Christoph Flückiger: warten auf

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Christoph Flückiger: warten auf

Flueckiger-warten auf

[08]

mir aber gab kein gott
zu sagen was ich leide
unter meinen schmerzen
verstummt das ich
denn andern ursprungs sind sie
als die kränkung
die das junge blut dem alten narziss
geheimrat und dichterfürsten
zufügte in marienbad
der wortreich jahrelang
sich windet
elegisch schindet
in jamben und stanzen
zur endlichen versöhnung
sich hoch zu ranken
doch die ist echt und weise:
sich noch verlieben zu können
wie ein grüner Junge
das ist der sieg des eros
über alle todestriebe
ist der sphären harmonie

doch ich bleibe stumm
wenn die C-fasern aus allen rohren feuern
zucken wie blitze durch rücken und hand
wühlen im magen und erdrücken das herz
wie ich auch stöhne
der dunkle schmerz begräbt es
wortlos unter sich

 

 

 

[00]

Warten auf

Anfang Juni stellte der Hausarzt bei mir eine akute Blutarmut fest und überwies mich zur Abklärung ans Universitätsspital Basel. Im Juli begannen Untersuchungen. Vorläufig als MDS-Fall klassiert warte ich auf die Diagnose. Bluttransfusionen verleihen mir kurze Schübe von Vitalität. Sonst die grosse Fatigue. Sekundäre Krankheiten durchbrechen die Barrieren des geschwächten Immunsystems und machen mir das Leben schwer: eine Lumbalgie, gefolgt von einer akuten Pseudogicht im rechten Handgelenk. An Schreiben ist nicht zu denken. Der Essay über Don Qyijote bleibt unvollendet liegen, das Tagebuch blank.
Mit der linken Hand tippe ich ungelenk die kleinen Texte, die ich beim Warten entwerfe, zerlege und neu zusammensetze.

Christoph Flückiger, 23.7.2017

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