigene Kultur von innen heraus kritisiert. Und so sind denn seine Verse eine poetische Kampfansage an das religiöse Establishment, die rückwärtsgewandten Kräfte und die Vertreter der rein äußerlichen, technischen Rezeption westlicher Errungenschaften.
Der zweite Band der Adonis-Werkausgabe Adonis im Amman Verlag enthält zwei der berühmtesten Langgedichte des Autors sowie zahlreiche kurze Gedichte aus den sechziger Jahren, die einen leichten Einstieg in das Werk ermöglichen.
Ammann Verlag, Klappentext, 2004
gilt Adonis als der bedeutendste arabische Lyriker unserer Zeit. Geboren wurde er unter dem Namen Ali Ahmed Said Esber in einem kleinen syrischen Dorf. Eine Episode aus seiner Jugend klingt wie „Tausendundeiner Nacht“ entnommen:
Mit 13 Jahren sagte der junge Poet dem durch die Provinz reisenden syrischen Präsidenten ein Gedicht auf. Das Staatsoberhaupt war derart begeistert, dass er ihm daraufhin seinen Wunsch nach einer Ausbildung an einem französischen Gymnasium erfüllte.
Heute ist Adonis ein Grenzgänger zwischen Orient und Okzident. Er gilt als Wegbereiter einer modernen arabischen Dichtung, die sich in Form und Stil mutig weiterentwickelt, ohne dabei ihre Wurzeln zu vergessen. Adonis zeige, „dass der Orient sich durchaus für eine Moderne aussprechen kann, ohne seine kulturelle Identität preiszugeben,“ beschreibt der Schweizer Ammann Verlag die Leistung seines Autoren. „Die alte arabische Tradition des Wortes und des Hörens, eines Wortes, das auch der Muezzin vom Minarett herab verkündet, will er bewahren und verteidigen. Anstatt die Kultur des Westens zu übernehmen, gilt es, dem Westen abzuschauen, wie man die eigene Kultur von innen heraus kritisiert. Und so sind denn seine Verse eine poetische Kampfansage an das religiöse Establishment, die rückwärtsgewandten Kräfte und die Vertreter der rein äußerlichen, technischen Rezeption westlicher Errungenschaften.“
Zu seinen wichtigsten Werken zählt Die Gesänge Mihyars des Damaszeners (1961), das 1998 in deutscher Übersetzung erschien. Seit Jahren wird er als Kandidat für den Literatur-Nobelpreis gehandelt. Beeindruckend ist sein aus dem Jahr 1971 stammendes Werk Ein Grab für New York, das als lyrische Vorausahnung des 11. September gedeutet wird.
Focus, 1.10.2004
− Adonis und Abdelwahab Meddeb sind die spirituellen Nomaden der arabischen Lyrik. −
Wir säkularisierten Geister sind misstrauisch geworden gegenüber allen göttlichen Worten und dichterischen Offenbarungen. Das messianische Erlösungsversprechen, das uns die monotheistischen Religionen zumuten, hat zu viele Ernüchterungen hinnehmen müssen, als dass wir uns davon noch enthusiasmieren lassen könnten. Auch der Glaube an die Selbsttranszendierungen der Dichter ist ziemlich abgebröckelt. Das markiert einen ersten Unterschied zur arabischen Welt: Dort gilt die Rezitation des Koran nach wie vor nicht nur als der stärkste Gottesbeweis, sondern auch als Gipfelpunkt poetischer Ausdruckskraft.
Der deutsch-iranische Autor Navid Kermani hat in einem faszinierenden Essay auf den engen Zusammenhang von göttlicher Offenbarung und Poesie hingewiesen. Kermani erzählt hier die aufschlussreiche Anekdote vom frühmittelalterlichen Dichterkönig Labid ibn Rabia, der im dichterischen Fernduell mit dem Propheten Mohammed jämmerlich unterlag. Labid ibn Rabia ließ sich im Bewusstsein des sicheren Triumphes dazu herab, Verse des damals noch als obskurem Gaukler verschrienen Mohammed zu rezitieren. Überwältigt von der Schönheit der Koran-Verse, so erzählt die Legende, bekannte sich Labid ibn Rabia noch an Ort und Stelle zum Islam. Dieser Glaube an die unüberbietbare poetische Wirkungskraft des Korans stellte jeden arabischen Dichter bis ins 20. Jahrhundert hinein vor eine Zerreißprobe: Jeder Verfasser eines Gedichts setzte sich in unmittelbare poetische Konkurrenz zum Koran – und riskierte es, für dieses potenziell frevlerische Verhalten der Häresie bezichtigt zu werden.
Zu einem ersten folgenreichen Zusammenstoß der traditionell religiös eingebundenen Dichtung mit den Form- und Bild-Vorstellungen der westlichen Moderne kam es im Jahr 1947, in dem sich – folgt man dem aus Syrien stammenden Dichter und Übersetzer Suleman Taufiq – „die Geburtsstunde der modernen arabischen Lyrik“ vollzogen hat. Zwei irakische Dichter, Nazik Al-Malaeka und Badr Shakir As-Sayyab, riskierten es, von den festen metrischen Vorgaben der Tradition abzuweichen und erstmals Gedichte in freien Rhythmen und lockeren Reimmustern vorzulegen. Als sich dann 1956 in Beirut, dem neuen liberalen Zentrum der arabischen Welt, die jungen Dichter Adonis, Fuad Rifka und Yusuf Al-Khal zur Gründung der Zeitschrift Schiir (Poesie) trafen, begann jene Gratwanderung in die Moderne, die bis heute in der arabischen Welt die heftigsten Diskussionen provoziert.
Die leidenschaftlichste Auseinandersetzung mit den eigenen geistigen Wurzeln führt dabei der mittlerweile 73-jährige syrisch-libanesische Dichter Adonis, der seinen Begriff von Poesie aus dem fortdauernden Nomadisieren zwischen orientalen und okzidentalen Denkfiguren entwickelt hat. In seinem Frühwerk noch auf „die Umwertung aller (islamischen) Werte“ bedacht, sucht er in späteren Werken seine Vision einer anderen Moderne zu differenzieren. Die Portalfiguren des antiken Mythos, Gestalten wie Odysseus, Sisyphos oder Orpheus, sollen mit den Urszenen und Grundmotiven der arabischen Kultur in symbiotische Zusammenhänge gebracht werden. Zur geistigen Grundausstattung seiner eigenen Poesie gehört dann eben nicht nur der emphatische Bezug auf Nietzsche, Hölderlin, Rilke und Heidegger(!), sondern eben auch die Adaption der islamischen Mystik, des sogenannten Sufismus.
In einem kleinen Apercu hat Adonis seine Wanderungen zwischen arabischer und westlicher Poesie, zwischen dem monologischen Gedicht des westlichen Symbolismus, und der hymnischen Rezitation der traditionellen arabischen Poesie, lakonisch zusammengefasst: „Abu Nawas ist der Baudelaire der Araber“. Der mittelalterliche arabische Poet Abu Nawas (757-814) gilt auch für andere „westöstliche“ Weltpoeten, wie etwa den in Paris lebenden Tunesier Abdelwahab Meddeb, als Ikone einer kosmopolitischen Dichtkunst. Dass diese Gratwanderung zwischen Orient und Okzident nicht immer von hellen Visionen getragen ist, demonstriert ein Adonis-Gedicht in der von Suleman Taufiq herausgegebenen Anthologie Neue Arabische Lyrik. In fast ostentativer Negation des Goetheschen Versöhnungsbilds vom „westöstlichen“ Dialog betont Adonis in seinem Gedicht Der Westen und der Osten die kulturellen Trennungslinien und Feindseligkeiten zwischen den Welten:
Etwas dehnte sich im Tunnel der Geschichte,
etwas Geschmücktes und Vermintes,
es trug sein von Öl vergiftetes Kind,
ein vergifteter Händler besang es.
Es war der Osten, der wie ein Kind fragte
und nach Hilfe rief,
und der Westen war sein unfehlbarer alter Weiser.
Diese Landkarte wurde geändert,
denn die Welt ist ein Brand.
Der Osten und der Westen sind ein einziges
Grab, aus seiner eigenen Asche gemacht…
Das Langgedicht Ein Grab für New York, das im neuen Adonis-Band (Teil 2 der Werkausgabe) enthalten ist, nimmt dieses Todesbild vom „Grab“ wieder auf – um daraus eine Untergangsvision für die Metropole der westlichen Welt zu formen. Die weit ausgreifende, an Walt Whitman, den Pionier der amerikanischen Moderne anknüpfende Suchbewegung des Gedichts ist im Gestus den berühmten Verspoemen Hart Cranes (The Bridge) oder Ezra Pounds (Cantos) durchaus verwandt. Man kann diese mal hymnische, mal ironisch gebrochene Beschwörung der schwer versehrten Metropole durchaus als Vorahnung des denkwürdigen 11. September lesen: „Zerbröckele, o Freiheitsstatue, o ihr Nägel, die mit einer Kennerschaft in die Brust getrieben sind, welche die Weisheit der Rose nachahmt. Der Wind weht ein zweites Mal aus dem Osten, er entwurzelt die Wolkenkratzer ebenso wie die Zelte.“…
ist der 1930 geborene Syrer Adonis, mit dem die dtv-Anthologie eröffnet wird und dem dank einer zweibändigen Werkausgabe im renommierten Schweizer Ammann Verlag der Ruf eines modernen Klassikers vorauseilt. Kein Lyrikfestival europaweit ohne Adonis, der in Paris studierte und in seiner Heimat für die Modernisierung der klassischen Gedichtsprache durch Rückgriff auf mittelalterliche arabische Denker und Dichter heftig kritisiert wurde. Es mag unfair klingen, aber was hier im Zeichen gehobener Kulturkritik als Weltdichtung verkauft wird, ist, gelinde gesagt, Kitsch, Rosenwasser aus den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts.
Diese postheideggerianische Lyrik – Hölderlin, Heidegger und Nietzsche sind Adonis’ Hausgötter – zitiert haufenweise Arabismen herbei, die Welt der Moderne und der Technik wird in eine mit viel Asche überzuckerte Apokalpyse versetzt, dazu kommt noch glühende Liebesleidenschaft. Adonis beherrscht dabei religiös verbrämte Ornamentik und einen knappen brechtischen Ton gleichermaßen. In einem seiner berühmtesten Gedichte heißt es:
Das Minarett weinte
Als der Fremde kam
Es kaufte ohne Not
Und baute drauf einen Schlot.
Der Gedichtband mit dem nach dem 11. September 2001 gleichsam prophetischen Titel Ein Grab für New York ist weniger hellseherisch als vielmehr eine solide Spielart amerikanischer Lyrik der Seventies, kurz: ein aus den USA importierter Rimbaud, der nach Syrien versetzt wurde. Das klingt dann folgendermaßen:
Meine Heimat verfolgt mich wie ein Fluss aus Blut die Stirn der Zivilisation ist schlammiger Grund Moos ich sammelte Kronen schlüpfte in Lampen Damaskus war verliebt Bagdad verging vor Sehnsucht das Schwert der Geschichte zerbricht im Antlitz meines Landes wer ist der Brand wer ist die Flut?
Tahar Bel Jelloun, der große französische Romancier marokkanischer Herkunft, hat kürzlich in der Zeit gegen die Auswahl der in Frankfurt vorgestellten arabischen Autoren gewettert und mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Lyrik in der arabischen Welt empfohlen, man solle lieber die Dichter lesen. Dabei muss es sich um andere handeln als die bislang ins Deutsche übersetzten.
Erich Klein, Falter, 6.10.2004
− In seinen Gedichten beschwört Adonis eine Welt in Flammen. −
Der Sprecher meldet sich aus dem Zentrum von Manhattan. „Ich vernehme eine Erschütterung“, ruft er, „einen Einschlag.“ Es ist der Augenblick, in dem „der jähe Donnerschlag, der Blitz der Gewalt“ die Wolkenkratzer entwurzelt, in dem die Stadt in Flammen steht, in dem eine entsetzliche „Wolke, die sich mit Feuer schmückt“, nichts als „Millionen zerfetzter Glieder“ hinterläßt. Es ist der Augenblick, in dem revolutionäre Stimmen verkünden: „Wir bereiten den dritten Weltkrieg vor“ und die Ratten Beiruts „auf der Seide des Weißen Hauses einherstolzieren.“ Es ist der Augenblick, in dem „Menschen, die keine andere Geschichte haben als das Feuer“, die Welthauptstadt in Schutt und Asche legen. Es ist der 15. Mai des Jahres 1971. Ein Tag, an dem in New York nichts Besonderes geschah, außer daß Adonis ein langes Gedicht beendete.
Längst ist der heute vierundsiebzigjährige, in Paris lebende Ali Ahmad Esber, der sich in Anspielung auf einen orientalischen Mythos „Adonis“ nennt, der meistgerühmte und meistgelesene Dichter der arabischen Welt geworden. Und noch immer ist Ein Grab für New York, das er in jenem Mai schrieb, sein bekanntestes und empörendstes Gedicht. Dreizehn Seiten lang, im Wechsel von Langversen und hymnischer Prosa, beschwört es in Bildern, die man wohl visionär nennen muß, und im gebrochenen Pathos einer unheimlich kontrollierten Ekstase den Untergang einer Weltmetropole, eine Apokalypse des Westens unter den Angriffen der „Dritten Welt“.
Die Gratwanderung dieser Verse zwischen Legitimation der Gewalt und Trauer über ihre Konsequenzen ist so atemberaubend wie ihre Aktualität. Adonis gibt den Verzweifelten, den Attentätern und Desperados seine Stimme, er identifiziert sich mit ihnen und gewinnt eben daraus wieder zweifelnde, verzweifelte Distanz. „Ich bin euch nicht fremd“, sagt er zu den Einwohnern Harlems, „ich kenne euren Haß, kenne sein köstliches Brot.“ Im harten Licht dieser Verse aber wird eine Schrift an der Wand sichtbar, die in zynischer Bitterkeit feststellt: „Die Ordnung, auf der die Welt ruht, beginnt mit dem Brudermord.“
Das Gedicht schildert einen Gang durch die Stadt, zwischen Harlem und Lincoln Center, als einen Weg durch die Geschichte kolonialer und imperialer Kriege. Von Nixons nicht endendem Krieg in Vietnam ist die Rede, von Palästina und Hanoi, Mao und Moshe Dayan. In Harlem beobachtet der Wanderer den Haß der Schwarzen auf die Juden, dann den Haß der Schwarzen auf die Araber, dann den Haß der Weißen auf die Schwarzen. Und im Rückblick auf die Welt der eigenen Herkunft sieht er „die arabische Geschichte als Gaul, der seine Hufe nachzieht“, als eine in autoritären Traditionen erstarrte Zivilisation. Nicht die Auseinandersetzung mit dem Westen sei das Hauptproblem der Araber, hat der Antiislamist Adonis im selben Jahr 1971 geschrieben, sondern die Auseinandersetzung mit den eigenen Traditionen.
New York zeigt sich seinem Blick als eine Weltstadt, der die Welt gehört, von Afrika bis Asien, und in der diese Welt feilgeboten wird – und als die Stadt, in der noch immer die friedfertigen Stimmen Abraham Lincolns und Walt Whitmans umgehen. „Whitman oder Wall Street“, lautet seine rabiate Alternative. Wie das Gedicht des Adonis immer von neuem die eigene prophetische Rolle hinübergleiten läßt in die des amerikanischen Visionärs: Das beleuchtet schlaglichtartig die Ausnahmestellung dieses Dichters in der arabischen Poesie.
Die Suche nach einer eigenständigen arabischen Moderne, nach einer radikalen Befreiung des Individuums aus den Fesseln der Traditionen, die Adonis auch im Gespräch mit dieser Zeitung proklamiert hat (F.A.Z. vom 29. Juli 2002): Sie ist geboren aus einer Verschmelzung von archaischer Mystik und westlichem Vitalismus, von Existentialphilosophie und Romantik. Von Nietzsche und Hölderlin, Rilke und Heidegger aus hat Adonis die arabische Tradition neu und gegen den Strich gelesen; unablässig hat er sich bemüht, im scheinbar Festgefügten die verdrängte Vielstimmigkeit und Heterogenität wiederzuentdecken. Wenn er den Dichter Abu Nawas, der um 800 schrieb, geradezu den „Baudelaire der Araber“ genannt hat, dann war auch das als Provokation in beiden Richtungen gemeint.
Hier, in diesen Gedichten der mittleren Werkphase, durchdringen sich folgerichtig islamische und griechische Mythen, Orpheus und Zaryab; Bonnefoy und Kavafis begegnen dem Propheten, und Abu al-Ala tritt neben Walt Whitman. Schon der vor sechs Jahren erschienene Band Die Gesänge Mihyârs des Damaszeners, der die frühe Dichtung des Adonis sammelte, hat diese schwierige Suche nach einer anderen Moderne dokumentiert. Jetzt, im zweiten Band der Werkausgabe, tritt das durchaus riskante romantische Potential dieser Suche unübersehbar hervor. So revolutionär ihr Gestus erscheint, so traditionell bleibt ihre Utopie einer herrschaftsfreien, vorindustriellen Welt befreiter Natur; unter den hier versammelten Texten findet sich auch der vielzitierte Dreizeiler vom Minarett, das „der Fremde“ kauft und zum Fabrikschornstein umbaut. Und nicht weit entfernt steht die Selbstbestimmung des heterodoxen Dichters als eines Sängers und Hörers „eines Wortes“, das immer unsagbar bleibt und an dem sich alles bemißt: „Neben diesem Wort sind wir alle Trugbild oder Lehm.“
Es sind Gesänge von Hybris und Nemesis, die hier angestimmt werden, von Gewalt und Gegengewalt. Fortwährend befragen die Gedichte darum auch jene Haßliebe, der sie selber entspringen: „ich schreibe dich nieder und radiere dich aus“, redet der Wanderer die Stadt New York an, „heiß, kalt, ein Zwischending“. Die Untergangsvisionen, die Adonis entwirft, sind keine Wunsch-, sondern Albträume; ihre Klage wird zur Anklage gegen alle, die „die Gewohnheit zu sprechen gegen die Gewohnheit des Gestikulierens eingetauscht haben“. Der einzig ungebrochene Aufruf zur revolutionären Tat artikuliert sich hier als Aufruf zum neuen Umgang mit der Sprache: „Schreibt – vom Atlantik bis zum Persischen Golf höre ich keinen Laut, lese ich kein Wort. Ich höre Geschrei. Deshalb merke ich nicht, wer das Feuer wirft.“
Spätestens mit diesen Gedichten wurde Adonis zum Abtrünnigen jeder Fraktion. Und ebendeshalb sind sie in der arabischen Welt so weit verbreitet (und so oft von den Herrschenden verboten). Eben weil sie alle ideologischen Stützen und Leitern umstießen, fanden ideologisch heimatlose Intellektuelle in ihnen einen Halt. Mit ihrem gewaltigen Pathos und ihrem fast lautlosen Schmerz verteidigen diese Verse einen verlorenen Posten. „Dies ist mein Name“, das andere berühmte Langgedicht jener Jahre, das nach langwierigen Umarbeitungen ebenfalls 1971 erschien, unternimmt diese paradoxe Positionsbestimmung mit westöstlicher Vehemenz.
Wenn sich die Stimme jenes namenlosen Ich, das hier im Prophetenton spricht, als zerstörende Flamme ausgibt und als Wandernder ohne Ziel, und wenn sie verkündet: „Meine Wüste wächst“: Dann wird neben dem islamischen Erzketzer al-Mutanabbi der christliche Erzketzer Nietzsche hörbar, dann mischt sich der arabische Gesang mit den Dionysos-Dithyramben. Auch hier überlagern sich Visionen von Ohnmacht und Allmacht, wechseln apokalyptische Szenerien abrupt mit Bildern von intimer Zartheit und tönt ein „Weinen im Herzen der Welt“. Die unio mystica, die das Gedicht umkreist, findet in aller bisherigen Geschichte keinen Raum, auch nicht in den religiösen Institutionen von West und Ost – „ich sehe die Moschee und die Kirche beide als Henker“. Als Ziel dieser Verse erscheint eine Utopie, deren Vorschein nur im Augenblick des Gedichts zu ahnen ist. Die arabische Moderne, die Adonis hier beschwört und nachholend praktizieren will: Sie trägt die überdeutlichen Züge (und die Lasten) dessen, was in der westeuropäischen Nietzsche-Nachfolge zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts „Expressionismus“ hieß.
Der pünktlich zum Arabien-Schwerpunkt der Buchmesse erschienene, abermals von Stefan Weidner übersetzte und kommentierte Band enthält neben den monumentalen Langgedichten auch eine umfangreiche Auswahl der kürzeren Lyrik jener Jahre – von der „Farbe des Wassers“ über zarte erotische Gedichte bis zu den „Liedern für Timur“, der hier wie in Goethes Diwan als Verkörperung hybrider Gewalt erscheint. Hier, in einem der kurzen Gedichte, liest man nun unter der Überschrift „Orient und Okzident“ ein denkbar knappes Resümee seines Lebensthemas, das seither zum Thema der Weltpolitik geworden ist:
Die Landkarte hat sich geändert
Nun ist die Welt entflammt
Und Orient wie Okzident
Sind ein Grab, aufgehäuft
Aus beider Asche.
Es war keine Zustandsbeschreibung, was Adonis da formulierte, sondern die Vision einer Zukunft, in der das Grab für New York auch ein Grab geworden sein könnte für Dhahran oder Kirkuk. Tatsächlich auch diese Ortsnamen sind hier beiläufig zu lesen – Namen, die nur wenigen westlichen Lesern etwas bedeutet hätten im Jahr 1971. Es sind unsere Gedichte, die Adonis damals schrieb. Wir hätten sie lesen sollen, solange noch Zeit war.
− Ein Grab für New York des Universalpoeten und Ketzers Adonis. −
„Dies ist mein Name“: Ein solch stolzer Gestus der Verkündung ist uns im auf- und abgeklärten Abendland fremd geworden. Und der 74-jährige syrisch-libanesische Dichter Adonis, ein kleiner Mann, der zu seinen eindrücklichen Lesungen weltweit in hellen wallenden Gewändern erscheint, setzt nach: „Fähig zu verwandeln: Mine für die Zivilisation – dies ist mein Name.“ Adonis, das ist der Name des phönizischen Fruchtbarkeitsgottes, den sich der syrische Bauernsohn Ali Ahmad Said Esbir nach seiner märchenhaften Entdeckung durch den Staatspräsidenten gab; der 14-Jährige durfte ihm ein Gedicht vortragen und wurde prompt mit einer Schulausbildung belohnt. Später zog er ins liberale Beirut und gehörte zu den Gründern der legendären avantgardistischen Literaturzeitschrift Shi’r („Dichtung“). Er nahm die libanesische Staatsbürgerschaft an, bis ihn der Bürgerkrieg aus dem Land der Zedern nach Paris vertrieb. Eine „Mine für die Zivilisation“ stellt Adonis für fundamentalistische Regimes wie Saudi-Arabien dar, das ihn mit einem Einreiseverbot belegte.
Irritiert und fast ein wenig neidvoll reagieren wir gemeinhin auf die betäubende metaphorische Blütenfülle der arabischen Dichtkunst, auf den ungebrochenen Glauben an die Selbst- und Weltschöpfung durch Poesie, wie sie hierzulande zuletzt im Expressionismus propagiert wurde. „Die Tinte ist mir Kronsaal und Grab“, bekennt Adonis, der stolze und graziöse Demiurg, in „Spiegel für einen schwarzen Schlitten“. Die Dichtung bildet seit über 1500 Jahren den „Diwan“ der 200 Millionen Araber, ihr eigentliches kulturelles Gedächtnis. Der klassische Kassidenstil ist für sie bis heute lesbar und lebendig, dichterische Symbole wie die emsig angerufene Rose blieben taufrisch. Auf westliche Leser wirkt dieses unhinterfragte Pathos – auch in den Liebesgedichten Adonis’ – antiquiert bis befremdlich. Von einer Wertschätzung der Poesie, die an Besessenheit grenzt, spricht der Orientalist Stefan Weidner. Mit dem langerwarteten zweiten Band der Adonis-Werkausgabe präsentiert er dessen berühmteste Werke aus den Jahren 1965 bis 1971 erstmals gesammelt auf Deutsch.
Adonis gehört zu den fortschrittlich gesinnten arabischen Autoren wie Abdelwahab Meddeb (Die Krankheit des Islam), die sich auf die Tradition des Sufismus berufen. Unorthodoxe islamische Mystiker des Mittelalters wie al-Halladj oder Ibn Arabi verbreiteten ein lebendiges, dynamisches Verhältnis zu Gott. In konservativen Kreisen werden sie nach wie vor als Häretiker verteufelt. So steht der Universalpoet Adonis zwischen zwei Fronten: dem islamischen Fundamentalismus und dem westlichen Rationalismus, dessen Technikgläubigkeit er beredt verurteilt. Adonis erweitert seine „Vision einer anderen Moderne“ (Stefan Weidner) auf Nietzsches dionysisches Weltbild und auf Hölderlin, den er mit Heidegger als Seher und „Vor-Gänger in dürftiger Zeit“ begreift.
Im Stil der Free-Verse-Lyrik, der einen Bruch mit der traditionellen hocharabischen Poesie bei gleichzeitiger Übernahme ihrer Metaphorik bedeutet, durchschreitet Adonis die großen Menschheitsthemen wie den kulturellen Konflikt zwischen Ost und West:
Doch die Landkarte hat sich geändert
Nun ist die Welt entflammt
Und Orient wie Okzident
Sind ein Grab, aufgehäuft
Aus beider Asche.
Viele seiner Gedichte tragen die Metapher „Spiegel“ im Titel, so wie für die Mystiker der „reine“ Mensch den klarsten Spiegel Gottes darstellte. Aber auch dem „Leichnam des Herbstes“ kann ein Gedicht als Spiegel vorgehalten werden, in einer Lyrik, die traditionell kaum Naturbeschreibungen kennt, sondern eher den Weg nach innen, ins Spirituelle, weist:
Hast du die Frau gesehen
Die die Leiche des Herbstes trug?
Sie mischte ihr Antlitz mit dem Pflaster der Straße
Und wob aus den Fäden des Regens ihr Kleid
Die Menschheit
In der Asche der Straße
war ein erloschener Scheit.
Tod, Asche, Grab: Diese Begriffe sind als beunruhigender Schatten allgegenwärtig. Allein durch seinen Titel aber frappiert das zehnteilige Langgedicht Ein Grab für New York. Es steht in der Tradition Walt Whitmans, dem mehrfach Tribut gezollt wird, erneut in einer Verkündigungsgeste: „I speak the password primeval – ich spreche das Passwort des Ursprungs“. Adonis wurde zu diesem singulären, in seiner Bildersprache schwindelerregenden Zyklus durch eine Amerika-Reise 1971 inspiriert, dreißig Jahre vor dem 11. September 2001. Wie düstere Prophetie lesen sich Strophen wie: „Zerbröckele, o Freiheitsstatue, o ihr Nägel, die mit einer Kennerschaft in die Brust getrieben sind, welche die Weisheit der Rose nachahmt. Der Wind weht ein zweites Mal aus dem Osten, er entwurzelt die Wolkenkratzer ebenso wie die Zelte.“
Adonis spricht vom „amerikanischen Jahrhundert“, in dessen geistigem und ökonomischem Herzen die Menschen „wie Pflanzen in gläsernen Gärten leben, Elende, unsichtbar, die wie Staub in das Gewebe der Leere getaucht sind – Opfer, zu Spiralen verzerrt“. Selbst die Sonne über Manhattan ist gegen eine „elektronische Orange“ ausgetauscht. Adonis stellt seinen überbordenden surrealistischen Bilderstrom aber nicht in den Dienst eines schlichten Minderwertigkeitskomplexes gegenüber dem „kalten“ Westen und seiner Vorherrschaft, auch wenn er die arabische Geschichte als Gaul beschreibt, der seine Hufe nachzieht. Aktueller denn je benennt Adonis die Urgründe berechtigter anti-westlicher Ressentiments. Doch nicht Hass, sondern eine tiefe Verwundung und die Trauer über den Verlust der Humanität durchziehen dieses homerische Opus.
− Ein Besuch bei dem arabischen Lyriker Adonis im 35. Stockwerk eines Pariser Wolkenkratzers. −
Es ist ein heißer Tag in Paris. Die Schule hat wieder angefangen. Die Nation sorgt sich um die französischen Journalisten, die im Irak ihr Leben verlieren sollen wegen ein paar hunderttausend Kopftüchern, die an diesem ersten Schultag in Frankreich zum ersten Mal nicht mehr im Unterricht getragen werden dürfen. Ich bin auf dem Weg zu Adonis, dem bedeutendsten arabischen Lyriker unserer Zeit. Gestern war er noch in Beirut, nächste Woche wird er in New York sein. Heute empfängt er mich im 35. Stockwerk eines Hochhauses in der Glas- und Betonödnis La Défense, vor den Toren von Paris. Zehn Quadratmeter, ein Tisch, ein Bett, ein Stuhl, ein Fenster zum Himmel, draußen nichts als Hochhäuser, die sich in Hochhäusern spiegeln, tief unten, in Käfergröße, die französische Geschäftswelt. Ein Versteck im Herzen der westlichen Wüste, eine Arbeitshöhle, so heißt es in einem seiner Gedichte, die „zwischen Leere und Leere schaukelt“.
An der Tür, am Ende eines lichtlosen Flurs, ein handgeschriebener Zettel: Adonis. Was, um Allahs willen, möchte man fragen, hat ihn hierher geführt? Zunächst allerdings komme ich überhaupt nicht zu Wort. Das Telefon klingelt ununterbrochen, Anrufe aus Rom, aus den USA, man spricht Arabisch, es geht um Frankfurt, um Montadori, um New York. Wie kommt es eigentlich, möchte man fragen, dass beinahe alle bedeutenden arabischen Schriftsteller im Westen leben? Sag mir, wo ist dein Stern?, heißt es in dem legendären Gedichtzyklus Ein Grab für New York, der zur Frankfurter Buchmesse als zweiter Band der Adonis-Werkausgabe in der Übertragung von Stefan Weidner im Ammann Verlag erschienen ist.
Als das Telefon endlich schweigt, frage ich den Dichter nach seiner Mutter. Seine Mutter, sagt er, sei Teil der Natur. Seine Mutter verstehe die Welt wie ein Baum, sie könne weder lesen noch schreiben, aber sie lese die Welt mit ihren Augen, ihren Ohren, ihrem Atem. Sie sei ein Teil der Sonne, ein Teil der Luft, ein Teil des Horizontes. Für sie habe sich nie irgendetwas verändert. Das Wort „Schwierigkeit“ komme in ihrem Leben überhaupt nicht vor. Das sei ein moderner Begriff. In wenigen Wochen werde seine Mutter 100 Jahre alt.
Hier oben, im 35. Stockwerk, kann man sich eine Mutter als Baum nicht ohne weiteres vorstellen. Adonis, der bei seiner Geburt am 1. Januar 1930 in dem kleinen syrischen Dorf Kassâbin noch Ali Ahmad Sa’îd hieß, hat in seinem 74-jährigen Leben tausend Jahre menschlicher Geschichte durchquert. Als Kind habe er sich gefühlt wie ein Stein, wie eine Quelle. Auf dem Stern seiner Kindheit gab es kein fließendes Wasser, keinen Strom, keine Technik, keine Autos. Der Unterricht für die Kinder fand auf der Erde unter einem großen Baum statt. Es gab weder Hunger noch Überfluss. Wenn es kein Fleisch gab, gab es Früchte, wenn es keine Früchte gab, gab es Kräuter. Geld spielte keine Rolle, man aß, was man pflanzte. Der Vater schrieb Gedichte, der Sohn konnte die klassische arabische Literatur auswendig, bevor er sie zu lesen vermochte. Ob seine Kindheit ein verlorenes Paradies sei? Der Blick schweift über die Hochhäuser, sein Leben, sagt Adonis, sei ein Zwiegespräch zwischen dem leuchtenden Punkt der Vergangenheit und dem, was noch nicht existiert. Warum er nicht mehr ein Stein unter einem Baum, sondern ein Dichter in einem Hochhaus sei, der von Steinen und Bäumen dichte, das allerdings könne er mir mit letzter Genauigkeit auch nicht sagen. Obwohl seine Gedichte immer wieder davon singen:
Ich verstecke mich hinter dem Rätsel, ich verkrieche
mich unter das Gewand der Jahreszeiten und flüstere
durch seine Schlitze. Ich gebe meinen Schritten ihre
Gestalt und sage dem Meer: folge mir.
Die Bäume sind Blätter in meinen Heften, und die
Steine sind Gedichte wie ich.
Ich ziehe dem Horizont die Haut ab, bis er blutet
und fließt. Ich fliege zwischen Wunde und Wunde hin
und her.
Das hat Adonis 1961, lange bevor er zum hin- und herfliegenden Dichter zwischen Wunde und Wunde, zwischen Orient und Okzident, geworden ist, bei einem Studienaufenthalt in Paris gedichtet. Die Gesänge Mihâyrs des Damaszeners – die für den westlichen Leser in einer überindividuellen magischen Bildwelt zu wurzeln scheinen – haben seinerzeit in der arabischen Heimat wegen ihrer modernen und nietzscheanischen Tonlage Furore gemacht. „Ich war visionär. Ich wollte die Welt, aus der ich komme, neu erschaffen.“ Wozu sonst dichten? „Wer die Welt nicht jeden Tag neu erschafft, ist trivial, repetitiv, mechanisch.“
Damals lebte er in Beirut, war frisch verheiratet mit der Literaturkritikerin Khâlida Sâlih, gab eine eigene Zeitschrift heraus, wurde Vater zweier kleiner Töchter, dichtete, unterrichtete. Es war die Zeit seiner „zweiten Geburt“. Die Zeit zwischen der Stein- und der Hochhauszeit. Die Steinzeit hatte ein sehr poetisches Ende genommen: Der 13-jährige Dichter trägt dem syrischen Präsidenten ein Gedicht vor und darf daraufhin – Was wünschst du dir, mein Sohn? – ein französisches Internat in Syrien besuchen. Die Beiruter Zeit endet mit den Bomben der israelischen Armee. Viermal sei er ausgebombt worden, wieder einmal ohne Wasser, ohne Strom. 1986 geht die Familie nach Paris. In den Westen? Dahin, wo der Mond eine Schale ist, die aus dem Fenster geworfen wird, und die Sonne eine elektronische Orange? Dahin, wo die Zivilisation auf allen vieren kriecht, wo die Herzen mit Schwämmen ausgestopft sind, wo der Tag und die Nacht zum Verkauf stehen, wo jede Wand ein Friedhof ist? Das hat er doch über den Westen gedichtet, wie man nun auch auf Deutsch unbedingt lesen sollte in dem grandiosen Band Ein Grab für New York!
Darauf hat Adonis eine überaus merkwürdige Antwort: „Es gibt keinen Unterschied zwischen Orient und Okzident.“ Was immer uns Politiker, Ideologen oder Fundamentalisten weismachen wollten: Es sei eine einzige Welt, eine Kultur. Der Beweis: Zwischen dem altarabischen Dichter Abu-Nuwas (757 bis 814) und Baudelaire gebe es keine Unterschiede, Abu l-Ala al Ma’arri (973 bis 1058) sei ein Vorläufer Rimbauds, Paul Klee eigentlich ein Araber, er selbst fühle sich Hölderlin, Celan und Goethe näher als den meisten arabischen Dichtern der Gegenwart. „Alle großen Künstler leben zusammen in einem einzigen großen Garten.“ Und die Bomben, die Toten, die Geiseln, die gerade um ihr Leben bangen? Der Orient, sagt Adonis, habe sich selbst verloren. Er sei noch westlicher als der Westen. Ziehe man von Beirut, von Kairo, von Damaskus alles Westliche ab, bleibe überhaupt nichts mehr übrig: „Den Materialismus zu imitieren ist schlimmer, als ihn zu erfinden.“ Ist also der Westen selbst da noch schuld, wo er angegriffen wird? Der Westen, sagt Adonis, hätte besser daran getan, den Orient in Heidegger und Baudelaire zu unterrichten als in Autos und Maschinen. „Man versucht den Menschen zu töten.“ Von einem kulturellen Engagement in der Dritten Welt könne kaum noch gesprochen werden. Europa selbst sei zu alt, um dem globalen Materialismus zu widerstehen: „Ihr werdet alles verlieren.“
Nein, nicht Schadenfreude, aber doch eine wilde Fröhlichkeit – Novalis sprach vom „schmetternden Witz der Verzweiflung“ –, ein sofort wieder an die Leine gelegtes glucksendes Lachen überfällt den Dichter manchmal aus heiterem Himmel. Er lebe bescheiden, im Abseits, im Herzen von Paris, „der Erde so nah wie möglich“, kein Fleisch, kein Fernsehen, kein Fast Food. Dennoch liebt er New York! Eine junge Stadt, die Stadt unserer Zeit! Liest man heute sein Gedicht über New York aus dem Jahr 1971, reibt man sich die Augen. Dort ist von Menschen die Rede, die wie Pflanzen in gläsernen Gärten leben und wie Staub in das Gewebe der Leere getaucht sind. Von Opfern, zu Spiralen verzerrt, von zwei Flügeln und einem Wind, der ein zweites Mal aus dem Osten weht und die Wolkenkratzer entwurzelt, von einem dritten Weltkrieg, der in Manhattan entfacht wird. Es ist, als hätte er den 11. September vorausgeahnt. Können Gedichte prophetisch sein?
Der Dichter weiß selbst nicht, wie er das hat wissen können. Es sei lange her, und die Vergangenheit interessiere ihn nicht. Vielleicht ist es so: Wer die Gegenwart tief versteht, kann wissen, was aus dieser Wirklichkeit emporsteigt. Adonis ist kein Dichter aus Empfindsamkeit oder lyrischem Wahrnehmungseifer. Gedichte sind für ihn mehr als nur der poetische Nachgeschmack der wirklichen Welt. Sie sind etwas viel Unbescheideneres, Unverschämteres: Sie sind Weltschöpfung.
In zahlreichen Essays – die bisher auf Deutsch im Oberbaumverlag in Übersetzungen vorliegen, die ihrerseits auf den französischen Übersetzungen fußen – hat Adonis seine Poetologie von der Durchlässigkeit des Gedichts auf das Kommende, das Unsichtbare entfaltet. Wie Mallarmé, der die Verse ganz von dem üblichen schmutzigen Tauschhandel zwischen Wort und Welt entlasten wollte und seine Hoffnung auf eine autonome wortmagische Dichtung setzte, spricht auch Adonis von absoluter Poesie. Die absolute Poesie verweigert den Dienst an der Wirklichkeit, versucht, eine „innere Sicht“ der Welt zu erlangen, ihre unsichtbare Seite – wie die von Adonis verehrten arabischen Mystiker sagten – „mit den Augen des Herzens“ zu sehen.
Der Vergleich mit Mallarmé schmeichelt Adonis, aber er hinkt. Denn der Traum, wie Gott in völliger Freiheit aus dem Nichts zu schöpfen, ist noch nie – noch nicht einmal bei den Surrealisten, die es darin vielleicht am weitesten gebracht haben – in Erfüllung gegangen. In den Versen Mallarmés wimmelt es von dem Plunder seines Kulturkreises, den Fächern, Seerosen, Engeln, Schwänen, Federn, Goldtressen und Blumenkelchen. Und in der asketischen Lyrik Adonis’ weht immer ein heißer Wüstenwind, der alle Farben, alle Gerüche auslöscht: Kein Wunder, eine Tradition die man nicht kennt, sagt Adonis, könne man auch nicht verlassen. Das Vokabular ist nackt, ganz auf Hauptwörter konzentriert, die auf die schützende, kleidsame Begleitung von Adjektiven beinahe vollständig verzichten. Immer wieder ragen wie Leuchttürme Signalwörter aus den Versen: Traum, Gesicht, Wasser, Feuer, Wind, Zeit, Liebe, Stein. Ein fühlendes Ich – auch darin ist Adonis der orientalischen Tradition treu – sucht man vergeblich. Selbst Verse wie die Folgenden haben nur scheinbar Ähnlichkeit mit alteuropäischem Seelenschmerz:
Mit verirrtem Gesicht bete ich zu meinem Staub
Singe ich meine entfremdete Seele.
Und auf dem Weg zu einem unvollendeten Wunder
Schreite ich durch eine Welt
Die von meinen Liedern verbrannt wird
„Ich bin nichts außerhalb des Arabischen“, sagt Adonis, „ich lebe, ich atme diese zweitausend Jahre alte Sprache.“ Die Westler, glaubt er, verstünden die arabische Kultur bis heute nicht. Wüssten nichts von ihrer Strenge, ihrer Spiritualität, die den europäischen Realismus weit hinter sich lassen. „Zum Menschen gehört die Schöpfung, nicht um der Natur zu widersprechen, sondern um ihr etwas hinzuzufügen.“ Mimesis, die große Diva der abendländischen Kultur, spielt im Orient, in seinen kanonischen Texten, überhaupt keine Rolle. Was, nebenbei bemerkt, auch dazu führt, dass die Natur – die Mondaufgänge, das stille Nebeltal, die Röslein auf der Heiden, die zumal aus der deutschen Dichtung gar nicht wegzudenken sind – in der islamischen Lyrik fehlt. Das Unsichtbare hat kein Gesicht.
Frage: „Sind Ihre Gedichte Gebete zu einem abwesenden Gott?“ Adonis: „Wenn es Gebete sind, dann sind es Gebete zu einem kommenden Gott.“ Frage: „Sind Sie es also, der den kommenden Gott schafft?“ Adonis: „Voilà.“
Das ist ein großes Wort. Und doch muss man sich Adonis deswegen nicht wie einen arabischen Stefan George vorstellen. Alles Steife, Gezierte oder Feierliche ist ihm fremd. Den Männlichkeitskult der arabischen Gesellschaft hält er für ein Übel, das den Menschen genauso von sich entfremdet wie die Banalisierung der Sexualität, die Trennung zwischen Kopf und Körper, die Glorifizierung des Eigentums und, ja so weit geht er, die Erfindung des Monotheismus. „Alles fließt“ – wenn wir ehrlich sind, müssen wir gestehen, dass wir über diesen Satz von Heraklit nie hinausgekommen sind.
Vielleicht ist das eine weibliche Lesart der Welt, jedenfalls eine, die auf unserem Stern, inmitten der gläsernen Symbole einer dauererigierten Geschäftstüchtigkeit, ein wenig verloren wirkt. Vielleicht ist es aber auch nur die Wahrheit eines Jungen, der seine ersten Gedichte barfuß unter freiem Himmel im Schatten eines Baumes vor sich hin gemurmelt hat. Noch nie in seinem Leben habe er ein Gedicht an einem Tisch geschrieben, sagt Adonis und zieht die Luft so tief ein wie unsereins vor einer Röntgenaufnahme: „Poesie schreibt man mit dem ganzen Körper, mit dem Atem, der Haut, dem Blut, dem Herzen.“
Bevor ich mich durch die Dunkelheit im Inneren des Wolkenkratzers zurück zum Fahrstuhl taste, um wieder auf der Erde zu landen, frage ich, was wir vom Orient lernen sollen. Die Antwort kommt schneller als der Wind, der um die Hochhäuser pfeift: Gastfreundschaft und Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod, der zum Leben gehört, Freundschaft und Liebe, Magie und ein offenes Herz für die Unerklärlichkeit des Lebens.
Dichter Adonis wird 80
n-tv.de, 1.1.2010
Adonis: Syrischer Dichter feiert 80. Geburtstag
sarsura-syrien.de, 31.12.2010
Tilman Krause: Dichter Arabiens: Adonis wird 80 Jahre alt
Die Welt, 31.12.2009
Stefan Weidner: Ewige Wiederkehr
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.1.2020
Adonis liest seine Gedichte auf dem Prager Schriftstellerfestival 2009.
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