– Nach Georg Trakls Gedicht „Im Schnee“. –
GEORG TRAKL
Im Schnee
Nachtergebung 1. Fassung
Der Wahrheit nachsinnen –
Viel Schmerz!
Endlich Begeisterung
Bis zum Tod.
Winternacht
Du reine Mönchin!
Georg Trakl zum Gedenken
Schneelicht ist ein Licht, das sticht.
Durch die Bäume bricht es, sammelt sich in Nestern,
Blitzt von frischen Hauben auf den Dächern, Pfosten.
Auf die Lauer legt es sich, diktiert von Bunkerhügeln
Seinen Frieden mit gezielten Garben in die Menge.
Schneelicht blendet, tischt Erinnerungen auf.
Aus der Kindheit sägt es einen Tag, konturenscharf –
Friert ihn ein, legt ihn ins Tiefkühlfach der Zeiten,
Bis die Zeit gekommen ist, ihn aufzutaun.
Schneelicht öffnet in uns Schicht um Schicht
Von empfindlicher Materie, jagt als Schauer Photos
Übern Rücken, macht den Körper zum Archiv.
Dieser Kranz aus Diamanten ist es, Himmelsfassung,
Die erstrahlt, kaum auszuhalten, irissprengend,
Aus so vielen mikroskopisch kleinen Reinkristallen.
Verzeihung, Hochwürden – wußtet Ihr nicht:
Schneelicht ist ein Licht, das in die Augen sticht.
Durs Grünbein, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014
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