Eine versprengte Gesellschaft
Ist überall im Busch, nirgends
zu Haus, hat immer Kohldampf,
der gemein zusammenschweißt,
so schlimm er vereinzelt kneift.
Unterirdischer geht’s immer,
in der Tür sich irrend, abwärts.
Die verbohrte Quatschbacke Turnvater Jahn schlug (im Rahmen seiner
Berliner Vorlesungen 1817) vor, als Grenze zum ihm verhaßten Frankreich
eine sog. „Hamme“ anzulegen. „In Altdeutschland, sagt er, sei ein Stamm
und Ort um so berühmter gewesen, je größer und undurchdringlicher der
Wald sein Gebiet ummarkt habe, und die Dithmarsen hätten sich mit einer
nur kurzen Hamme gegen die Dänen gehalten. Peter der Große habe auch
für Rußland eine Hamme anlegen wollen, sei aber darüber hinwegge-
storben. Eine Wildniß anzulegen und dadurch Länder abzusperren und
zu schützen, sei gar nicht schwer. Könne man durch Kunstfleiß der Natur
nachhelfen und die Erde verschönern, so lasse sich auch ebenso gut eine
undurchdringliche Menschenwüste anlegen. Warum nicht zum Wohle des
Vaterlandes Marschen vermorasten, Auen einsumpfen, Höhen versurten,
Niederungen verbuchen und gewässerte Thöler durch Wall und Mauern
zu Seen stauen? Statt aller Thiergärten im Kleinen würde dann ein großer
Erdstrich eine Versammlung des gesammten Thierreiches abgeben. Erst
müßte man grasfressende Thiere hineintreiben und verwildern lassen;
dann Roth- und Schwarzwild, Elennthiere und Auerochsen und zuletzt
Raubthiere aller Art. Im Bezirk dieser Hamme dürfte kein Gebäude, nur
Trümmer bleiben. Sei die Wildniß wenigstens einen Grad breit und gegen
das Vaterland hin noch mit einer Doppelreihe von Verwallungen und
Dornhecken eingezäunt, so könne man sich gegen Überfälle gesichert
fühlen.“1
In seinem Buch Selbstverteidigung2Hg. v. Eduard Burckhardt, Ernst Keil, Leipzig, 1863, S. 88/footnote] tobt sich der xenophobe
Proto-Ökofaschist Jahn weiter aus: „Aus alten Klöstern entstehen dann
Eulenschläge; Adlerhorste aus gebrannten Thurmzinnen. Durch Feuers-
brünste ist zu Hyänenbauen vorgearbeitet, unterirdisch aufgebaute Irr-
gebäude dienen gleich Schneckenbergen zu Werken für Giftschlangen.
Die mit einer Doppelreihe von Verwallungen und Dornhecken eingezäunte
Wüste ist wenigstens einen Grad breit, kein Leichtfuß kann sie in einem
Futter ohne Rast durchhüpfen. Hungrige Wölfe, Bären und dergleichen
passen Einschleichern, Kundschaftern und Landstreichern auf den Dienst.
Beginnen die reißenden Thiere einander selbst zu verspeisen, so werden
sie mit Drehern und Seglern von Schaafen, Franzosen-Kühen, unbrauch-
baren Pferden u.s.w. gefüttert, und der beständige Kampf, den die an der
Wüste wohnenden Leute mit ihnen zu führen genöthigt sind, ist die beste
Vorschule zur Landwehr.“
Ein haarsträubender Text von balkenbiegender Poesie – der mich reizte,
ihm zu entgegnen. Das Schöne wie das Schnöde sind Aspekte des Scheuß-
lichen. Angesichts eines Vegetationsareals auf dem Gelände der Ernst-
Fuhrmann-Anstalt in Stolpe auf Usedom entstand die Grundidee zu
H a m m e. (Dank an Hartmut „Tex“ Köppen und Katja Horn für die
botanische Beratung.) Dat Jedicht schildert anhand allerhand Anagramm-
geklingels das Klassenkonstrukt einer „Gesellschaft“, deren gemeinsamer
„Saal“ lediglich von Pflanzen gebildet wird, die uns umgeben und im
Verlaufe überwachsen. Dem ruralen Idyll gilt das Entgegentrachten
sowohl, als auch dem anarcho-primitivistischen Ideal, das zwar nicht ohne,
aber von gestern ist und Weltraumfahrt ausschließt, was der Allumfas-
sende Anarchogorgon natürlich mißbilligt.
Bert Papenfuß, Vorwort
LETZTER GRUSS AUS DRESDEN (für Bert Papenfuss, 7.10.2023)
Ein neuer Zug nimmt auf der Galeere Platz
Der Pope schrubbt die schwankenden Planken ab
Die Rumbalotte muß zum Docker
Tränenden Auges noch hißt man Segel
Der Kapitän stand breitbeinig auf der Nock
Jetzt ist er über Bord und die Mannschaft krank
In Jahren nicht zu messen was da
Abging im Prenzlauer Berg auf Talfahrt
In Kinetose schleicht sich der Chronische
Zum Kotzen an die Reeling, die leewärts liegt
Den Kaviar an die Fische fütternd
Stopft der Kalender ihm heut den Hals zu.
Andreas Paul
Mark Chaet & Tom Franke sprechen mit Bert Papenfuß im Sommer 2020 und ein Auftritt mit Herbst in Peking beim MEUTERLAND no 16 | 1.5.2019, im JAZ Rostock
Kismet Radio :: TJ White Rabbit presents Bertz68BirthdaySession_110124_part 2
Lorenz Jäger: ich such das meuterland
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.1.2016
Zeitansage 10 – Papenfuß Rebell
Jutta Voigt: Stierblut-Jahre, 2016
Thomas Hartmann: Kalenderblatt
MDR, 11.1.2021
Nachruf auf Bert Papenfuß bei Kulturzeit auf 3sat am 28.8.2023 ab Minute 27:59
Bert Papenfuß liest bei OST meets WEST – Festival der freien Künste, 6.11.2009.
Bert Papenfuß, einer der damals dabei war und immer noch ein Teil der „Prenzlauer Berg-Connection“ ist, spricht 2009 über die literarische Subkultur der ’80er Jahre in Ostberlin.
Bert Papenfuß, erzählt am 14.8.2022 in der Brotfabrik Berlin aus seinem Leben und liest Halluzinogenes aus TrakTat zum Aber.
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