ZUM BIERKRIEG
wackere kannegießer & tapfere schwadroneure
anno wendemals um die machtfrage herum redend
geschweige die macht, die doch scheinbar brach lag
nehmend, um sie zu nehmen; nunmehr geschrumpft
zu einem kränzchen zugetütelter waschweiber
lauthals um einen wahlmodus herum labernd
mein lieber muckefuck, politik is nu ma korrupt
euer mutmachendes kampfgeheul „man müßte“
hängt hehr in den hallen des torpedokäfer
hoch die tassen, ihr flaschen, gegen nichts
gibt’s keinen schlachtgrund; paroli gebogen
bekommt, wer mit man aus dem ärmel kommt
aaaaawas man tragen kann
aaaaamuß man auch saufen
& umgekehrt, sage ich
brave sklaven der mit recht sog. bürgerbewegung
des getränkeverlages rössler, der telekom
der kulturkreiskommission prenzlauer berg
& der radio television luxemburg von deutschen
staates gnaden sind die inkompetenz auf latschen
sind keine schläfer, sondern anfänger & aufhörer
von anfang an. worauf seid ihr jetzt erpicht
gleiches recht, gleiche pflicht? niedergepichelt
das wenige vom leben & nichts von der freiheit
darauf ein spanferkel, möglichst spartanisch
mit langmut & kurzweil, „je feiger das individuum
desto frecher der staat“ steht john henry parat
aaaaawas man widerlegen kann
aaaaadagegen muß man auch raufen
& umgekehrt, sage ich
keiner auf kosten des anderen erquickt euch nicht
in gedanken rutscht ihr euch selbst den buckel runter
überhebungswahnwitz & sklavensinn, ausbeutungsgelüste
& selbsterniedrigung, der künstlich genährte hochmuth
& die so mit recht verfluchte geduld sind die geißeln
& ihr zaudert, euch zu bequemen, geiseln zu nehmen
interesse ist die motivation, konspiration die methode
ihr verasselten kaffern urbanen zuschnitts ohne schneid
ihr habt uffn hoff malocht, habt euch den hoff gekooft
nun besitzt ihr den hof, um hofherr zu sein & hof zu halten
trägheit heißt eure treue, eure motivation ist die reue
achtung, räudige revolutionäre, es ist soweit; bierkrieg
aaaaawer redaktionssitzungen abhalten kann
aaaaamuß auch imstande sein, SKLAVEN zu verkaufen
& nicht umgekehrt, ich sage:
va banque oder garnich; kopf in’ nacken
Papenfuß erregt Ärgernis.
Das war so, als er seine Lehrer in der Provinz irritierte („Wir hatten schon damals immer Ärger mit dem!“). Als jemand seine Gedichte in die – vor und nach jeweils zwei Nummern versunkene und wieder auferstandene – Zeitschrift Temperamente lancierte. Seine Lehrer von damals lesen heute vielleicht den Spiegel und können sich bestätigt fühlen. Immer noch trotzig, rotzig, uneinsichtig. Immer noch nicht begriffen, was Sache ist, was angesagt, Zeitgeist.
Aber: Durch den Ärgernis kommt, auf den fällt auch Licht. Die sporadischen Veröffentlichungen in der DDR – 1977 – 1980 – 1986 – 1989 – machten ihn zu einem Geheimtip. Das Licht kam von der Sprache, nicht vom Ärgernis. Der sich fon der zeit verspottet fuehlt, wehrt sich in der Sprache – und das nicht verbohrt und vernagelt, sondern spielerisch – damit Spielraum schaffend, Freiheitsraum.
Wie, um gleich einen anderen Fettnapf zu betreten, Wolf Biermann, der mit seinen ,dadaistischen‘ Reimspielen auf die Namen ,Sindermann‘ und ,Verner Paul‘ gegen Maß und Vernunft antanzte: Wie sie den Veränderungswilligen, Vernünftigen, uns, mir Sinn und Zunge lähmten, vernagelten. Ich hielt es für taktisch falsch, ich genoß es, es half mir womöglich). Ein Radikaler im Wortsinn, der die Zwischenräume zwischen Wort und Sinn zum Tanzen bringt. Ein Verwandter der Schwärmer, der Schrägen und Verrückten, die die Jahrhunderte besiedeln, der Kuhlmann, Stramm, Nebel, Jandel. (Welche Reihe: der eine in Moskau hingerichtet, der zweite gefallen, der dritte vergessen, der vierte schert aus!)
Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre fiel auch das ,öffentliche‘ Licht auf ihn, west-östlich. 1991 hatte ich Gelegenheit, vor einer Versammlung über den Autor zu sprechen. Ein Wohlmeinender frug mich, ob ich nicht zustimmte, daß dieser Autor – im Unterschied zu jenem – niemals Zugeständnisse gemacht habe, während jener auf zwar verwickelte Weise auf den ,Sozialismus‘ geschielt…? In der Tasche hatte ich eine Literaturzeitschrift aus Essen, in der er eben den Sündenfall – post festum – beging:
Ich meine, wir sind ja irgendwie doch im Sozialismus aufgewachsen… Alle Ideale gingen ja in Richtung besserer Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus oder sowas.
(Auch eine Reihe: oder sowas!). Das hätte er (ich) dort besser verschwiegen. – Es hätte ihn doch eingeholt. Wenig später verschob sich der Fokus jenes Lichts wohl endgültig, weg von dieser Literatur. Ende der Schonfrist, Klappe.
Michael Gratz, moosbrand, neue texte 5, März 1997
Sprachgewand(t) – Ilona Schäkel: Sprachkritische Schreibweisen in der DDR-Lyrik von Bert Papenfuß-Gorek und Stefan Döring
Heribert Tommek: „Ihr seid ein Volk von Sachsen“
Mark Chaet & Tom Franke sprechen mit Bert Papenfuß im Sommer 2020 und ein Auftritt mit Herbst in Peking beim MEUTERLAND no 16 | 1.5.2019, im JAZ Rostock
Kismet Radio :: TJ White Rabbit presents Bertz68BirthdaySession_110124_part 2
Lorenz Jäger: ich such das meuterland
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.1.2016
Zeitansage 10 – Papenfuß Rebell
Jutta Voigt: Stierblut-Jahre, 2016
Thomas Hartmann: Kalenderblatt
MDR, 11.1.2021
Nachruf auf Bert Papenfuß bei Kulturzeit auf 3sat am 28.8.2023 ab Minute 27:59
Bert Papenfuß liest bei OST meets WEST – Festival der freien Künste, 6.11.2009.
Bert Papenfuß, einer der damals dabei war und immer noch ein Teil der „Prenzlauer Berg-Connection“ ist, spricht 2009 über die literarische Subkultur der ’80er Jahre in Ostberlin.
Bert Papenfuß, erzählt am 14.8.2022 in der Brotfabrik Berlin aus seinem Leben und liest Halluzinogenes aus TrakTat zum Aber.
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