Buchlabor

Agenda Buchlabor

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Delta der Lyrikverlage“

Im Delta der Lyrikverlage

– Kreativzentrum Neustadt: Arbeit am Buch. –

– Dresden, eine Ansammlung von Mythen. Residenzstadt? Das war einmal. Barockstadt? Ein ruinöser Witz. Moderne Stadt? „Die süße Krankheit Gestern.“ Aber wie ist es mit Literaturstadt? Das wollen wir immer noch untersuchen. –

Geballte Kreativität in Dresdens Neustadt. Sie manifestiert sich hier nicht nur in hippen Kneipen und vermeintlich grenzenlosem Nachtleben (wenngleich vor allem letzteres doch eher eine Illusion zu sein scheint). Die wirkliche Kreativität ist hier eher stillerer Natur. Sie steckt hinter maroden Mauern ebenso wie hinter geputzten Fassaden. Auf Hinterhöfen ist sie zu Hause, in Kellerräumen und unter Dächern. In der nach einem in seiner Vehemenz durchaus unkalkulierbaren Bach benannten Prießnitzstraße reihen sich Gründerzeithäuser aneinander und liefern quasi subkutan den Nährboden für eine lebendige Szene. Hier leben Gründer.
Beispielsweise das Buchlabor. Schon der Name verrät, hier wird am Buch noch richtig gearbeitet. Kein Schnellverfahren, um rasch einige Bestseller zu liefern und Fehlversuche sofort wieder zu remittieren. Hat solch ein Unterfangen die Chance auf Dauer? Es hat. In diesem Jahr feiert das Buchlabor Edition Raute das erste Vierteljahrhundert seines Bestehens. Wenn Mitgründer Holger Wendland heute zurückblickt, gesteht er, „in den ersten Nachwendezeiten ziemlich blauäugig gewesen“ zu sein. Ob er und Agenda-Buch-„Laborant“ Dirk Fröhlich damals für möglich gehalten hätten, im Jahr 2015 noch immer dieser (befriedigenden?) Lebensaufgabe verschrieben zu sein, ist nicht bekannt. Beide wirken nicht unglücklich ob dieser Berufung.
Dass die Ursprünge in der bildenden Kunst lagen, ist heute noch offensichtlich. Erste Editionen gab es aus Galerieräumen in der Böhmischen Straße heraus. Die Ambitionen dazu wurden beim Thüringer Holger Wendland bereits via Görlitz nach Dresden getragen. Auch der in Dohna geborene Dirk Fröhlich ist dieser Stadt und der hiesigen Künstlerschaft treu geblieben. So will es die Dresdner Natur. Hohen Anspruch an sich selbst und an die Kunstschaffenden verbindet er in der Künstlerzeitschrift Die Spinne. Man findet diese Raritäten entweder als künstlerisch Beteiligter oder als Bibliotheksexemplar.
Eine der editorisch vielleicht anspruchsvollsten Reihen wird Partisanen genannt. Darin steckt natürlich jede Menge inhaltlicher Widerspruchsgeist, aber eben auch der im Namen hervorgehobene Kunstbezug. Die Blickrichtung dieser Schriftenfolge geht gen Osten, aber nicht als falschverstandene Rückbesinnung, sondern um auf besondere Aktionen aufmerksam zu machen – um denen eine Stimme zu geben, die all zu oft überhört und meist übersehen werden.
In der Lyrik gibt es derlei Erfahrungen nicht minder. Jeder schreibt Gedichte, kaum einer liest sie und gedruckt wird oft nur Mainstream. Nicht so im Lyrikengagement der Edition Raute. Holger Wendland betont den hohen Anspruch innerhalb des Buchlabors, er setzt auf deutsche Erstveröffentlichungen internationaler Texte, die grundsätzlich illustriert werden. Vorzuweisen sind beispielsweise Ausgaben von Ossip Mandelstam und Wladimir Solowjow, aber auch von Olga Bergholz, Wjatscheslaw Iwanow und Dionisis Karatzas. Er habe dazu einen der besten Lyrikübersetzer an der Hand und meint den auf Sizilien lebenden Schweizer Christoph Ferber. Aber auch Ina und Asteris Kutulas sowie Thomas Eichhorn widmen sich den hierzulande bislang unbekannten Texten verkannter Geistesarbeiter. Solche Projekte können nur in Kleinstauflagen erscheinen, dennoch finden sie mitunter ein überraschendes Echo selbst im Großfeuilleton, freut sich der Herausgebe,der für das zeichnerische Beiwerk auf Handschriften setzt, die zur Gedichtstruktur inhaltlich oder territorial passen.
Bezugspunkte verbinden auch die Weiße Reihe beim Buchlabor, die sich Ausstellungsprojekten in Dresden und darüber hinaus widmet. Mit anspruchsvollen Essays wird widerständiger Geist vermittelt. Wendland sieht es als „Kulturelle Pflicht“ und gestaltet seine sich gern auf die Tradition des Samisdat beziehenden Editionen sichtlich mit Liebe.
Zum 25. Geburtstag sei „kein großes Buch“ geplant, sondern ein Heft, das sich 100 Jahren Dadaismus widmet und zeigt, dass 1916 sowohl in der Schweiz als auch in Russland die Geburtsstunde dieser Bewegung schlug. Erhältlich sind Buchlabor-Schriften vorzugsweise im Kultur Aktiv e.V. auf der Bautzner Straße.

Michael Ernst, SAX, Heft 6, Mai 2015

 

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