WO WAREN WIR STEHENGEBLIEBEN
Durch Induktion die mir soufflierten Sätze
teils im Suff, teils in Böllernächten
kryptische Fetzen, das Zischen der Schlangen
hintereinander standen die Analphabeten
vorgelesen, was geschrieben, das ist geschrieben
keine Seele gerettet durch Funk oder Flüche
mit der Mailbox gesprochen, nachgefragt
wo die Unschuld geblieben, wer sie genommen
den versiegelten Ring, verlassen
die Liebe, liebe Grüße
zweimal zwei Silben, wieder
Tassen zerschmissen, aus dem Kaffeesatz
die neusten Nachrichten
poetisiert euch: Eberhard Häfner
kryptische Fetzen und Nachrichten aus Kaffeesatz: Eberhard Häfner durchstreift in seinen neuen Gedichten alltägliche Szenerien am Rande der Wirklichkeit. Dabei ist es ganz unwesentlich, ob diese in der Natur, in der Kneipe oder im Bett spielen – gemein ist ihnen der wildwüchsige Sprachschatz, aus dem Häfner schöpft. Seinem mikroskopisch genauen Blick entgeht nichts: Von den Saugnapffüßen wilder Reben über den Schorf auf der Haut bis zu den Schlaftabletten auf dem Nachttisch. So entlockt er noch den banalsten Oberflächen eine intrikate Fremdheit; das Romantische dagegen bricht er auf die Werkbank herunter: Sterne sind nur das, was sich beim Schleifen der Stahlspirale in der Werkstatt entzündet; wenn er sich in die Büsche schlägt, dann dort, wo es stachelig wird; der Erhabenheit des Museums begegnet er mit dem Verzehr von Ölsardinen. Das Unstete, ständig im Aufbruch Begriffene haftet Eberhard Häfner an, der Irrtum wird zur alphabetischen Methode. Um aber den verschwimmenden Reiseeindrücken Rechnung zu tragen, bleiben wieder nur Fetzen übrig. Wie die Sahne auf dem Kuchen in einem polnischen Café. Oder das Hundesperma, das vom Frühling kündet. Ein Gedichtband voller zärtlicher Körperlichkeit und rauer Leidenschaft.
Verlagshaus J. Frank, Klappentext, 2013
Jan Kuhlbrodt: Häfners Spiel
signaturen-magazin.de
Elke Engelhardt: Hier will nichts poetisch sein
fixpoetry.com, 5.3.2014
NACHTGRABBEN
für Eberhard
der stoffwechsel der schuppenechsen
hat system bringt ableitungen nach oben
das freie streben seiner energien läuft
manchem luchs den hang ab vier buchstaben
rollen laut verschiebungen sind tier und
schein wässrig bis ephemer entgrenzt
syntaktische freigänger radikale anhänger
optionale schläfer strukturschäden im
präsenzmodus ein saurierpark in seinem element
dämone im höllenspektakel das fehling reagenz
im autumnalen licht lockt zur anprobe
geschüttelt oder gerührt cuprum
die alte liaison lässt ihr fahrgeschirr schilfern
vorscheinendes rot im blätterwald
schlagzeilen springen ins abseits es herrscht
hellsicht a dime a dozen für ein blindes huhn
klimax spät ohne datenschutz vogelfrei
der gesang wehrersatz greif doch chimäre
zeder nicht
Heike Willingham
Peter Geist: Im Duett mit der Spottdrossel
Der Tagesspiegel, 15.8.2013
Peter Geist: Fata Morgana über dem Wörtersand
Der Tagesspiegel, 23.10.2021
Eberhard Häfner – Porträt von Gérard Courant aufgenommen am 20.1.1990 in Paris.
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