RADIO VORTEX
Glaswürfel und Aluminiumzylinder
legten eine Stadt aus Rohformen
Komposit, Bewegung erlaubend auf drei Ebenen
Griechische Gewalt in ägyptischem Raum
isometrische Hopliten, sich abflachendes Feld
in Perspektive eines Frieses, einzufangen den
aaaaaRezessions-
krebs, gepanzert, auf intermittierender Spirale
schneckenförmig flirrende Blitze schleudern Staub von Sapphiren
wirbelnde Rauchkörner markieren dünne Kolben
Uhrenscan rotierender Speichen
Solarbahnen einer perforierten Trommel
geschmückt mit Tieren und klingenden Rädern
durchdrungen von einwirkender Farbstrahlung, Vortex
als Spiralkanal schwirrender Silberkrebse
das Zeichen des Neumonds auf verquickter rückseitiger Ebene
der Krebs auftauchend aus nachlassender Welle
dunkelgelb betupft, flach; farblich abgestimmt auf Sand
Farbvision durch lichtbrechende Tönung
Krebsdampf von einer Sternenoberfläche
ausgestossen mit einer pulsierenden ichnographischen Spirale
-Schemen eingefangen auf leerem Blatt Papier
festgehalten auf diesem Aluminiumturm
an einem Strahl von Choliamben
aufgestellt, zur höflichen Anrede
Windschatten, opaker Bildschirm
wie Kreidegrund verteilt auf Kanevas
für rückstossfreie Blitze körperloser Farbe
hartes Rot, hartes Grün, Silber und Schwarz,
die gegeneinander donnern und kreischen.
Ich wurde 1956 geboren und bin in den Midlands aufgewachsen, zu einer Zeit als man sich überschwenglich für Technik begeisterte und die Klassenunterschiede langsam verschwanden, was später der Süden wieder ungeschehen machte. Nach der Schule bin ich Hilfsarbeiter gewesen (in England und Deutschland), anschließend Projektplaner für ein Telekommunikationsunternehmen (1978–87), und danach Börsenprogrammierer (1988–91). Ein Wechsel vom (akademischen) Linguisten zum Computerprogrammierer verrät die heimliche Leidenschaft für komplexe Datennetze.
Andrew Duncan veröffentlicht seit Ende der 70er Gedichte, zuerst In a German Hotel, das Deutschlands Vergangenheit zum Thema macht, den Deutschen Herbst und den kalten Krieg sowie den Alltag türkischer Einwanderer, deren Leben er als Hilfsarbeiter teilte. Darauf folgte der Band Threads of Iron, mit dem die Auswahl für Brueterich Press beginnt. Dieser Band ist lange Zeit eine Art Phantom gewesen, weil er auf verschiedene Publikationen verteilt erschien, bis Shearsman Books ihn 2013 in seiner ursprünglich geplanten Form veröffentlichte. Bereits 1984 war in der Zeitschrift Grosseteste Review aber ein poetologischer Brief J.H. Prynnes erschienen, der die Gedichte des Buchs eingehend erörterte. Andere Bände sind Skeleton Looking at Chinese Pictures und Duncans ausgewählte Gedichte: Anxiety Before Entering a Room. 2005 und 2006 erschienen Savage Survivals (amid modern suavity) und Tue Imaginary in Geometry, ein konzeptuelles Paar, das einen ähnlich umfangreichen Band ergeben würde wie Threads of Iron. Sie beschließen die Auswahl dieses Buchs.
Duncan ist auch Herausgeber der Zeitschrift Angel Exhaust, er ist Kritiker und er ist Soziohistoriker auf dem Gebiet der Poesie. Bücher mit sprechenden Titeln wie Center and Periphery oder The Failure of Conservatism in Modern British Poetry beschreiben (literatur-)historische Querschnitte durch Mainstream und Underground, die für jeden, der wissen möchte, was in Großbritanniens Poesie seit den 50ern wirklich los war, ein guter Einstieg wären. Erste Übersetzungen von Duncans Gedichten ins Deutsche erschienen 2003 in Manuskripte. Als ich für das Schreibheft ein Dossier mit Dichterinnen und Dichtern aus Großbritannien zusammenstellte, war ich auf diese von Thomas Kling übersetzten Texte gestoßen und hatte einen Teil davon in meine Schreibheft-Auswahl aufgenommen. Hier erscheinen sie, mit herzlichem Dank an Ute Langanky für die freundliche Erlaubnis, noch einmal vollständig. Duncan und Kling lernten sich 2000 anlässlich einer gemeinsamen Lesung in Cambridge kennen, bei der Klings Gedichte und ihre Übersetzungen Duncans vorgestellt wurden, die 1999 unter dem Titel Krakel Kakel-Ugn bei Barque Press erschienen. Kling erwiderte den Dienst später. Weitere Übersetzungen, in diesem Fall von Hans Thill und mir, erschienen 2011 im Poet Nr. 10. Alle anderen Texte sind für dieses Buch übersetzt worden, wofür ich der Übersetzerin und den Übersetzern als Herausgeber herzlich danken will.
Norbert Lange, Nachwort
Erec Schuhmacher: Mutmassungen über Andrew Duncan
signaturen-magazin.de
Jonis Hartmann: Programmiersprachen
fixpoetry.com, 30.12.2016
Marion Poschmann: Lyrik-Empfehlungen 2017
lyrik-empfehlungen.de, 21.3.2017
Gespräch des Monats im Haus für Poesie am 19.4.2017. Die Autoren Andrew Duncan und Steffen Popp werden von Marion Poschmann und Christiane Lange vorgestellt.
Norbert Lange am 28.11.2013 in der Lettrétage Berlin Kreuzberg.
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