GROSSES ZEICHEN
Zuständig bist du
wie der Straßenköter für den Eckstein
wie der Quarksack für die Physik
Wieso machst du es nicht
unter den höchsten Zwillingstürmen
unter dem neusten Hochwasserstand
Hättest du es nicht
etwas kleiner bitte
wer soll’s dir noch heimzahlen
Und mach uns nicht
an, Alien, großes Satz-Zeichen
oder frag uns was andres
Kito Lorenc
und ist inzwischen „eine Institution“ geworden, das Jahrbuch der Lyrik. Als jährlich sich fortschreibende Anthologie deutschsprachiger Gegenwartslyrik macht es alle wichtigen Entwicklungen in der Lyrik sichtbar und zeigt immer wieder neu, wie sich Sprache, lyrische Formen und Ausdrucksmöglichkeiten verändern (müssen), um Gegenwart, Zeit und Epoche im Gedicht zu fassen zukriegen.
Wer das Jahrbuch der Lyrik regelmäßig verfolgt und zurückliest durch die Jahre, wird stets wieder überrascht sein, wie sich in den siebziger, den achtziger, den neunziger Jahren und jetzt zum Beispiel Landschafts- und Liebesgedicht verändern, oder wie anders, wieviel skeptischer, ambivalenter oder ironischer politische Gedichte junger Autoren heute daherkommen.
Und: Jedes neue Jahrbuch setzt dank des von Band zu Band wechselnden Lyrikers, der als Mitherausgeber fungiert, seine Akzente und Kapitelschwerpunkte anders. Mitherausgeber des Jahrbuchs der Lyrik 2004 ist Michael Krüger, als Lyriker wie auch als Verleger von Gedichten und Herausgeber der Literaturzeitschrift Akzente bestens ausgewiesen. Krüger und mit ihm der ständige Herausgeber Christoph Buchwald haben dafür gesorgt, daß auch im neuesten Jahrbuch der Lyrik wieder viele neue Stimmen zu entdecken sind.
C.H. Beck Verlag, Klappentext, 2003
Verlangsamung
Jede extreme Beschleunigung erzeugt einen Zuwachs an Verlangsamung. Wer dieses (ungeschriebene) Gesetz, bezweifelt, wird täglich bei einem flüchtigen Blick in die Zeitung oder in andere Medien eines Besseren belehrt: Auf allen Kanälen werden auf eine grotesk umständliche Weise Lebensgeschichten erzählt. Selbst Menschen, die nichts zu erzählen haben, werden gezwungen, diese Leere ununterbrochen auszudrücken, als gelte es, dem nichtigen Zufall eine Form zu geben. Und wer einmal im Zug beobachtet hat, wie das schnellste Kommunikationsmittel, das Handy, dazu herhalten muß, die langsamste Gesprächsform aufzunehmen, die SMS-Botschaft, Buchstabe für Buchstabe mit offenen Mund auf die winzige Tastatur getippt, der möchte meinen, in einer vorsprachlichen Welt zu leben. Je avancierter (und schneller) die Technik, desto größer der Wunsch, die eigene Haut, den letzten Rest von Individualität zu retten. Das mag eine Illusion sein, aber es gibt doch zudenken.
Das Gesetz gilt jedenfalls uneingeschränkt für das Schreiben von Gedichten. Denn nichts könnte man problemloser als überflüssige Zeitverschwendung, als atavistische Spielerei abtun, als Sand im Getriebe des eigenen Lebensplans. Als die Kisten mit all den eingesandten Gedichten vor mir auf dem Schreibtisch standen, um ausgepackt, gelesen, sortiert und in den Trichter gegeben zu werden, aus dem dann unten gut hundertzwanzig Texte herauspurzeln sollten, die in ein Jahrbuch der Lyrik passen, dachte ich zunächst ausschließlich an die Autoren: Was sind das für seltsame Leute, die gegen jede herrschende Vernunft dieses einsame Handwerk betreiben? Die nur mit dieser (man muß schon sagen:) abseitigen Form die Hoffnung verbinden, eine jener Schwingungen festzuhalten, die offenbar nur in dieser alten, uralten Form zum Ausdruck kommen können. Noch bevor ich zur Lektüre kam, zur Kritik und zur Auswahl, stieg ein Gefühl von Stolz und Befriedigung in mir auf, daß es offenbar noch viele gibt, die mit Gedichten dem Geschwindigkeitsrausch zu trotzen versuchen – so vergeblich, wenn nicht lebensgefährlich diese Haltung auch sein mag. Mit diesen winzigen, ernsthaft betriebenen Wortspielereien, diesen Davids gegen die wortspeienden Goliaths, soll etwas verlangsamt werden?
Hier ist nicht der Ort, dieses Etwas zu untersuchen. Dieses Buch ist ein Jahrbuch und soll etwas sehr Konkretes dokumentieren: das, was im Jahre 2003 geschrieben wurde. Aber vielleicht macht sich der Leser die Mühe, dem Movens, das diese Gedichte hervorgebracht hat in unpoetischen Zeiten, auf die Schliche zu kommen. Das wäre für den Mit-Herausgeber, der dieses Jahrbuch im Schatten von Christoph Buchwald begleitet hat, genug Lohn für die Mühe. Denn keiner soll glauben, daß es das reine Vergnügen war, sich durch einen meterhohen Berg von Papier zu fressen, der mit nichts als mit Gedichten bedruckt ist.
Michael Krüger
Erstens: Soviel Lyrik war nie. 66,2 Kilogramm Gedichte, die die Paketboten in München und Amsterdam zuzustellen hatten. Fast zwei Drittel der 449 Einsender waren Neulinge, das heißt Autoren, die nicht mit einem Brief oder Anruf um Gedichte gebeten wurden oder in einem der vorangegangenen zwanzig Jahrbücher vertreten waren; sie sind, wie aus zahlreichen Begleitbriefen hervorging, vor allem via Internet (vielfach durch www.lyrikline.org in Berlin) oder Freunde und Kollegen auf das Jahrbuch der Lyrik aufmerksam geworden. Auch wenn der Prozentsatz derer, who didn’t make it in the end, unter den ca. 300 neuen Einsendern immer hoch ist, so sind diesmal doch einige auffallende neue Stimmen zu entdecken: Autorinnen und Autoren, die erkennen lassen, daß sie sich auskennen bei den Riesen, auf deren Schultern sie stehen. Als hätte sich auch bei den ganz jungen Einsendern herumgesprochen, daß sich ein Gedicht und alle Arten „Messitsch“ nicht vertragen, einander ruinieren, aus feindlichen Lagern sind. Als hätte das wachsende Mißtrauen gegen Slogans, Gutmenschentum und Klischees à la Wut & Trauer das Augenmerk wieder mehr auf Handwerk, Sprache und Form gelenkt. Auf größere Genauigkeit im Umgang mit den literarischen Mitteln.
Zweitens: Auch nach dem Erscheinen des 20. Jahrbuchs (mit Lutz Seiler als Mitherausgeber) hat sich, was die literarische Kritik in Zeitungen und Zeitschriften angeht, nicht viel geändert. Sie kommt, außer als freundlicher Hinweis mit bibliographischer Angabe, kaum vor. Band 20, der immerhin ein Anlaß gewesen wäre, das ganze Unternehmen von Nummer I an (mit Harald Hartung als Mitherausgeber) kritisch unter die Lupe zu nehmen, ist da keine Ausnahme. Oder ist das, wie ein Kritiker einer in Hamburg erscheinenden Wochenzeitung neulich meinte, angesichts der Rezensions-Zeilenhonorare und der abnehmenden Feuilletonumfänge, dann doch zu viel verlangt?
Im Internet jedenfalls findet Literaturkritik, Lyrikkritik, Jahrbuch-Kritik vielfältig und auf allen Niveaus der Kritischen Kunst statt, von radikal subjektiv über kriterienfrei stotternd bis nachvollziehbar argumentierend und handwerklich fundiert. Wer z.B. über „Google“ den Suchbegriff „Jahrbuch der Lyrik“ eingibt, landet rasch bei den unterschiedlichsten lyrikkritischen www.Adressen, von literaturkritik.de und literaturwelt.de über lili.uni.bielefeld und acoon.de bis zu den eigenwilligen aub.readme.de, luise-berlin.de und gutenmorgen.de. Überhaupt scheinen die diversen (jüngeren) Lyrikszenen in Ermangelung von Publikationsmöglichkeiten und „öffentlichem Raum“ wie selbstverständlich im Internet ihr Medium gefunden zu haben. – Und doch scheint zugleich auch da immer noch zu gelten, daß erst das von einem seriösen Verlag auf holzfreiem Papier gedruckte Gedicht wirklich publiziert ist. Als wüchse der Poesie erst auf dem Papier die Ewigkeit zu, die ihr angemessen zu sein scheint.
Das Jahrbuch der Lyrik jedenfalls wird – drittens – schon aus diesem Grunde für die Ewigkeit gemacht und ausschließlich auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier gedruckt und aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestellt. Dies gilt auch für das kommende Jahrbuch. Einsendeschluß für unveröffentlichte (oder in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte) Gedichte ist der 1. September 2003; und wie immer bitten wir darum, den Gedichten auf einem gesonderten Blatt die biobibliographischen Angaben beizulegen mit Geburtsjahr, Wohnort, ggf. den letzten beiden lieferbaren Gedichtbänden mit Erscheinungsort, Verlag und Erscheinungsjahr (siehe die Angaben in Autoren, Gedichtbände am Ende dieses Jahrbuchs).
Je präziser die Daten, desto weniger Recherchearbeit hat Constanze Hub im Verlag; ihr sei an dieser Stelle gedankt für selbstlosen Einsatz und Geduld, ebenso gedankt wie meinem Kollegen und Mitherausgeber Michael Krüger, der die 66,2 Kilogramm Lyrik mit treffsicheren Kommentaren versehen hat.
Christoph Buchwald, Nachwort
– Das Jahrbuch der Lyrik gibt es nun seit 25 Jahren. Eine Erklärung für diese Kontinuität ist sicherlich die Leidenschaft, mit der sich der Herausgeber Christoph Buchwald immer wieder bei Verlagen für das von ihm erfundene Periodikum eingesetzt hat. Ein anderer Grund für den dauerhaften Erfolg des Jahrbuchs und sein Ansehen in der Lyrikszene, ist das äußerst bewährte Konzept, jedes Jahr einen Dichter als Mitherausgeber zu verpflichten. Dadurch bleibt das „Jahrbuch“ lebendig und neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen. –
Einmal traten gleich zwei Mitherausgeber auf. In der Ausgabe 1996/97 richteten Michael Braun und Michael Buselmeier das „Jahrbuch“ nach Vorbild der Frankfurter Anthologie aus. Sie präsentierten die ausgewählten Gedichte zusammen mit kleinen Kommentaren, in denen sie Gedicht und Dichter erläuternd vorstellten. Im Unterschied zu Marcel Reich-Ranickis in der FAZ erscheinendem Dauerbrenner, widmeten sich Braun und Buselmeier in diesem leider einmaligen Experiment allein der Gegenwartslyrik.
Aber auch auf andere Weise gab das „Jahrbuch“ häufig Anlass zur Diskussion über den Stand der zeitgenössischen Lyrik, ob durch die Nachworte der Herausgeber, Briefe von Dichtern und Lesern oder schlicht durch die Gedichte selbst. Und nebenbei gab es immer wieder ein Kapitel mit dem Titel „Blick zum Nachbarn“, in dem Dichter anderer Sprachen vorgestellt wurden.
Das Jahrbuch der Lyrik 2004, wie die aktuelle Ausgabe futuristisch heißt, beschränkt sich ganz auf die lyrische Produktion deutschsprachiger Dichter. Bei der Sichtung von 66 Kilogramm eingesandter Manuskripte stand Christoph Buchwald als diesjähriger Mitherausgeber der Dichter, Romancier und Verlagsleiter Michael Krüger zur Seite. Gemeinsam wählten sie knapp 120 Gedichte aus und ordneten sie zu fünf Kapiteln.
Drei davon – „Portraits/Selbstportraits“, „Große Meere“ und „Landeskundliche Berichte“ – sind thematisch zentriert, die zwei anderen eher assoziativ komponiert. Von den 93 in die Auswahl aufgenommenen Dichtern ist die deutliche Mehrheit bereits arriviert oder aus vorherigen Ausgaben bekannt, nicht wenige von ihnen waren schon beim Jahrbuch-Debüt 1979 dabei. Auffallend ist, dass die derzeit tonangebenden Jahrgänge um 1960 nicht so zahlreich vertreten sind, wie sonst üblich: Thomas Kling ist nicht dabei, Marcel Beyer nicht, und auch Raoul Schrott und Durs Grünbein scheinen diesmal von einer Teilnahme Abstand genommen zu haben. Statt dessen findet man vermehrt Gedichte der Generation eines Oskar Pastior oder der eines Richard Pietraß.
Auch die junge Generation hat sich breiten Platz erkämpft. Hier fällt auf, dass die neuen Stimmen der letzten Jahrbücher anderen gewichen sind. Es lässt sich fragen, ob sich keine neuen Stimmen von einiger Beständigkeit finden lassen oder ob man ein ums andere Mal aufs falsche Pferd gesetzt hat. Aber weder kann man immer den richtigen Riecher haben, noch werden unermüdlich gute Gedichte geschrieben. Und was etwa von Nicolai Kobus, Jan Wagner oder Nico Bleutge, die alle nach 1970 geboren wurden, ins „Jahrbuch“ Eingang gefunden hat, ist allemal eine Veröffentlichung wert. Von Nico Bleutge stammt das vielleicht sogar herausragendste Gedicht des Bandes.
LEICHTER SOMMER
für Bernard Noël
als läge noch eine schicht zwischen ihnen und dem schmalen streif der küste
traten die wolken hervor, scharf abgeschnitten an der unteren kante, oben ein
faltiger riemen, in den die möwen kleine löcher stanzten. beim nächsten
aufschauen hatte der dunst die fläche aufgerauht und der wind verfing sich in den
drahtnetzen knapp unterm wasserspiegel, die vögel waren längst verschwunden,
der himmel hielt noch ein weilchen jene luft die unter ihren flügeln rauschte
Hier paart sich handwerkliches Können mit dem Geschick, schlichte Bilder präzis zu zeichnen und ihnen den Reiz des Besonderen zu verleihen. Nico Bleutge setzt dabei weniger auf traditionelle Rhythmen, als auf den spannungsvollen Wechsel von kurzen und langen Silben. Sein Blick auf die Landschaft, auf das Meer und den Himmel darüber ist nicht sehnsüchtig oder mythisch verklärt, sondern ganz auf den Gegenstand gerichtet. Das Gedicht dient Bleutge als Wahrnehmungsinstrument: Wie eine geometrische Darstellung fassen die zwei Sätze, aus denen das Gedicht besteht, die zwei Blicke, die es beschreibt.
Im Jahrbuch findet man sowohl solide gearbeitete, tadellos stimmige und durchaus lesenswerte Gedichte, als auch Verwirrendes und Überraschendes. Wie etwa das „lamento“ im Darmstädter Dialekt, das der leider weithin unbeachtete Fitzgerald Kusz beigesteuert hat.
Aber es findet sich auch Einiges, das schlampig zusammen geschustert wirkt, wenig bis gar nicht durchdacht ist und so einfallslos wie altbacken daher kommt. Vieles in der Auswahl, die das Jahrbuch der Lyrik 2004 bietet, kann man beschaulich oder aber schlicht langweilig nennen. Gespreizt und geschwätzig sind etwa die folgenden Verse von Elisabeth Borchers:
Jede Zypresse ein Stich.
Jede Sonne ein Brandmal.
Jeder Mond eine Verengung der Arterien.
Die harmlosen Tunnels rufen ins Schwarze
Ebenso bemüht und ungeschickt berichtet Martina Hefter von „heuschnupfen-schweren / beschwerden“. Und Heinz Czechowski dichtet betulich: „Die DDR / war uns kein unproblematisches Land“.
Insgesamt also wäre weniger mehr gewesen. Auch wenn kaum Lyrik veröffentlicht wird, so kann nicht gelten, dass man soviel wie irgend möglich veröffentlichen sollte. Eine schlankere Auswahl hätte dem Jahrbuch der Lyrik eine schärfere Kontur verliehen. Das so gezeichnete Bild von der deutschen Gegenwartslyrik erinnert an eine Rumpelkammer, schlecht beleuchtet und unaufgeräumt, mit versteckten Schätzen, aber auch einem Haufen verstaubten Nippes. Es bleibt die nicht unwahrscheinliche Hoffnung, dass das Jahrbuch der Lyrik 2005 die deutsche Gegenwartslyrik wieder ins rechte Licht rückt.
Kaum hat das Jahr begonnen, kaum naht Ostern, da erscheint auch schon das Jahrbuch der Lyrik datiert auf’s folgende Jahr. Wie immer hat Christoph Buchwald zusammen mit einem (jährlich wechselnden) Mitherausgeber eine Sammlung von Gedichten zusammengestellt, die im deutschsprachigen Raum ihresgleichen sucht. Mit Michael Krüger, selbst Lyriker, aber auch umtriebiger Verlags-Chef, hat Buchwald einen kompetenten Partner gefunden; mit einer illustren Mischung aus alten Größen und „Youngstern“, die zum ersten Mal dabei sind, ist das neue Jahrbuch in seiner Mischung altbewährt.
Johannes Kühn, Jürgen Theobaldy, Robert Gernhardt sind ebenso vertreten wie Ron Winkler (Jahrgang 1973), Eva Simon (1978) oder Jan Volker Röhnert (1976). Gerade letzterer ist eine der Entdeckungen der letzten Jahre (die übrigens einem anderen wichtigen Lyrikherausgeber zu verdanken ist, nämlich Theo Breuer), auch wenn die Gedichte im Jahrbuch 2004 etwas bemüht originell wirken („… Ich hab einen sensiblen Geruchsinn / & kein Kellnerinnenschritt setzt / die Tatsache außer kraft, daß, nein auch // als Zeile hätte Buchweizen, gebrannt / höchstens kursiv überkulinarisch Bestand…“). Wie immer wird in der zeitgenössischen Poesie gereimt, orakelt, geschwelgt, gesungen: Alle Themen und alle Tonlagen sind vertreten, vom angenehm zurückhaltenden der beiden Baden-Württemberger Peter Salomon und Walle Sayer („… da irgend jemand das garrende / Friedhofstor geölt hat // und die Gräber gerichtet sind, / die Schmerzparzellen.“) über Ludwig Harigs launige Fußball-Sonette, bis hin zum Langgedicht – Thomas Kunst etwa fragt sich, „was machen sie nur, ohne den / Osten und die anderen warmgehaltenen Entrümpelungshierarchien.“
Zugegeben, viele Texte lassen einen schalen Beigeschmack zurück. So ist es eben bei Anthologien, die einen Querschnitt dichterischen Schreibens zeigen wollen: Für alle ist ein wenig dabei, ein Quäntchen hier, eines da. Eines der Highlights ist ohne Zweifel Werner Frischs „Im Faradaykäfig des Jetzt“. Geschickt montiert (neudeutsch: „sampelt“) er die archaischen „Merseburger Zaubersprüche“ und andere althochdeutsche Lyrik mit Sequenzen einer Autofahrt während eines Gewitters. Daraus ist ein rhythmisch vollendetes, dunkles und beängstigendes Gedicht geworden, dessen Bilder und Klänge sich ins Gedächtnis brennen.
Christoph Buchwald: Selbstgespräch, spät nachts. Über Gedichte, Lyrikjahrbuch, Grappa
Das Jahrbuch der Lyrik im 25. Jahr
Jahrbuch der Lyrik-Register aller Bände, Autoren und Gedichte 1979–2009
Michael Krüger – Lebenselixier Literatur im Gespräch mit Norbert Bischofberger, SRF 22.9.2013.
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