Alexander Gumz, Jonáš Hájek & Thomas Wohlfahrt (Hrsg.): VERSschmuggel – PŘEKLADIŠTĚ

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Alexander Gumz, Jonáš Hájek & Thomas Wohlfahrt (Hrsg.): VERSschmuggel – PŘEKLADIŠTĚ

Gumz, Hájek & Wohlfahrt (Hrsg.)-VERSschmuggel – PŘEKLADIŠTĚ

KOMM UND SIEH

gott auf der flucht
bewegung der sonne
in den ästen
licht schatten
an der weggabelung
wartet ein reiter mit angemaltem
gesicht gibt dir den brief
den du in eine flasche faltest und
an einem sicheren ort
dem fluß übergibst
schatten licht gott
am checkpoint die scharfen
farben des waldes überwindest du
das schlimmste terrain licht
schatten überwindest die schlimmsten
tage meditierst
unter den espen
wartest an der weggabelung
gibst mir den brief den
ich an einem sicheren ort
in der erde vergrabe
licht
schatten wald stille
gott in andeutungen
mit verengten augen
warte ich
an der weggabelung

Jan Škrob
übersetzt von Tom Bresemann

 

 

Stimmen von Beteiligten

Tom Bresemann
Gedichte als Mittel der Verständigung. Gedichte als Mittel der Verständigung über das Nicht-Verstehen. Gedichte als Mittel der Verständigung über das Nicht-Verstehen als Mittel der Verständigung. Gedichte als Mittel der Verständigung über das Nicht-Verstehen als Mittel der Verständigung über Gedichte. Begegnung entlang von Gedichten als Mittel der Verständigung über das Nicht-Verstehen als Mittel der Verständigung über Gedichte. Übersetzen als Begegnung. Übersetzen als Begegnung entlang von Gedichten als Mittel der Verständigung über das Nicht-Verstehen als Mittel der Verständigung über Gedichte. Übersetzen als bester Anlass zur Begegnung. Übersetzen als bestmögliches Nicht-Verstehen. Danke dafür, Martina und Jan!

Jan Škrob
Die Poetik von Tom Bresemann beruht in erheblichem Maß auf spezifisch deutschen Kontexten einschließlich direkter und indirekter Zitate, seien es deutsche Volkslieder, Luthers Bibelübersetzung oder Helmut Kohl. Am Anfang empfand ich das als Hindernis, aber letzten Endes habe ich gerade jene Stellen, wo ich sehr mit der Übersetzung gekämpft habe, in den Gedichten fast am liebsten.
Die Arbeit mit Tom und Martina war für mich im Ganzen inspirativ und wichtig – fast gleich viel Zeit wie für die eigentliche Arbeit haben wir für Gespräche über die Poesie und ihre Rolle in der gegenwärtigen Gesellschaft aufgewendet, über Politik, über aktuelle Dilemmas.
Witzig, wie Toms Poetik der meinen in gewisser Weise absolut fernab liegt. Seine Gedichte zu übersetzen, war so für mich auch eine Gelegenheit, mit einem Text ganz anders zu arbeiten, als ich es gewohnt bin. In den wesentlichen Dingen sind wir uns allerdings begegnet.

Sprachmittlerin: Martina Lisa
Gott war ein Dichter – und das Gedicht ist eine Republik

Drei Tage lang saßen wir zu dritt – vom Windhund ganz zu schweigen, der als stiller Zeuge die ganze Zeit dabei war – in den ungewöhnlich hellen, ja geradezu lichtdurchfluteten Räumen des DDR-Museums. Glatte Fensterfront. Brütende Hitze. Und an den Wänden großformatige Porträts in Schwarz-Weiß. Mensch fühlte sich ausgestellt. Der Hund schwieg beharrlich.
Wir hingegen redeten viel. Denn was Jan Škrob und Tom Bresemann zusammenbrachte, lag ja auf der Hand bzw. in ihren Texten: das Politische in der Poesie, der politische Anspruch oder auch die politische Dichtung im besten Sinne der Worte. Denn – einer der vielen schönen Sätze, die fielen – politische Dichtung sei ein klarer Kommunikationsrahmen, innerhalb dessen so ziemlich alles möglich wäre. Und im Prinzip war das die Prämisse unserer Arbeit, der klar abgesteckte Kommunikationsrahmen, in dem wir uns bewegten, austauschten, redeten, über Gott und die Welt, über Poesie und Politik, über Worte und Wörter.
Wie viel wiegt eigentlich ein Wort in einem Gedicht? Und wenn man das dann übersetzt? Immer noch genauso viel, nur in Pfund? Und wie rechnet man das denn überhaupt um? Runden wir die ganzen unsichtbaren Stellen hinter dem Komma auf oder ab, oder tun wir gar so, als wären sie nicht da? Und wer war, verdammt noch mal, Tante Ilse? Was hat das alles mit Jakob Böhme zu tun? Mit Klaus Theweleit, mit Gott und mit der Stasi?
Wie schmuggelt man überhaupt am besten Verse? Wohl, wenn man weiß, wo sie herkamen und warum und wie sie so geworden sind, wie sie sind. Wenn man ihnen genau zuhört und versucht, sie zu verstehen. Dann kann man sie, ganz behutsam, um ihren Klang und Rhythmus nicht zu verlieren, so umpflanzen, dass sie in ihrer neuen Welt auch gedeihen können, vielleicht ein bisschen anders, aber dennoch ganz selbstverständlich. Und dann können Tante Ilse und teta Věra nebeneinander stehen, jede für sich, und dennoch beide – ein Schwein.

 

Vorwort

Der Dichter Reiner Kunze, der unter anderem Jaroslav Seifert und Jan Skácel übersetzte und viel für die Vermittlung von Literatur aus der damaligen Tschechoslowakei tat, konnte in der DDR selbst nie publizieren. Mit einer Ausnahme: Sein Gedichtband Brief mit blauem Siegel erschien 1973 bei Reclam in Leipzig mit der enormen Auflage von 15.000 Exemplaren und war binnen kürzester Zeit vergriffen – darin das Gedicht „Erwachen in Schreckenstein“, das mit den Versen endet:

Ein fleißiges Völkchen, die Tschechen
Nur – etwas weniger Lärm könnten sie machen.

Sag einer dem Herzen
daß es weniger Lärm machen soll!

Hatten die westdeutschen politisch Bewegten von 1968 und die Akteure des Prager Frühlings kaum gemeinsame Berührungspunkte finden können, wurden Kunzes Verse in der DDR durchaus verstanden als auf das jähe Ende des Prager Frühlings 1968 gemünzt. Die Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Armeen des Warschauer Pakts führte zu einem Exodus von Intellektuellen und Künstlern aus der ČSSR. Und Reiner Kunze mußte 1977 die DDR verlassen, wie viele andere.
Wie in Mehltau gehüllt erschien mir, dem jungen Besucher, fortan das Leben in diesem Land, das 1968 Fanal einer Hoffnung für alle Völker des Ostblocks gewesen war. Als über zwanzig Jahre später, nach dem Fall der Berliner Mauer und den politischen wie gesellschaftlichen Umbrüchen in ganz Osteuropa, mit Václav Havel ein politisch verfolgter Künstler Präsident der Tschechoslowakei wurde, reihte sich diese Euphorie ein in den Jubel eines Aufbruchs, der in allen Ländern Osteuropas gelebtes Leben wurde.
Die Erinnerung daran stellt heute, 30 weitere Jahre später, viele Fragen über den Zustand dieses unseres Europas sehr klar und sehr konkret: Auch wir, Deutsche und Tschechen, haben uns seitdem nicht wirklich kennengelernt, selbst in der Literatur nur hier und da. Reiner Kunze sagte seinen Lesern am 13.10.2017 in der Prager Zeitung:

In der tschechischen Literatur bricht sich einzigartig europäisches Licht in slawischem Empfinden. Der Winkel, in dem das Licht an der Oberfläche der tschechischen Poesie und Prosa austritt, wird bestimmt von einer langen anerlittenen Wehmut, einem feinen fatalistischen Lächeln, einem Zorn, der seine Stunde abwartet, und selbsterlösendem Humor.

Der Tschechien-Schwerpunkt der Buchmesse in Leipzig 2019 war äußerer Anlaß, um schnell zu entdecken, dass sich in beiden Ländern eine quicklebendige und ästhetisch vielgestaltete, vielschichtige Szene von Lyrikerinnen und Lyrikern entwickelt hat, die sich nun mit freudiger Überraschung, in diesem Buch, gegenübersteht. Auf deutscher Seite wird zum Beispiel Steffen Popps Dichten umschrieben als „glückssendend“, „schönheitstriefend“ und „abgefahren“. Birgit Kreipe schreibt – in ihren eigenen Worten – Gedichte „von Freuds Archäologiemetapher als Expeditionen ausgehend, bei denen sich archäologische mit psychologischen Spuren, Imaginationen und Chiffren verbinden“. Tom Bresemanns Gedichten ist eine ständige Selbstbefragung vorausgegangen: „Woher kommt das, was wir sagen, wohin sagen wir es, und wie?“. Und Léonce W. Lupette schreibt seine Texte „aus der Selbstfremdheit und Zwischensprachigkeit jeder Sprache und jedes Sprechens heraus“. „Wenn ich staune, auch im Gedicht staune“, so das Credo von Carl-Christian Elze, „brauche ich keine Gewissheiten mehr, bin ich nahezu gerettet.“
Aufgrund einer Anregung der Asociace spisovatelů und auf Einladung des poesiefestival berlin trafen sich im Sommer 2018 je sechs tschechische und deutschsprachige Dichter*innen in Berlin, um beim Übersetzungsworkshop VERSschmuggel das Abenteuer zu wagen, sich gegenseitig zu übertragen, ohne die Sprache des anderen zu verstehen.
Was zunächst absurd klingen mag, beruht auf einem bewährten Konzept, das im Haus für Poesie entwickelt wurde und zwischen verschiedensten Sprachen erprobt ist: Die Dichter*innen aus beiden Sprachräumen arbeiten paarweise und haben zuvor angefertigte Interlinearübersetzungen ihrer Texte als Material zur Verfügung. Die eigentliche Übersetzungsarbeit wird möglich, weil zwischen jedem sich übersetzenden Paar ein erfahrener und literarisch versierter Dolmetscher funkt – quasi ein Mittler, eine Mittlerin, der oder die in beiden poetischen Traditionen zuhause ist und dafür sorgt, dass beide Dichter*innen beim Übersetzen in ihren Muttersprachen operieren können. Auch die Geschichten, die hinter den Worten und Versen liegen, werden erzählt und gewähren größte poetische und persönliche Nähe.
VERSschmuggel ermöglicht eine fast symbiotische Zusammenarbeit beim Übersetzen von Gedichten und eröffnet Freiräume fürs Experimentieren. Die Autor*innen waren sich einig, dass es beim Schmuggeln von Versen nicht darum gehen kann, einzelne Wörter, ihre Bedeutung und semantische Zutaten zu übertragen, sondern das zugrundeliegende Kompositionsprinzip des Gedichts mußte in die andere Sprache transportiert werden.
Bei Gedichtübersetzungen – wenn sie gelingen sollen – setzen auch die kontextuale Verschränkung in sozialen wie ästhetischen Gegebenheiten mit über, so dass das Gedicht in der Zielsprache dem Original womöglich am nächsten kommt, wenn es ganz, oder in Teilen, neu erfunden wird. Der Autor, die Autorin des Originalgedichts ist bei VERSschmuggel selbst in den Übersetzungsprozess involviert, um seinem oder ihrem Gegenüber die größtmögliche übersetzerische Freiheit zu gewähren. Somit präsentiert diese Anthologie nicht allein zwölf Dichter*innen aus unterschiedlichen poetischen Richtungen, sie führt uns auch ein breites Spektrum von Übersetzungsästhetiken vor Augen: eine fremde Nähe.
Kurze Essays der Dichter*innen, die Einblicke in ihre Werkstatt gewähren, ein Echo vom Arbeitsprozess geben, sowie Arbeitsnotizen der Dolmetscher*innen ergänzen die Lektüre der Gedichte. Nicht zuletzt ist es die menschliche Stimme, die den Text eines jeden Gedichts und dessen Bedeutungsebenen erst zum Schwingen bringt. Den poetischen Dialog kann in diesem Sinne noch besser nachvollziehen, wer bei der Lektüre durch paralleles Hören dem Klang des Gedichts und der Übersetzung folgt. Jedem Dichter, jeder Dichterin zugeordnete QR-Codes ermöglichen es, das zweisprachige Vers-Konzert nachzuhören, das während des poesiefestival berlin auf der Bühne zu erleben war. Das Aufeinandertreffen der Stimmen gibt dem Originalgedicht einen oft überraschenden neuen Hallraum.
Dieser Band erscheint zeitgleich in einer durchgängig zweisprachigen Edition: in Deutschland beim Heidelberger Verlag Das Wunderhorn und in Tschechien im Verlagshaus Protimluv, Ostrava.
Herzlich danken möchte ich unseren tschechichen Kollegen*innen von der Asociace spisovatelů für die Idee zu einem tschechisch-deutschen VERSschmuggel, und dafür, stets engagierter Partner gewesen zu sein. Dank sei gesagt dem Tschechischen Kulturministerium und dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, speziell für die Förderung dieser Anthologie. Dank geht auch an Juliane Otto und ihr Team, das die Organisation des tschechisch-deutschen VERSschmuggel in Händen hielt, und an Alexander Gumz und Jonáš Hájek, die die Anthologie betreuten.
Allen Lesenden und Hörenden wünschen wir viel Vergnügen bei dieser Klang- und Bedeutungsreise über Sprachgrenzen hinweg!

Thomas Wohlfahrt, September 2018, Vorwort

Vorwort

Im September 2015 fand im Goethe-Institut Prag ein Arbeitstreffen statt, das den Pegelstand in der aktuellen Kommunikation zwischen deutscher und tschechischer Poesie auslotete. Dessen Ergebnis war – wie letztlich wohl vorhersehbar – ernüchternd: Wir stellten fest, dass es um die zeitgenössische tschechische Poesie in den deutschsprachigen Ländern nicht völlig fürchterlich bestellt ist, dass dafür aber die Tschechen die Poetik unserer derzeit lebenden Nachbarn im Westen und im Süden so gut wie gar nicht kennen. Während in deutscher Sprache hie und da ein übersetzter Gedichtband (zumeist verantwortet von der österreichischen Bohemistin Christa Rothmeier), da und dort eine Anthologie erscheint (eine wurde von Urs Heftrich und Michael Špirit, den Herausgebern der deutschen Übersetzung der Gesammelten Werke Vladimír Holans, zusammengestellt), scheint es, als beschränkten wir uns im Tschechischen auf die – sicherlich notwendigen – Übersetzungen von Rilke und Celan und hätten jeden Versuch, die vergangenen 50 Jahre etwas systematischer zu kartographieren, bereits aufgegeben. Hervorragende Lyrik-Übersetzer*innen gibt es bei uns mehrere, aber zur Zeit fehlen Vermittler-Persönlichkeiten, die auf beiden Seiten aktuelle persönliche Bindungen pflegen, vom Schlage eines Ludvík Kundera. (Das Treffen im Goethe-Institut hatte der renommierte Dichter und Übersetzer Petr Borkovec initiiert.)
Daher ist es wirklich ein Fest, eine gemeinsame Anthologie von zwölf tschechischen und deutschen Dichterinnen und Dichtern begrüßen zu können, die zeitgleich in beiden Ländern erscheint. Sie ist der Höhepunkt der bisherigen Zusammenarbeit zwischen dem Haus für Poesie Berlin und der tschechischen Asociace spisovatelů (Schriftsteller-Assoziation). Und sie umfasst alle im Mai 2018 während der bewährten Übersetzerwerkstatt VERSschmuggel im Rahmen des poesiefestival berlin entstandenen Übersetzungen, samt den zugehörigen Originalen. Im Oktober 2018 wurden einige Werkstatt-Ergebnisse, an denen die Dichter*innen im Anschluss an die Werkstatt weiter gefeilt hatten, auf dem ProtimluvFest in Ostrava präsentiert.
Das beiderseitige Ziel, das wir uns schon 2017 während der Vorbereitungen zum Projekt quasi simultan gesteckt hatten, war kein geringeres, als im tschechischen wie im deutschen Raum den Grundstein für eine tiefergehende Bekanntschaft mit der Gegenwarts-Poesie der jeweils Anderen zu legen. Also die Neugier und den Hunger auf weitere Übersetzungen zu wecken. Die folgen werden, wie wir sicher glauben.
Die tschechischen Dichterinnen und Dichter, die an der Werkstatt teilnahmen, sind generationell und ästhetisch gesehen eine bunte pars pro toto für den gegenwärtigen Lyrik-Diskurs in unserem Land. Jede/r von ihnen besteht für sich allein und spricht auch so; keiner von ihnen kann andere Dichterpersönlichkeiten ersetzen, und genauso wenig schöpfen sie – zusammen genommen – alle Poetiken aus, die heute bei Schreibenden in Böhmen, Mähren und dem tschechischen Teil Schlesiens zur Anwendung kommen. Wir haben jedoch versucht, das Sechserpack so zu wählen, dass verschiedene Spannen und Spannungen verdeutlicht werden können, welche die tschechische Poesie derzeit durchläuft, etwa zwischen Spiritualität und Skepsis, Wille zur Form und Ungebundenheit, Imagination und direktem Ausdruck, Oralität und „Texthaftigkeit“. So folgen wir hier dem Spannungsbogen vom ländlich-kathartischen Zeugnis [Kolmačka] zum postindustriellen Künden von der Apokalypse (Škrob), so steht das Selbstbewusstwerden eines „neuen Klassizismus“ (Děžinský) neben einer Schwäche für alles Magische (Správcová), und Kondensierungen intimer Grenzen (Šťastná) begegnen fröhlich einem antisubjektiven Experimentator (Novotný).
Einige Autoren wurden bereits in Einzelbänden auf Deutsch publiziert, bei anderen steht dies unmittelbar bevor. Dabei weisen alle sechs Poetiken spontan Bezüge zu ihren deutschen Gegenübern auf, und sicher nicht nur zu den unmittelbaren Partnern, in deren anspruchsvoller Nähe sie bestehen mussten. Und bestanden haben!
All diese Verbindungen und Unterschiede zu benennen ist jedoch nicht mehr unsere Aufgabe. Was also noch? Wir freuen uns besonders, dass unsere Anthologie nicht nur in Heidelberg, sondern auch in Ostrava erscheint. Die Erbauer dieses „tschechischen Ruhrgebiets“ haben sicher nicht geahnt, dass dort einst Poesie gedeihen würde, und gar noch deren undankbarste Disziplin: die Lyrik-Übersetzung. Vielleicht ist Ostrava auch Schuld daran, dass uns – als tschechische Bezeichnung für den VERSSchmugel – das Wort překladiště einfiel: Umschlagplatz, Umladeplatz… Wir möchten gern daran erinnern, dass hier in der Blütezeit zwischen den Kriegen die deutsch schreibende Dichterin Ilse Weber, der Architekt Erich Mendelsohn, der Maler Oskar Kokoschka u.v.a. illustre Persönlichkeiten lebten und arbeiteten.
Unsere Publikation erscheint 2019, entstanden ist sie aber schon im Jahr zuvor, einem Jahr, das nicht nur in der Tschechischen Republik im Zeichen der Feierlichkeiten zum hundertjährigen Jubiläum der modernen Staatlichkeit stand. In diesem Kontext halten wir es für äußerst wichtig, dass solche Feierlichkeiten nicht zwangsläufig isolierend wirken müssen, sondern dass man sie bereichert um das Einander-Zuhören und den Dialog mit einer Kultur, die uns Jahrhunderte lang so nahe stand wie keine andere, und einer Sprache, die nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen war, sich selbst als Sprache des Bösen zu reflektieren. Wodurch sie – zumindest in ihren dichterischen Äußerungen – zu außergewöhnlicher Feinfühligkeit und Widerstandskraft gefunden hat.
Wir schlagen ein neues Kapitel auf… 

Jonáš Hájek und Jiří Macháček, Vorwort

 

Drei Tage dauerte die Übersetzungswerkstatt VERSschmuggel,

zu der sich beim poesiefestival berlin im Sommer 2018 sechs tschechische und sechs deutsche Dichter*innen trafen. Trotz geografischer Nähe ist die aktuelle Dichtung der Nachbarn im anderen Land bislang zu wenig bekannt. Mit dieser zweisprachigen, in beiden Ländern erscheinenden Anthologie entwickelt sich endlich ein Grenzverkehr zwischen tschechischen und deutschen Stimmen des Hier und Heute. VERSschmuggel ist ein künstlerisches wie kommunikatives Abenteuer, ein Umschlagplatz für kulturelle Übergänge und lyrische Traditionen – ein intensiver Prozess, von Dichterin zu Dichter. Am Ende entstehen autorisierte Übersetzungen: Nachdichtungen im besten Sinne.

Wunderhorn Verlag, Protimluv, Klappentext, 2019

 

Aurélie Maurin und Rainer G. Schmidt: Übers Übersetzen von Gedichten

 

Fakten und Vermutungen zu Thomas Wohlfahrt + Kalliope
Porträgalerie: deutsche FOTOTHEK

 

 

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Porträtgalerie: Dirk Skibas AutorenporträtsGalerie Foto Gezett
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Fakten und Vermutungen zu Jonáš Hájek
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Jonáš Hájek liest das Gedicht „Bianco“.

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