Alexander Gerow: Poesiealbum 157

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Alexander Gerow: Poesiealbum 157

Gerow/Parpulowa-Poesiealbum 157

ANRUF

Die ihr noch schlaft in der Materie
und eure Augen aufschlagt in zehntausend Jahren,
denkt zurück an mich:

Ich war verwirrt und hilflos, wußte keinen Rat.
Den Kosmos hatte ich in mir noch nicht erkannt,
ich konnte aus Elektroenergie den Lebensfunken
aaaaanicht gewinnen
und mich in Tier und Pflanze nicht verwandeln,
mein Hirn war als Antenne nicht zu nutzen.

Die Ausmaße des Universums waren mir verborgen.
Es fehlten mir die Kräfte der Unsterblichkeit.

In allem anderen war ich euch gleich,
es gibt sonst keinen Sinn.

Übertragung T.N. Braron

 

 

 

Stimmen zum Autor

Er sitzt im Dunkel der Zweige, dem schwarzen Grün – ein entblößtes Sinnesorgan, weiß wie Bein. Ihn bewegt das Schicksal des Menschen in der Materie. Er ist frei, kennt keine Tabus, und mit der geheimen Macht der dichterischen Berufung wendet er sich von bekannten immer unbekannteren Dingen zu, von seinem Gärtchen den Planeten und dem Universum, mit Wanderschuhen geht er über die Milchstraße. Er gelangt weiter und weiter. Bis hin zu dem unabdingbaren Traum von der Unsterblichkeit des Menschen. Dieser Traum martert ihn. Er ist krank von diesem Traum.
Iwan Paunowski

Die moderne bulgarische Literatur vermag ich mir ohne ihn nicht vorzustellen. Ein ungewöhnlich begabter Künstler, dessen Werk eine Fülle von Bekenntnis und Leben enthält. Ein Dichter, bei dem jeder Vers einer Entdeckung gleichkommt. Ein Philosoph, für den der Zweifel der sicherste Weg zur Wahrheit ist. Ein Träumer, aber auch ein Skeptiker, der ununterbrochen bestrebt ist, die Skeptiker zu widerlegen im Namen jenes „Trotz alledem!“, der tiefsten Überzeugung aller Pioniere des Fortschritts.
Boshidar Kuntschew

Verlag Neues Leben, Klappentext, 1980

 

Pietraß

Am Nachmittag Randow, der mir zum Nachdichten Interlinearübersetzungen bringt: Alexander Gerow, Bulgare, geboren 1919, Freund von Daltschew. Im Verlag Neues Leben hat man Randow bedeutet, daß man den Richard Pietraß auch als Nachdichter nicht mehr beschäftigen wolle: „Ein schlechter, ein sehr schlechter Nachdichter, wissen Sie…“ (Der wahre Grund natürlich, daß sich Pietraß unbotmäßig verhalten hat „dem Verlag gegenüber“.) Das gleiche ist auch Elke Erb gesagt worden, die gleichfalls Pietraß als Nachdichter für einige Gedichte vorgesehen hatte, allerdings im Lektorat des Kinderbuchverlages: „Der Pietraß ist als Nachdichter nicht sehr gut…“ (Bislang ist er immer gut genug gewesen.) – Was sind das eigentlich für elende Lektoren, die nicht wenigstens hinzufügen: „Kommt vom Zentralrat; ist nicht meine Meinung…“ – Gesindel! Auch mich will man eigentlich nicht beschäftigen als Nachdichter, sozusagen „prinzipiell“, wenn auch vielleicht nicht ganz so „schlecht“ wie Pietraß. Randow argumentiert: „Ich habe aber schon mit dem Endler gesprochen, wie soll ich ihm das erklären?“ – „Na gut, wenn Sie schon mit ihm gesprochen haben…“ Uns ist beiden klar, daß meine Nachdichtungen immer noch abgelehnt werden können, mit welcher Begründung auch immer. Auf diese Weise werden unsere geringen Verdienstmöglichkeiten noch weiter reduziert; und man muß sich ernstlich fragen, ob wir vertrieben werden sollen… „Pietraß – ein schlechter Nachdichter!“ Ist das in den Verlagen sozusagen als Parole herumgereicht worden auf Anweisung „von oben“? Eine andere Erklärung kann ich nicht finden.

Adolf Endler: Nebbich. Eine deutsche Karriere, Wallstein Verlag, 2005

 

Fakten und Vermutungen zum Poesiealbum + wiederentdeckt +
Interview
50 Jahre 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6

 

 

Fakten und Vermutungen zum Herausgeber + Kalliope
Porträtgalerie: deutsche fotothek
Nachrufe auf Norbert Randow: Tagesspiegel ✝ VdÜ ✝ ostpol
De Zorata

 

Bei Norbert Randow zu Besuch.

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