Donatella Bisutti: Die alchymische Rose

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Donatella Bisutti: Die alchymische Rose

Bisutti-Die alchymische Rose

ALCHYMISCHE ROSE

Der kurze Zeitraum des Ewigen
im Herzen der Rose
Flammenspiegel der Sonne
Wasserfeuer das sich
anmutig auf den Stängel legt.

 

 

 

Vorwort

ROSA ALCHEMICADIE ALCHYMISCHE ROSE – was für ein geheimnisvoller Titel für einen Lyrikband!

Offenbar hat W.B. YEATS’ „kleines Werk über die Alchimisten“ – ROSA ALCHEMICA (1913), Erzählungen, die er selbst eine „Träumerei über die Verwandlung von Leben in Kunst“ nannte, für diesen Titel Pate gestanden. (Dieses Werk wurde unter dem Titel Die geheime Rose 1975 erstmals bei Suhrkamp auf Deutsch veröffentlicht.)
WILLIAM BUTLER YEATS (1865 Dublin – 1939 Menton) war der größte irische Dichter (1923 Literaturnobelpreis), dessen Werk oft als „national-irische, mythisch-mystische, symbolische Dichtung“ bezeichnet wird. Er rang sein ganzes Leben lang um den angemessenen ästhetischen Ausdruck „für eine gründlich aus den Fugen geratene Welt“.
Betrachtet man nun das Inhaltsverzeichnis von Donatella Bisuttis Lyrikband, so entsteht unweigerlich der Eindruck, dass es sich auch hier um den Versuch handelt, disparate Elemente unserer Lebensrealität zu Mythen und Symbolen werden zu lassen, bzw. auch das genaue Gegenteil zu bewirken, nämlich Mystisch-Mythisches im Gedicht unserer Existenz anzunähern. Und so folgen wir der Dichterin auf verschlungenen Wegen, beginnend bei „Eros und Persephone“, über den Abschnitt „Liebe ist eine Klinge“, in dem auf ergreifende Weise die Unmöglichkeit des völligen Einsseins zweier Liebender zur Sprache gebracht wird. („Die Wut der Kummer darüber dass es niemals / gelingen kann einander ganz zu besitzen –“). „Kybele“ (die große Göttermutter) ist ein sozusagen zweistimmiger Gesang, der das Schicksal der Frauen zum Inhalt hat, während „Kora“ ein wunderbar einfacher Prosatext über ein junges Mädchen und dessen Hund in sommerlicher Landschaft ist.
„Die Schwingung der Dinge“ versammelt thematisch sehr unterschiedliche lyrische und Prosatexte, sowie lyrische Prosatexte. Ein Gedicht befasst sich mit einem Nolde-Gemälde in Kopenhagen; „Die Liebe / Rose“ kann als mehrstimmiges Schauspiel gelesen werden; „Tagebuch aus Saorge“ enthält Miniaturskizzen, in denen die Liebe der Dichterin zu Landschaft, Natur, Tieren und Pflanzen überdeutlich wird. („Die Fledermäuse regnen in den dunklen Schoß der Nacht wie Sterne mit schwarzen Flügeln.“ – „In einer Rose die Explosion des Kosmos.“)

Ungefähr in der Mitte des Bands: Die Alchymische Rose: sehr kurze, einstrophige Gedichte von großer Schönheit. („Der kurze Zeitraum des Ewigen / im Herzen der Rose / Flammenspiegel der Sonne / Wasserfeuer das sich / anmutig auf den Stängel legt.“)
Die zahlenmäßig meisten Gedichte sind unter dem Titel „Planh“ zusammengefasst. Dieser ungewöhnliche Titel bedeutet ursprünglich „Klagelied“ und ist der altprovenzalischen Troubadourdichtung entnommen (lat. planctus = „Wehklagen“). Im deutschen Sprachraum ist die Totenklage als „Elegie“ bekannt (s. Rainer Maria Rilkes Duineser Elegien) oder auch als „Nänie“ (s. Friedrich Schiller).
Donatella Bisuttis Klagelieder gelten dem verstorbenen Geliebten. Dieser Verlust wiegt schwer und wird in berührenden Bildern und Anrufungen manifest. Die innige Liebe zu diesem Mann musste allerdings zu dessen Lebzeiten geheim gehalten werden, erst der Tod erlaubt es der Dichterin, „aus der Deckung herauszutreten.“ – „Jetzt endlich/ gibt es überhaupt kein Hindernis / um mir nahe zu sein…“
„Hereafter“ („Danach“) ist in vielfältiger Variation dem Thema Tod verpflichtet.

Einer der eindrucksvollsten Texte des Bandes ist jedoch zweifellos der Prosatext „Die Agavenblüte“: Die Agave erduldet unsägliche Mühen, bis endlich nach 15 Jahren eine Blüte aus ihr sprießt, die ihre ganze Lebenskraft aufzehrt und sie dem Tode weiht, der schließlich auch sie ereilt. Die Samen der Pflanze jedoch „blieben im Dunkel begraben, in Erwartung.“ Das Einfühlungsvermögen der Dichterin in diese bewegende Lebens- und Todesgeschichte der Agave ist erstaunlich. Das für uns alle rätselhafte „Stirb und werde“ ist im Reich der Pflanzen um nichts weniger bedeutsam als jenes der Menschen.

Die Gedichte des letzten Abschnitts mit dem Titel „Der schwankende Ast des Universums“ werden ausdrücklich „Gesänge“ genannt. („Gesang des Grüns“, „Gesang des Wassers“, „Gesang der Luft“, „Gesang der Dunkelheit“, „Gesang des Feuers“, „Gesang des Lichts“, „Gesang der Unsterblichkeit“).
Die portugiesische Insel Madeira, auf der sich Donatella Bisutti mehrmals und über längere Zeiträume hinweg aufhielt, diente als Inspiration für diese Texte. Es sind innige Gesänge voller Demut, die zum Ruhm der Natur, der Elemente, der Tier- und Pflanzenwelt erklingen. Die Schönheit der Schöpfung wird in eindrucksvollen Bildern besungen. Inmitten all dieses Reichtums, dieser Vielfalt spielt der Mensch eine untergeordnete Rolle, er wird zum Bewunderer, zum Bittsteller – und ist derart das absolute Gegenbild zu jenem unbarmherzigen, einzig an Profit interessierten Zerstörer seines Lebensraums, dem wir täglich und überall begegnen.

Die Vielfalt der sprachlichen Mittel der Dichterin versetzt den Leser in Erstaunen. Immer aber bleibt der sehr spezielle „Ton“ der Autorin spürbar, ihre „Stimmlage“ sozusagen, die alle ihre Texte charakterisiert.
Wie bedauerlich, dass Lyrik überhaupt nur von einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Menschen gelesen wird. Dessen ungeachtet halte ich es für unumgänglich und unbedingt notwendig, dass die Gedichte Dontalla Bisuttis auch einer deutschsprachigen Leserschaft zugänglich gemacht werden. Meine Übersetzung ist in diesem Zusammenhang ein erster Versuch. Ich würde mir wünschen, dass es dieser sehr eigenwilligen und sprachlich überzeugenden Dichtkunst einer italienischen Dichterin gelingt, auch auf deutschsprachige Leser ihre nachhaltige Wirkung auszuüben.

Franziska Raimund, Hochstrass, im März 2020, Vorwort

 

 

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