1.15 | SINGSANG
singt
singt erst leise für sich
singt leise lauter wind
lässt säulen säuseln
lässt sich endlich sand
werden singsand
lautet der Titel des bemerkenswerten und umfangreichen Debütbands von Caroline Danneil, erschienen als Band 17 in der Reihe staben. Gegliedert in vier Zyklen, die ,auszeiten‘, wird das Spektrum des Lebens entdeckt, beäugt, reflektiert, teilweise seziert und auf neue Art und Weise ins Leben zurück ,geschrieben‘, wobei die Orte und Themen dieser Untersuchungen und Erlebnisse sich oftmals aus der unmittelbaren Umgebung und der damit verbundenen eigenen Wahrnehmung ergeben. Die Autorin selbst bezeichnet die ,auszeiten‘ als eine Art „täglicher Gegenbewegung, einer Suche danach, was sich als erstmal unbegreiflich, überwältigend aufdrängt und dann doch versteckt, sich verdeckt gibt: es kommt nicht mit einem Schlag, sondern eher überraschend, scheu und verzögert ans Tageslicht“.
In „1.07 | luftloses licht II“ heisst es:
kleines glück der sonne beigemischt in dosierter menge
erträglich wie unsichtbares huhn auf schoß. hand
zu fassen was fiele und fällt – meine unruhe vor scherben
ist’s eine scherbe, das unklare gilt: luftloses licht
Auf fixpoetry hat Olga Galicka zu einer früheren Fassung des Gedichts sehr treffendes bemerkt:
Das Atmen wird schwer zwischen all den Alltäglichkeiten, Rechnungen und Unerfreulichkeiten. Über sie sprechen, lässt Worte verpuffen. Sie lösen sich auf, noch bevor sie ausgesprochen wurden. Für Caroline Danneil ist es nicht die Kehle, in der die Worte ersticken. Die vergessenen Tatsachen stecken im Brustkorb, schlagen sich ihren Weg nach oben. So, dass es weh tut. Mit Gewalt an die Oberfläche und daraus vielleicht auch ein Leuchten der Tage.
Und – fast wie abgesprochen und ebenfalls auf fixpoetry – fügt Frank Milautzcki an:
Es geht von songhaften Strukturen („luftloses licht II“) zum singsang (dort zum ,singsand‘), vom blockgesetzten Paket zum mageren Photon, kurze Anschaltung, die Hand noch an der Zugschnur. Dabei immer vor Ort, aber niemals ge- oder befangen, selbst wenn es ernst wird, ist der Satz nicht der Büßer, sondern ein Freund. Viel sprachliches Geschick ohne Pomp oder Laute, kleine Melodien noch und noch: „zwischen fingerdünnen ästen / sacht hinabgestrichenes oval / haare arme sinnlos winter“ – das lebt zusammen „wo im umriss / dunkle fülle ruht“.
Kurz gesagt: hinter hand ist ein außergewöhnliches, wunderbares und entdeckungsfreudiges Buch, das sich in seinen ,auszeiten‘ immer wieder neu erfindet.
gutleut verlag, Ankündigung
Frank Milautzcki: vier mal auszeiten
fixpoetry.com, 13.11.2019
Caroline Danneil liest ihren Gedichtzyklus „Hausfrauengesänge“.
Ich mag das Spiel mit Singsang und Singsand. Ob wohl die Singsang innewohnende Beliebigkeit das Spiel überlebte?