– Zu Ernst Meisters Gedicht „Ich sage Ankunft“ aus Ernst Meister: Die Formel und die Stätte. –
ERNST MEISTER
Ich sage Ankunft
I
Ja, das Licht
aufrecht
über dem Abgrund.
Wer spielt
seine Weisheit,
wer weiß
die Fülle seiner Torheit?
Ich sage
Ankunft
hier bei des Lichtes
wirklichem Schilf.
II
Von der Spitze
des Dorns
die Formel geerntet.
Die leicht war,
wird schwer auf der Hand,
entfällt ihr.
Und sie schlägt Wurzel,
wird Rose
an dieser Stelle.
– Zur Poesie und Poetik Ernst Meisters an der Schwelle zum Spätwerk. –
Ernst Meisters Gedicht mutet vertraut und dennoch fremd an. Sein Wortschatz ist alles andere als gesucht, einzelne Wendungen lassen überlieferte Redeweisen der Theologie, der Philosophie, der Poesie anklingen: die bibelnahe Formulierung vom Licht über dem Abgrund; die paulinische Paradoxie von Weisheit, die gespielt ist, von Torheit, in der alle Fülle beschlossen liegt; die in Legende und Poesie unendlich oft ausgedeutete und ausgebeutete einige Zweiheit von Rose und Dorn. Dennoch bleibt das Ganze, zu dem die vertrauten Elemente hier zusammentreten, fremd, eine Fremdheit, die sich schon der einen oder anderen Bestimmung auch des einzelnen sonst Bekannten anheftet: das Licht wird „aufrecht“ (2) genannt und damit die allzu geläufige Vorstellung beunruhigt; das Schilf ist anderes als es selbst, wenn es „des Lichtes wirkliches Schilf“ heißt (10f.); was schließlich zeigt der Dorn an, von dessen Spitze etwas zu ernten ist, und gar „die Formel“ (13f.) – mehr oder wohl auch weniger als allein den Dorn des Rosenstrauchs. So wenig das Gedicht auf die alten Redeweisen und Bilder verzichtet, so wenig ist ihm doch daran gelegen, sie einzig im Kontext ihrer tradierten Verweisungsfelder zu belassen. Allerdings auch nicht daran, Konkreta wie Licht, Schilf, Dorn und Rose auf ihre Dinghaftigkeit zu reduzieren. Eine klare, weite Räume des Bedeutens öffnende Geistigkeit kennzeichnet den Text; sie bezeichnet seinen Ort in jener zuerst beim späten Hölderlin manifest werdenden Geschichte einer Lyrik, die eine Trennung von Poesie und Reflexion nicht mehr zuläßt. Im Titel ist von „Ankunft“ die Rede, einem Wort, das sich vom ersten und zweiten Abschnitt des Gedichts her sehr wohl als ,Advent‘ lesen läßt, aber der weitere Fortgang des Textes entfernt sich entschieden aus der Vorstellungswelt christlicher Glaubensinhalte. So ruft Ernst Meister Traditionen in der doppelten Weise der Aufnahme und der Absage zugleich herauf, um im Dialog mit ihnen den Kontur des zu sagenden Eigenen herauszuarbeiten.
Aber nicht nur das Verhältnis des Textes zu überlieferten und erschütterten Glaubensinhalten ist zu bestimmen. Das Gedicht beschließt einen Lyrikband mit dem Titel Die Formel und die Stätte. Ein vorangestelltes Motto weist diesen Titel als variiertes Zitat aus den „Illuminations“ Arthur Rimbauds aus:
ich, gedrängt von dem Verlangen, die Stätte und die Formel zu finden. (Sämtliche Dichtungen, S. 177)
„Ich sage Ankunft“ erfüllt die Funktion eines Epilogs, wir haben es mit einem Text zu tun, der ein poetologischer und poetischer zugleich ist, in einem prägnanteren Sinn als dem jenes – richtigen – Satzes, daß in moderner Poesie mit der Reflexion auch die Poetik in jedes Gedicht eingeht. Und Rimbaud ist zwar der kenntlichste, aber nicht der einzige vorausgegangene Lyriker, mit dem Meister durch seinen Text hindurch in einem „menschlichen Gespräch über die gemeinsame Angefochtenheit“ steht („Annette von Droste-Hülshoff“, S. 246).
Rückblickend auf seine Anfänge, hat der Dichter einmal von einem „spannungsvollen negativen Advent“ gesprochen, in dem er sich gefühlt habe (Nachwort Beda Allemanns, Ausgewählte Gedichte, S. 130). In der Tat gehört Erwartung, die sich in Hoffnung oder Befürchtung, Geduld oder Ungeduld ausdifferenziert, gehört die Dimension des Zukünftigen ganz wesentlich zu Meisters Poesie. Schon in seinem ersten Band Ausstellung (1932) richtet sich die Bewegung der Imagination vor allem darauf, den Ort zu gewinnen oder offenzuhalten für den „kommenden Traum“: Traum selbst und Märchen sind andere Namen für diesen Ort des Künftigen; der Dichter, die Harlekine oder ein Tier mit dem eschatologischen Namen „Ultiman“ treten auf als die Träger der Ahnung von einer nicht näher zu bestimmenden Ankunft. Die Gedichte der Ausstellung sind immer neue Anläufe zu einer lyrischen Sezession aus der für die Kunst und ihr Wort verlorenen Wirklichkeit, so sehr dieser Aspekt ihres Transzendierens und Antizipierens auch überformt scheint von einer dann 1933 jäh abgebrochenen, sehr eigenwillig aus Gollschem Spätexpressionismus und Morgensternschem Spielwitz entwickelten Variante des Surrealismus. Auch in den nach dem Krieg erschienenen Lyrik-Publikationen bleibt Advent, bleibt Ankunft als Motiv gegenwärtig, nun oft in direkter Auseinandersetzung mit der Theologie der vierziger und fünfziger Jahre, deren Ausstrahlung in andere Bereiche geistiger Tätigkeit oft unterschätzt wird. So etwa in der „Johanneischen Rhapsodie“ von 1954, die sich als eine Parodie auf die Apokalypse erweist, oder in der „Depesche einer Union von Toten an ein Konzil im Jahre viertausend“ von 1956, einem Stück gedichteter negativer Theologie, das ein Ende des Glaubens an die Heilsversprechen der Offenbarung ansagt. Und noch 1960, im selben Jahr wie „Ich sage Ankunft“, veröffentlicht Meister ein Gedicht, das eine klare Advents-Anspielung enthält: „Es wird / ein Kind herbeigesehnt / von allem Staub, / das die unnüchternen / Gehirne / ändert“ (Ausgewählte Gedichte, S. 46) – Sehnsucht nicht nach einer alles übersteigenden Erfüllung, sondern, fern allem metaphysischen Taumel, nach Ernüchterung.
Ein Durchgang durch Meisters vorausgehendes Werk lehrt, daß nicht nur das Motiv der Ankunft als solches, sondern auch der Zusammenhang von Ankunft und Formel in der Werkgenese eine theologische Dimension aufweist. Am deutlichsten sichtbar wird das in der letzten Strophe von „Ein Leben der Torheit“, einem Text aus dem Jahr 1957:
Leben der Torheit!
Was zetere ich
und erziehe nicht meinen Nacken
für die Stunde, da ER,
berstend, ein Blitz,
mich hinwirft und
ins Gültige zwingt (Gedichte, S. 81).
Die Stunde SEINES Erscheinens ist zugleich die Stunde des Gültigen – und eine „Formel“ ist ja eben das, was ,gilt‘. Die Radikalisierung, die sich in „Ich sage Ankunft“ vollzogen hat, drückt sich nicht zuletzt in der Eliminierung jenes ER aus. Ehe sie näher ins Auge gefaßt werden soll, ist auf einen weiteren dichtungsgeschichtlichen Zusammenhang hinzuweisen. Meisters Gedicht knüpft nicht nur an bestimmte, eigentlich poesieferne Gedanken und Vorstellungen der Theologie an, er steht auch im Dialog mit jenem poetischen Werk, das sie schon in sich aufgehoben hat: auch in Hölderlins großem geschichtsphilosophisch-poetischem Entwurf steht im Zentrum die visionäre Berufung einer Ankunft, eines kommenden Tags der Götterwiederkehr. Zumal die Elegie „Brod und Wein“ in ihren spätesten Lesarten weist so viele Berührungen mit den sparsam gesetzten Abbreviaturen Meisters auf, daß an Zufall kaum zu denken ist. Als wichtigste dieser Berührungen seien hier wenigstens die folgenden Verse nach Hölderlins letztem Überarbeitungsansatz zitiert:
Lang und schwer ist das Wort von dieser Ankunft aber
Weiß ist der Augenblik. Diener der Himmlischen sind
Aber, kundig der Erd, ihr Schritt ist gegen den Abgrund (Hölderlin, Bd. 2,2, S. 603).
Fragte schon Hölderlins Elegie im Bewußtsein der Götterabwesenheit: „wozu Dichter in dürftiger Zeit?“ (Hölderlin, Bd. 2,1, S. 94), so war dem Autor doch noch die übersubjektive Form dichterischer Rede zuhanden. Sie ist dahin, und Meister unternimmt es nicht, sie zu erneuern. Sein Text realisiert eine eigene, in sich höchst konsequente. Am sinnfälligsten wird sie, abgesehen vom Druckbild, in der Komposition des Vokalismus: die zentralen Wörter des ersten Teils – „Licht“, „Ich“, „wirklich“, „Schilf“ – respondieren einander durch die i-Assonanz, die des zweiten Teils – „Dorn“, „Formel“ und „Rose“ – durch die o-Assonanz. Mehr Aufschluß noch gibt der Sprachgestus des Gedichts, oder genauer, die Folge der Sprachgesten, die es konstituiert: im Verzicht auf die Beglaubigung der Rede durch sanktionierte Vers- oder Strophenformen und ihrer Ersetzung durch Sprachgesten steht das Ich des Gedichts unmittelbarer und direkter für sein Reden ein. Dieses Einstehen des Ich für sein Reden aber bezeichnet zugleich das thematische Zentrum. Die beiden Teile des Textes unterscheiden sich nun sehr wesentlich dadurch, daß sich der erste aus wechselnden, nuancierten Sprachgesten, der zweite aber aus einem einzigen Sprachgestus aufbaut. Das Gedicht beginnt nach dem Titel mit einem Traditionszitat. Es wird in leiser Ungeduld gegenüber einer zwar in Anspruch genommenen, aber nicht mehr wirkungsmächtigen Autorität präsentiert: das „Ja“ hat den Charakter einer (von einer Geste begleitet zu denkenden) Interjektion, keineswegs den der entschiedenen Affirmation. Die rhetorischen Fragen des zweiten Abschnitts lassen die Tragweite der überlieferten Rede gleichsam dahingestellt sein. Um so nachdrücklicher die indikativische Entschiedenheit, mit der im dritten Abschnitt das Ich explizit hervortritt, eine Entschiedenheit, die sich sowohl in der Entsprechung zum Titel als auch im Insistieren auf der Ortsbestimmung „hier bei des Lichtes / wirklichem Schilf“ (10f.) ausdrückt. Das Gedicht hat hier seinen kritischen Punkt erreicht. Was im zweiten Teil folgt, ist die beruhigte Mitteilung eines Vorgangs, dessen gleichbleibendes Subjekt die „Formel“ ist. In diesem dritten Abschnitt des ersten Teils bezeugt sich das Ich als Redendes, oder, anders und in Erinnerung an den Titel des Bandes und an das Rimbaud-Motto gesagt: die Rede hat eine Stätte gefunden, sie treibt nicht aus Überlieferungszusammenhängen heran, sondern hat einen Grund gefunden im Ich selbst. Hier, und nur hier, im Gedicht tritt jene jedes Gedicht bedingende Konfiguration auf, die Meister in der Droste-Rede benennt:
Gewiß, wenn das Gedicht als im existentiellen Versuch geübtes nicht gelingt, so bedeutet das in etwa Gefahr, weil die Existenz damit auf sich zurückverwiesen wird als eine schwer versöhnbare. Das Verhältnis Ich – Wort – Welt erweist sich in neuem Erschrecken als ein problematisches, gespaltenes. (S. 244)
Die durch den Argumentationszusammenhang der Rede bedingte hypothetische Negation beschreibt zugleich das mit dem im poetologischen Gedicht indikativisch Gesetzten und Vollzogenen eingegangene Wagnis.
Wir finden das Ich und sein Wort „Ankunft“. Aber finden wir auch das dritte, die Welt? Auskunft über diese in der kritischen Meister-Rezeption gelegentlich mit Nein beantwortete Frage müßte im Verständnis der Wendung „hier bei des Lichtes / wirklichem Schilf“ zu finden sein. Gegenüber der Spannung von „Licht“ und „Abgrund“ sind die räumlichen Dimensionen geschrumpft, und wenn man die alte Bedeutung von „Licht“ und „Abgrund“ in Betracht zieht, so nimmt das Gedicht mit dem Wechsel von der Vertikalen zur Horizontalen zugleich eine Wendung vom metaphysischen Weltbild zum Hier und Jetzt als den Koordinaten eines rein immanent bestimmten Ich, eine Wendung, die mit der schon berührten Abkehr von heilsgeschichtlichen Erwartungen übereinkommt. Damit ist aber auch das Wort „Ankunft“ seines heilsgeschichtlichen Sinns entkleidet, nachdem der Text anfangs ihn noch wachgerufen hatte. Die Formulierung „hier bei des Lichtes / wirklichem Schilf“ enthält vor der Folie des „Lichts über dem Abgrund“ einen deutlichen Verweis auf die greifbare Gegebenheit des Irdischen.
Dieses Irdische ist jedoch seinerseits keine unabhängige Größe, sondern nur in bezug auf das Ich und sein Wort interpretierbar. Die Deutung kann sich auf Meisters Selbstkommentar zum Gedicht „Wirkliche Tafel“ stützen. Wie dort, nach Meister, die Tafel „dem ,schreibenden‘ Ich unmittelbar seine Stelle anzeigt“ (S. 99), so hier das „wirkliche Schilf des Lichtes“ dem redenden Ich; und wie dort ein Stück äußerer Realität, die Schieferwand, bricht und dadurch das Ich die „wirkliche Tafel“ gewinnt, so gewinnt hier das Ich seine Wirklichkeit, indem es „Licht“ aus den Abstraktionen befreit und im Konkreten auslegt. „Schilf des Lichtes“ ist zwar eine Genitiv-Metapher, aber mehr noch eine Weiterentwicklung des sogenannten explikativen Genitiv, mit dessen Hilfe die alte Figurenlehre eigentlich Unanschauliches sinnlich faßbar zu machen suchte. Und ein Drittes ist zu bedenken. Wie der Schreibende in „Wirkliche Tafel“ seines Geräts innewird, so mag der Dichter und Zeichner Ernst Meister bei „Schilf“ auch Schreibrohr und Rohrfeder mitassoziieren. Die jeweils dritten Abschnitte beider Teile korrespondieren einander. Sie kommen überein in der Verwendung des Pflanzenmotivs, aber auch im fast demonstrativen Betonen der Ortsbestimmungen. Als lakonische Ars poetica gelesen, erweist sich das Gedicht im ersten Teil als expositorisch bis hin zur vollständigen Versammlung aller Voraussetzungen für das Entstehen eines Gedichts, während der zweite Teil eine sich vollziehende Ankunft beschreibt bis hin zur abgelösten Selbständigkeit des Ankommenden: der Formel, der Rose, des Gedichts.
Die wechselnden Sprachgesten des ersten Teils sind im zweiten einem beruhigten Mitteilen gewichen, einem Sprechen einzig von der „Formel“ und dem, was sich mit ihr vollzieht. Der Übergang zwischen beiden Teilen scheint nur als Sprung beschreibbar. Indessen gibt es eine mehr oder weniger kryptische Verbindung zwischen dem letzten Abschnitt des ersten und dem ersten Abschnitt des zweiten Teils. Sie verbirgt sich in der Metapher des Dorns, in der unausgesprochen die Auseinandersetzungen um das Ich und seine Wirklichkeit nachwirken. Die „Spitze des Dorns“ bezeichnet den Punkt der äußersten Individuation, den Punkt also, der am Ende des ersten Teils erreicht war, da das Ich ausdrücklich allein in seinem Hier und Jetzt und allein in seinem Namen das Reden übernommen hatte. Ernst Meister hat ein Nachrufgedicht auf Gottfried Benn geschrieben, und Benn hat wohl in der deutschen Literatur zuerst vom „Dorn des Ich“ gesprochen, in dem Gedicht „Strand“ (Benn, S. 44), und er zielte damit auf den Schmerz des Bewußtseins von dieser äußersten Individuation; weiter war aber vielleicht schon Rimbaud gegangen, wenn er die Transposition des Ich in ein Medium poetischer Rede mit den Sätzen erläuterte „Desto schlimmer für das Holz, das sich als Geige entdeckt“ und „Wenn das Kupfer als Clairon erwacht, ist es nicht seine Schuld“ (nach: Œuvres, S. 249f.) – in beiden Erläuterungen klingen über den Schmerz hinaus auch Gefahr und sogar eine mögliche Schuld beim Einbiegen in diesen scheinbar einzig noch begehbaren Weg zur Kunst mit an.
Und zwar paradoxerweise zu einer objektiven Kunst. Im zweiten Teil ist explizit vom Ich nicht mehr die Rede, die „Formel“ löst sich von der Hand und wird zu unabhängiger, lebendiger, ja schöner Wirklichkeit. Der Begriff „Formel“ gewinnt in Meisters Text eine auffallende Vielstelligkeit. Er gehört der Sprache der Mathematik und Physik, also der exakten Wissenschaften an. Er findet aber auch Verwendung in der Theologie; die Worte, die die Wandlung der Elemente in der Eucharistiefeier bewirken, heißen die „Abendmahlsformel“. Und diese Elemente benennt der Titel von Hölderlins Elegie. Schließlich lenkt der Begriff zurück auf Titel und Motto des Bandes, der „Ich sage Ankunft“ enthält, und damit auch auf Rimbaud. Die ersehnte Formel in dem entsprechenden Stück der „Illuminations“ erweist sich ebenfalls als eine Verwandlungs- und Erlösungsformel; die Gedanken des einen Landstreichers richten sich auf seinen Mitbruder:
Ich hatte in der Tat, in voller Aufrichtigkeit des Geistes, die Verpflichtung übernommen, ihn seinem ursprünglichen Zustand eines Sohnes der Sonne zurückzugeben, – und wir irrten dahin, uns nährend vom Wein der Spelunken und vom Zwieback der Straße, ich, genährt von dem Verlangen, die Stätte und die Formel zu finden. (Sämtliche Dichtungen, S. 177)
Der Nachhall einer Theologie des Advents, ein poetisch-utopischer Geschichtsentwurf hin auf eine Wiederkehr der Götter, das Drängen nach der erlösenden Formel in der Desolation – das alles geht ein in die ebenso knappe wie luzide, gedichtete Poetik Ernst Meisters. Und diese Poetik zielt auf das Gedicht als den zeichenhaften Ort für eine erlöste, eine versöhnte Existenz (vgl. „Annette von Droste-Hülshoff“, S. 244). Das Gedicht „Ich sage Ankunft“ ist nicht dieser Ort, aber es zeichnet einen Weg nach, auf dem allein er zu suchen ist. Daß dieser Weg, an dessen Ende hier noch das Ziel im Bild der Rose erscheint, durch das Ich und seine Wirklichkeit verläuft und daß diese Wirklichkeit vor allem auch die Sterblichkeit des Ich impliziert – das wird in den folgenden Gedichtsammlungen immer deutlicher in den Mittelpunkt von Ernst Meisters Poesie treten.
1
Christoph Perels, aus Walter Hinck (Hrsg.): Gedichte und Interpretationen. Band 6 Gegenwart, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1982
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