Aldona Gustas (Hrsg.): Erotische Gedichte von Männern

Mashup von Juliane Duda zum Buch von Aldona Gustas (Hrsg.): Erotische Gedichte von Männern

Gustas (Hrsg.)-Erotische Gedichte von Männern

MANIA’S SONG

mein herz wächst nicht in den disteln: ob er ob sie
deine haut ist die feder der fama im wind
Up jumped the Black Man behind the elder tree
und er führt dich zur höhe hellhörig und blind.

die scham ist ein haar von schlaf auf den lippen
eile sonst läßt dich die unrast zerfallend zurück
bald stürzt du: von begierde entblößte rippen
berühr mich verbrenne begleit mich ein stück.

die schöne medea durchstreift meine sehnsucht
kronide wirft mich in den strudel des lichts –
berühr und zerbeiß mich auf der ewigen flucht
erbrenn dich mit wollust im blitzen des nichts.

Frank-Wolf Matthies

 

 

 

Vorwort

Nach Zusammenstellung der Anthologie Erotische Gedichte von Frauen ergab es sich für mich fast zwangsläufig, auch eine Sammlung Erotische Gedichte von Männern zusammenzutragen. Bei dem Frauenband war der Hauptanlaß für mich, endlich ein umfangreiches Buch mit erotischen Texten von Autorinnen zu realisieren; denn immer noch werden in Anthologien nur fünf bis höchstens zehn Prozent Frauentexte aufgenommen. Bei dem Männerband war der Hauptanlaß für mich, endlich einmal als Frau Liebesgedichte von Autoren zu suchen und auszuwählen. Herausgeber sind es gewohnt, Frauentexte zu beurteilen, für Herausgeberinnen ist solch eine Tätigkeit immer noch Neuland (besonders wenn das Thema Erotik heißt). Keineswegs war mit den beiden Anthologien eine Geschlechtertrennung beabsichtigt. Und schon gar nicht wollte ich einen Geschlechterkrieg mitanheizen, der hier und da ausgetragen wird.
Für mich als Frau war das Aufspüren von erotischen Elementen in Männergedichten ein ebenso diffiziles wie spannungsvolles Unternehmen. Besonders als ich erfahren mußte, daß sich Lyriker oft hinter Allgemeingültigem verstecken. Den Lyriker als Mann in Liebesgedichten zu finden, dies war schwieriger als bei Lyrikerinnen, die Frau in erotischen Texten zu entdecken. Aufgefallen ist mir auch, daß Lyriker des öfteren in Frauenhaut zu schlüpfen versuchen, um dann als Geliebte, Hure, Magd usw. in Ichform Gedichte zu verfassen. Frauen tun das umgekehrt selten. Sie scheinen die Schwierigkeit solch eines Unterfangens bestens zu kennen. Vielleicht haben sie ebenso wie ich längst festgestellt, daß diese Art von Gedichten wenig Wahres über Frauen aussagt. Ich stieß da immer wieder bis zum Überdruß auf Klischees.
Genuß und Klage werden in den erotischen Texten von Lyrikern beschworen. Orgasmusfreuden, Triebleiden in immer wieder neuen Formulierungen wurden für dieses Buch ausgewählt. Alles, was die Gesellschaft seit eh und je bis in unsere Tage Männern, also auch Lyrikern, an Bevorzugung Frauen gegenüber gewährt, alles, was die Natur den Frauen noch zusätzlich an Benachteiligung zumutet, alle Privilegien haben jedoch den Männern nicht genügt, um die Liebe glückhafter als Frauen zu erleben. Warum es so ist, darauf gibt diese Anthologie Antworten. Natürlich wurden auch homoerotische Gedichte aufgenommen.
Anders als bei Lyrikerinnen mußte ich mich wegen der Fülle des Materials auf das 20. Jahrhundert beschränken.
Inhaltliche Unterschiede zwischen den Liebesgedichten von Frauen und Männern sind unschwer auffindbar. Pauschale Urteile über Niveauunterschiede, von Vorurteilen gegen Frauentexte geprägt, sollten endlich der Vergangenheit angehören. Die Erotischen Gedichte von Frauen und die Erotischen Gedichte von Männern erbringen genug Beweise für literarisches Niveau und für eine Liebesfähigkeit beider Geschlechter, die zur Nachahmung herausfordern könnte.
Auch in diesem Vorwort möchte ich der Lektorin des Verlages, Dr. Andrea Wörle, für manche Anregung und verständnisvolle Unterstützung bei der Gedichtauswahl herzlich danken.

Aldona Gustas, Vorwort

 

Das Buch

Gedichte zum Thema Erotik und Liebe sind häufig schon gesammelt worden. Meistens sind es Gedichte von Männern, und meistens werden sie von Männern gesammelt.
Das Besondere an dieser Sammlung besteht darin, daß die Gedichte alle von Männern sind und daß sie von einer Frau ausgesucht wurden, die selbst Lyrikerin ist, die eine große Anthologie mit erotischen Gedichten von Frauen zusammengestellt hat und die nun wissen wollte, wie sich aus weiblicher Sicht die Liebeserfahrung von Männern in den Gedichten, die sie schreiben, darstellt. Daß sich gesellschaftliche Position, Bewußtsein und Selbstverständnis der Geschlechter unterscheiden, ist klar. Die Spielarten männlicher Erotik sind immer wieder kritisch diskutiert worden. Wie sie sich in der Lyrik des 20. Jahrhunderts manifestieren, ob sie glückhafter sind, weil sie sind, wie sie sind, oder ob wir gar Mitleid mit den Männern haben müssen, läßt sich vielleicht aus den Beiträgen der mehr als 150 deutschsprachigen Autoren dieses Bandes ablesen.

Deutscher Taschenbuch Verlag, Klappentext, 1987

 

Erotische Gedichte von Männern

Nun hat dieselbe Dichterin Aldona Gustas nach ihrem – wie bekannt gewordenen? – ersten Anthologieband über Erotische Gedichte von Frauen ein Gegenstück männlicher Dichter folgen lassen. Die Einschränkung auf das laufende Jahrhundert hatte sie bei der ersten Anthologie nicht gewahrt. Hier ist es geschehen, mit einer fühlbaren Folgeerscheinung, die aber der Herausgeberin nicht zur Last zu legen ist: es handelt sich um einen dichterischen Generationsunterschied. Die Gedichte, die noch von der Väter-Großvätergeneration stammen, also Gerhart Hauptmann, Hermann Hesse, Stefan George, Hans Carossa usw. würde man viel leichter als „Liebesgedichte“ lesen als die der Söhne und Enkel, die die Hauptmasse der in diese Anthologie aufgenommenen Dichter und Gedichte ausmachen. Eros ist nun einmal ein schillernder Begriff. Für die späteren Gedichte, wenn man sie einmal pauschal charakterisieren wollte, wäre eher der Begriff Lustgedichte als der von Liebesgedichten zutreffend. Das hängt nun gewiß nicht mit grundsätzlich veränderter Gefühlslage zusammen. Es ist etwas anderes, ob man Eros empfindet oder ob man ihn bedichtet. Für den Dichtungsprozeß gehört eine von Gefühl zur Sprache gewendete Situation dazu. Eros wird von erosbeflügelten Männern und das heißt, daß sie sich noch in relativ jugendlichen Jahren befinden, auch heute gewiß nicht grundsätzlich anders empfunden als in älteren Generationen. Es ist nur ein Unterschied der den Gefühlen entsprechenden Ausdruckskräfte zu konstatieren, und da sind inzwischen Verwandlungen geschehen, die sich in einem solchen Werk deutlich zur Sprache bringen. Grob gesagt: es ist in den Gedichten von heute viel mehr und viel ungenierter von Bordell und Prostitution, von Sexualität und Strumpfhaltergürtel auch im Gedicht die Rede, als es früher der Fall gewesen ist. Man könnte sagen, daß auch im Gedicht die Scham abgenommen hat und mit der Scham die Scheu, auszusprechen was empfunden und genossen wird. Das ist indessen eine Zeitentwicklung, die sich auf allen Gebieten bemerkbar macht.
159mal Mann erotisch – das dürfte reichen, heißt es denn auch im Widmungsexemplar der Herausgeberin. Es reicht für die Lektüre. Es reicht aber nicht für die Reflexion im Anschluß an die Lektüre, die sich bei einem so beleibten Buch ohnehin nicht in rascher Folge nachvollziehen kann. So ist das Buch denn auch nicht im üblichen Sinn zu beurteilen, d.h. einer Rezension zu unterziehen. Dazu sind 159 Autoren einfach viel zu viele. Es gibt anzügliche und es gibt keusche Gedichte in dieser Sammlung und alles, was sich zwischen diese beiden Grenzbegriffe drängen läßt. Es gibt Prosagedichte und solche, die noch wirkliche Dichtung sind. Da heißt es, einfach herausgegriffen:

Sie hat ein Bett aus Mexiko gefüllt mit Stroh
… in ihrem Briefschlitz zwischen den Beinen
meine vielen Briefe

Sie hat Brüste aus Muschelkalk die rauschen nicht…

Und es klingt ganz anders, wenn es heißt:

Du kannst mir eigentlich
Leben beibringen.
Es ist nie zu spät,
damit anzufangen.
Die theoretischen Engel
sind nachts ohne Unschuld…

Es empfiehlt sich bei einem solchen zusammengerafften Buch, die jeweiligen Gedichtverfasser erst nach den Gedichten selbst oder sogar überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Im Grunde hat das Sammelwerk nur den Herausgeber als darüber schwebenden Liebesgott zum Autoren. Er allein weiß ja (oder sie allein) was er für aufnehmenswürdig befunden hat und im Falle von Aldona Gustas’ zweiter Sammlung sind, wenn man es grob benennen will, die erwählten Gedichte allemal solche, die den Herausgebern (es muß auch die Lektorin des Verlages Andrea Wörle mitgenannt werden) in dem gemeinsamen Ordnungssystem gerecht am Platze erschienen sind. Kurz gesagt: ein Buch, das in jede gute Hausbibliothek gehört, nicht weil alles gut oder schön darin ist, sondern weil es als ein Zeitdokument gelten kann.

Johann Siering, Neue Deutsche Hefte, Heft 195, 3/1987

 

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Beitragsbild von Juliane Duda zu Richard Pietraß: Dichterleben – Aldona Gustas

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