DIE NICHTVERSTANDENE LEKTION
Heimlich, in der Dämmerstunde, schlich ich mich
Zu ihm, dem sonderbaren Alten, der
Von den Rätseln des Universums raunte
Und mich in dem Glauben ließ,
Daß ich sie verstehe.
Er züchtete wundersam funkelnde Steine
Und gab ihnen Unterschlupf in seiner Kammer,
Aufgereiht auf weißen Tüchern
Wie verlassene Bräute.
Er ging auf Reisen mit mir,
Von Ulm nach Metz, von Metz nach Mähren,
Den Finger auf der Landkarte,
Die Kuppe blau vom Wasser der Flüsse.
Er sagte: Schließ die Augen und beschreibe,
Was du siehst. Er sagte: Schließe sie fester.
Und ich sah am Horizont den Hafen von Marseille,
In die Nase stieg mir das Mittelmeer
Der Bouillabaisse.
Und ich ahnte nicht,
Was es war: das Training
Für die Haltung
Im Großen Käfig.
„Die Jahrzehnte. Das deutsche Gedicht in der 2. Hälfte des XX. Jahrhunderts“. Ein Gespräch zwischen Bernd Jentzsch, Wulf Kirsten und Karl Mickel 1993 in der Literaturwerkstatt Berlin.
Die Neugründung des Literaturinstituts war eine Steißgeburt. Bernd Jentzsch im Gespräch mit André Hille und „eine Reise durch ein bewegtes Leben“.
Bernd Heimberger: Initiator, Inspirator, Integrator
Berliner LeseZeichen, 3/2000
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