FERNE KONSTELLATION
Vage Sterne der Fische,
wie seid ihr weit,
ein bleicher Kranz
in der Weltennacht,
zum Blühen gebracht,
erkennt sich außen
Innengeschautes,
wird Gegenbild Zeichen
im Tiefschlaf Leben.
Hirnsehen.
Geheimnis Erinnern,
Rätsel Vergessen,
Asche und Wind –
vage Sterne der Fische, Oase,
aus sinnendem Schauen
und Langzeit gemacht.
Ein Gedichtband voller Briefe – so aufrichtig und anrührend wie an uns adressierte Schreiben, dabei so offen und suggestiv, wie es nur die lyrische Rede sein kann. Erika Burkarts Gedichte sind Geheimbriefe. In derselben Bewegung, in der sie sich der Welt zuwenden, schließen sie sich zugleich von ihr ab, verbergen den innersten Kern der Empfindung in der lyrischen Verlautbarung: „Inbilder verweigern sich Worten.“ Diese Geheimbriefe sind Anverwandlungen des Lebens und Amalgam von Erinnerung. Immer wieder weisen sie über das Diesseits hinaus, werden „Einsames Sprechen schriftlich. / Das letzte Wort hat ein Fremder“. Schreibend umkreist die Dichterin den innersten Kern menschlicher Existenz und faßt in poetische Bilder, was die Alltagsrede nicht zu sagen vermag:
Zu einer schwarzen Beere
ist mein Leben geschrumpft,
ist bitter,
hält sich verborgen, hoffend,
der Dunkle Vogel
finde sie nicht.
Nie war die Sprache von Erika Burkart eindringlicher als in ihren jüngsten Versen.
Ammann Verlag, Klappentext, 2009
mit einer von Poesie und Lyrik durchtränkten, bilderreichen und symbolträchtigen Sprache
Erika Burkart habe ich als Autorin vor einigen Jahren kennen gelernt durch ihr biographisches Buch Die Vikarin, das mich vor allen Dingen sprachlich sehr berührt und angesprochen hat. Dieses Buch hat sie damals abgeschlossen mit einem Gedicht:
EPILOG
So ist denn, was wir lehren, lernen,
ein Körnchen kaum vom weiten Feld,
das Rätsel ballt sich in den Kernen,
zerstiebt in immer fernern Sternen
die ephemere Welt, die,
gehen wir fort, im letzten Blick
in einem schwarzen
Blitz zerschellt.
Verstanden habe ich dieses Gedicht und auch Erika Burkart erst richtig, nachdem ich das fast völlig unbekannt gebliebene Buch Das verborgene Haus im vergangenen Jahr gelesen und besprochen hatte, indem sie zusammen mit ihrem Mann, dem Dichter Ernst Halter, seit Jahrzehnten zusammenlebt und in dem sie auch aufgewachsen ist. Dort lebt sie, mittlerweile fast 90-jährig, immer noch, und dort sind auch die jüngsten, hier in diesem schmalen Bändchen vorgelegten Gedichte entstanden.
Eines der schönsten, in dem sie über Sprache und die Schriftstellerei reflektiert sei hier zitiert:
DAS WORT
Das Wort liegt verschlossen,
nach dem Wort musst du graben,
das Wort beißt sich durch,
das eine, das trägt.
Zugetragen
wird dir das Wort,
im Flug mußt du’s fassen,
darfst es nicht fesseln,
mußt es halten
wie eine Vogel: frei,
denn das Wort will fliegen,
will erden und wurzeln, keimen und knospen,
wer weiß wann wo,
niemand kennt die Legende vom Wort,
und wer sie wüßte,
er wäre wie einer,
der sprach mit Gott.
Nach dem richtigen Wort
suchen Dichter und Kinder,
das richtige Wort
kommt meistens zu spät.
Erika Burkart schreibt aus einer anderen Welt, mit einer von Poesie und Lyrik durchtränkten, bilderreichen und symbolträchtigen Sprache, die ich in meinem langen Leserleben in zeitgenössischer Literatur so noch nie gefunden habe.
Vielleicht bringt dieses schöne Buch ihre Lyrik noch weiteren Menschen nahe und auch die ihres Lebenspartners Ernst Halter.
Winfried Stanzick, amazon.de, 10.3.2009
Walter Fabian Schmidt: Jenseits der Menschen die Lieder
poetenladen.de, 12.5.2009
Elsbeth Pulver: „Nachtbrief, nicht abgesandt“
reformatio.ch
Roman Bucheli: Erika Burkart gehörte zu den verborgensten und zugleich bedeutendsten Dichterinnen dieses Landes
Neue Zürcher Zeitung, 5.2.2022
Gertrud Leutenegger: „Schreibe, lebe, liebe“
Neue Zürcher Zeitung, 5.2.2022
Julian Schütt: 100 Jahre Erika Burkart: Wer Gedichte dieser unvergesslichen Schweizer Autorin liest, altert besser
Luzerner Zeitung, 5.2.2022
Simone Meier: „Glamour, mon amour“: Zwei gar nicht so ungleiche Geburtstagskinder
Aargauer Zeitung, 5.2.2022
Carola Wiemers: Die Schweizer Lyrikerin Erika Burkart und ihre Inspirationsquelle
Deutschlandfunk, 8.2.2022
Simon Leuthold: Die Gräser im Garten gaben ihr Halt
SRF, 8.2.2022
Schreibe einen Kommentar