NACHBARN IM ALL?
Ob wohl hinter den Wolken
auf Inseln der Milchstraße
denkende Wesen wohnen,
die uns verwandt sind?
Ich träume von fernen Sonnen,
trabantenumkreist,
in Krakenarmen der Nebel,
dem Leben freundlich gesinnt.
Doch glaube ich nicht an Dasein,
dem irdischen ähnlich;
fähig, vom Himmel zu fallen
und uns zu erheben.
Der Mensch ist nur Zufallstreffer
im Spiel der Evolution;
vermutlich schuf Mutation
auf fernen Planeten
andere Existenzen:
Riesen-Insekten und Greife,
Saurier, fliegende Wale
mit schauriger Intelligenz. –
Gäste, die aus dem Weltraum
kämen, müßten uns Menschen
um Epochen voraussein.
Sie kennen nicht mehr die Kriegsfurcht,
Vernichtungs-Versuchung, Gefahren
gigantischer Kernenergien.
Es strahlen die sanften Geister
starke Gedanken durchs Universum,
wissend und suchend.
Aber wir hören sie nicht.
O frierende Humanität!
Vorstellung von Eberhard Hilscher: Poesiealbum 382 im Baiz.Berlin 2023
Bekannt wurde er durch Romane und Schriftsteller-Monografien; seine lyrische Gedankenreise führt vom Mikro- zum Makrokosmos, von antiken Mythen zu naturwissenschaftlichen Höhenflügen und von der Regimekritik zur schwärmerischen Verliebtheit. Er pflegte traditionelle Formen, experimentierte aber auch gerne mir freien Rhythmen und frechen Vexierbildern; sein Ideal war die Universalpoesie. Von seinen Versen sind zu Lebzeiten nur wenige Kostproben in verstreuten Zeitschriften veröffentlicht worden. Dennoch hat der Außenseiter der DDR-Literatur das Zeug zum lyrischen Spitzenreiter, wie die Auswahl aus fünfzig Schaffensjahren belegt.
Ankündigung in Robert Gilbert: Poesiealbum 381, MärkischerVerlag Wilhelmshorst, 2023
Es ist eine ganz vorzügliche Arbeit, gelehrt, allen akademisch-philologischen Forderungen durchaus entsprechend und dabei von so warmer, herzlich entgegenkommender Empfänglichkeit, so freundwilligem und intelligentem Eingehen auf die Absichten des kleinen Werkes, wie man es von verdrossenen Berufskritikern höchst selten erfährt, sondern eben nur von einer Jugend, die sich noch frisch entzücken kann.
Thomas Mann
Hilscher zeigte sich immer wieder als Verehrer der Naturwissenschaft, an der sein Herz hängt; die Naturwissenschaft bildete eine nie versiegende Quelle der Inspiration für ihn.
Wolfgang Beutin
Seine Lyrik ist Zeichen unserer Zeit und als solche hat sie eine aufklärerische, beunruhigende, vor allem aber bewußtseinssteigernde Aufgabe.
Grażyna Barbara Szewczyk
Ein Leckerbissen für geistige Feinschmecker.
Diego Viga
Lyrisch, sehr frei und meilenweit von einer „dienenden“ Übersetzung entfernt sind die Hilscher-Fassungen von zwanzig Walther-, fünf Reinmar-, einer Arnaut-Alouette-, einer Carmina-Burana- und zwei Morungen-Strophen.
Thomas Dörfelt
Dennoch wirkt Hilschers Walther nie wie ein Rühmkorfscher Opportunist, sondern nimmt die Liebe genauso ernst wie den Kampf für den Frieden und ein besseres Reich.
Jost Hermand
Ein Kunststück sind seine ins Moderne fortgedichteten Lieder und Sprüche Walthers, die dessen ironischen Grundton unterstreichen und doch die Balance nicht zerstören.
Ernst Halter
Hilschers Faszination für das Romaneische ist im Falle eines in der DDR lebenden Autors und Literaturwissenschaftlers, der zeitlebens stolz war, keine offizielle Ehrung durch den Staatsapparat erhalten zu haben, nicht zu unterschätzen.
Nina Nowara-Matusik
Die Lektüre von Hilschers Werk wird zur intellektuellen Entdeckungsreise durch Epochen, Räume und Kulturen.
Volker Oesterreich
Hilscher zelebrierte seine Rolle als Außenseiter des DDR-Literaturbetriebs. Das Genialische war ihm lieber als das Gefällige, das Artifizielle wichtiger als das Alltägliche. Wie in den Romanen verquickte er auch in der bisher kaum bekannten Lyrik seine kulturgeschichtlichen Erfahrungsschätze mit den Bedrohungsszenarien des Atomzeitalters und den Möglichkeiten des naturwissenschaftlichen Fortschritts. Erotische Pikanterien und dichterische Selbstbespiegelung spielen dabei eine ebenso große Rolle wie die philosophischen Fragen nach dem ICH im Universum; er wagte in seinen Gedichten den Spagat zwischen Tradition und Avantgarde.
MärkischerVerlag Wilhelmshorst, Klappentext, 2023
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