DITTY FÜR DITO
Das Radio ging mir auf den Sender.
Der Fernseher war ein Bildverschwender.
Die Liebste gar ist ein Medium geworden.
Doch eigentlich habe ich andere Sorgen.
Meine Träume, das sind meine Sklaven.
Nach meinem Willen sollen sie schaffen
Was ich nicht schaffe von heut auf morgen.
Doch eigentlich habe ich andere Sorgen.
Hiob vernagelt sein Botschaftsgebäude:
Nichts zu klagen und nirgends ein Zeuge.
Und Gott ist an Homo Sapiens gestorben.
Doch eigentlich habe ich andere Sorgen.
Unter dem Pflaster liegt eine Wunde.
Treppensteigen weckt schlafende Hunde.
Sektierer streuen die tierischsten Korken.
Doch eigentlich habe ich andere Sorgen.
Ich hörte du wärest mit deinem Showbiz
Gestrandet am Arsch eines Regenbogens.
Das hätte dir nicht die Augen verdorben.
Doch eigentlich habe ich andere Sorgen.
Zum Beispiel einen Strauß Stadtneurosen,
Das Tiefkühlproblem mit den Überdosen,
Hyperbeln aus hyperboräischen Worten…
Doch eigentlich habe ich andere Sorgen.
Er bedeutet nichts anderes, als eine Aufreihung von Texten, eine reine Konzentration von Gedichten sowie von zu Legenden, Träumen und Traktaten deklarierten Gedankenspielen. Surreal anmutende Capriccios (Adolf Endler) wechseln ab mit Versen, die ihrerseits einen meist sorgfältig gereimten Abstieg probieren, vielleicht von den Anything-Goes-Gipfeln der letzten Dekade, ohne sich über eine gewisse Bodenlosigkeit oder einen Mangel an triftigen Gründen groß zu erklären. Es überwiegen allerdings die Träume und Legenden, und zwar in sowohl protokollarischer Form als auch in burlesker, gelegentlich launisch naiver Weise, auf welche sich Andreas Koziol über einige restliche (Herzens) Angelegenheiten der Kindheit und jüngeren Vergangenheit kundig und – eher unwillkürlich – auch lustig macht. Einige unter den Prosastücken lesen sich wie kryptische Comics – eine Lesart, die infolge des Aufzeichnungscharakters der geträumten Szenen naheliegend ist. Es zieht sich ein verdächtiger Unterton durch viele Zeilen, ein leises Knistern, ein regelmäßiger Schleifton, selbstredend in der Übersetztheit durch zahlreiche rhetorische Stereotypen und ein immer wieder wie andächtig in Betrieb genommenes Endreimgeklingel. Eine Eigenheit, die zu der Vermutung Anlaß gibt, daß zumindest die Gedichte dieses Bandes viel lieber noch als alles andere womöglich alte Schallplatten sein würden, wenn sie nicht schon, stimmigerweise, relativ neue Gedichte wären.
Druckhaus Galrev, Ankündigung, 1996
Henryk Gericke liest am 28.6.2023 im Baiz.Berlin seinen Andreas Koziol-Nachruf „Inschrift“ und Robert Mießner schließt sich mit Andreas Koziols „Nachschrift“ an.
Andreas Koziol liest 3 Gedichte zur Autorenlesung der Literatur- und Kunstzeitschrift „Herzattacke“ am 28.1.2016 im Roten Salon der Volksbühne.
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