jeder zellkern: ein aktenschrank
ein universales amtsgebäude, ohne beamte.
keine akte, die es nicht gibt im kern.
nichts ging verloren seit anbeginn: jeder kuß
der jemals geküsst worden ist, jedes lächeln
das jemals gelächelt wurde, jede demütigung
jedes erdbeben, jede diktatur, jeder krieg
jedes liebe und tröstende wort ist vollständig archiviert
und kopiert, auf milliarden schränke verteilt –
als gäb es schon immer IKEA und staatssicherheit.
doch was fang ich an mit all diesen akten
in mir? – nichts kann ich lesen, nur fühlen
im trüben: ein abbild von fischen, 10 000 meter tief
unter mir schwimmend, noch schimmernd
durch zellwände hindurch, organe und haut…
unmerklich deutlich: wackelnde schränke
zitternder staub
auf einem stoß verwandlungspapieren.
Von Hause aus zuerst Mediziner und Biologe, dann Germanist, gilt er als der poetische Existenzialist unter den jüngeren deutschsprachigen Lyrikern, dem ein besonderer Mix aus harten materiellen Gewißheiten und zartesten Gefühlen, vollkommen unironisch und ohne bombastische Schwülstigkeit in einem „Sound der Gegenwart“ gelingt. Damit bedient Elze einen Ton, der in der zeitgenössischen Lyrik kaum zu hören ist, der selten ist in der heurigen selbstverliebten Schönrednerei.
Ankündigung in Peter Handke: Poesiealbum 352, MärkischerVerlag Wilhelmshorst, 2020
Carl-Christian Elzes neue Gedichte bedienen sich eines Tons, der in der zeitgenössischen Lyrik vielleicht gefehlt hat – einfach, ohne banal zu sein, direkt und dennoch originell, bild- und vergleichsstark, mal komisch, mal derb, oft überraschend und immer berührend.
Jan Wagner
Elzes stets in Existenzielles verweisende Spiel ist eines mit hohem Einsatz, denn die Kaschierungsmöglichkeiten sprachlicher Ungelenkheiten sind in solch performativ ausgelegter Dichtung ungleich geringer als in Inversionen aller Art, etwa dunklen Metaphernscharaden.
Peter Geist
Eine Direktheit, die wir sonst vermissen in der selbstverliebten Eloquenz der Postmoderne.
Frank Milautzcki
Die Verse erscheinen geradezu rhythmisiert durch die Frequenzen des Körpers, den Schritt, den Puls, den Augenaufschlag, Aufwachen und Einschlafen.
Holger Pils
Elze ist ein Artist der Absurditäten, in deren Spiegelungen er sich und wir uns von vielen Seiten betrachten können und manchmal auch, ohne uns zu Gesicht zu bekommen.
Andreas Altmann
Er ist der poetische Existenzialist unter den jüngeren deutschsprachigen Lyrikern. Vielleicht weil er von Hause aus nicht nur Germanist, sondern auch Mediziner und Biologe ist, gelingt ihm eine besondere Mischung aus harten materiellen Gewißheiten und zartesten Gefühlen – vollkommen unironisch und ohne jeden Schwulst entsteht so der Sound der Gegenwart: erwachsen, ernst, empfindsam, elementar.
Bettina Hartz
Die Souveränität dieser Gedichte erwächst aus Elzes Mut, sich verletzlich zu machen.
Elke Engelhardt
Elze, der die Tiere und die Verse kennt, führt uns mit geschickt leichter Hand in Gedichträume, die uns die berückende Nähe von Komik und Ernst, von Groteske, Verzweiflung und Lebensmut fühlen lassen.
Ulrike Draesner
MärkischerVerlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2020
Elze ist der große Existentialist und Gottsucher unter den jüngeren deutschen Dichtern; er bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Glauben-Wollen und Nichtglauben-Können, Zweifeln und Hoffen, wobei seine große Stärke ist, daß er trotz der metaphysischen Fragen verständlich bleibt. Er geht von Konkretem aus und bleibt den Menschen und Mitgeschöpfen zugewandt, Symbolismus ist ihm fremd.
MärkischerVerlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2020
Elke Engelhardt: Erklären soll man das nicht
fixpoetry.com, 4.5.2020
Ulf Heise: Sinnlicher Rhapsode der Liebe
Leipziger Volkszeitung, 22.5.2020
Carl-Christian Elze liest aus seinem Band diese kleinen, in der Luft hängenden, bergpredigenden gebilde. Auszüge aus der Lesung anlässlich der Frühjahrspremiere 2016 des Verlagshaus Berlin am 2. April 2016 in der Buchhandlung Ocelot Berlin.
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