Eva Behring (Hrsg.): Texte der rumänischen Avantgarde

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Eva Behring (Hrsg.): Texte der rumänischen Avantgarde

Behring (Hrsg.)-Texte der rumänischen Avantgarde

VASCO DA GAMA

Aber Vasco da Gama ist ein anderer reisender
er riecht das wasser mit hilfe des fernrohrs
seine nasenlöcher verlängern sich bis zum ufer
weil er auch den kopf des steuermanns ißt
zieht meine haut ab bindet sie um den hals
wo die ausgesucht schönen zungen der schuhe vorbeizogen
mit den flaschen auf dieser letzten reise
zu dem ort wo die frau ihre knöchel tätowierte
sie wand ihren kopf drumherum
hängte ihn auf bäume machte ihn an häusern fest
bis hinter den wissenden mönch
die zigaretten fliehen gleiten bis
an den rand der landschaft wo das haus
mit den händen im kopf auf und ab geht
dort ist eine biene und eine frau
und die frau sticht die biene mit dem finger
als wärs ein auge aus dem
die stühle fallen unzählbare
auf die setzt sich Vasco da Gama
pflanzt
den Vogel aus der geige der seinen hals kaute
während die flasche schmetterlinge jagte
und Vasco da Gama aufmerksam seine augen beriecht
die wachen nagen an ihren weckern
der tisch hört zu geht über einen pelzkragen
wo die beine sich in der sonne rekeln
Vasco da Gama seufzt der koffer du hast
ein bein im letzten Schiff vergessen
und dein geist ist dir davongelaufen zum golf

Gellu Naum
übersetzt von Anemone Latzina

 

 

 

Nachwort

Nur Eingeweihte wird es nicht verwundern, in diesem Band Texte zu finden, die von einem Tristan Tzara, Eugène Ionesco, Benjamin Fondane oder Claude Sernet stammen, als diese bedeutenden Gestalten der französischen Avantgarde noch Samy Rosenstock, Eugen Ionescu, B. Fundoianu und Mihail Cosma hießen. Allzu wenig ist bekannt, daß sie aus Rumänien stammten, wo sich in meist wenigen, aber entscheidenden Jahren ihr Ausbruch aus der nationalen bürgerlichen Tradition vollzog und Vorstellungen von einer neuen Kultur und Kunst reiften. Das geistige Umfeld, das sie und andere der frühen rumänischen Avantgarde, wie von Vinea und Ilarie Voronca, zum Protest reizte, war die rumänische Kultur vor dem ersten Weltkrieg. Sie bot mit ihren mannigfaltigen volkstümelnden, auf nationale Einheit und soziale Harmonie gerichteten Ideologie- und Kunstkonzepten und der entsprechenden Literatur eine hochexplosive Reibungsfläche für die sich am Aufspüren von Klischees und Heuchelei begeisternden jungen Künstler. Sie sahen in der seit dem Jahrhundertbeginn zur dominanten Richtung avancierten illusionistischen und sentimentalen Literatur der Volkskünstlerbewegung den Ausdruck des verabscheuten reaktionären rumänischen Vorkriegsregimes, das auf dem Bündnis von Großbourgeoisie und Großgrundbesitz basierte.
Bevorzugtes Ziel der zerstörerischen Spottlust dieser jungen Männer war die von der volkstümlerischen Literatur postulierte dörfliche Idylle mit ihrer vermeintlichen kathartischen Wirkung auf den Städter, die Idealisierung der ländlichen Natur und Arbeit, aber auch die bürgerliche Familie als angeblich intakte und staatserhaltende Institution.
Wohl aus dem tiefen Widerwillen gegen diese nationale Tradition wurden Ion Vinea und Samy Rosenstock Jahrgang 1895 und 1896 im Schüleralter von der antibürgerlichen Protesthaltung des Symbolismus angezogen. 1912 gründeten sie – gemeinsam mit dem späteren Maler Marcel Iancu – eine eigene Zeitschrift, Simbolul (Das Symbol), wo sie mit antitraditionellen, spezifisch symbolistischen Themen aus dem Großstadt- und Provinzstadtmilieu ihr literarisches Credo kundtaten. Der Bruch des rumänischen Symbolismus mit einer epigonal gewordenen Fin-de-siècle-Romantik und sein Ausbruch aus der volkstümlerischen nationalliterarischen Isolation durch konsequente Öffnung auf die internationalen Kulturerscheinungen, ließen den jungen Rebellen diese, in Rumänien noch immer wirksame Richtung als möglichen Verbündeten erscheinen. Dazu trugen nicht zuletzt die intensiven Bemühungen der Symbolisten um die sprachliche Erneuerung der Dichtung bei, deren Ergebnisse – bestimmte destruktive Techniken zur Erzeugung einer dissonanten Verfremdung, eine gewisse Durchlässigmachung der Gattungen, die Öffnung des Symbols durch ungewohnte Distanz zwischen dem Bezeichnenden und Bezeichneten – aufgenommen und ja später auch bis in ihre letzten Konsequenzen weitergetrieben wurden. Doch wurde den jugendlichen Adepten des Symbolismus bald bewußt, daß ihre eigenen Vorstellungen von einem Bruch mit dem Bisherigen und von einer neuen Kunst und Kultur das symbolistische Konzept nicht nur sprengten, sondern daß die gesamte Bewegung ihrem Traditionsnihilismus notwendigerweise zum Opfer fallen mußte. 1915 gaben sie die Zeitschrift Chemarea (Der Ruf) heraus, in der Vinea dem Kanon der klassischen Literatur jegliche Erneuerungsfähigkeit absprach.
Tzaras Gedichte dieser Zeit, zum Teil schon mit dem Pseudonym Tristan Tzara bzw. Tristan Țară versehen (țară „Land“, auch „Vaterland“), enthielten bereits die wesentlichen Merkmale einer Antipoetik. Augenfällig ist der rigorose Wille zur Entmystifizierung des gesamten romantischen und postromantischen Themenarsenals: Kosmos und Natur, Liebe und menschliches Schicksal erscheinen in ungewohnter Banalität, in schockierenden Wendungen zum Trivialen oder Alltäglich-Brutalen. So „Die alte Pappel, im Kriegsgraben gewachsen! Spreizt ihren Bauch, die Eingeweide…“ (Kriegslied, 1915). Liebe ist ein Schockmittel in dem Gedicht „Komm mit mir aufs Land“ (1915): „Wir ziehen uns nackend aus auf dem Hügel! Damit sich der Pfarrer entrüstet und die Mädchen sich freuen…“ Parodie und Groteske dienen in dem Text „Hamlet – Kladdefragmente“ der Bagatellisierung des tragischen Schicksals des Prinzen von Dänemark und – sicher schon gezielt – der Unterminierung eines heroischen Themas der Weltliteratur.
Absichten dieser Art machten den Einsatz widersprüchlicher Bilder, schockierender Assoziationen oder der Antiklimax notwendig, zu diesem Zeitpunkt bereits tragende Elemente der Tzaraschen Gedichte.
In Ansätzen erschienen auch die später nachdrücklicher betriebenen Normverletzungen in Syntax, Grammatik und Gattungsgefüge. Die im traditionellen Sinne mißbräuchliche Verwendung volkstümlicher Formen für eine krude Darrstellung entfremdeter Schicksale, nämlich das Ende bzw. das mögliche Ende zweier Prostituierter (in „Stimme“ und „Hierorts die Seelen“), war als „Entweihung“ und Aufweichung zum Klischee geronnener Formen und als Demontage ihrer idyllisierenden Inhalte bezweckt.
Unverkennbar sind diese frühen Texte also bereits von jenem subversiven Geist getragen, der wenig später in eine der vehementesten Kunstrevolte unseres Zeitalters umschlug: die Verkündung des Dadaismus durch Tristan Tzara im Züricher Kabarett Voltaire im Februar 1916.
Daß Tzara sein radikales, auf der totalen Negation basierendes Programm außerhalb seines Heimatlandes ausrief und daß ihm im Verlauf der nächsten Jahre eine beachtliche Anzahl Gleichgesinnter nach Frankreich folgte, kam nicht von ungefähr. Was man der Welt zu sagen hatte, sollte dort gesagt werden, wo sich der Ideenaustausch am intensivsten vollzog, wo der angezielte Gegenstand des Protestes, der gesamte bürgerliche Kunstbetrieb, höchste Blüten trieb, die beabsichtigte. Schockwirkung auch eintreten konnte. Das war im Rumänien der Vorkriegsjahre kaum möglich. Hier hatten die Gedichte Tzaras, die Manifeste Vineas und die Zeichnungen Marcel Iancus eher Unverständnis als Empörung hervorgerufen. Die vergleichsweise junge, noch um Selbstverständnis ringende rumänische Literatur erschien den Protagonisten als ein zu unbelasteter Boden, um ihrer großangelegten Subversion genügend Nahrung zu geben. Und schließlich galt es auch, die Enge einer Nationalsprache zu überwinden, die der Verbreitung der „Botschaft“ Grenzen setzte.
Der Einschätzung der damaligen Situation durch Claude Sernet im Vorwort zu der 1965 erschienenen Ausgabe Premiers poèmes de Tristan Tzara ist auch aus heutiger Sicht zuzustimmen. Danach hätte, ein Aufsässiger wie Tristan Tzara unter den rumänischen Vorkriegsverhältnissen mit ihrer kompromißlosen „antirevolutionären“ Staatspolitik kaum Aussichten auf die notwendige intellektuelle Bewegungsfreiheit gehabt. Und dennoch! Er und die anderen rumänischen Pioniere der internationalen Avantgarde setzten auch in ihrem Land eine Revolutionierung der Kunst in Gang, die über mehrere Jahrzehnte andauerte und in der ständigen Auseinandersetzung mit anderen avantgardistischen Bestrebungen in Europa spezifische Züge ausbildete.
Allerdings galten diese frühen Propheten einer neuen skandalumwitterten Kunstauffassung im Selbstverständnis der Avantgardisten schon bald nicht mehr als die eigentlichen Wegbereiter. Zu ihrem „Urahn“ erklärten sie einen Mann, der es sich bei seinem frühzeitigen freiwilligen Tod im Jahre 1923 gewiß nicht hätte träumen lassen, zur Galionsfigur einer literarischen Protestbewegung zu werden. Urmuz, 1883 geboren, mit seinem eigentlichen Namen Demetru Demetrescu-Buzău, im bürgerlichen Leben Richter und zeitweilig auch Schreiber beim Kassationsgericht, hatte bereits 1907 seine ersten „Bizarren Blätter“ verfaßt. Diese absurd-grotesken Geschichten paßten so wenig in die Literaturlandschaft des beginnenden Jahrhunderts, daß Urmuz selbst an eine Veröffentlichung erst ein Jahr vor seinem Tode dachte, sie bis dahin nur Freunden als amüsante Lektüre überließ. Und für skurrile Spielereien wurden die 1909 insgesamt vorliegenden acht Erzählungen mit den tierähnlichen Figuren und deren sinnentleertem Handeln in einer seltsam in sich geschlossenen Welt auch lange Zeit gehalten.
Welch atemberaubende Vorwegnahme der eigenen destruktiven Haltung gegenüber der traditionellen Kunst und dem bürgerlichen Kunstbetrieb, welch Tiefgang im Formexperiment dieser „kuriosen“ Texte steckten, fanden erst die Surrealisten am Ende der zwanziger Jahre heraus. In spektakulärer Aufmachung bedienten sie sich der Sprengkraft dieser „Ein-Mann-Revolution“: Proklamatorisch gründete Geo Bogza (damals George Bogza) 1928 die Zeitschrift Urmuz. In dem Leitartikel gleichen Titels erklärte er Urmuz zum poète damné, der unbekannt und unerkannt im Dunkeln schaffend, als erster die „seelischen Abgründe“ aufgespürt habe und dem es in seinen acht absurden Geschichten wie niemandem zuvor gelungen sei, Illusionslosigkeit über die bürgerliche Gegenwart zu erzeugen und die „neue Sprache zu entjungfern“. Pathetisch bezeichnete er das antizipatorische Genie Urmuz’ als „Leuchtsignal“, als „die wahre Sonne“ und „Apostel einer kommenden Welt“.
Diese emphatische Inbesitznahme löste in den folgenden Jahren einen wahren Urmuz-Kult in den avantgardistischen Kreisen aus. Stephan Roll nannte ihn 1929 den „Boxer unter den Musen“, die surrealistische Zeitschrift unu (eins) widmete ihm 1930 eine ganze Nummer, und Bogza bekräftigte hierin mit dem Artikel „Urmuz der Vorgänger“ seine Wertschätzung.
So viel ist heute über Urmuz und sein seltsames Schicksal gewiß: Er war ein Einzelstreiter in seinem Land und im internationalen Vergleich einer der ersten avantgardistischen Schriftsteller überhaupt.
Ohne Kontakt zu den großen Ismen der europäischen Avantgarde hatte er seine „Bizarren Blätter“ verfaßt. Sie zirkulierten längst in den Caféhäusern der rumänischen Metropole und der Provinzstädte, als sich der Richter Demetrescu-Buzău im Jahre 1916 zu einem Kollegen über Marinetti und dessen Schule äußerte. Bestätigt wird seine Kenntnisnahme Marinettis erst nach der Fertigstellung seiner Erzählungen durch den von Urmuz hypothetisch formulierten Titel „Fast … futuristische Skizzen und Novellen“, der sich als Notiz, auf einem seiner Manuskripte fand. „Fast“ futuristisch mochte der Tatsache geschuldet sein, daß seit 1909 bereits in Rumänien verstreute Bemerkungen und Kommentare über Marinettis im gleichen Jahr lanciertes „Manifest des Futurismus“ umliefen, wozu das Literaturblatt Ramuri (Zweige) in Craiova den Auftakt gegeben hatte. Post festum betrachtete Urmuz seine Prosa also durchaus in einem avantgardistischen Sinne als Angriff auf die Normen des bürgerlichen Lebens und als Bruch mit dem traditionellen Literaturkanon.
Versuchte man heute eine Einordnung dieser faszinierenden Persönlichkeit, deren bewegte innere Biographie immer noch nicht völlig aus dem eher beschaulichen Dasein eines Provinzbeamten herausgefiltert werden konnte, so müßte man Urmuz sehr wohl auf einer Wellenlänge mit der sich konstituierenden futuristischen Bewegung sehen. Doch handelte es sich um einen frühen Alleingang, noch dazu in einem geographisch abseitigen Winkel, der aus gesamteuropäischer Sicht ganz still und unauffällig vonstatten ging. Das Resultalt war eine ganz originäre Verarbeitung jener Probleme, die allen Avantgardebewegungen der Zeit das Bewußtsein einer allgemeinen existentiellen Krise der bürgerlichen Welt vermittelten. Urmuz ließ die Entfremdung und Selbstentfremdung des Menschen zu Bildern von tier- und dinghaft mechanischen Wesen gerinnen, deren Handlungen in einem sich auflösenden absurden Universum durch einen unerbittlichen inneren Mechanismus bestimmt sind. Zwanghaft agieren sie im Banne ihres ungeheuren Aggressions- und Machttriebes, eines monströsen erotischen und sadomasochistischen Genußwillens. So hat „Grummer einen Schnabel aus aromatischem Holz“, mit dem er auf die Menschen einhackt und der am Ende als „riechender Rest“ von ihm übrigbleibt („Algazy & Grummer“, wörtl. Übers.); Emil Gayk, „gut angespitzt an beiden Enden“, ist „jeden Augenblick bereit, auf, jemanden loszustürzen, um ihn zu verspachteln“ („Emil Gayk“); der in einen Trichter verliebte Stamate rächt sich an seinem Nebenbuhler, dem eigenen Sohn, indem er ihn und den Trichter „mitten in einer kalten und dunklen Nacht in einen Straßenbahnwagen warf, der zufällig gerade vorüberratterte, und sie voller Verachtung ins Nirwana abschob“ („Der Trichter und Stamate“).
Überdeutlich ist hier das rigorose Ausscheren Urmuz’ aus der nationalen Tradition zu erkennen. Indem er die Handlungen seiner Gestalten von jeder logischen und rationalen Motivation löste, sie dem Zufall anheimstellte oder als glatten Nonsens erscheinen ließ, setzte er die traditionellen bürgerlichen Wertvorstellungen als Handlungsantrieb außer Kraft, zerstörte anerkannte Hierarchien und bewährte Verhaltensmuster.
Wie weit Urmuz in diesem Zusammenhang den Bruch mit der literarischen Tradition treiben wollte, ist aus seiner Kurzprosa vor allem implizite abzulesen. Ausdrücklich – wenn auch absurd kaschiert – gibt die Geschichte von AIgazy und Grummer darüber Auskunft und bescheinigt ihrem Autor einen – futuristisch anmutenden – konsequenten Zerstörungswillen. Der apokalyptisch-groteske Kampf zwischen Algazy und Grummer um eine noch „brauchbare Literatur“ als Elixier zum Überleben steht für die Auseinandersetzung Urmuz’ mit einer für ihn nicht mehr akzeptablen Überkommschaft. Die brutale Selbstvernichtung der beiden Kämpfenden stellt eine Art Autodafé der gesamten Literaturüberlieferung dar, für den Autor – ihr einzig anzustrebendes Schicksal.
In diesem Rigorismus Urmuz’, der ohne jeden theoretischen oder programmatischen Zusatz geblieben ist, lassen sich schon klar die futuristischen Grundsätze eines umfassenden und definitiven Traditionsnihilismus finden. Das gilt auch für den ungewohnt freien Gebrauch des Wortes und eine weitgehende Aufhebung der logisch-grammatischen Satzkonstruktionen, die eine Aufkündigung des konventionellen Regelkanons darstellen. Dagegen ist das Dahinfließen eines ununterbrochenen Stromes absurder Visionen, in dem sich das zwanghafte Denken und Handeln der Gestalten vollzieht, wohl am treffendsten mit dem erst von den Surrealisten erfundenen Verfahren der automatischen Schreibweise als unmittelbarer Transkription des Unbewußten zu vergleichen.
So ist Urmuz mit seinem Werk tatsächlich in mehrfacher Hinsicht ein Vorgänger (der rumänischen Avantgardisten gewesen, und dies gewiß nicht im Sinne einer andeutenden Vorwegnahme. Die von ihm geschaffene absurde Antiliteratur ist im Gegenteil die Glanzleistung einer avantgardistischen Vollblutnatur. In ihrer Radikalität übertraf sie bei weitem die literarischen Erzeugnisse eines Ion Vinea oder Tristan Tzara aus dem folgenden Jahrzehnt. Aber erst Anfang 1922 veröffentlichte Tudor Arghezi in der Zeitschrift Cugetul românesc (Das rumänische Denken) zwei der Geschichten von Urmuz. 1934 schuf Grigore Cugler seinen Helden Apunake ganz in dessen Geist, und 1940 veröffentlichte Gheorghe Ciprian, Chef einer Theatertruppe und Dramatiker, das Stück Der Erpelkopf, das in der gesamten Gestaltungsweise dem Werk seines ehemaligen Freundes sehr nahe kam.
Viele der antizipatorischen Vorstöße Urmuz’ finden sich auch in den aggressiven Manifesten der jungen Avantgarde wieder, die ihre Thesen zu Beginn der zwanziger Jahre verkündete – allerdings ohne Rückgriff auf die von ihr noch gar nicht als ergiebig entdeckten „Bizarren Blätter“.
Verbunden mit dem nun einsetzenden Prozeß einer theoretischen Profilierung und eines sich herausbildenden Gruppenverständnisses war die Gründung zahlreicher, wie Pilze aus dem Boden schießender Zeitschriften. Die erste und einflußreichste war Contimporanul (Der Zeitgenosse), mit einer vergleichsweise langen Lebensdauer von 1922 bis 1932. Im Leitartikel der ersten Nummer forderte N. Lupu die Erneuerung der rumänischen Literatur durch Fortsetzung der „großen sozialistischen Zeitschrift früherer Tage, die vor genau dreißig Jahren den gleichen Namen trug“. Mit dieser Bezugnahme auf das Kultur- und Literaturkonzept der rumänischen Sozialisten am Ende des vorigen Jahrhunderts konnte weder für die Redaktionsmitglieder (darunter an erster Stelle lon Vinea und der Maler Marcel Iancu) noch für die Mitarbeiter (zu ihnen gehörten u.a. B. Fundoianu, Tristan Tzara, Ion Călugaru, Dan Faur, aber auch Nicht-Avantgardisten wie Tudor Arghezi und Ion Barbu) die tatsächliche Fortführung dieser Tradition gemeint sein. Kennzeichnen wollten sie damit lediglich eine allgemeine Ausrichtung nach links, ihr Interesse an gesellschaftlichen und sozialen Fragen. Dahinter stand ein eher explosiv-dadaistischer Wille, eine Kunst zu zerstören, die sich in ihrer apologetischen Funktion gegenüber der zeitgenössischen rumänischen· Gesellschaft „prostituiert“ hatte, „nichts anderes als eine Kelter, Tränensackpresse für Mädchen jeglichen Alters“, „ein Rezept gegen die Melancholie der Konservenhändler“, „eine lasch gewordene Klistierspritze“ war. Dieses vernichtende Urteil, in einer Mainummer der Zeitschrift als „Aktivistisches Manifest an die Jugend“ gerichtet, endete mit dem Aufruf zum totalen Traditionsbruch: „Töten wir unsere Toten!“.
Mit gleicher Schärfe lancierte Ilaris Voronca ebenfalls 1924 in der von ihm herausgegebenen kurzlebigen Zeitschrift 75 HP (75 PS) sein programmatisches „Aviogramm“. In ihm attackierte er das Normendiktat der, bürgerlichen Kunst, ihren Akademismus und Formelzwang, von denen die dichterische Sprache in Grammatik und Syntax, die Gattungen und Kunstsparten befreit werden sollten. Vor allem jedoch stellte Voronca die Verschlissenheit der Literatur in eine kausale Beziehung zum bürgerlichen Kunstbetrieb: „das schönste Gedicht: die Fluktuation des Dollars… die Rezitationen… die Wohltätigkeitsbälle eine Selbstmordgenehmigung…“.
Der Bruch mit der „Formel“ wurde von Voronca – in unverfälscht dadaistischem Selbstverständnis – konsequent bis zur möglichen Selbstauflösung getrieben: „… und wenn zur Formel wird was wir machen werden wir uns selbst austilgen in der narkotisierten Luft“.
Unter den Frondeuren der frühen Avantgarde war neben Ion Vinea er es, der den avantgardistischen Angriff in die verschiedensten Richtungen trieb und die große Linie bis zum Ende der zwanziger Jahre wesentlich mitbestimmte. Die von ihm erhobene Forderung nach einer permanenten Dynamik und Erneuerung als ausschlaggebende Kriterien für eine zeitgemäße Literatur wurde zum anerkannten Grundsatz der Avantgarde. Nur im Bewahren eines Dauerzustandes schöpferischer Bewegung glaubte die Gruppe um den Contimporanul, das gefährliche Hineingleiten in einen kanonisierten Endzustand vermeiden zu können, den das „fertige“ Kunstwerk für sie bedeutete. Auf eine mögliche Perfektion zu verzichten, hieß ständiges Streben nach Veränderung, also die Proklamierung des uneingeschränkten Experimentierens in allen Bereichen der Kunst, unter Mißachtung jeder Regel und Tradition.
In diesem Stadium der Auseinandersetzung und Selbstdefinition wies Fundoianus Ruf nach einer „Beleidigung“ der als perfekt geltenden großen Werke einen wichtigen Weg für das literaturpraktische Vorgehen. Die zum Modell gewordenen Gipfelleistungen der Literatur sollten demontiert und in ihrer korrupten „Konsumierbarkeit“ bloßgelegt werden, ihr Wortgebrauch sollte „ruiniert“ werden durch Mißbrauch und Verletzung seiner Regeln, die Sprach- und Satzlogik „entmachtet“, ja zerstört werden und das Konzept von der Einheit des dichterischen Bildes sollte unter dem Schock einer Bildauffassung zusammenbrechen, die das Gegensätzliche, das Unvereinbare zusammenzuzwingen bemüht war. Voronca kündigte auch die Autarkie der Gattungen, sogar der einzelnen Kunstformen auf. Gemeinsam mit Victor Brauner demonstrierte er 1924 in 75 HP das Zusammenwirken zweier Disziplinen, der Dichtung und Grafik, in der „Pictopoesie“, die sie programmatisch als Einheit erklärten: „Pictopoesie ist Pictopoesie.“
Dieses Konzept wurde in seinem vorwiegend destruktiven Gehalt, mit dem zugleich die bisherigen Lesegewohnheiten grundsätzlich erschüttert werden: sollten, in der literarischen Praxis nur beschränkt produktiv. Gedichte von Vineas oder Ilarie Voroncas aus diesem Jahr entsprachen dem dadaistischen Nihilismus ihrer Programme keineswegs. Sie wirkten mit dem zurückhaltenden Gebrauch von unlogischen Konstruktionen, einer gewissen Unpersönlichkeit und einem konsequent urbanen Wortschatz eher gemäßigt.
Unter Umständen war dieser Widerspruch das auslösende Moment, für eine schnelle Neuorientierung: 1924 erklärte sich der Contimporanul in der Nr. 50/51 zum „Organ des Konstruktivismus“. Er wollte „nicht mehr nur einen Geist der Negation in den Dienst einer anemischen Kunst“ steIlen, sondern eine „vitale Kunst“ vertreten.
Eine sich als Konstruktivisten bezeichnente Gruppe von bildenden Künstlern, die zum Kern der Zeitschrift gehörten, lieferten für diese neue Etappe den Namen und setzten sich mit bestimmten Vorstellungen durch, die auch von Vinea übernommen und theoretisch verarbeitet wurden. So zog er in dem Artikel „Versprechungen“ aus der konstruktivistischen Überzeugung, daß die Geometrisierung der Kunst dem natürlichen Schönen überlegen ist, also das Werk als Konstruktion über seine mimetische Funktion zu stellen sei, den Schluß, daß „weder Natur noch Realität ein Maßstab sei, daß alles in uns ist“ und „von diesem Gesichtspunkt aus die schöpferischen Rechte des Künstlers noch unbegrenzter erscheinen“. Damit hatte er die absolute schöpferische Freiheit des Künstlers akzeptiert und proklamiert. Die Öffnung der Gruppe und ihrer Zeitschrift gegenüber anderen Avantgarden und modernistischen Kunstrichtungen war der nächste logische Schritt. In den folgenden Jahren erschienen hier und in dem sich ebenfalls als „Zeitschrift für internationale konstruktivistische Kunst“ konstituierenden Organ Punct (Punkt) eine Fülle von Namen der internationalen Avantgarde: Marinetti, Hans Arp, Theo van Doesburg, Herwarth WaIden, Francis Picabia und andere. Doch auch Vertreter des vormals eher abgelehnten Expressionismus kamen zu Wort, und aus der nationalen „Moderne“ waren Tudor Arghezi, Ion Barbu und Adrian Maniu präsent.
Zwei Kriterien waren von nun an ausschlaggebend für das Selbstverständnis der rumänischen Avantgardisten: die durch Vinea erreichte Integration in den internationalen Prozeß, das heißt eine „Internationalisierung“ der konstruktivistischen Bewegung, und die damit im Zusammenhang stehende Öffnung gegenüber anderen Avantgarderichtungen, Kunstformen und einzelnen Persönlichkeiten. Diese Haltungen wurden auch von den Schriftstellern und Künstlern der zwischen 1925 und 1928 erscheinenden Zeitschrift Integral vertreten. Mit ihrem Namen und dem programmatischen Untertitel brachte sie dies deutlich zum Ausdruck: „Zeitschrift moderner Synthese, Organ der modernistischen Bewegung für unser Land und das Ausland.“
Zu den Integralisten gehörten unter anderen die Schriftsteller Ilarie Voronca, F. Brunea-Fox, Stephan Roll, Ion Călugăru. Auch B. Fundoianu (Fondane) und Mihail Cosma (Claude Sernet) sind dazu zu rechnen, die zu diesem Zeitpunkt bereits als Pariser Korrespondenten mitarbeiteten, die Maler M.H. Maxy, Victor Brauner, der von Kandinsky herkommende und dem deutschen Expressionismus nahestehende Mattis Teutsch sowie der Bildhauer Constantin Brâncuși, der ebenfalls in Paris als einer der großen Inspiratoren der internationalen Avantgarde wirkte.
Die in den ersten Nummern der Zeitschrift veröffentlichten Programme von Voronca und Cosma betonten in besonderer Weise den Willen der Gruppe zur Synthese. Ausdrücklich stellten sie die Zeitschrift futuristischen, expressionistischen und dadaistischen Publikationen zur Verfügung – zum Beispiel hatte Marinetti für die Nummer 12 einen offenen Brief geschickt, Braque und Miró gehörten zu ihren Illustratoren.
Wie die Konstruktivisten sprachen auch die Integralisten den Erneuerungsbemühungen der „Modernisten“ ihre Wertschätzung aus, wobei sie besonders Pierre Reverdy, Max Jacob, Blaise Cendrars und unter den Rumänen Tudor Arghezi und Ion Barbu hervorhoben.
Die rumänische Avantgarde der Jahre 1924 bis 1928 stand ganz im Zeichen dieser beiden, sich in einigen wesentlichen Punkten treffenden Richtungen, des Konstruktivismus und Integratismus. Bei beiden hatten die theoretischen Bemühungen deutlichen Vorrang. Ihre Kunstpraxis stellte ein großes Experimentierfeld dar. Keinerlei Schranken anerkennend, wurden Sprache, Gattungen und Kunstformen ausprobiert, traditionelle Bindungen zerstört und auf ungewöhnliche Weise neu geknüpft. Unter dem Begriff eines Synkretismus der Künste verkoppelten sie Literatur, Malerei, Theater, Kinematographie und Musik zu neuen künstlerischen Aussagen. Dichter zeichneten, Maler dichteten; die Nummern der Zeitschriften waren voll von nicht klar zu definierenden Mischformen und Techniken. Der Leser wurde mit kühnen Collagen und Montagen konfrontiert. Auffällig war die Nutzung von Gebrauchstexten wie Annonce, Werbespruch, Zeitungsmeldung, Schlagzeile, Telegramm oder Plakat. Sie sollten zum einen Respektlosigkeit vor dem konventionellen Gattungsgefüge demonstrieren und sein rücksichtsloses Aufbrechen bewirken. Zum anderen versuchten die Autoren, so einen leichteren Zugang zu der neuen Kunst zu vermitteln. Ihr Ziel war es, Massenwirksamkeit zu erreichen, den Leser zu mobilisieren, um so ihrer Kunst eine breitere Basis zu geben.
Dieser Anspruch erfüllte sich freilich nicht. Breitenwirkung erzielten in diesen Jahren und wenig später andere Erneuerer der rumänischen Literatur, Vor allem gelang es Lucian Blaga (1895-1963), der seine Kontakte mit dem deutschen Expressionismus fruchtbar machen konnte, die traditionelle Lyrik unter Beibehaltung ihrer wesentlichen Inhalte und Strukturen durch philosophische Vertiefung und sprachlich-metaphorische Erneuerung zu modernisieren und ihr zu neuer Geltung zu verhelfen.
Doch auch ein Schriftsteller der Moderne wie Tudor Arghezi erlangte mit seiner satirischen Prosa und sprachrevolutionierenden Lyrik höchste Publizität. Sein 1927 erschienener Gedichtband Cuvinte potrivite (Passende Worte) zeigte durchaus Affinitäten zur Avantgarde, sie ihrerseits publizierte ihn mehrfach, man versuchte sogar, ihn zu gewinnen. Letzteres gelang nicht, denn Arghezi mochte sich den Verbindlichkeiten der avantgardistischen Programme nicht fügen. Er blieb lebenslang, auch ein „Unabhängiger“ innerhalb der Moderne, die sich ihrerseits ab Mitte der zwanziger Jahre mit einer ästhetischen Theorie konstituierte. Ihr Spiritus rector, Eugen Lovinescu (1881-1943), sorgte sehr bald für eine deutliche Abgrenzung des „theoretischen Modernismus“ von den „Extremisten“, vom „Modernismus der Avantgarde und des Experimentierens“. Bei gleichem Anliegen, nämlich eine Erneuerung der rumänischen Literatur und Kunst zu bewirken, lehnte er zwei wichtige Forderungen der Avantgardisten ab – den totalen Bruch mit der Tradition und die Aufhebung des Autonomiestatus der Kunst.
Gegen Ende der zwanziger Jahre erhielt die rumänische Avantgarde neue Impulse, als sich eine kleine Gruppe vor allem jüngerer Autoren zum französischen Surrealismus bekannte. An ihnen und ihrem Vorbild, André Breton, übten die Integralisten harsche Kritik. Bretons Nutzbarmachung des Unterbewußten, der Halluzination, des Traumes für die Literatur wollten sie als Innovation nicht anerkennen. In seinem doktrinären Anspruch sahen sie eine Beschränkung der unverzichtbaren schöpferischen Freiheit. Allerdings zollten sie dem subjektiven Bemühen der Surrealisten Anerkennung, „zu neuen Ufern“ vorzudringen, Doch mangele es dem Surrealismus im Gegensatz zur Dynamik der anderen Avantgarderichtungen an der Fähigkeit zu erschüttern und dem Rhythmus der Zeit zu entsprechen. Auf den Ruf des Jahrhunderts nach Integralismus konnte der Surrealismus nach Auffassung Voroncas und Cosmas (Sernet) keine Antwort geben, da sein Grundprinzip die „exzessive Desaggregation“, also Zersetzung sei. Den Stil der Epoche müsse eine konstruktive Richtung, wie der Integralismus prägen. In diesem Sinne waren ganze Nummern der Zeitschrift Integral unterschiedlichen avantgardistischen Vertretern von Literatur, Malerei und bildender Kunst, Theater, Film, Tanz, Musik und Architektur gewidmet.
Die in Integral veröffentlichenden Autoren versuchten, der Forderung nach dem Mitschwingen im hektischen Rhythmus der Zeit durch eine abgehackte Diktion, brüsken, Bildwechsel, schockierende Kontraste, grammatische und logische Ungereimtheiten zu entsprechen. Dominierend war der Puls des urbanen Lebens: „Wir leben endgültig im Zeichen der Großstadt. Die Intelligenz – ein Filter. Die Nüchternheit – ein Schock. Der Rhythmus – Höchstgeschwindigkeit.“, hieß es in, der Nummer 1 vom März 1925.
Die Dichtung sollte – im konstruktivistischen Sinne – „reine Schöpfung, überhalb der Vernunft und Logik“ sein, forderte Voronca; eine „objektivere, nichtmaterielle Darstellung“, „tieferer Ausdruck… allein des reinen Geistes“, Ion Călugăru.
Die Gegenreaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Erste Anzeichen enthielt Sașa Panăs im Telegrammstil abgefaßtes „Manifest“ in der Nummer 1 der Zeitschrift unu vom April 1928. Neben Marinetti, Vinea, Tzara, Ribemomt-Dessaignes und Theo van Doesburg wurde nachdrücklich der Surrealist Breton als Erneuerer der Literatur beschworen.
Dies kam nicht von ungefähr. Seit der offiziellen Verkündigung des Surrealismus durch André Breton im Jahre 1924 war diese Richtung in eine Art Konkurrenz zum Konstruktivismus und Integralismus getreten, hatte unter den rumänischen Avantgardisten zunehmend Anhänger gefunden. Dies war nur zum Teil dem Umstand zu verdanken, daß Tristan Tzara, Fondane und Sernet Breton und seiner Bewegung nahestanden und unmittelbaren Einfluß auf die rumänische Avantgarde ausübten. Die besondere Anziehungskraft des Surrealismus ergab sich aus dessen konsequenter gestellten Frage nach dem gesellschaftlichen Wirken von Literatur in der gegenwärtigen Zeit. In den Kompetenzbereich der avantgardistischen Kunst Rumäniens rückten damit die konkreten gesellschaftlichen und sozialen Belange. Es war offensichtlich geworden, daß die im Zuge der industriellen Entwicklung des Landes erwarteten Erfolge in der Wirtschaft und im sozialen Leben ausgeblieben waren. Die Kriegsfolgen und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, der Abbau der demokratischen Rechte durch ein immer mehr nach rechts tendierendes Regime und das allmähliche Erstarken der faschistischen Kräfte hatten unter den Künstlern der Avantgarde das Bewußtsein von einer Zuspitzung der gesellschaftlichen Krise im nationalen und internationalen Maßstab verschärft. Bei vielen wuchs die Überzeugung, daß es bisher einseitig um eine Revolutionierung der Kunst gegangen war, daß die Aufhebung des autonomen Status der Kunst in der rumänischen bürgerlichen Gesellschaft ausgeblieben war. Der vom Konstruktivismus und Integralismus unternommene Versuch, Kunst und Lebenspraxis miteinander zu verbinden, hatte sich auf einen Bruch mit der Tradition und im künstlerischen Experiment auf eine den sozialen Prozessen möglichst angemessene Diktion beschränkt. Das war den Adepten des Surrealismus nicht genug. 1930 erklärte sich die Redaktion der Zeitschrift unu mit den bisherigen Postulaten der Avantgarde nicht länger einverstanden. In dem aggressiven Pamphlet, „Der Opferstock Großvater Vineas“ wurden der Contimporanul und sein Spiritus rector, Ion Vinea, als dem völligen „Verfall“ anheimgegeben und hoffnungslos „verknöchert“ hingestellt. Die Abgrenzung war kategorisch, die eigene Positionsbestimmung klar surrealistisch. Das zeigten vor allem Programmschriften Geo Bogzas wie „Die Rehabilitierung des Traums“ und „Die schöpferische Erbitterung“. 1933 folgte, schließlich eine Generalabrechnung mit der „hermetischen“ Dichtung der bisherigen Avantgarde und eine Willenserklärung, sich verstärkt den gesellschaftlichen Fragen zuzuwenden. In dem Manifest „Dichtung, ,die wir machen wollen“ forderten die profiliertesten Vertreter des rumänischen Surrealismus, die Schriftsteller Geo Bogza, Paul Păun, Gherasim Luca und der Maler S. Perahim, eine Dichtung des Parteiergreifens für Millionen Menschen, „erbittert durch Elend und Ungerechtigkeit“. Ihre Dichtung habe die Aufgabe, „die gewaltige Tragödie des gegenwärtigen Zeitalters“ in ihrem „wilden und lebendigen Zustand einzufangen“. Sie dürfe keine Domäne für Eingeweihte sein, sondern müsse „für alle Menschen, für Tausende von Menschen gemacht sein“ und von allen verstanden werden, wenn sie ihre historische Rolle bei der „Klärung und Präzisierung der Lebensformeln“ wahrnehmen wolle.
Zum dynamischen Prinzip einer solchen Dichtung erklärte Bogza die aus den sozialen Widersprüchen, erwachsene „schöpferische Entrüstung“. Sie verstand er als Gegenpol zu jenen „puren Kräften“, denen es allein um die Revolutionierung der Kunst gehe. Diese „schöpferische Entrüstung“ gab auch der sich an die Bergsonsche Philosophie anlehnenden Dynamikvorstellung der Konstruktivisten einen neuen sozialen Begründungszusammenhang. Ging es jenen um das Prinzip von Dynamik und Erneuerung an sich, so hatte der ständige Impuls einer „schöpferischen Entrüstung“ für die Surrealisten seine Wurzeln in den konkreten Bedingungen der gesellschaftlichen Gegenwart.
Als adäquate „Gattung der unmittelbaren Realität“ riefen sie die Reportage aus. Die von Paul Sterian verfaßte Programmschrift „Die aggressive Poesie oder Über das Reportagegedicht“ verlangte nach dem Dichter-Reporter als „wahrem Poet“, „mit den tausend Augen, tausend Ohren, tausend Füßen, tausend Telegrammen, tausend Schreibstiften, tausend Ausdrücken, tausend Pistolen… Die Poesie streife ihre Lahmarschigkeit ab und werde AGGRESSIV“.
Das Manifest, selbst eine literarische Mischform aus Schlagzeile (Der Reporter komme), Telegrammeldung (Nichts Sensationelles. Nichts Epochales. Nichts Heroisches.). Nachrichtentext, Pamphlet und Agitpropschrift, mit graphischen Hervorhebungen in Großbuchstaben und Kursivschrift, forderte vom Schriftsteller, „leg an und ziele gut“. Und das gelang in der Tat! Die „bissigen“ Reportagen von F. Brunea-Fox (das Pseudonym-Anhängsel „Fox“ war nicht ohne Hintersinn gewählt) und die berüchtigten „Reportagegedichte“ Geo Bogzas gehören zu den originellsten Ausprägungen rumänischer Avantgardeliteratur.
Brunea-Fox, der sein ganzes Leben der Reportage verschrieb, galt durch die Unmittelbarkeit, die kritische Schärfe und die literarische Qualität seiner Publizistik als König der Reporter. Ein fieberhaft-intensives Erleben des Augenblicks gab seinen Arbeiten einen atemberaubenden Rhythmus, seine unermüdliche Wißbegier, der Zwang, als Journalist „den Sinn des Lebens im unmittelbaren Zugriff“ zu intuieren, ließ kaum einen Lebensbereich unergründet. Bevorzugtes Terrain seiner Erkundungen war die „Straße“. Episoden und Tragödien aus dem Leben der Armen und hoffnungslos Gestrauchelten, der Prostituierten und Verbrecher wurden zu Hauptthemen seiner Reportagezyklen „Nopți bucureștene“ (1927, Bukarester Nächte) und „Pericolul stupefianților“ (1929, Die Gefahr des Rauschgiftes). Berühmtheit erlangte er durch seine brüskierenden Bilder aus dem authentischen Bericht „Fünf Tage unter Leprakranken“ (1928). Mit diesen Reportagen Schrecken, Abwehr und Ekel in den Bürgerstuben zu verbreiten, war Bruneas Absicht gewesen, und dies hatte er auch erreicht.
So groß wie die Spannbreite seiner Themen, so mannigfaltig wie die geschilderten Milieus und Handlungsschauplätze war auch die Variationsskala der von Brunea benutzten Mittel und Verfahren. Sie reichten von schwarzem Humor und absurder Komik über bissige Ironie und Parodie bis hin zu halluzinatorischem und spielerischem Erleben.
Brunea-Fox gelang es wohl in höchstem Maße, mit der selbstverständlichen literarischen Darlegung einer vielschichtigen Surrealität die programmatischen Forderungen in eine Gattung umzusetzen.
Eine Mischform aus Reportage, Prosagedicht und Lyrik waren die brutalen Psychogramme Geo Bogzas, die zumeist in der Zeitschrift unu erschienen und 1929 und 1933 in zwei kleinen Bändchen herauskamen. Schon durch die provokatorischen Titel Jurnal de sex (Sex-Tagebuch) und Poemul invectivă (Das Schmähgedicht) ließ sich das Ziel der Bogzaschen Attacke ohne weiteres erraten: die Bloßstellung der bürgerlichen Sexualmoral und der Institutionen, die sie vertreten. Der Autor diskreditierte sie auf eine in Rumänien noch nie dagewesene Art, indem er in die Gefängnisse hinabstieg, Triebtäter und Homosexuelle zu Worte kommen, Vater- und Gattenmörder ihre inzestuösen oder perversen Geschichten berichten ließ. Er ging aufs Dorf und zerschlug in seinen Berichten das immer wieder beschworene Bild von der intakten ländlichen Idylle, indem er zum Beispiel schockierende Szenen von Sodomie detailliert und im Ton größter Selbstverständlichkeit ausmalte oder die entfremdeten Beziehungen zwischen den Dorfbewohnern ins Licht rückte. Die in seinem Werk mehrfach auftauchende rätselhafte Allegorie des „Epheben“ sollte in diesem Zusammenhang einer dem menschlichen Wesen innewohnenden triebgelenkten Lasterhaftigkeit Gestalt geben.
Die zum Teil pornographisch wirkenden Reportagegedichte Bogzas mußten in ihrer sarkastischen Erbarmungslosigkeit und mit ihren monströsen Bildern zwangsläufig den Widerstand der Obrigkeit herausfordern. Die Bücher kamen als unerhörte Provokationen der öffentlichen Moral auf den Index, Bogza wurde zweimal in Haft genommen und mußte sich wegen Verletzung der Sittlichkeit verantworten.
In den folgenden Jahren gelang es diesem enfant terrible der rumänischen Avantgarde, seine destruktive Aggressivität in konkretes soziales Engagement umzulenken. 1934 wandte er sich einem Hauptthema seines Schaffens zu, der Welt der rumänischen Erdölarbeiter, indem er den Zyklus „Lumea petrolului“ (Die Welt des Erdöls), begann. Aus Spanien, wohin ihn die politischen Ereignisse 1937 riefen, schickte er den Reportagezyklus „Tragedia poporului basc“ (1939, Die Tragödie des baskischen Volkes).
Zu diesem Zeitpunkt konnten sich die Schriftsteller der Avantgarde wegen ihres progressiven gesellschaftlichen Einsatzes und ihrer überwiegend jüdischen Herkunft immer weniger öffentlich äußern. Unter dem Druck der faschistischen Ideologie und totalitärer Praktiken des seit 1940 etablierten nationalfaschistisch-monarchischen Regimes mußten sie ihre Zeitschriften aufgeben und ihre Aktivitäten stark einschränken. Nur hier und dort gelang es noch, einige verschlüsselte Gedichte in antifaschistischen und linken Zeitschriften unterzubringen.
Angesichts der bedrückenden und für viele lebensbedrohenden Situation (B. Fondoianu sollte in den Gaskammern eines KZ umkommen, V. Brauner mußte von Paris in die Vereinigten Staaten emigrieren) entstanden Gedichte mit beeindruckenden Bildern von einer heraufkommenden Apokalypse, aber auch mit Zukunftsvisionen von einer sozial gerechten neuen Welt – wie zum Beispiel Geo Bogzas „Gesang von der Revolte, von Liebe und Tod“. Die meisten konnten erst erscheinen, als 1944 nach dem Sturz des Aritonescu-Regimes eine allmähliche Demokratisierung des gesamten öffentlichen Lebens begann.
Noch einmal übernahm die Avantgarde nun für etwa drei Jahre eine wichtige Funktion bei der Erneuerung des kulturellen Lebens. Alle führenden Autoren der ehemaligen surrealistischen Zeitschrift unu waren sich ihrer Rolle in der großen gesellschaftlichen Umwälzung – von deren Stattfinden sie überzeugt waren – bewußt.
Ihre Revolutionserwartung erschien erfüllt. Aus diesem Gefühl heraus engagierten sich fast alle für den gesellschaftlichen Neubeginn. Aus dieser Haltung drängte sich ihnen allerdings die Frage nach der Daseinsberechtigung eines surrealistischen Gruppenverständnisses auf. Sașa Pană sagte sich unter dem Druck der Argumente noch im Sommer 1944, also unmittelbar nach der Befreiung, in dem Band Pentru libertate (Für Freiheit), vom Surrealismus als Bewegung los.
Dagegen entwickelte, Gherasim Luca die These von einer „Dialektik der Dialektik“, die er 1945 von Bukarest aus als „Botschaft in die internationale surrealistische Bewegung“ richtete. Luca hob in dieser Schrift das für ihn immer noch gültige Prinzip der permanenten Opposition gegenüber der ganzen Welt und der eigenen Bewegung als wichtigstes Kriterium des Überlebens für den Surrealismus hervor.
In der folgenden Zeit lebhaften Experimentierens bemächtigte sich der rumänische Surrealismus – vor allem im Zeichen des aktiven Teilnehmens am „unmittelbaren Leben“ mit den von ihm entwickelten Mitteln neuer Themen, die sich mit Faschismus, Imperialismus, Krieg und ihren Folgen in der Nachkriegszeit auseinandersetzten. Es war den rumänischen Surrealisten gelungen, mit der Frage nach der funktionalen Leistungsfähigkeit des Surrealismus vor allem seine Praktiken für neue Aufgaben produktiv zu halten.
Dieser Entwicklung schlossen sich eine ganze Reihe von Avantgardeschriftstellern an, darunter ältere wie Ion Vinea, Ion Călugăru und Stephan Roll, aber auch Geo Bogza und Virgil Teodorescu. Sașa Pană widerrief seine Abkehr vom Surrealismus in dem Gedichtband Plecări fără ancoră“ (1946, Aufbrüche ohne Anker).
Überzeugenden Aufschluß über die Vitalität des Surrealismus gaben die Nachkriegsveröffentlichungen jüngerer Autoren wie Ion Caraion (geb. 1923), Constant Tonegaru und Geo Dumitrescu. Vor allem letzterer, schon 1941 mit dem Band Aritmetică (Arithmetik) hervorgetreten, wurde nach der Veröffentlichung eines weiteren Gedichtbandes im Jahre 1946, Libertatea de a trage cu pușca (Die Freiheit, mit dem Gewehr zu schießen), als Sechsundzwanzigjähriger zum „Chef“ der jungen rumänischen Nachkriegsavantgarde ausgerufen. Auch für ihn bedeutete revolutionierte Dichtung Einwirken auf gesellschaftliche Prozesse.
Rigoros ging Dumitrescu an die Kompromittierung lyrischer Konventionen und die ihr zu Grunde liegenden Dichtungstheorien. Seine Paradoxien, das Aufreihen brüchig gewordener Dichtungsmodelle und abgegriffener Floskeln, die sich nicht zu den erwarteten Assoziationen fügen, waren in der Konsequenz ein Angriff auf die hinter diesen Praktiken stehende gesellschaftliche Realität. Diese Realität wurde von ihm als genau umgekehrt zu den erzeugten Bildern herausgestellt. In dem Gedicht „Abenteuer im Himmel“ ist das verlogene Mysterium eines romantisierten Kosmos „demontiert“, und aufgelöst in ein abstoßendes Panorama bürgerlicher Verkommenheit. Die „Sterne schliefen gut bürgerlich, ohne Finessen“, „rund…, gedunsen und schmierig“; der Mond erscheint als „fette, cholerische Luna… ein schlaffer Haufen von Sex“; die „himmlischen Exzellenzen… gebläht von der eigenen großen Bedeutung“; der Himmel, ein „Lunabordell“, ein „Panoptikum“. Das von Dumitrescu benutzte Verfahren einer oft zynischen Demontage dichterischer und gesellschaftlicher Konventionsmechanismen erfolgte stets durch ihre Konfrontation mit der erlebten Realität und meist im Dialog mit dem Leser, der als aktiver Partner oder auch als Gesinnungsgenosse einbezogen wird. Dumitrescus manchmal gewalttätig anmutenden Verletzungen von Syntax und Rhythmik, seine Sprachverstümmelungen, seine willkürliche und schockierende Metaphorik offenbarten so ihre konsequente gesellschaftliche Hintergründigkeit.
Einen „Abgesang“ der rumänischen Avantgarde hat es in diesen Nachkriegsjahren also nicht gegeben. Im Gegenteil: Die führenden Köpfe Gherasim Luca, Gellu Naum, Paul Păun, Virgil Teodorescu und Trost veröffentlichten 1947 in Paris, wo Luca sich in diesem Jahr endgültig niedergelassen hatte, die Schrift Der nächtliche Sand, in der sie an dem Fortbestand des Surrealismus festhielten, seine Funktionsfähigkeit an der „Beschreibung von 16 surautomatischen Gegenständen“ nachweisen wollten.
Der Schlußakkord kam von außen. Mit der Proklamierung der Rumänischen Volksrepublik am 31. Dezember 1947 gingen von nun an vordringlich um die Entwicklung des sozialistischen Realismus und die Pflege seines Erbes. Damit war der komplizierte und verschlungene Weg der Avantgarde in die neue Gesellschaft abgebrochen.

Mit vierzig Jahren Produktion gehört die rumänische Avantgarde unter ihren europäischen Schwesterbewegungen zu den langlebigsten. Über den Grund hierfür läßt sich streiten. Wahrscheinlich. ist er in der Fähigkeit der rumänischen Avantgardisten zu suchen, den Widerspruch zwischen Traditionsnihilismus und Erneuerungsanspruch auf sehr eigene Weise produktiv gemacht zu haben. Aus ihrer Bereitschaft zur Assimilation und Synthese gegenüber den internationalen avantgardistischen Bestrebungen der Zeit entwickelten sie eine ungewöhnliche Flexibilität, die vielfältige, alle Bereiche des gegenwärtigen Lebens anzielende Funktionssetzungen ihrer Literatur möglich machte. So erhielt der konstruktive Aspekt frühzeitig und endgültig den Vorrang gegenüber einer destruktiven Ausgangsposition. Der Preis, der dafür gezahlt werden mußte, war der jeden Kompromisses: Die abgrenzenden, definierenden Kriterien verloren an Schärfe, sie erscheinen dem heutigen Betrachter verschwommener als bei den doktrinären Bewegungen wie Futurismus, Dadaismus oder dem französischen Surrealismus.
Daß dieses „integrative“ Verhalten authentische und originelle künstlerische Leistungen hervorbrachte, stellen die Texte des vorliegenden Bandes unter Beweis. In ihrer Verhaltenheit gegenüber den theoretischen Vorgaben lassen sie allerdings auch ahnen, daß ihre so gefürchtete kulturelle und gesellschaftliche Integration unaufhaltsam war. Einen Sonderfall stellten lediglich Geo Bogzas heute nicht mehr auffindbares Sex-Tagebuch und der Band Das Schmähgedicht dar, die mit wenigen Ausnahmen aus letzterem bis heute tabuisiert sind. Das änderte allerdings nichts daran, daß ihr Autor sowie der gleichfalls zu den exponierten Streitern der Avantgarde gehörende Virgil Teodorescu Mitglieder der rumänischen Akademie geworden sind.
Insgesamt ist die Literatur der Avantgarde in allen ihren Erscheinungsformen seit den siebziger Jahren der rumänischen Nationalkultur eingegliedert. Ihre Leistung ist heute in zweierlei Hinsicht anerkannt. Sie zwang die heimische Literatur, sich den internationalen Erneuerungsbestrebungen zu stellen, und mit der daraus erwachsenen disponiblen, variantenreichen Literatur brachte sie eine rumänischnationale Komponente in die europäische Avantgarde ein. Mit ihren spezifischen Ausprägungen, den prädadaistischen Geschichten Urmuz’, dem Konstruktivismus, Integralismus und einer Variante des Surrealismus stellte sie zu ihrer Zeit in Rumänien den einzigen nachdrücklichen Versuch dar, die künstlerische Isolation zu durchbrechen und die Zersetzung der bürgerlichen Kultur für den kulturellen und gesellschaftlichen Protest nutzbar zu machen.

In ihrer Opposition gegen Etabliertes und Erstarrtes, in ihrer Experimentierlust und mit den von ihr ausprobierten Verfahren und Techniken wurde die „historische“ Avantgarde – gegen ihren eigenen Willen – traditionsbildend. Zeitgenössische Autoren wie Nichita Stănescu (1933-1983) und Marin Sorescu (geb. 1936) oder die Gruppierung junger Schriftsteller mit Mircea Cărtărescu, Traian T. Coșovei, Alexandru Mușina und Ion Bogdan Lefter werden von der rumänischen Kritik heute als ihre Nachfahren betrachtet.

Eva Behring, Nachwort, August 1986

 

Rumänische Avantgarde

hat mit dem Einzelgänger Urmuz ihren Auftakt, setzt als Bewegung um 1915 mit den Gedichten des blutjungen Tzara ein und erreicht 1924 den Höhepunkt ihrer destruktiven Phase. Sodann konvertiert die Bewegung zu Konstruktivismus und Integralismus. „Das Gedicht wird Eisenbahnzug, die geweitete Pupille durchstoßend, wird Gebirge mit Lichtskelett, spitzenbesetztes und kettengeschmücktes Meer, Ackerland, reine Aktion, übertragen auf einen expandierenden Lebensbereich… wird Gedichtgedicht, Zementgedicht, Gedicht eines Ingenieurentwurfs, wird Gehirn, lebender Organismus, der sich einfach in die Naturerscheinungen integriert… Die Ausdrucksweise des neuen Dichters strotzt von Kühnheit, ist voll absurden Zaubers: Spitzhacke, Bumerang, Sprung, dessen Höhe alle Weltbestleistungen übertrumpft.“ – Neue Horizonte eröffnen sich der rumänischen Avantgarde, als sie sich nach 1928 der hartnäckigen Frage der französischen Surrealisten nach dem gesellschaftlichen Wirken von Kunst stellt. Der Faschismus erzwingt Schweigen. Dann nach der Befreiung, noch einmal für drei Jahre das Bekenntnis zur Provokation: „DIE POESIE schlägt nicht mehr der Tat den Takt: sie IST IHR VORAUS!“

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, Klappentext, 1988

 

 

Fakten und Vermutungen zur Herausgeberin

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