auf Kreuzworträtselart führen wir uns
in die schöne Irre eines Junitags
Weg Wacholder Heidekraut Sennhüttenidylle
malen wir uns aus
im Stadtzentrum erhalten Blicke erotische Qualität
als müßten wir Schwerkraft verlassend
mit Genuß die arrogante Höhe der Sonne erreichen
heute ganz bestimmt
Was sind Sekundenresidenzen? Gedichte und Bilder ist dafür keine eindeutige Erklärung. Residenzen erklärt auch nicht genug. Aber man muß sich an Rätsel gewöhnen. Man muß oder man tut gut, den Titel von Gedichtbüchern nach der jeweiligen Lektüre zu lesen und vorher auf sich beruhen zu lassen: Bei Aldona Gustas ist eine solche Methode keine falsche. Sie hat genügend Beispiele geliefert, daß dies alles kein Versehen, keine absichtliche Verwirrung ist. Auch in diesem neuen Band ist es nicht der Fall. Es ist ein Band der Anteilnahme. Man sieht die Dichterin plastisch.
„Man wird mich finden / man wird mich säubern…“ heißt es gleich im ersten Gedicht, und nachher folgt „Aber, aber wenn alles gut geht / bin ich Aldona / Aldona pflückt die Früchte des Schlafes aus meinen Träumen…“ Es sind wahrhaftig Träume, aus denen viele dieser Gedichte entsprungen sind. Man muß sich auf eine andere Methode des Lesens umstellen, sie lernen und sich angewöhnen. Hier lebe ich in „Zwischenhäusern“, gemeint ist damit Berlin/West, das seit 1945 die Behausung der Dichterin ist. Aldona Gustas ist auch Malerin, die ihre Gedichte unterbricht mit Bildern, mit Zeichnungen, die eine Abwechslung, mehr als eine bloße Abwechslung in den jetzt erschienenen Band hineinbringen; „Sekundenresidenzen“ standen in der Titulatur. Es sind seit Jahren entstandene Gedichte und Bilder, die ihre Geheimnisse ins öffentliche Interesse bringen. Und sie geben damit ihren Zauber. Aldona Gustas weiß jemanden damit zu fesseln, ob sie nun persönliche Geheimnisse enthüllt oder die Voraussetzungen einer Künstlerin in ihrem Lebenslauf verrät. Alles ist in diesem Lebenslauf wunderbar und geheimnisreich:
das war in Frankreich
Dort wollte ich eine Bretonin sein…
Sie ist die Litauerin geblieben, auch wenn sie es relativiert:
bin ich für ein Leben auf Papier geschaffen…
bin ich ein übriggebliebener Regenbogen
der sich totstellt
um mit dem Leben davonzukommen
dingfest lasse ich mich nicht erraten
der eine der andere mag mir folgen.
Für ihren Ehemann wird der Name nicht genannt. Er heißt Holmsten. Aber die folgenden Verse kennzeichnen das Verhältnis zu ihm:
Ich verhörte mich
analysierte mein Rotwerden
bis ins Kehlige versuchte ich
mich zu begreifen
warum ich mich dir anschloß
fürs ganze Leben
sollte die Liebe reichen
und sie reicht.
Aldona Gustas ist nicht ein Flattergeist. Sie weiß genau zu welchen Treueverhältnissen sie fähig ist. Es muß aber auch zu ihren Bildern, die Allemaizeichnungen sind, ein Wort gesagt werden. Die Erotik ist hier nicht ausgespart. Sie ist aber auch nicht dominierend. Man kann sie übersehen und als zuckende Sekundenresidenzen betrachten, in ihren vom Strich beherrschten Zeichnungen sind Tierköpfe auch mit Spielenvermischungen. Aldona Gustas ist eben nicht bloß eine Dichterin. Sie hat eine polyaristische Begabung, auch wenn sie zu den Wörtern ein besonderes Liebesverhältnis besitzt.
Johann Siering, Neue Deutsche Hefte, Heft 3/1989
Waltraud Schwab: Aldona Gustas
Waltraud Schwab: „Ich liebe ihn mehr“
Schreibe einen Kommentar