ländlich, der mundraum: die zunge und der weiche
aaaaagaumen,
die dialekte ziehen sich längst aus der fläche
aaaaazurück.
mit einem groschen ließe sich vielleicht noch ein
aaaaarostiges wort
für groschen aus dem automaten ziehen, dem letzten
vor der autobahn. ein grauschnäpper im blumentopf
aaaaapresst
eine halbe volksliedstrophe aus dem kropf. ein hund
schlägt an auf platt. beim zensus entdeckt man aus versehen
blinde flecken. also werden seelen gezählt, schäfchen, silben
auf den klingelschildern. hier schultheiß, schulte,
da neumann, neander, unter ferner liefen dann:
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa. aaaaaabachum, tacken, balachesen
Christoph Wenzel
Christoph Wenzel liest zum Dresdner Lyrikpreis 2020
– Der Corona-Jahrgang 2020 des Dresdner Lyrikpreises. –
Wir alle wurden durch Covid-19 und die Lockdowns der vergangenen eineinhalb Jahre gezwungen, die Oberflächlichkeit unserer Freiheit festzustellen und zu verstehen, dass wir nicht über unsere eigene Zeit verfügen. Marlene Streeruwitz schreibt im Oktober 2020, etwa zeitgleich zum Finale des Dresdner Lyrikpreises, in zurück bei Büchner:
Was es heißt, in die Lebensnot geworfen das Leben in Würde und Achtung zu bestreiten, das kann nur die Literatur entwerfen. Denn. In der Literatur schlagen die Herzen hörbar und die Zeit ist zu sehen. Als vollkommen vollkommene je besondere Gegenwart.
Betrachtet man mit Ben Lerner die Sprache als Stoff des Sozialen und die Dichtkunst als sprachlichen Ausdruck unserer irreduziblen Individualität, dann bezeichnet Lyrik den Treffpunkt des Privaten und des Öffentlichen, des Inneren und des Äußeren. Ereignisse wie das Dresdner Wettbewerbsfinale – persönliche, öffentlich stattfindende Begegnungen von Dichter:innen unterschiedlichster Herkunft – lassen nicht nur die soziale Bedeutung von Lyrik spürbar, sondern vor allem auch „Orte für das Echte“ erlebbar werden.
Höchst dankenswert erscheint es uns, dass die Finalisten des 13. Dresdner Lyrikpreises sowie alle anderen am Wettbewerb beteiligten Akteur:innen dem Projekt, allen Hürden und Umplanungen zum Trotz, die Treue gehalten und den Weg ins Digitale genommen haben. Für die Dichter galt es, die Mehrdimensionalität ihrer eingereichten lyrischen Texte, sonst im Rahmen des Finales durch den unmittelbaren Vortrag erlebbar, mit Erfindungsreichtum und knappen Mitteln innerhalb kurzer Zeit in ein Videoformat zu übertragen. Damit wurde die Arbeit der 7-köpfigen Jury unterstützt und zugleich hunderten von Lyrikfans erstmals eine Möglichkeit geboten, online den Publikumspreisträger zu wählen. War es ein strittiges Thema während der Jurysitzung, inwiefern eine ins Performative übergreifende Lesung die Bewertung des Textes mitbestimmen soll, können wir nun wiederum mit Freude auf die Videobeiträge hinweisen und zum Vergleich mit dem „stillen“ Text dieses Buches einladen.
Ebenfalls zum ersten Mal in der Geschichte des Dresdner Lyrikpreises erscheint die Anthologie nach der Auswahl der Preisträger und in Kooperation mit dem tschechischen Verlag Protimluv. Das ist ein wichtiger Schritt zur noch tieferen Verwirklichung des deutsch-tschechischen Austauschs, der für den Dresdner Lyrikpreis immer ein profilierender Schwerpunkt war. Einander verstehen, das Schweigen durchbrechen und Vorurteile komplizieren: eine Asymptote.
Gemeinsam mit der Ausrichterin des Wettbewerbs, der Landeshauptstadt Dresden, freuen wir uns auf die in der Zukunft liegenden Entwicklungen und vertrauen darauf, dass die Lyrik in der Nah- und in der Ferngesellschaft unsere Köpfe öffnen wird.
Andrea O’Brien & Jonáš Hájek, Vorwort
des Dresdner Lyrikpreises galt es für die Dichterinnen und Dichter, die Mehrdimensionalität ihrer Texte in ein Videoformat zu übertragen. Während die Finalist:innen sonst live vor Publikum lesen, blickten sie diesmal in eine Kamera. Ein Kompromiss – aber die Voraussetzung dafür, dass der 25-jährigen Geschichte dieses Preises auch unter Corona-Bedingungen ein neues Kapitel hinzugefügt werden konnte.
Jetzt sind die Beiträge nicht mehr nur virtuell verfügbar, sondern auch in Buchform. Zum ersten Mal in der Geschichte des Dresdner Lyrikpreises erscheint die Anthologie nach der Auswahl der Preisträger und in Kooperation mit dem tschechischen Verlag Protimluv – ein weiterer wichtiger Schritt, um den deutsch-tschechischen Austausch, der den Ausrichtern des Dresdner Lyrikpreises immer am Herzen lag, mit Leben zu erfüllen.
edition AZUR, Protimluv Verlag, Klappentext, 2020
Der Dresdner Lyrikpreis 2020 geht an Christoph Wenzel. Laudatio auf Christoph Wenzel, 8.11.2020, c0llagiert von Anja Utler
Komplette Playlist zum Dresdner Lyrikpreis 2020
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