Ezra Pound: Lesebuch

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Ezra Pound: Lesebuch

Pound-Lesebuch

CANTO CXV
(Unvollendet)

Die Wissenschaftler packt das Grauen
aaaaaaaaaaund das europäische Denken steht still
Wyndham Lewis wählte Blindheit
aaaaaaaaaaauf daß sein Verstand nicht still stünde.
Nacht unterm Wind in den Nelken,
aaaaaaaaaadie Nelkenrüschen fast reglos
Mozart, Linnaeus, Sulmona,
Wenn unsre Freunde aneinander geraten,
aaaaaaaaaawie soll da Frieden sein auf der Welt?
Ihre Ausfälligkeiten erheiterten mich in meiner grünen Zeit.
Eine Spelze, die’s umtreibt, nicht mehr
aaaaaaaaaadoch das Licht singt allewege,
ein Wetterleuchten über den Marschen
aaaaaaaaaawo der Strandhafer zur Flutwelle zischelt.
Zeit, Raum,
aaaaaaaaaaweder Leben noch Tod ist die Lösung.
Und der Mensch, aufs Gute bedacht,
aaaaaaaaaader das Böse bewirkt.
„In meine Heimat“
aaaaaaaaaawo die Toten gewandelt sind
aaaaaaaaaaaaaaaund die Lebenden aus Pappmaché waren.

 

 

 

Der Rest ist Schweigen

− Tod in Venedig 1958–1972. −

Als Ezra Pound mit seiner Frau Dorothy und seiner Sekretärin Marcella Spann am I0. Juli I958 in Genua eintraf, wurde er von einer großen Menschenmenge begrüßt. Auch die Weltpresse war wieder da. In Verona holte ihn seine Tochter im Taxi ab, und auf dem abschüssigen Pfad, der von Dorf Tirol zur Brunnenburg hinabführt, kam ihm der Schwiegersohn Boris de Rachewiltz mit den beiden Enkeln entgegen, die er jetzt zum erstenmal sah. Nun sollte das Leben in der Geborgenheit der Familie beginnen. Pound gedachte, das Familienleben in dem er sich gerecht zwischen Frau und Nebenfrau verteilt hatte, genau dort wieder aufzunehmen, wo es vor dreizehn Jahren abgebrochen war, nur in anderer Besetzung. Und so kam es zu gewissen Komplikationen, die Pound nach sieben Monaten auf der Brunnenburg bewogen, mit Dorothy und Marcella Spann nach Rapallo zu übersiedeln, wo sie zu dritt in einem modernen Häuserblock ein Apartment bezogen
Was Pound zu dieser Zeit am meisten zu schaffen machte, war die Abhängigkeit von seiner Frau, die infolge seiner Entmündigung als „Committee for Ezra Pound“ die alleinige Verfügungsgewalt über all seine Mittel hatte – und das gerade zu einer Zeit, da er erstmals in seinem Leben sich und (s)eine Frau aus den Tantiemen der Cantos hätte ernähren können. Eine Anzahl von Briefen und Einladungen gingen in dieser Sache an Hemingway, der in Pounds Augen eine Autorität in Scheidungsangelegenheiten war. Ende September berichtete er ihm von „Komplikationen von wegen Committee“. Weder seine Frau noch seine Ex-Nebenfrau wollten zu diesem späten Zeitpunkt etwas von einer Scheidung wissen. Gegen Ende September wurde die Muse nach Amerika zurückgeschickt. Die Anthologie der Weltdichtung Confucius to Cummings, die Pound mit Marcella Spann zusammengestellt hatte, war bereits im Juli 1959 im Manuskript „fertig“ geworden, sie konnte erst fünf Jahre später nach mühsamen anonymen Überarbeitungen in Druck erscheinen. Im Sommer 1959 waren die Thrones-Cantos erschienen. Insgesamt würden es 120 Cantos werden, äußerte Pound zu diesem Zeitpunkt gegenüber Donald Hall „Sie müssen fast am Ende sein“, sagte Donald Hall zu Pound. „Können Sie schon sagen, was Sie in den restlichen Cantos anfangen wollen?“ Pound: „Es ist schwer, ein ,Paradiso‘ zu schreiben, wenn alle äußeren Anzeichen auf eine Apokalypse verweisen.“ Donald Hall: „Sind Sie mehr oder minder festgefahren?“ Pound: „Wenn Sie wollen, so bin ich festgefahren. Die eigentliche Frage ist aber, ob ich tot bin, wie es manche gerne möchten.“
Dieses Interview war im Rom zustande gekommen, nachdem Pound und Dorothy das Apartment in Rapallo aufgegeben hatten und wieder in der Brunnenburg eingezogen waren. Im Januar I959 war Pound, von innerer Unruhe getrieben, nach Rom gefahren, wo er bei Freunden wohnte. Hier übergab er dem Interviewer, Donald Hall, das Manuskript seiner letzten Cantos 110–117, der zwei davon, zusammen mit dem Interview, in der Paris Review (März 1960) abdruckte. Es sind die letzten Cantos, die Pound in seinem Leben geschrieben hat.
Wieder auf der Brunnenburg, erlitt Pound im selben Sommer eine psychische Krise und verweigerte alle Nahrung. Seine Tochter brachte ihn in der Klinik Martinsbrunn unterhalb der Brunnenburg unter, wo er künstlich ernährt wurde, bis er sich, nach vielen Monaten, einigermaßen erholt hatte. Im Mai I961, wieder in Rom, erlitt er einen schweren psychischen Zusammenbruch und wurde von seiner Tochter und Olga Rudge nach Martinsbrunn zurückgebracht. Gegen Ende des Jahres holte Olga Rudge den alten Dichter, der nur noch ein Schatten seiner selbst war, endlich zurück nach Sant’Ambrogio. Von nun an lebte er, heldenmütig von Olga Rudge betreut, teils dort, teils in seiner Schicksalsstadt Venedig. Immer noch kam „die Welt“ zu ihm, starrte ihn an, filmte ihn, schrieb Artikel über die gelegentlichen Interviews“, zu denen er sich widerwillig hergab, Olga Rudge führte ihn der Öffentlichkeit vor: Er tauchte als Gespenst auf bei Menottis Festival Zweier Welten in Spoleto, in Paris anläßlich des Erscheinens eines zweibändigen französischen Symposions über seine Werke, in Westminster Abbey anläßlich der Totenmesse für T.S. Eliot, sogar in den Vereinigten Staaten, um das im Nachlaß von John Quinn wiedergefundene Manuskript des Waste Land mit seinen eigenen Korrekturen zu besichtigen – scheinbar willenlos nahm er an all dem teil, verkapselt in ein beinah totales Schweigen, das allen Betroffenen in den Ohren brüllte. So existierte er nach seiner Entlassung aus der Anstalt noch dreizehn lange Jahre, bis er am 1. November I972, zwei Tage nach seinem 87. Geburtstag, den Tod in Venedig fand. Bestattet liegt er auf der Friedhofsinsel San Michele mit ihren Grabstätten für die Andersgläubigen Protestanten und Orthodoxe.
Zum besseren Verständnis dieses traurigen Endes haben wir nur die letzten Canto-Entwürfe und Fragmente, in denen sich tatsächlich noch einmal eine neuerliche Sinneswandlung anbahnt und das Ersterben dieses Neuansatzes registriert wird. Gleich zu Anfang dieser Texte stellt sich Pound metaphorisch als Selbstmörder vor, verschlüsselt in den Anspielungen auf den Doppelselbstmord der Liebenden, wie er bei dem tibeto-burmesischen Naturvolk der Na-Khi in der chinesischen Provinz Li-chiang üblich ist, wenn einer der Liebenden zu einer nach chinesischer Art vereinbarten Ehe mit einem von den Eltern erkorenen Partner gezwungen werden soll. Offenbar steht dies Motiv in einem Zusammenhang mit dem anderen, dem dichterischen Suizid seines späteren Verstummens. Pounds Altersliebe Marcella wird in diesen Texten nicht sosehr als Individuum vorgestellt wie als Verkörperung des Lebens selbst. Die Heftigkeit der späten Leidenschaft ist wohl nur aus dem Lebenswillen zu erklären, der in allen Geschöpfen steckt. Jedenfalls konzentriert sich in Marcella Pounds letzter Lebenswille, in ihr sieht er „Artemis“, die Göttin der nicht-domestizierten Natur und alle Kräfte der Erneuerung, die einer lebensfeindlichen Zivilisation entgegenstehen.
Mit der Auflehnung gegen die bürgerliche Konvention der Ehe und Familie flackerte auch Pounds erster rebellischer Impuls wieder auf, doch nun in einer neuen, anarchistischen Konsequenz: der Ablehnung der Zivilisation schlechthin. Denn Artemis steht für eine andere Ordnung, in der die vorgeschriebenen Dichotomien zwischen „dem“ Männlichen und „dem“ Weiblichen keine Geltung haben. Der Besitzanspruch auf Familienangehörige, den er am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte, führt Pound zum allgemeineren Thema des Privateigentums, das er bislang, auch aus Gründen, die mit seiner Ehe zusammenhingen, immer verteidigt hatte, An dieser Stelle münden Pounds Äußerungen über die Familie und die Ehe ganz selbstverständlich in seine lebenslange Kritik an den ökonomischen Verhältnissen unserer Industriezeit, und zwar geschieht das über seine Erinnerungen an John Humphrey Noyes, den „Mann aus Oneida“, der für eine alternative amerikanische Tradition, die der Sozialutopie, steht. Noyes lehrte, daß das Verhältnis zwischen Mann und Frau das erste soziale Verhältnis überhaupt sei und aus diesem Grunde auch die eigentliche Wurzel aller anderen sozialen Verhältnisse in unserer Zivilisation, insbesondere der Eigentumsverhältnisse:

Das Sündensystem, das Ehesystem, das Arbeitssystem hängen zusammen, sie müssen alle miteinander abgeschafft werden.

Das menschliche Herz, sagt Noyes, sei fähig, unzählige Male und unzählige Menschen zu lieben:

Dies ist das Gesetz der Natur, das zwar durch allgemeinen Konsens dem Blick entschwand und verurteilt ward, das aber insgeheim allen bewußt ist.

Um das erste soziale Verhältnis neu zu bestimmen, führte Noyes in seiner sehr erfolgreichen Kommune die Polygamie und die Polyandrie ein in einer Form, die er „complex marriage“ nannte, eine Form, die jeden Besitzanspruch an den anderen Menschen, ob Mann, Frau oder Kind, ausschließen sollte. Gleich zu Anfang der allerletzten Cantos erklärt sich Pound im Sinne von Noyes:

Ich bin unbedingt für Verkehr ohne Tyrannei (Canto CX)

(wobei er selber das deutsche Wort „Verkehr“ verwendet). Konfuzius, der Garant der patriarchalischen Ehe, kommt hier erstaunlicherweise nicht mehr vor, Pound greift nur noch auf die mythische Vorgeschichte Chinas und auf die mythische Frühzeit der Menschheit zurück.
Die Bewußtseinslage der göttlichen Heiterkeit, Voraussetzung für die Entstehung des Paradiso-Teils der Cantos, kann, wie er nun sieht, nicht über die verbrauchten Werte einer Kultur erlangt werden, in der die anderen Menschen die Hölle sind. Nur eine Versöhnung mit der Natur – und das meint auch mit der menschlichen Natur – kann jetzt noch weiterhelfen. Das Scheitern seines Lebensgedichts führt Pound auf einen Mangel an „charity“ (Nächstenliebe, mitmenschliche Solidarität, Freigebigkeit) zurück. Und nun resigniert er auch hinsichtlich der gesellschaftlichen und allesheilenden Funktion der Dichtung, an die er ein Leben lang geglaubt hatte, mit den Worten Senecas: „litterae nihil sanantes“ (lat.: „Literatur behebt kein Übel“). Die großen Gesetzgeber haben „einen Wust von Gesetzen“ geschaffen, die Last des kulturellen Erbes erdrückt „unberatene Jugend“.
Immer wieder stellt er sich die Frage, wie er, dem der Sinn „nach Richtigkeit stand“, soweit fehlgehen konnte und wieso aus dem, was anfänglich Liebe war, soviel Haß entstanden ist. Fast stammelnd kommt er auf die Motivation zurück:

Menschen zu sein, nicht Verheerer.

Die Situation, auf die ein so humaner Vorsatz in unserer Gesellschaft trifft, beschreibt R.D. Laing: „Innerhalb der letzten fünfzig Jahre haben wir Menschen durch unsere eigenen Hände nahezu einhundert Millionen unserer eigenen Gattung abgeschlachtet. Wir alle leben derzeit unter der permanenten Drohung unserer völligen Auslöschung. Es scheint, als ob wir Tod und Zerstörung in demselben Maße erstreben wie Leben und Glück. Wir werden genauso zum Töten und Getötet-Werden getrieben wie zum Leben und Leben-Lassen. Nur durch die unsäglichste Vergewaltigung unserer selbst haben wir es erreicht, in relativer Anpassung an eine Zivilisation zu leben, die anscheinend auf ihre Selbstvernichtung zutreibt.“ Pound, der nach der Höhe seiner Intelligenz und der ursprünglichen Stärke seiner Menschenliebe berufen gewesen wäre, ein Lehrer und Befreier der Menschen zu werden, hat sich über einige Strecken seines Lebens zu ihren Kerkermeistern gesellt. Er, dessen Einsatz für die jungen, die mittellosen, die verkannten Künstler Literaturgeschichte gemacht hat, hatte aber doch nach seiner eigenen Natur nichts von der grenzenlosen Eigensucht und Lieblosigkeit für das menschliche Gegenüber, das andere auf viel direkterem Weg zum Faschismus führte.
Er hatte früh einsehen müssen, daß seine Gabe der mitmenschlichen Einfühlung in unbedingtem Gegensatz zu der harten leistungsprogrammierten Gesellschaft des Industriezeitalters stand. Doch unter dem Einfluß der ganz anders gearteten Freunde, die sich von den „weichlichen“ humanistischen Werten in der Philosophie und Politik abkehrten, begann er seine guten Eigenschaften zu verleugnen und die „liberalen“ und „semitischen“ Schwachherzigkeiten auch in sich selber zu verachten – womit er sich übrigens durchaus auf der Höhe des „gesunden Menschenverstandes“ von heute befand. Sein eigentliches Lebensprogramm – stellvertretend die menschliche Sensibilität (das Leiden an der eigenen Zeit?) zu artikulieren – wurde aber damit auf recht schizoide Weise in den Bereich der Debilität verwiesen.
Es sei die Funktion des Künstlers, hatte Pound gesagt, „Wahrnehmungsorgan der Gattung“ zu sein und das Dasein als Versuchsperson für alle bis in die Extreme zu erkunden. Dichter seien hochsensible Registriergeräte, die vorzeitig „auf Dinge, die zugegen, doch unbemerkt sind“ ansprechen. In dieser seismographischen Funktion ist Pounds Dichtung freilich als eine zeitgerechte höhere Pathologie zu lesen: seine subjektive Neurose als das Korrelat der objektiven Neurose der Industriegesellschaft und der westlichen Vernunft. Pounds Leben und Werk entspricht Binswangers Beschreibung des schizophrenen Daseins als dem Versuch des Menschen „in einer unlebbaren Situation dennoch zu überleben“.

Eva Hesse, aus dem Nachwort Ezra Loomis Pound. Kontakte und Leben.

„Ein Organ, das verlorenging?“

Ezra Pound feiert den achtzigsten Geburtstag. Es wird ein Anlaß sein für manches überschwengliche Lob und für vieles, das zur Feier des Tages taktvoll verschwiegen wird, woran der Dichter aber nichtsdestoweniger bereits gestorben ist. Denn auf den Namen Pound haben sich alle Vorwürfe vereinigt, die – in verschiedenen Abstufungen – einer ganzen Reihe von großen Dichtern unsrer Zeit zustünden. Das liegt nicht nur daran, daß er der einzig Überlebende (wenn man es so nennen kann) aus ihren Reihen ist, sondern auch an seinem besonderen Schicksal. Dennoch sollte man nicht übersehen, daß die eigentliche Biographie eines Dichters stets sein Werk ist, in das seine beste Lebenskraft einging. Das gilt, wie hier gezeigt werden soll, in verstärktem Maße für die umstrittenen Cantos. Alles andere, die persönlichen und politischen Verstrickungen, werden mit der Zeit vom Namen Pounds abfallen. Wieviele können heute auf Anhieb sagen, ob Dante sich zu den Guelfen oder zu den Ghibellinen bekannte? Und doch hat das politische Engagement dieses großen Hassers sein Leben aus der Bahn geworfen. Damit soll nicht gesagt sein, daß Pound in die weltliterarische Größenordnung Dantes gehört. Erst aus der Zeitflucht kann sich ja den später geborenen Generationen zeigen, ob er einer der „ganz Großen“ war, oder ob er als Wegbereiter einer Zukunft, die nicht anbrach, in der menschlichen Entwicklung nur „ein Organ das verloren ging“ verkörperte, nämlich das Organ des Dichters und Sehers.
Uns gestattet der Meilenstein des Jahres 1965 erst einen Fluchtpunkt auszumachen. Wir bemerken, daß die drei Dichter der englischen Zunge, die die erste Hälfte des Jahrhunderts beherrscht haben: William Butler Yeats, für den das Jahr 1965 den hundertsten Geburtstag bezeichnet, Thomas Stearns Eliot, für den es das Todesjahr wurde, Ezra Pound, dem es den achtzigsten Geburtstag bringt, jeder für sich eine wilde Ehe mit der Idee der menschlichen Ordnung geführt haben: ein Verhältnis, das sie an den Rand dessen brachte, was wir – mit dem Fürwitz derer, die das Ende des Buches schon gelesen haben – gern als politische Verirrung bezeichnen. Es handelt sich bei diesen drei Dichtern der politischen Rechten, wie wir zeigen wollen, um eine tragische Liaison, bei der sowohl rationale wie irrationale Elemente eine Rolle spielten.
„Immer rächt sich die Wirklichkeit für jene Unbestimmtheit der Empfindung und des Urteils, hinter der sich ungelöste Widersprüche der Haltung verbergen,“ schreibt Erich Franzen, der Rationalist, über Eliot und Pound. Er hätte es mit dem gleichen Recht über Yeats schreiben können, der noch stärker als Eliot antidemokratischen Vorstellungen von der Herrschaft einer Elite anhing, und der sich zeitweilig noch stärker als Pound für eine faschistische Partei engagierte. In der Tat bringt das Dasein des Dichters in der heutigen wissenschaftlich orientierten Welt einige Widersprüche der Haltung mit, die unlösbar sein dürften.
Wenn der Dichter früheren Zeiten als der vates, der berufene Seher und Künder der Wahrheit galt, so erfüllt heute im allgemeinen Bewußtsein der Wissenschaftler, vor allem der Physiker, der Mathematiker und der Statistiker diese Funktion. Das ist eine Entwicklung, die schon mit Descartes einsetzte, der als erster die Zulänglichkeit der Sprache bestritt, um die Mathematik an ihre Stelle zu setzen und die mit Wittgensteins Tractatus ihren vorläufigen Abschluß fand. Wir können durch die Jahrhunderte seit Descartes, zusammen mit dem großen Siegeszug der Prosa, sehr gut den ständig wachsenden Minderwertigkeitskomplex der Dichter gegenüber den exakten Wissenschaften verfolgen. Er zeitigt in unseren Tagen die vielspältigen formalistischen Theorien und Schulen, eine Apologetik nach rein technischen Gesichtspunkten, mit der die älteren Dichter wohl sehr wenig anzufangen gewußt hätten. Weil unsere modernen Dichter uns so wenig zu sagen haben oder sich so wenig zu sagen trauen, werden die angeblichen Mängel der Sprache nun ihrerseits als Milderungsgrund vorgebracht. Wittgenstein wird zum Anwalt der Kommunikationsarmen gemacht. Und es entstehen Gedichte in einem „Wortmaterial“ das sich praktisch auf die Verrichtungen der Arithmetik oder der Grafik beschränkt. Daß dies mit echtem Avantgardismus weniger zu tun hat, als gemeinhin angenommen wird, mögen die Worte des Avantgardisten Antonin Artaud bezeugen: „Es gibt in unserer Zeit etwas Teuflisches,“ sagte er, „daß wir mit Formen tändeln, statt als Opfer auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen und durch das Feuer unsre Flammenschrift sprechen zu lassen“. Kein Formalismus aber kann darüber hinwegtäuschen, daß der Dichter nach seinem inneren Gesetz immer noch der vates ist, dem die Deutung des Lebens aufgegeben wurde; wer die Berufung nicht annimmt, verzettelt seine Kraft in der kleinen Form des Gelegenheitsgedichtes und wird höchstens einer der vielen – formal hervorragenden – „Kleinmeister“, die unsere literarische Szene beherrschen. Die Gefahr der Ungewißheit, des großen Scheiterns aber ist für solche Autoren weitgehend ausgeschaltet. Sie werden der allgemeinen Verachtung nie anheimfallen. Das dichterische Großformat jedoch (nicht der räumliche Umfang ist hier gemeint) wurde noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts gewagt: so von Yeats, dessen Gedichtbände, wie Hugh Kenner gezeigt hat, sich nach gleichsam architektonischen Prinzipien zu Einheiten fügen, so von Eliot in seinen Zyklen, so von Pound in seinen Cantos.
Seltsamerweise nun decken sich die Ordnungen, die in diesen großen Gedichten zutage kommen, in keinem Falle restlos mit den zum Teil sehr ausführlichen Gedankenkonstruktionen, welche die Verfasser andernorts in ihren mystischen, philosophischen, kulturkritischen und politischen Darlegungen verfestigten. Das Fazit der Prosa stimmt bei genauerem Hinsehen nicht zur Dichtung, so ungelegen diese Erkenntnis dem heutigen Schablonendenken sein mag. Wie erklärt sich das?
„Der Mensch kann“, wie Yeats in einem seiner späten Briefe schrieb, „die Wahrheit leben, aber nicht wissen.“ Die Wahrheit, die der Dichter zum Ausdruck bringen will, hätte demnach andere Dimensionen als die Wahrheit des exakten Wissenschaftlers. Sie wäre so etwas wie der werdende Sinn des Lebens, jedenfalls aber etwas, das dem Bewußtsein nur partiell erschlossen sein kann.
Wir übersehen allzuleicht, daß es sich bei der Prosa und bei der Dichtung, trotz aller modernen Zwitterformen, um zwei grundverschiedene Disziplinen handelt. Wenn wir uns das veranschaulichen wollen, dann wäre die Prosa am ehesten der Malkunst verwandt, denn sie ist zweidimensional und geht linear voran; ihre Wörter wollen zu ihrem Nennwert genommen werden und sprechen vorwiegend die bewußten Schichten des Lesers an. Dagegen wäre die Dichtung eher der Kunst des Bildhauers vergleichbar, denn sie ist dreidimensional und hat so viele Flächen, wie es Blickpunkte auf sie gibt; ihre Wörter haben einen Latenzwert, der erst aus den indirekten Mitteln des Klanges, des Bildes, der Wortassoziation ersteht (Dinge, die den Kritiker der Sprache verdrießen müssen) und sie reißt diverse Schichten der menschlichen Psyche, Bewußtsein, Vorbewußtsein, Unterbewußtsein, zugleich an. Der Vergleich läßt sich noch weiterführen, denn obwohl die Kunst des Bildhauers den gestaltenden Anfängen des Menschen viel näher steht als die Kunst des Malers, reagieren die Menschen unserer Tage unmittelbarer auf malerische als auf plastische Reize. Es ist ja eine allgemeine Klage der Bildhauer, daß ihre Werke heute eher nach den malerischen Aspekten der Flächentextur beurteilt werden, als nach ihrer räumlichen Gesamtkonzeption. Auch der Dichter besitzt diesen Willen zur allseitigen, simultanen Erfassung seines Gegenstandes:

wie der Bildhauer die Form in der Luft sieht
aaaaaeh er Hand an den Mailstock legt,
wie er das mitten inne sieht, das querüber,
aaaaaaaaaaaaaaaaalle vier Seiten −
anders dem Maler: das eine Gesicht

(„Canto XXV“)

Es kann ihm nicht genügen, sein Denken logisch, d.h. linear und gemäß den rationalen Satzungen der Prosa auszuziehen, denn er will, wie Pound schreibt, etwas mitteilen, das nicht ganz so kahl und indifferent ist wie eine Idee: „Man möchte eine Idee übermitteln und deren Modifikationen, eine Idee mit einer Reihe ihrer Folgen, Stimmungen, Widersprüche… Man möchte eine Idee mit ihren gefühlsmäßigen Verkettungen mitteilen, oder ein Gefühl mit seinen ideenmäßigen Verkettungen, oder eine Sinnesempfindung mit den daraus abgeleiteten Gefühlen, oder einen Eindruck der gefühlsbedingt ist“. Wir sehen, daß das, was den Dichter ausmacht, eine gewisse Unersättlichkeit des Erlebens und des Ausdrucks ist: seine objektive Vorstellung soll sich in der Sprache niederschlagen, aber zugleich auch der subjektive Werdegang dieser Vorstellung und alle mitlaufenden psychischen Faktoren. In der Folge erhalten wir eine „Aussage“, an der das unbewußte Wurzelwerk noch recht zottelig herumhängt. Genau das war es, was Descartes der Sprache vorwarf. Dennoch geht es nicht an, solchen poetischen Sprachgebrauch schlankweg als ungenau und wissenschaftlich unhaltbar zu bezeichnen. Denn die Möglichkeiten der Sprache sind ja, als die eigentliche Substanz der Denkfähigkeit, selber eine Wissenschaft – die Wissenschaft von der menschlichen Welterfahrung. Pound vergleicht sie in einem frühen Aufsatz, dem Zug der Zeit folgend, mit der analytischen Geometrie, meint aber, die Kunst sei „in dem Maße interessanter, in dem das Leben und das menschliche Bewußtsein komplexer und interessanter als Formell und Zahlen sind.“
Es versteht sich jedoch fast von selbst, daß Sprache und Dichtung, wenn man sie solcherart als Geschichte und Wissenschaft von der menschlichen Seele auffaßt, nicht in das mathematische, sondern in das naturwissenschaftliche Fach schlagen. Pounds Cantos erweisen in dieser Hinsicht eine verblüffende Konsequenz: denn sie stellen sich nicht in die Tradition, die von Descartes herleitet, sondern in die Tradition der Empiriker Locke und Hume; sie bedienen sich nicht der logischen, sondern der assoziativen Fügung; sie sind pragmatisch eher als spekulativ ausgerichtet; sie gehen induktiv vor, da sie stets von den Einzeltatsachen zum Allgemeinen gelangen, wobei die Einzelheiten aus dem persönlichen Erfahrungsbereich Pounds stammen (zu dem auch die gelesenen Bücher gehören), aus dem sie eine subjektive Gewähr erhalten, sich aber zu objektiven Einsichten voranarbeiten.
Vielleicht erklärt sich hieraus, warum der Faschismus, dem Pound sich doch angeblich mit Haut und Haar verschrieben hatte, in den Cantos eigentlich gar nicht zu Wort kommt – zumindest nicht der Faschismus in dem engeren Sinne dessen, was Mussolini oder Hitler darunter verstanden. Man wird das Gefühl nicht los, daß Pound, der zeitlebens von Stellenwert zu Stellenwert vorging und den auf längere Sicht keine Doktrin zu halten vermochte, seine faschistischen Sympathien schließlich ebenso wie die anderen Phasen seines wirtschaftlichen Denkens abgestreift hätte, wenn er nicht von seiner Mitwelt so entschieden darauf festgenagelt worden wäre. Es ist immerhin bemerkenswert, daß er auch in seiner Prosa an keiner Stelle eine faschistische Lösung für irgendeine andere Nation als Italien befürwortet hat. Aber die Ordnung, die in den Cantos offenbar werden sollte, mußte gefunden, nicht erfunden werden, wenn sie überhaupt Gültigkeit haben sollte. Sie mußte sich als etwas im menschlichen Dasein latent Vorhandenes zeigen. Es mußte eine gewordene Ordnung sein.
Die Schwierigkeit, in den Cantos endgültige Antworten zu finden, liegt also zum Teil in der Absicht des Dichters, der sein „Epos“ als Logbuch einer Fahrt in unbekannte Gewässer konzipiert hat. Die einzelnen Eintragungen der subjektiven geistigen und geographischen Ortungen können und dürfen sich nicht einer vorweggenommenen conclusio unterordnen. Wie der Biologe hunderte von einzelnen Abstrichen vornimmt um zu einem allgemeinen Satz zu gelangen, so vertraut Pound darauf, daß sich aus den zusammengetragenen Besonderheiten allmählich eine Struktur, eine verbindliche Ordnung der Wirklichkeit abzeichnen werde. Oder auch nicht. Der Geist, der Angst hat, in die Irre zu gehen, wird ja schwerlich ein solches Experiment wagen, dessen Ausgang lebenslang in Frage gestellt bleiben muß. Pound selber hat gelegentlich abschätzig von denen gesprochen, die „zu schwach sind, mit einer Ungewissheit zu leben“. Die Möglichkeit des Scheiterns ist bis zuletzt gegeben. Jede vorgegebene Lösung wäre eine Sünde wider den naturwissenschaftlichen Geist des Versuchs.
Die alte Fehde zwischen Deduktion und Empirie spiegelt überdies jene Antinomie des Schöpferischen, deren Ausmaße wohl nirgends in der Literaturgeschichte so deutlich werden, wie am Werk und Wirken Pounds. Es handelt sich um die grundverschiedene Einstellung zu den Dingen, die Erfinder und Entdecker bekunden. Pound ist der eingefleischte Entdecker, dem alles, was „ex nihil“ geschaffen wurde, zutiefst suspekt sein muß und dessen Anspruch an den eigenen Genius in der Forderung „to make it new“ gipfelt – also heraufzuholen und auf den Zeitstand zu bringen, was an Sinn oder Struktur im Diesseitigen vorhanden bzw. auszumachen ist. Hierin liegt der Grund für seine unentwegte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und ihrer künstlerischen, religiösen, philosophischen und geschichtlichen Dokumentation. Dies ist es, was ihn zum „Traditionalisten“ macht – nicht wie Eliot zum (theoretischen) „Reaktionär“ – da der Nachdruck stets auf einer freisinnigen Neu-Gestaltung liegt, nicht aber auf der Übernahme von überholten Institutionen oder Ansichten. Dieser Anti-Dogmatismus, ein Grundelement seines Schaffens, ließ ihn denn auch nie bei irgendeiner etablierten Lehre heimisch werden, und die Art und Weise, wie er etwa den Neoplatonismus und den Konfuzianismus umgedeutet und umgewertet hat, gehört zu den faszinierenden und bisher noch kaum erhellten Aspekten seines Werkes.
Die Bewegung, mit der Pound sich der Vergangenheit zu bemächtigen sucht, ist extensiv insofern sie eine Überwältigende Zahl von heterogenen Einzeltatsachen in das Gesichtsfeld bringt und intensiv insofern sie die Vergangenheit auf einen zeitlosen Kern zu reduzieren sucht. In dem letzteren Bestreben folgt er einer allgemeinen Neigung der Kunst in der ersten Jahrhunderthälfte, die sich – in vielleicht unabsichtlicher Analogie zu den neugewonnenen physikalischen Erkenntnissen – vollzog: die Zeit als eine Dimension des Raumes und umgekehrt den Raum als eine Dimension der Zeit zu interpretieren. In der bildenden Kunst, vor allem bei Picasso und den Kubisten, äußert sich das in dem Versuch, die Gesetze der Perspektive zu ent-lernen. Bei den drei Dichtern, von denen hier die Rede ist, finden wir parallel dazu ein Bemühen, die historische, zeitliche Perspektive auszuschalten und ihre Fluchtpunkte nebeneinander zu stellen. So sieht Eliot die großen Werke der verstorbenen Dichter als eine „simultane Ordnung“, während Pound der Ansicht ist, daß „alle Zeitalter gegenwärtig“ und daß „viele Tote Zeitgenossen unserer Enkel“ sind. Wir kommen an diesem Punkt vielleicht dem irrationalen Wirbel am nächsten, aus dem sich das Schaffen dieser Dichter speiste, die nach einer organischen, das heißt einer gewordenen, Ordnung in der Zeitlichkeit trachteten, und die ihr Werk zugleich unter das Gesetz des „Entwerdens“ (wie E.E. Cummings es nennt) stellten, um zu einer zeitlosen Schicht vorzustoßen. Es ist, wie man es auch betrachtet, ein wahrhaft unlösbarer Widerspruch, da sich die Dichter hierin sowohl auf der Höhe des Zeitgeistes, wie im eigentlichen Wortsinn als anachronistisch erweisen.
Die Tendenz zum Entdenken des Zeithaften begegnet sich mit dem Anspruch der allseitigen, simultanen Erfassung, in dem wir bereits eine Triebfeder des dichterischen Schaffens erkannten. Um des Lebensganzen in seiner Vielstufigkeit habhaft zu werden, ist es nämlich notwendig, von der Ebene des bloß Bewußten und Rationalen abzugehen – nicht aber, sie zu verneinen. Denn das Entwerden, das Yeats, Pound, Eliot im Sinn haben, bedeutet nicht die absolute Lossage vom Zeitlauf, sondern nur seine Rückführung zu der Lage, wo das Werden und das Bewußtwerden ansetzen. So finden wir bei Yeats die beherrschende Vorstellung einer unity of being (Seins-Einheit), die sich in die zahlreichen dichterischen Motive des entrückten Augenblicks umsetzt, worin „der Tänzer und der Tanz“ unteilbar sind. Bei Eliot haben wir die Vorstellung der dissociation of sensibility der neuzeitlichen Zerfällung der geistigen, emotionalen und sinnlichen Erlebniskraft, die es auszuheilen gilt, und das Motiv des verbum infans, des Wortes an der Bewußtseinsschwelle. Bei Pound vollends gerät man in Versuchung, die bekannte Bibelstelle abzuwandeln zu: „im Anfang war das Bild“, denn sein Bestreben geht schon sehr früh darauf aus, zu jener Bildschicht der Seele zu gelangen, in der die Worte erst als Ahnungen, als semina motuum, existieren. Die bildhafte Vorstellung, das image, definiert er demzufolge als „das Wort jenseits des Formulierten“, jenes Stadium also, in dem das Wort noch einen ungeteilten intellektuellen und emotionalen Komplex darstellt. Das einzelne poetische image sollte sich zu dem zusammenschließenden Prinzip des „Bildnenners“ oder des Pound’schen Ideogramms auswachsen, wobei es unerheblich bleibt, daß seine Auffassung des Ideogramms mit der chinesischen nicht identisch ist, da es ihm als Medium diente, um zu jener vorbewußten Bildschicht zu gelangen, in der die Einzeltatsachen seines weitläufigen Gedichtes einen Zusammenhalt haben sollen. Mit dem Ideogramm gerät der Dichter jedoch über die Grenzen seiner Sprachtheorie hinaus und gelangt zu den unterschwelligen Denkstrukturen, die das menschliche Zusammenleben steuern, ob man sie nun die „Archetypen“ nennt wie C.G. Jung, oder die „forma“ wie Pound, oder die „paideumatische Gestalt“ der Kultur wie Frobenius. Aus dieser zeitlosen, entwordenen Schicht suchen die Cantos eine Ordnung heraufzuholen, die mit den Beständen der zeithaften, historischen, faktischen Schicht des Gedichts kongruent sein wird. Pounds lebenslange Zuversicht, daß die extensive Bewegung seines Hauptwerkes in seine intensive Bewegung einmünden werde, so daß die rationalen Elemente seines Denkens mit den irrationalen seines Fühlens übereingehen würden, offenbart das Ausmaß der existenziellen Tragödie, die sich hier abspielt: es ist die Zuversicht, daß das Dasein, unabhängig von allen von vornherein auferlegten Deutungen der Philosophie, Religion oder Staatskunst, einen Sinn offenbaren müsse, die – wenn man den heutigen Äußerungen des Dichters über sein Werk Glauben schenken will – hier zunichte geworden ist.
Jedoch haben wir allen Grund, Dichtern zu mißtrauen, die sich „über“ irgendetwas äußern, und sei es das eigene Werk. Wenn wir nämlich ernst nehmen wollten, was sie in ihrer Prosa zu den Problemen der Zeit niederlegten, müßten wir uns ob unseres Interesses an ihnen schon des gelinden Schwachsinns zeihen. Wir haben die Wahl: W.B. Yeats bietet uns als Weltanschauung ein minutiös ausgeklügeltes theosophisch-symbolisches Gebäude und auf politischem Gebiet die Hingezogenheit zur autoritären Staatsform und zu den starken Männern, ja die Worte „Gewalt“, „Haß“, „Fanatismus“ erhalten am Ende in seinem Werk geradezu leitmotivisches Gewicht. (Wir erinnern beispielsweise an die Begrüßung von „force, marching men“ – „Gewalt, Marschkolonnen“ – in seinem politischen Testament, On the Boiler, 1939). T.S. Eliot dagegen stellt uns die Rückkehr zur geistigen Selbstbeschneidung der Scholastik in Aussicht und als politische Lösung die absolute Herrschaft von Monarchie und Kirche. Ezra Pound möchte Ovids Metamorphoseon an die Stelle des Alten Testaments setzen, den griechischen Göttern neue Statuen und Altäre errichten und zudem unsere staatlichen Satzungen an den Schriften der Väter der amerikanischen Republik, unsere gesellschaftlichen Lebensformen an dem Geist des Konfuzius orientieren!
Freilich eine derartige Zusammenfassung des Denkens von Yeats, Eliot, Pound gerät einem unter der Hand zur Karikatur und gibt, da sie vieles ausläßt, ein etwas verzeichnetes Bild. Es versteht sich, daß alle drei ihre Ansichten mit den subtilsten und bestechendsten Argumenten untermauern, die ihrer überragenden Intelligenz zur Verfügung stehen. Dennoch ist dies in etwa der Weisheit Schluß, der aus ihren Prosa-Äußerungen, und das heißt aus ihren bewußten, rationalen Bemühungen um eine menschliche und philosophische Ordnung, erkennbar wird.
Wir kommen somit notgedrungen zu der Folgerung, daß, wenn uns ihre Dichtung etwas bedeutet, wenn sie noch kommenden Generationen etwas bedeuten wird, dies nicht an den fertigen Antworten, sondern nur an den Fragen liegen kann, die darin offen geblieben sind. Es ist das einbezogene Element der Ungewißheit, das zur dreidimensionalen Erfahrung gehört, was ihren Werken die stupende dichterische Nachhaltigkeit gibt – die Hauptmasse des Eisbergs, die dem Blick entzogen, unter Wasser mitgeführt wird, nicht das Achtel an der Oberfläche. Am deutlichsten wird dies vielleicht beim Waste Land, dessen dichterische Potenz die späteren religiösen Zyklen Eliots genau in dem Maße übersteigt, wie er sich hier noch nicht in die Sicherheit der Antworten geflüchtet hat – obwohl auch diese Antworten bei näherem Hinsehen mehr Ungewißheiten enthalten, als gemeinhin angenommen wird.
Wir stehen vor dem Paradoxon, daß die „Dichter der Ordnung“ Anspruch auf unser bleibendes Interesse haben, nur weil das Chaos an ihren Werken Teil hat; daß ihre „rationalen“ Lösungen für uns nur gesühnt werden können durch das, was an ihrem Werk irrational blieb. Ihr Schicksal ist die Spiegelverkehrung des Loses, das den Mathematiker und Physiker in unseren Tagen trifft, dessen bewußte und spezialisierten Errungenschaften eine ungeahnte irrationale Kettenreaktion in Staat und Politik ausgelöst haben.
Aber die Tatsache, daß die Dichter uns mehr sagen können, als in ihrer bewußten Absicht lag, ist ihre Rettung. Eben dies ist ja die Besonderheit des dichterischen Organs, von dem Robinson Jeffers schrieb: „Die Aufgabe des Dichters ist es, auf einmal eine ganze Welt zu fassen: das Physikalische und das Sinnliche, das Begriffliche, das Geistige und das Imaginäre… So wird sie zu einem Medium des Entdeckens, indem sie zugleich ein Medium des Ausdrucks ist.“

Eva Hesse, Akzente. Zeitschrift für Dichtung, Heft 5, Oktober 1965

Kristalle und Schutt

− Nachgedanken zu Ezra Pound. −

Der Dichter Basil Bunting, einer der vielen, der durch Pound wurde, was er im Innersten war, schrieb zum achtzigsten Geburtstag des miglior fabbro ein Gedicht, das er „Auf dasVorsatzblatt von Pounds Cantos“ nannte:

There are the Alps. What is there to say about them?
They dont make sense. Fatal glaciers, crags, cranks climb,
jumbled boulder and weed, pasture and boulder, scree,
et l’on entend, maybe, le refrain joyeux et leger.
Who knows what the ice will have scraped on therock it is smoothing?

There they are; you will have to go a long way round
if you want to avoid them.
It takes some getting used to. There are the Alps,
fools! Sit down and wait for them to crumble!

Das sind die Alpen.Was soll man dazu sagen?
Sie machen keinen Sinn. Tödliche Gletscher, Klippen Schlüfte türmen,
Steinbrocken und Unterholz in eins, Auen und Stein, Geröll
et l’on entend, vielleicht, le refrain joyeux et leger.
Wer weiß was das Eis auf den Fels schreibt wenn es ihn glattschleift?

Das sind sie; ihr werdet lange Umwege machen müssen,
wenn ihr um sie herumkommen wollt.
Sich auf sie einzulassen ist schwer. Das sind die Alpen,
Toren! Setzt euch hin und wartet, bis sie einstürzen.

Treffender läßt sich das Gebirge Pound – als ein Gebirge sah übrigens Herder einst Shakespeare – kaum charakterisieren. Das Massiv. Die gigantische Unübersehbarkeit. Die Ausblicke, aber auch die Abgründe. Das Konglomerat aus verschiedensten Zeitaltern, aus Urgestein, Gewachsenem und bloß flüchtig Angewehtem. Kristalle und Schutt. Aus mancher Via Mala führt kein Weg mehr hinaus, es sei denn ein Schritt ins Leere. Und viele Linien, die in die Fläche geritzt sind, wollen sich nicht lesen lassen, weil ihre Schrift aus einer anderen Welt stammt. Was da ist, will nicht bewundert werden, sondern benutzt, begangen. Aber auch das wollen wir uns aus Buntings Gedicht merken: daß, wer drumherum kommen will, weite Wege wird gehen müssen.
Ezra Pound wurde vor einhundert Jahren in Idaho geboren, einem der Rocky-Mountain-Staaten, in dem es Wüsten und Prärien gibt, alle Gesteinsformen der Erdgeschichte, Gold, und Holz, viel Holz, aus dem sich etwas machen läßt, zum Beispiel Bahnschwellen für die Pazifische Eisenbahn. Aber Pound wuchs hier nicht auf, er kam früh nach Osten, nach Pennsylvanien, in Puritanerland, Land der Orthodoxie der Abweichung einerseits, der Eleganz und des Glanzes der Europafixiertheit, gerade einer Stadt wie Philadelphia, andererseits. Beides ist Pound. Er hat den Pioniergeist des Wilden Westens, das heißt den Sinn für die praktische Verwirklichbarkeit der Abenteurerei und den Sinn für die Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit dessen, was vor den Füßen liegt, und er hat den eifernden, predigenden Bildungsreichtum des Ostens, das heißt den Sinn für die Verankerung in Tradition, auch für die Schaueffekte dieser Palette. Das erste ohne das zweite wäre der hemdsärmelige, wohlmeinende Naive; das zweite ohne das erste der umso mehr mit seiner Bildung parvenuhaft auftrumpfende Elitäre, wie er sich von deren wahren Quellen durch einen Ozean getrennt weiß. In beiden Verkürzungen tritt Pound allerdings gelegentlich auf. Es entsteht dann das, was man seine ideologische Verbohrtheit genannt hat, die hinterwäldlerische Spinnerei und die bildungsbürgerliche Schmockerei, aber das sind Extreme, die gewissermaßen schizophrene Aufspaltung dessen, was getrennt fatal, das heißt tödlich ist. Doch in der Verbindung wird eine Seite zur Triebkraft der anderen: die Tradition wird nie zum Bildungsgut, zur Bildungsreminiszenz wie so oft bei poetae docti, sondern sie ist da nach Maßgabe ihrer aktuellen Brauchbarkeit, in einer steten und respektlosen Befragung, und umgekehrt ist der spontane, aktionistische Erfahrungszugriff nicht gewissermaßen sich selbst überlassen, kunstlos hingeklotzt nach einer do-it-yourself-Methode Walt Whitmans, sowie er ihn als junger Dichter verstand, sondern er erhält seine Dynamik überhaupt erst aus dem Spannungsverhältnis zu Formen der Tradition. Idaho also und Pennsylvanien. In beiden Staaten gibt es übrigens Tornados, die Winde, die keinen Stein auf dem anderen lassen. An Vergleichbarem fallen mir in Europa nur zwei Namen ein: Rimbaud und Nietzsche. Alles übrige ist sanft und erlesen. Zephyre gegenüber Orkanen.
Pound hat in Philadelphia Literatur studiert, vor allem die romanischen Sprachen, vor allem das Mittelalter, in dem die europäische Lyrik blühte, wie niemals später wieder. Vor dem, was er da las, vor den Troubadours und Trouvers, den Goliarden und Vaganten, Minnesängern und Minstrels, schrumpfte die gesamte spätviktorianische Staatsdichterei zu einer Feierabendbeschäftigung fürs kleinbürgerliche Wohnzimmer zusammen. Was waren sie außerdem für Kerle gewesen, diese Sänger, Vollblutdichter, man denke an den hochgelehrten Villon, der zeitweilig in der Gosse lebte, verglichen mit den späteren Staatspensionären und Zierstücken der Teekränzchen. Was er da also lernte, war etwa dies:

− Dichter sein bedeutet nicht einfach schreiben, sondern ist eine Existenzform.
− Dichter sein bedeutet nicht, sich an der Vätergeneration abzuarbeiten, sie imitierend oder verwerfend, sondern es bedeutet die permanente Durchpflügung des Gesamtbestandes der Literatur nach benutzbaren Vorbildern, denn da Dichten, wie Komponieren, ein erlernbares Metier ist, ist es nötig, sich eine formale Vielfalt anzueignen, um gewissermaßen bereit zu sein, wenn die Inspiration einen überfällt. Eben die formale Vielfalt war es, die im Laufe der Jahrhunderte verlorengegangen war – es gab den Pentameter und zwei-drei Strophenformen −, und eben die Vielfalt des Mittelalters galt es wieder zum Leben zu bringen.
− Dichter sein bedeutet, drittens, nicht, seinen Gefühlen freien oder übers Kreuz gereimten Lauf zu lassen, sondern es bedeutet höchste sprachliche Zucht und Konzentration auf das Wesentliche und Notwendige zur Erzeugung gewissermaßen objektiver Korrelate zur Wirklichkeit. Dichten = Condensare wird es später heißen. Er benutzt das deutsche Wort: Dichten.

Zwei Konsequenzen hat Pound aus seinen Mittelalterstudien gezogen: erstens, er hielt, was er fand, für so wichtig, daß er es nicht für sich behalten wollte. Er igelt sich nicht ein in den elfenbeinernen Turm einer Mittelalteresoterik, was denkbar gewesen wäre, denn die Provenzalen sind ja nicht eben Volkston, und übersetzt waren sie auch nicht, sondern er wird über der Lektüre zum Lehrer und Prediger: er arbeitet an der Erneuerung der Dichtung auf der Grundlage einer veränderten Mittelalterrezeption. Man erinnere sich, als Kontrast, an das etwa gleichzeitige erste futuristische Manifest Marinettis, in dem es heißt, ein brüllendes Automobil sei schöner als die Nymphe von Samothrake. Das Poundsche Konzept ist, weil es so offensichtlich den Zeitgeist verfehlt, vermutlich das kühnere. Pound als Lehrer: das zielt in ganz verschiedene Richtungen. Er will, und hält es durch mit der Zähigkeit des Pioniers, eine literarische Kultur schaffen, keinen zeitgemäßen Ismus. Er wird Buch für Buch schreiben – mit Titeln wie ABC des Lesens, Führer zur Kultur −, um Kriterien vorzuführen, aus denen Maßstäbe abzuleiten wären; übrigens nie abstrakt oder normativ, sondern immer pragmatisch, an Beispielen zeigend statt dozierend. Er will mit diesen Schriften Leser erziehen, also uns alle, nicht nur künftige Dichter. Für diese wird er dann später in anderer Weise als Lehrer tätig sein: sokratisch, indem er aus ihnen herausholt, was in ihnen steckt, sie sich also zu dem entwickeln läßt, was sie selber sind, darum gibt es auch keine Pound-Epigonen, denn jeder schreibt in dem eigenen Ton, den er durch ihn fand; tätig als Lehrer zweitens praktisch, mit dem Rotstift und Schere und Kleister – bekannt ist der Fall Eliot: Pound machte aus einem langen Textkonvolut durch radikale Streichungen und Umstellungen das, was als Waste Land ein Hauptbuch der Moderne wurde; tätig schließlich als Lehrer auch darin, daß er sich um seine Schüler kümmerte: wo sie verlegt, wie sie rezensiert wurden, daß sie etwas zu essen hatten und zum Anziehn. Pound als Lehrer: die Erziehung zum Lesen ist nur ein Anfang. Danach kommt die Erziehung zum richtigen Denken, dann die zur richtigen Lebensführung, zu Politik und Ökonomie. Der Dichter als Führer: auf dieses schillerndste Kapitel müssen wir zurückkommen.
Der Wille zur Bewußtsein- und kulturverändernden Lehre (übrigens auch ein Zug, den er mit Nietzsche gemein hat) ist das eine, was sich aus den frühen Mittelalterstudien direkt herleiten läßt. Das andere ist das Problem der konkreten poetischen Umsetzung. Was heißt und was leistet hier zum Beispiel die Übersetzung? Wir haben in Deutschland den in mancher Hinsicht vergleichbaren Rudolf Borchardt, der die Provenzalen unter strengster Nachbildung ihrer Formen herüberholte und damit wirkungslos blieb. Pound geht ganz anders vor. Nie versucht er, fremde Formen exakt nachzumachen, sondern er sucht immer nach einem eigenen Idiom, das vertraut genug ist, das Fremde einschleusen zu können, und zugleich fremd genug, es in seiner Einzigartigkeit wahrnehmbar werden zu lassen. Im größten Gedicht der Angelsachsen, dem „Seefahrer“, stehen die Zeilen:

Dagas sind gewitene,
ealle onmedlan eorthen rices;
nearon nu cyningas ne caseras
ne goldgiefan, swylce iu waeron.

Die gleiche Stelle heißt in der Fassung Pounds:

Days little durable
And all arrogance of earthen riches,
There come now no kings nor Caesars
Nor goldgiving lords like those gone.

Das liest sich in einer deutschen Übersetzung aus dem 19. Jahrhundert so:

Dahin sind die Tage,
und all der Uebermut des Erdenreiches;
nun sind nicht Könige noch Kaiser mehr
noch Austheiler desGoldes, wie sie ehedem waren.

Die deutschen Zeilen sind klar und verständlich, ein bißchen bieder, und man merkt, aha!, hier sollen Stabreime nachgemacht werden; von Pounds Zeilen geht die Faszination des Fremden aus: wir verstehen nur halb, aber es werden Assoziationen ausgelöst, die ein angelsächsisches Ambiente schaffen, und zugleich klingt, wie hier gestabt wird, mehr nach einer neuen Erfindung als nach der Wiederbelebung einer abgestorbenen Technik. Wenn Pound übersetzt, tut er etwas Ähnliches wie Picasso oder Giacometti, wenn sie die Bilder ihrer Vorgänger abskizzieren: sie machen sie sich zu eigen, indem sie sie unverwechselbar in der eigenen Handschrift nachschreiben, und gleichzeitig ist das Kopierte ebenso unverkennbar präsent, es erscheint gewissermaßen in neuem Glanz. Pound hat im übrigen immer wieder auf die großen innovativen Leistungen der Übersetzungskunst in der Vergangenheit hingewiesen, besonders auf die Ovids und Homere der Renaissance, die an verändernder und traditionsbildender Kraft den meisten sogenannten Originalwerken der Zeit weit überlegen waren. Das entscheidende Kriterium ist der Löwenpranken-Zugriff auf die Sprache und die Erweiterung des Horizonts, nicht der alte Gemeinplatz von Abbild und Urbild. Den Dichter Pound vom Übersetzer Pound zu trennen macht also wenig Sinn. Es ist müßig und unerheblich, in seinen Texten unterscheiden zu wollen, was daran Übersetzung, seine Form der Übersetzung, und was Original ist. Aber es gibt ein Moment, das für die frühe Dichtung entscheidend wurde und sicher aus seiner übersetzerischen Haltung stammte: das Konzept der Persona. Persona ist Maske: sich die Maske eines anderen anlegen und durch sie hindurch sprechen. Persona ist das Mittel, durch das Vergangenes aus seiner Abgeschlossenheit als Bildungsrelikt erlöst und für uns, hier und heute, zum Sprechen gebracht werden kann. Das ist etwas ganz und gar Modernes, das zur gleichen Zeit von so gänzlich verschiedenen Autoren wie Hofmannsthal und Joyce ebenfalls vorgeführt wird: daß die Welt nur durch Sprache wahrnehmbar ist, und zwar durch die Sprache desjenigen, der sie, die Welt, jeweils wahrnimmt. Authentizität ist in diesem Medium nur als gebrochene sichtbar; umgekehrt aber vervielfacht sich der Ausdrucksspielraum der Poesie in die gesamte Ebene der Geschichte. So viele Ansichten von Liebe, von Sehnsucht, von Verlorenheit sind denkbar, wie es Stimmen gibt, die der erst Hörende, dann Schreibende für brauchbar, noch oder wieder sprechbar, nachsprechbar hält. Das hat nichts mit Erlebnislyrik zu tun, aber alles mit Kunst, alles mit Artistik.
1908, also dreiundzwanzigjährig, verläßt Ezra Pound Amerika und geht zunächst nach Italien, wo er seinen ersten Gedichtband veröffentlicht, Lume Spento, Bei gelöschtem Licht. Im selben Jahr aber fährt er weiter nach London, wo er während der nächsten zwölf Jahre bleiben wird und wo er sich zu dem entwickelt, als den man ihn kennt, als Dichter, Kritiker, Propagandist, Förderer und Freund. Ein paar Namen: den zwanzig Jahre älteren Iren Yeats, der in einer Schreibkrise steckt, bringt er zum Schreiben seines hochbedeutenden mittleren Werks; dem glücklosen Jungautor Joyce verhilft er zu einflußreichen Gönnern und Verlegern und rührt vor allem die Werbetrommel in der Presse für diese wenig eingängige Prosa; D.H. Lawrence, H.D. und Robert Frost entdeckt er und fördert T.S. Eliot und Rabindranath Tagore. Die Auflistung soll zeigen: keinen dieser Namen würden wir automatisch mit Pound in Verbindung bringen, was eben heißt, daß er jeweils die Stelle zu finden verstand, wo die eigensten Qualitäten eines Talentes lagen. Der Pionier aus Idaho hatte seine Hand im Spiel bei mindestens vier Zeitschriften, in denen er seinen Entdeckungen Raum verschaffte. Er muß ein Genie der tätigen Hilfe gewesen sein, womit er die Beschenkten wohl auch genieren konnte. Wyndham Lewis schickte er einmal mit einem Paket zu Joyce nach Paris, weil Pound gehört hatte, daß es ihm, der inzwischen der Verfasser des Ulysses war, schlecht gehe. In dem Paket war ein Paar alter Schuhe, was sowohl den Beschenkten wie den Boten tief kränkte. Der Pragmatiker Pound hatte kein Organ für eine solche Reaktion.
Die Hauptarbeit der Londoner Jahre aber war die Entwicklung einer eigenen poetischen Methode: unter den Stichworten Ideogramm und Imagismus ist sie berühmt geworden. Pound hatte inzwischen Chinesisch studiert, ausgelöst durch den Nachlaß des amerikanischen Sinologen und Japanologen Ernest Fenollosa, den ihm dessen Witwe überlassen hatte. Fenollosas Interpretation chinesischer Schriftzeichen (sie ist, nebenbei, nicht zu halten) war es, die für Pound unmittelbar evident machte, was ein poetisches Verfahren sein konnte. Fenollosa hatte gesagt, daß jedes Ideogramm aus erkennbaren Bildern zusammengesetzt sei und daß jedes Lesen sich automatisch in Bildvorstellungen umsetze. Viel zitiert worden ist das von Pound daraus abgeleitete Beispiel für die Darstellung von Abstrakta. Um die Farbe Rot zu bezeichnen, werde eine Kombination aus den Bildern für Rose, Rost, Kirsche und Flamingo hergestellt, das heißt die Abstraktion „rot“ sei ein Vorgang, der immer an die konkrete sinnliche Vorstellung gebunden bleibe, von der er ausgelöst sei. Man sieht sofort, warum das Chinesische beispielhaft werden konnte für Pounds Vorstellung einer konkreten, sinnlich erfahrbaren poetischen Sprache. Doch wie wäre das zu übertragen auf eine Sprache, deren Schrift aus abstrakten Verabredungszeichen besteht? Dieses Problem hat Pound beschäftigt, bis er das Schreiben, in den sechziger Jahren, aufgab. In London, damals, erarbeitete er sich zwei Antworten. Die eine findet sich in den 1916 begonnenen Cantos, diesem poetischen Hauptwerk unseres Jahrhunderts. Sie ist das, was Pound „juxtaposition“ genannt hat, also die unvermittelte, übergangslose, harte Nebeneinanderstellung von sprachlichen Elementen, Zitaten, Bilderfetzen, die einander ergänzen wie in der Analogie oder die einander durchkreuzen, die aber im Bewußtsein des Lesers oder Hörers sich zusammenschließen sollen zu einem Vorstellungskomplex wie die vier roten Gegenstände zur Farbe Rot. Es ist ein Zeichen für die Problematik dieser Vorgehensweise, daß die Hauptschwierigkeit der Cantos paradoxerweise in ihrer übergroßen Konkretheit liegt. Aber dies spricht vielleicht weniger gegen diese Methode als gegen unser aller angelernte Lese-, Seh- und Hörweisen, die auf abstrahierende Vorsortierungen eingerichtet – nun ja: vielleicht auch angewiesen – sind.
Die andere Antwort auf die Frage nach der Übertragbarkeit der ideogrammatischen Methode auf eine westliche Sprache führt uns zum Imagismus. Wie der Name sagt, geht es dabei um die Erzeugung von Bildern oder Bildvorstellungen. Sie sollen so erzeugt werden, daß sie sich einstellen, daß sie evoziert werden, und zwar ohne den rhetorischen Apparat der Metaphern und Vergleiche und ohne beschreibende Aussagesätze. Das ist unendlich schwer, weil eben auch erst die Lese- und Sehgewohnheiten verändert – die gleichzeitigen Russen sagen: entautomatisiert – werden müssen. Was so entsteht, kann man, wenn man es nicht selbst sinnlich erfährt, also liest oder hört, nur abstrakt beschreiben als das stete Hin und Her zwischen einem Wirklichkeitsausschnitt und dem ihn wahrnehmenden, ihn interpretierenden Bewußtsein des Dichters. „Der Tanz des Intellektes zwischen Wörtern“ nennt das Pound. Und auch: „apparition“, „Erscheinung“, wie das jähe Auftauchen von etwas aus einer anderen Welt. Was so entsteht, sind Gebilde knappster, gebrechlichster Natur, Zweizeiler, höchstens Vierzeiler, also auch äußerlich an Ostasiatisches erinnernd, doch gewiß keine Chinoiserien im Sinne der Moden der Jahrhundertwende. Wie die Juxtapositionen der Cantos sind auch die Bildgedichte keine geschlossenen Einheiten, sondern offen zum Leser hin, dessen eigenen Assoziationsreichtum sie in Gang setzen wollen, natürlich nicht nur den intellektuellen, sondern auch den emotionalen, vielleicht gerade diesen, denn es heißt einmal, nur die Emotion habe Dauer, und das einzige, was zähle, sei „the quality of the affection“.
Die imagistische Phase wird abgeschlossen, zusammengefaßt, überwunden durch das große ironische Gedicht „Hugh Selwyn Mauberley“ von 1920. Es ist ein selbstparodistisches Gedicht voller satirischem Gefunkel, in dem der Schöngeist und Ästhet in seiner tristen Weltverlorenheit und im Grunde seichten Melancholie zu Grabe getragen wird. Es ist das Ende einer Epoche, einer nach Weltkrieg und Oktoberrevolution nicht länger erträglichen Haltung des ästhetischen Sich-Heraushaltens und Sich-Herausredens mit Betrachtungen eines Unpolitischen. Es ist im „Mauberley“, daß der künftige Zivilisationskritiker zuerst auftritt, der Bewußtseinsrevolutionär und Apostel einer neuen Menschheit. Und kurz vor dem „Mauberley“ beginnt sich in den ersten Cantos eine Alternative zum bisherigen Dichten abzuzeichnen: nicht mehr der kecke Spielmannston der frühen Vagantendichtung, nicht mehr die fein geschnittenen Gemmen des Imagismus, sondern deren Aufhebung, natürlich, aber vor allem die Erweiterung des poetischen Horizonts: Dichtung als Lebensform, als permanentes Wagnis, das immer das Scheitern einschließt, wie die Hadesfahrt des Odysseus, mit der der erste Gesang einsetzt:

And then went down to the ship,
Set keel to breakers, forth on the godly sea, and
We set up mast and sail on that swart ship,
Bore sheep aboard her, and our bodies also
Heavy with weeping…

Der Sänger und der Seher, durchaus mit dem Pathos und dem Weltanspruch Homers oder Dantes. Das ist das eine. Das andere ist der pragmatische Gesellschaftskritiker, der die Probleme der Welt analysiert und praktische Vorschläge zu ihrer Lösung macht. Manchmal durchdringen sich beide Seiten wie in den großen Usura-Gesängen der dreißiger und vierziger Jahre.
Pound geht 1920 zunächst eine Zeitlang nach Paris, ist im Umkreis der Lost Generation, der selbst-expatriierten Amerikaner, im Umkreis auch von Joyce, dessen zu Ende gehenden Ulysses er für einen Triumph, dessen beginnendes Finnegans Wake er für Tinnef hält: er rät dem Autor sogar dringend, diesen Unfug zu lassen. 1924 geht er in das inzwischen faschistische Italien und bleibt dort, in Rapallo, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Es beginnt hier das lange und traurige Kapitel seiner Verstrickung mit dem Faschismus, das man allerdings nur dann begreift, wenn man es zusammensieht mit seiner radikalen, immer radikaler werdenden Kritik an den westlichen Demokratien, vor allem Amerikas und Englands, einerseits, und mit seinem Glauben an eine ethische Erneuerung der Menschen auf der Grundlage der Lehren des Konfuzius, Kung Fu, andererseits. Er wird auch nie ein Bonze, gehört keiner Partei an, will keine Karriere machen wie der futuristische Kollege Marinetti, sondern tut, was er tut, auf eigene Faust und eigene Rechnung, ein Parteigänger nur seiner selbst und seiner eigenen Mission. Er stimmt überein mit der faschistischen Meinung von der Verrottung der Demokratien, aber er sieht den Ausweg nicht in der Diktatur, sondern einzig und allein in der Rückkehr zu den Prämissen, unter denen die Demokratie einmal angetreten war. Seine Helden, in deren Namen er predigte und sang, hießen John Adams und Thomas Jefferson, der zweite und der dritte Präsident der Vereinigten Staaten. Er stimmt überein mit der faschistischen Kritik am Kapitalismus, aber er favorisiert nicht eine andersartige Umverteilung, sondern er möchte das Übel mit der Wurzel, also radikal, ausreißen. Die Wurzel des Übels ist das Zinsnehmen, das er „Usura“ nennt und einmal so definiert: „Usury: A charge for the use of purchasing power, levied without regard to production; often without regard to the possibilities of production.“ („Wucher: Eine Gebühr, die für den Nießbrauch der Kaufkraft erhoben wird, ohne Rücksicht auf die Produktion, oft ohne Rücksicht auf die Möglichkeit der Produktion.“) Er benutzt das lateinische Wort, um anzuzeigen, daß das Übel nicht erst ein Spätschaden der Entwicklung ist, auch nicht ein Problem der Ökonomie, sondern daß es vom Anfang der monetären Entwicklung an die gesamte Kultur und das Bewußtsein zerfressen hat. Pound kommt immer wieder in den Cantos hierauf zurück, und gleichzeitig führt er ernsthafte Debatten über eine Änderung des Geldbegriffs. Er ist so überzeugt von der Richtigkeit seiner Alternative, daß er überall um Jünger wirbt, bei den faschistischen Führern ebenso wie bei seinen literarischen Freunden. Ebenso überzeugt ist er leider davon, daß die Nichtdurchsetzbarkeit der Alternative einzig und allein auf die Juden zurückzuführen sei, die Erfinder des Wuchers. Sind seine politischen, auch die geldtheoretischen Überlegungen noch begründbar, seine antisemitischen Haßtiraden sind ganz irrational und von einer sich über die Jahre steigernden Wut, der kein pennälerhafter Kalauer – Roosevelt als Rosenfeld – zu billig ist. Diese Dinge sind zweifellos unentschuldbar und auch in keiner Sorge um die wahre Demokratie zu begründen. Ebenso unentschuldbar sind sicher die während des Zweiten Weltkriegs von Rom nach England ausgestrahlten Rundfunksendungen, in denen er die Partei Mussolinis, nicht übrigens Hitlers, ergriff und in ohnmächtig sich übersteigerndem Haßgeschrei gegen die Zerstörer der Kultur, und das heißt für ihn auch: menschlicher Grundwerte, die er nur auf einer Seite sah, seinen Kreuzzug führte. Aber auch hier ist nicht zu vergessen, daß er wieder nur auf eigene Rechnung loslegte, denn die Faschisten wollten ihn gar nicht, er war ihnen zu wirr, mochte vielleicht sogar ein Yankee-Spion sein; und es ist ferner nicht zu vergessen, daß er vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs einen Propagandafeldzug, natürlich auf eigene Rechnung, nach Amerika unternahm, eben um einen Krieg durch die Diskussion ethischer Grundwerte zu vereiteln. Doch da hielten ihn selbst die Freunde für verwirrt und konnten nicht sehen, daß nur ein radikales Umdenken aus der tödlichen Konfrontation hätte herausführen können und daß das Recht auf Widerstand gegen herrschendes Unrecht gerade ein Recht der Demokratien seit ihrem Bestehen gewesen war. Pound ein Prophet? Trotz Faschismus und durch diesen hindurch? Die Frage soll offenbleiben.
Pound stellt sich im Mai 1945 der amerikanischen Militärbehörde, um, wie er sagt, seinen Landsleuten zu helfen, den italienischen Faschismus zu verstehen und um beratend am Wiederaufbau Europas mitzuwirken. Dazu kommt es nicht. Er wird am 27. Mai 1945 in ein Straflager gesteckt, ein Detention Training Center in der Ebene bei Pisa. Dort wird der Dichter in einen Käfig gesperrt, den sogenannten Gorillakäfig, wie er im Lager für diejenigen gebaut wurde, die kurz vor der Hinrichtung standen. Er schläft auf dem Betonboden, ohne Decke oder Strohsack, tags schutzlos der sengenden Sonne, nachts dem grellen Scheinwerferlicht preisgegeben. Nach drei Wochen bricht er zusammen und kommt immerhin in ein Zelt, aber in strengster Isolierung von den Mitgefangenen. Doch er hört ihre Stimmen, die Stimmen der Todeskandidaten, der Wachtposten, der Soldaten, der namenlosen Gefährten im Unglück auf der anderen Seite der Geschichte. Und er erfährt auch, daß unter diesen einfachsten und deklassierten Menschen wieder etwas von dem zum Vorschein kommt, das verlorengegangen war und das man ein ganz kreatürliches Helfenwollen nennen könnte – er nannte es Liebe. Einer schenkt ihm eine Decke, ein anderer baut ihm ein Tischchen, an dem er die Pisaner Gesänge, diese zehn bewegendsten der Cantos, zu schreiben beginnt. Als er ausfuhr in die Hölle, im ersten Gesang, war er der Dichter und Seher, jetzt ist er auch der Mensch Ezra Pound, die Kreatur, ein Geschundener unter Geschundenen im Inferno, umgeben von den Schatten der Vergangenheit. Doch er fährt fort, wie Odysseus, wie Dante, sich aus der Hölle herauszukämpfen, durch das Schreiben der Gesänge, durch Besinnung auf das Wesentliche, das ihm zuinnerst gehört :

What thou lov’st well remains, therest is dross
What thou lov’st well shall not be reft fromthee
What thou lov’st well is thy true heritage

Im November 1945 wird Pound nach Washington gebracht, wo ihm der Prozeß wegen Hochverrats gemacht werden soll. Viele Dichterkollegen, Freunde von einst, schreien nach der Hinrichtung – auch das gehört zur intellektuellen Geschichte unseres Jahrhunderts. Aber es gelingt seinem Anwalt, ihn für unzurechnungsfähig erklären zu lassen, was er im bürgerlichen Verstande gewiß auch ist. Er wird in das Irrenhaus St. Elizabeth in Washington eingewiesen und bleibt dort interniert bis 1958. Er schreibt weiter, er analysiert weiter die gegenwärtige und vergangene Zivilisation – „Auf Homer wurde eine Zivilisation errichtet – eine Zivilisation, nicht bloß ein aufgedunsenes Weltreich“ −, und er wird wieder Mentor für die neuen Dichtergenerationen, so für die Dichter am Black Mountain College um Charles Olson, der für Pound der wichtigste und fast einzige Kontakt im Irrenhaus war und von dem er einmal sagte, er, Olson, habe ihm das Leben gerettet. Nach der Entlassung aus St. Elizabeth geht er zurück in sein geliebtes Italien, schreibt weiter, analysiert weiter. Irgendwann in den sechziger Jahren hört er auf zu schreiben und zu analysieren. Er verstummt. Er spricht zu niemandem mehr, läuft durch die Straßen Venedigs wie der Geist der Dichtung. Dort ist er am 1. November 1972 gestorben. Auf der Toteninsel San Michèle ist er begraben.

Klaus Reichert, Neue Rundschau, Heft 1, 1986

Odysseus’ Irrfahrt – Anfang und Ende

Der erste Gedichtband, mit dem Pound sich 1909 in Kreisen der Londoner literarischen Avantgarde einen Namen macht, heißt Personae – „Masken“, und unter diesem Titel faßt er auch fünfzehn Jahre später die Sammlung aller frühen, vor den Cantos geschriebenen Gedichte zusammen. Unter der Maske des Odysseus tritt er die Lebensreise seiner Cantos an, die dann zur Irrfahrt wurde und ihn auf viele Klippen warf, ihn aber die glückliche Heimkehr auf sein Ithaka verfehlen ließ.
Schon in seinen amerikanischen Studentenjahren hatte er die Idee eines opus magnus, das ihn wie er 1909 in einem Brief schrieb – über vier Jahrzehnte beschäftigen und in das alle seine Energie eingehen sollte. Dieses Werk, das er 1917 mit den ersten Cantos begann (die er in den zwanziger Jahren völlig umschrieb) sollte andeutungsweise der Struktur von Dantes Divina Comedia folgen und wie diese 100 Gesänge umfassen. Pound hat sich weder genau an die Struktur noch an die vorgebene Zahl gehalten: immer hat er die Form der Dichtung als eine „offene“ betrachtet und die Intervention des gelebten Lebens respektiert. Es gibt in diesem Werk keinen Aufstieg aus der Unterwelt über den Läuterungsberg in ein Paradies, wie es in seinem Dasein keinen solchen Fortschritt gegeben hat. Als er 1959 – gerade ein Jahr aus der Washingtoner Zwangsinternierung entlassen – in tiefer Depression verstummte, wußte er, daß nicht nur die letzten Cantos (vom 117. an) Fragment bleiben würden, sondern daß das ganze, so ungeheuer weit zielende Unternehmen gescheitert war.
Pound hatte in diesem Werk seine Daseinsreise mit einer Erkundungsfahrt durch die ganze menschliche Geschichte verbinden wollen, um dabei in Leben, Lektüre und Gespräch über die Grenzen der eigenen Person hinaus Existenzformen zu prüfen und zu vergleichen, aus Irrtümern zu lernen und ideale Möglichkeiten von Staat und Gesellschaft, Wirtschaftssystem und Verfassung zu erfahren und aufzuzeichnen. Pound geht es um ein Paradiso terrestre, ein irdisches Paradies, das von Gerechtigkeit und Sensivilität geprägt ist und die Möglichkeit des erfüllten tätigen Lebens gewährt. Seine Suche nach dem Paradiso terrestre als Bestimmung der Menschheit war zugleich eine Suche nach dem Irrtum in der menschlichen Geschichte, nach den Ursachen, die sie von ihrem utopischen Kurs abweichen ließ. In den späten Cantos wird daraus angesichts seiner Ächtung durch die Gesellschaft eine Suche nach dem eigenen Irrtum, der ihn diesen selbstgestellten Auftrag verfehlen ließ. Er erkennt den Irrtum, vermag ihn aber nicht zu orten, da ihm der Sinn doch immer „nach Richtigkeit“ stand. Es ist die besondere Tragik dieser Cantos, daß er in ihnen das paradiso nicht nur als für sich selbst verschlossen sondern überhaupt als jenseits der Chancen des Menschen liegend erfährt. So ist sein Scheitern potenziertes Scheitern.
Die poetologischen Organisationsprinzipien der Cantos sind neben der Maske die Metamorphose und das „Ideogramm“, ihre Stilmittel das (oft fremdsprachige) Zitat, die leitmotivisch wiederkehrende Anspielung und der filmhafte „Schnitt“. Pound spricht in den Cantos durch viele Masken und mit vielen Zungen. Immer wieder bedient er sich der Sprache eines anderen um das zu sagen, auf was es ihm ankommt, als wollte er sich in seinem Glauben an Autoritäten ihrer Zeugenschaft versichern. Pounds Leistung liegt jenseits aller Zitate. Sie ist nicht in der Usurpation verschiedenartiger Zitate begründet, sie besteht vielmehr darin, Bilder, Zitate und Anspielungen in unerwarteten Konstellationen aufleuchten zu lassen und bis zur Hochspannung mit Sinn aufzuladen. Es ist wie bei einer Collage: ihre Qualität wird durch den Reichtum der Beziehungen und die Spannung ihrer Elemente bestimmt, nicht durch den Charakter der Details. Auch sollten wir in den Cantos die Bedeutung der Zitate nicht überschätzen. Es sind gleichsam die Stimmen, die die angeschlagenen Themen verstärken und variieren, ihnen Tiefe und Resonanz geben. Pound selbst meinte, daß „sich auch ohne sie ein vollständiger Sinn ergibt, der im amerikanischen Text vorhanden sein wird; aber das Griechische, die chinesischen Schriftzeichen werden die zeitliche Dauer dieses Sinns angeben, sein Woher und Seitwann.“
Pounds Vorliebe für Verkürzung, Verschlüsselung und Anspielung, nicht zuletzt in der Musikalität des Sprachflusses begründet, wurde durch seine Leidenschaft für die Bildkraft des „mot juste“ und den direkten Ausdruck ausgewogen:

Seine wahre Penelope
war Flaubert
(„Mauberley“, 1920)

Schon 1913 hatte William Butler Yeats (für den Pound eine zeitlang als Sekretär tätig war) bemerkt:

Er hilft mir zum Präzisen und Konkreten zurück, weg von den modischen Abstraktionen. Wenn man ein Gedicht mit ihm durchspricht, ist es, als ob man einen Satz in Dialekt bringt, alles wird klar und natürlich.

Auf die Cantos bezogen macht dieser Satz die eigentliche Leistung Pounds deutlich. Bedenken wir die entlegenen Zonen menschlicher Geistesgeschichte, die Pounds ausschweifendes Ego wenigstens für Abstecher aufsucht, so läßt sich der Berg toten Wissens und das Ausmaß an Abstraktion abschätzen, das ein anderer als dieser moderne Odysseus heimgebracht hätte. Ihm aber werden vergangene Zivilisationen wie fernöstliche Tradition Gegenstände unmittelbarer Erfahrung. „Mr. Pound geht zuwerk“, schrieb T.S. Eliot einmal, „indem er sich die gesamte Vergangenheit zueigen macht, wenn dann die gesamte Vergangenheit erarbeitet ist, reihen sich die einzelnen Bestandteile auf einmal ein und die Gegenwart tritt zutage.“ Canto für Canto schafft Pound ein Lebensgewebe von Anspielungen und Entsprechungen, das sich wie die übereinandergelegte, auf transparentes Papier gezeichnete Karte von absolvierten Routen zu einem Gebilde von höchster Komplexität fügt. Dabei kam ihm eine letztlich wohl ebenfalls in seiner „Ich-Schwäche“ begründete Empfänglichkeit für den neuplantonischen Gedanken des „omnis intellectus omniformis est“, der Allgestaltigkeit und Wandelbarkeit des Geistes zugute, die seine Witterung dafür schärfte, das alles mit allen verbunden ist und alle Erscheinung miteinander in Beziehung stehen. Dieses Prinzip aber fand er wieder archetypisch verkörpert in der proteushaften Natur des Odysseus, der in viele Masken zu schlüpfen vermag. In der Welt der Götter erscheint er als Dionysos oder Hermes, auf der mythischen Ebene kann er als Deiokes oder Kachnos auftreten, in der historischen Zeit erkennen wir ihn als El Cid, Wilhelm von Aquitanien, Sigismundo Malatesta oder Niccolò d’Este und manche der Zeitgenossen Pounds scheinen noch Züge von ihm aufzuweisen.
Der im Wesen der odysseischen Wandelbarkeit steckende „omniformis“-Gedanke ließ Pound einige seiner schönsten Bilder finden. Er barg aber auch eine für ihn entscheidende Gefahr. Er bestärkte ihn im Glauben an die unbeschränkte schöpferische Autonomie des künstlerischen Individuums. Er spiegelte ihm eine Freiheit des Gedankens vor, die ihn im tatsächlichen Leben der definitiven Festlegung enthob – als ob es in sein Belieben gestellt wäre, jederzeit in Masken zu schlüpfen und sie wieder zu verlassen. So machte ihn die Projektion dieses Prinzips, aus dem seine Dichtung sowie Kraft bezog, in der Realität verwundbar und führte ihn sehenden Auges in die Katastrophe. Pound war 1924 von Paris aus nach Rapallo übersiedelt – teils seiner Vorliebe für mediterrane Kultur folgend, teils seinen permanenten Geldnöten in ein Land ausweichend, in dem es sich relativ billig leben ließ. In Rapallo entwickelte sich aus seiner Faszination durch „starke Männer“ die Sympathie für Mussolini, die zu einem einzigen Gespräch mit dem Diktator führte. Die beiden redeten aneinander vorbei: Mussolini wollte nur von Dichtung, Pound nur von Ökonomie sprechen. Doch hielt Pound auch nach dieser mißglückten Begegnung an der Überzeugung fest, daß Mussolini ein Mann aus konfuzianischem Geist sei, berufen, seine Auffassungen eines gerechten, nicht-kapitalistischen Wirtschaftssystems zu realisieren (eine Hoffnung, die er später fast noch intensiver mit der Labour-Regierung Clement Attlees verband, die 1945 den gehaßten Churchill ablöste). Vor allem aber war Mussolini das Gegenbild zu der wichtigsten Feind-Projektion seines Lebens, zu Roosevelt. F.D. Roosevelt war für ihn der Mann, der wie kein amerikanischer Präsident vor ihm – nicht einmal Hamilton – den Geist der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verraten hatte und sein Land am Kongreß vorbei in einen Krieg, zu manövrieren versuchte (wie es später Präsident Johnson im Falle von Vietnam tat). Als die USA in den Krieg eintrat, versuchte er dennoch zurückzukehren, das amerikanische Konsulat verweigerte ihm aber unter der Begründung, er wolle zu Hause doch nur Tantiemen kassieren, die Verlängerung seines Passes. So war er gezwungen, in Italien zu bleiben. Er verdingte sich beim faschistischen Kulturministerium und hielt seine berüchtigten Reden über Radio Rom. Er meinte damit nichts anderes zu tun, als von seinem Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen und bestand darauf, seine persönlichen Ansichten vorzutragen. Aber die waren vor allem losgelöst vom Erfahrungshintergrund der Cantos – schlimm genug. Die römischen Reden enthalten alle Vorurteile seines Lebens in bösester Formulierung. Selbst die Darlegung seiner Geldtheorien mißriet ihm da zu krudestem Antisemitismus. Mögen auch nur wenige die oft sprunghaften Ausführungen des Dichters wirklich verstanden haben – sie bleiben unverzeihlich.
Im Mai 1945 wird Pound verhaftet und in das Disciplinary Training Center, das Armeestraflager von Pisa gebracht. Dort bleibt er drei Wochen lang bis zu seinem völligen Zusammenbruch in einem eisernen Käfig tags der Sonnenglut und nachts, von Scheinwerfern angestrahlt, der Kälte ausgesetzt. Später wird er in ein kleines Zelt gesperrt; abends kann er sich in einem kleinen Raum in einer Baracke aufhalten, wo man ihm auch eine Schreibmaschine überläßt. In diesen Stunden schreibt er die Pisaner Cantos. Sie sind der Versuch, sich Rechenschaft zu geben und die eigene Indensität wiederzufinden in einem Augenblick tiefster Erniedrigung:

Wie die einsame Ameise aus dem verheerten Ameisenhaufen,
aus Europas Zerrüttung, ego scriptor
(„Canto LXXXVI“, 1945)

Die Pisaner Cantos bedeuten die Katharsis seines Lebens. Die Masken halten nicht mehr. Aus Odysseus wird OYTIS – Niemand:

Wenn sie die Mär von Odysseus erzählten OYTIS OYTIS
Ich bin Niemand, mein Name ist Niemand
(„Canto LXXIV“, 1945)

Das Steuer seines Lebensschiffes ist verlassen, er treibt dahin, dem Fatum ausgesetzt, er selbst hin- und hergeworfen zwischen Einsicht und Irrtum, Hoffnung und Verstörung. Von jetzt an begreift er die Lebensreise seiner Cantos als nicht mehr von ihm selbst gelenkt. Zugleich aber taucht er unter brüchigen Masken selbst als Figur auf

als das Floß entzweiging und sich die Wasser über mir verliefen
(„Canto LXXX“, 1945)

Er ist nun Old Ez, ein „Mann für den die Sonne niederging“, zur vita contemplativa verurteilt. Manches kommt ihm zur Hilfe, „eine Eidechse stand mir bei“, und er erfährt Menschlichkeit:

Unter ihnen die größte ist Liebe
zu finden bei denen, die das Reglement übertreten

Pound „existiert nur insoweit, wie die Dinge und Menschen, die er liebt, seine Existenz definieren. Und inmitten von Tod und Zerrüttung sind es Pounds Erinnerungen und Pounds dichterische Kraft, die die Umrisse und das Sosein der Dinge, die er liebt, bewahren“ (George Dekker, Sailing after Knowledge, London 1963).
Dreizehn Jahre später, gegen Ende seiner Internierung im St. Elizabeth’s Hospital schrieb er sich seinen Epitaph. Er steht in „Canto XCI“:

Legt mich zu Aurelie, gen Sonnenaufgang
aaaaaaaaaazu Stonehenge
aaaaaaaaaadort ruhn die Meinen
aaaaaüber Harm
aaaaaüber Haß
aaaaaaaaaasich überbäumend, Licht über Licht

In Stonehenge wollte er begraben sein. Dort meinte er seine Heimat zu wissen: bei den Vorkämpfern einer verlorenen Sache in der Geschichte, seinen Brüdern aus vergangenen Zeiten.
Als er 1972 in Venedig starb hat man ihm diesen Wunsch nicht erfüllt. War er nicht nur eine Metapher, ein Gleichnis?
Ezra Pound liegt begraben im kleinen protestantischen Sektor des Friedhofs auf der Insel San Michele zwischen Venedig und Murano.

Wieland Schmidt, Dezember 1973, aus Wieland Schmidt: Ezra Pounds Widersprüche, Edition M.J. Wewerka, 1987

Mann vieler Masken und großer Augenblicke

Vor einem Jahr, bei einem Besuch auf der Brunnenburg, oberhalb von Meran, wo Pound seit seiner Entlassung aus St. Elisabeth’s Hospital im Hause seiner Tochter lebt, wirkte er müde, „erschöpft bis ins Mark“, wie es Flaubert im Alter von sich sagte, erschöpft, wie nur ein Mensch sein kann, der sein ganzen Leben schöpferisch war. Er hörte dem Gespräch wie aus weiter Ferne zu, hielt die Augen geschlossen, sprach wenig: ein paar Erinnerung, eine Frage. Plötzlich sagte er: „Ich bin nie mehr richtig wach“. Ich versuchte, mit einem belanglosen Satz den Ernst der Feststellung zu übergehen. Pound ließ es nicht zu: „Ich bin nicht mehr wach genug, um zu schreiben“, sagte er. Dann lehnte er sich wieder in seinen Königssessel zurück, stützte den Kopf auf und schloß die Augen. Damals wurde mir klar, daß es einen Zustand der Wachheit geben muß, einer Luzidität, einer Helligkeit, wie ich sie mir bisher nicht einmal hatte vorstellen können, und daß Dante, Goethe, Hölderlin solche Augenblicke gehabt haben müssen: Augenblicke, in denen alles einfach und selbstverständlich ist, und in denen man schreiben kann. Und ich begriff, daß Pound sehr oft in seinem Leben so wach gewesen sein muß und daß seine jetzige Müdigkeit vielleicht deshalb so beeindruckte, weil sie die Entsprechung der einstigen Anwesenheit eines ungeheuren Geistes war. Pound selbst charakterisiert in einem frühen Gedicht die Augenblicke solcher Ergriffenheit:

Noch keiner hat gewagt, dies auszusprechen:
Doch weiß ich, wie die Seelen großer Männer
Zuweilen durch uns ziehn,
Weil wir in ihnen aufgehn und nichts sind,
Nichts sind als ihrer Seelen Spiegelbild.
So bin ich Dante eine Zeitlang, bin
Einer namens Villon, Balladenprinz und Dieb,
Bin solche Heilige, daß ich ihre Namen
Nicht nennen mag aus Angst vor Blasphemie –
Dies einen Augenblick, und dann erlischt die Flamme.

Man darf den Eindruck, den ein Besuchsnachmittag gibt, nicht verallgemeinern: Pound schreibt auch jetzt noch, zieht sich in seinen Turm zurück, wenn er eine Zeile zu fassen bekommt, und die Zahl der Cantos soll jetzt schon 115 erreicht haben.
Umgekehrt aber hat er früher bei ihm Augenblicke der Blindheit gegeben (Blindheit, gemessen an der Helligkeit und Tiefe seiner Einsichten in die Seele des Menschen). Daraus erklärt sich mancher Widerspruch seiner Schriften und spontanen Äußerungen, manches Wort, manche Haltung, die ihm zum Vorwurf gemacht werden. Im Hinblick auf eine Veröffentlichung während des ersten Weltkrieges, die er jetzt wieder vorgenommen hatte, sagte Pound zu seiner deutschen Übersetzerin, Eva Hesse (der ich diese Mitteilung danke), daß ihm „mit Schrecken zu Bewußtsein gekommen sei, daß einer, der sein ganzes Leben gegen den Krieg und die Kriegspropaganda gearbeitet hat, nun entdeckt, daß er selbst zu einer bestimmten Zeit seines Lebens davon infiziert war“.
Wir wissen, daß er Eliots Waste Land um fast die Hälfte der Zeilen erleichtert hat, daß er Hemingways erste Versuche und Yeats Gedichte und die Verso so vieler Jüngerer kritisch durchgesehen und gekürzt hat, und daß Eliot von ihm sagte: „Keiner der Lebenden kann so schreiben wie Ezra Pound; und wie viele vermag man zu nennen, die halb so gut schreiben können?“ Da erhebt sich die Frage: An wen hätte er sich wenden sollen, um sich auf die „blinden Stellen“ in seinem Werk weisen zu lassen? Wer war da, von dem er hätte lernen können? Welche Autorität auf dem Gebiet der Literatur gab es in diesem Jahrhundert, die ihm hätte etwas zu sagen vermögen? So viele Freunde er hatte – Lehrer hatte er keinen; außer Homer, außer Dante, außer Guido Cavalcanti, außer François Villon…
Außerdem ist Ezra Pound ein Widerspruchsgeist, er provoziert gerne, er fühlt sich nur in seinem Element, wenn er den Widerstand der Welt, der weibischen, eitlen, passiven Welt, empfindet; er glaubt, er sei nicht mehr in Ordnung, nicht mehr der Alte, wenn man ihn karglos und diskussionslos akzeptiert. Sein heftiges Temperament, das ihn nie mit seinen Kräften maß halten ließ (von denen der an der letzten Indianergrenze im Westen Amerikas geborene Pionier der modernen Literatur ohnedies ungewöhnlich viel mitbekommen hat), trieb ihn schon früh zu allerhand Dingen, die seine Umwelt schockierten. John Gould Fletcher beschrieb den Dreißigjährigen in seinen Londoner Jahren als „eine sonderbare Kombination eines internationalen Bohemiens und eines amerikanischen College-Professors out of jobb“, und in seiner Pariser Zeit trug er zuweilen Ohrgehänge und bunte Röcke. Viele pflegen ihn noch heute nach derlei Äußerlichkeiten zu beurteilen; er selbst hat sie – und überhaupt alles, was die eigenen Person betraf, die lange Inhaftierung in Pisa und in einer Washingtoner Irrenanstalt inbegriffen – nie besonders wichtig genommen. Eines seiner frühen Gedichte beweist das:

Ihr sagt, daß ich mir allerhand herausnehme;
Daß ich mich spreiz im Talar der Anmaßung.
Ein paar Jahre und keiner denkt mehr an den Buffo,
Keiner entsinnt sich des Nebensächlichen an mir,
Das ulkige Beiwerk wird abgehn.
Ihr aber modert in der erde dann,
Und es ist fraglich, ob selbst euer Dung genug hergibt,
Um das Gras zu erhalten
Auf euren Gräbern.

Es wird heute so viel über Nebensächliches geschrieben, immer steht das Anekdotische, das Persönliche, das Auswechselbare im Vordergrund und verstellt den Blick auf das Werk; bei Pound ist das doppelt schmerzhaft spürbar. Zum einen, weil seine vielschillernde, oft proteushaft genannte Natur wirklich so faszinierend ist, daß sie leicht von seiner einzigartigen Leistung abzulenken vermag (noch jeder, dem ich von einem Besuch bei Pound erzählte, fragte: „Nun ehrlich, ganz unter uns – ist er verrückt oder nicht?“ Eine Frage, die mir im Grunde immer so grotesk erschien, als hätte man Eckermann oder sonst wen in Weimar gefragt: „Was meinen Sie, spinnt er nicht schon ein bißchen, der alte Herr Geheimrat? Ist er nicht schon ein wenig absonderlich?“). Zum zweiten ist hier das Überwiegen der Diskussion um die Person über die Diskussion um das Werk deshalb zu bedauern, weil es das Werk eines Mannes ist, der wiederholt feststellte, daß es einzig und allein darauf ankomme, daß große Dichtung geschrieben werde, und überhaupt nicht darauf, wer sie schreibe; eines Mannes, dessen Hauptwerk, die Cantos, kein anderes Ziel hat, als die Geschichte des menschlichen Geistes so zu schreiben, daß alles Persönliche darin zurückgeführt wird in die große Anonymität des Seienden, und das gleichzeitig jede Epoche des menschlichen Geistes in ihrem Wesen skizzieren und von allem Historischen befreien will. Aus diesem den Tendenzen unserer Zeit so sehr zuwiderlaufenden Wunsch nach Anonymität erklären sich die vielen Zitate, die Pound braucht und die er gleichsam wie Masken aufnimmt, um sich nicht subjektiv, sondern objektiv auszudrücken.
Robinson Jeffers hat dies schon sehr früh erkannt, 1921, als nur die vier ersten Cantos vorlagen:

Aber – dachte ich mir – alles ist schon gesagt worden… Es sei denn, daß man es macht wie die Chinesen mit ihrer überhangenden Vergangenheit: seine eigenen Worte aus dem Gedicht eliminiert, Zitate aus Büchern verwendet, wie die früheren Dichter ihre Anschaulichkeit aus dem Leben und aus der Natur gewannen, wenn man etwas Neues machte, indem man eine Mosaik des Alten zusammensetzte.

Von Anfang an war es Pound klar, daß ein Dichter, der nur sich selbst ausdrücken will, nicht sehr weit kommen kann. Über seinen dritten Gedichtband, Personae (London 1909), schrieb er:

Auf der ,Suche nach sich selbst’, auf der Suche nach ,echter Selbstverständlichkeit’ tappt man umher, stößt auf scheinbare Wahrheit. Man sagt ,ich bin’ dies oder jenes und hört auf, es zu sein, ehe noch die Worte verklungen sind. Diese Suche nach dem Wesen begann ich mit einem Buch, Personae genannt, in dem ich gleichsam mit jedem Gedicht eine fertige Maske des Selbst abtat.

Er selbst ist in seinen Masken und Augenblicken nicht zu fassen; er ist, wenn er ist, nicht er, sondern einfach Geist, nichts sonst:

Und sahst du meinen wesenlosen Schatten,
Sahst du das Spiegelglas der Augenblicke,
Das alle Dinge, die einfallen, wiedergibt:
Nenn diesen Spiegel dann nicht mich,
Denn ich entzog mich deinem Griff, ich bin entronnen.

Jedesmal, wenn ich die Cantos Pounds neu zu lesen beginne – es ist das siebente- oder das achtemal –, erscheint es mir, als ob ich sie erst jetzt richtig verstehe, und als ob ich früher nichts davon verstanden hätte; ja, daß ein wirkliches Begreifen erst viel später einmal möglich sein wird – wenn ich es erlebe. Es ist dies ein Eindruck, den ich noch von keinem anderen Werk unseres Jahrhunderts hatte, daß Jugendbildnis und den Ulysses von Joyce inbegriffen.
Was mir zuletzt klar wurde, ist etwa dies: Die Cantos sind nicht Lyrik und nicht Prosa, nicht bloße Rhetorik und nicht bloße Zeichen; sondern sie vereinen die Antriebskräfte von Lyrik und Prosa und halten sich die Möglichkeiten offen, sich jederzeit zu entscheiden und stellenweise das eine, dann wieder das andere zu werden. Sie sind eher als Briefe, als einstimmige Dialoge, als Gespräche zu kennzeichnen: Spricht man „Prosa“? oder spricht man „Szenen“, dramatische „Monologe“? Pound hat nie „über“ etwas geschrieben, sondern versucht, ein Ganzes aus lauter Erlebnisfragmenten aufzuführen. Dieses Ganze ist die Entwicklung des menschlichen Geistes – wie sie in einer lebenslangen Auseinandersetzung mit allen seinen Manifestationen durch sein Bewußtsein gezogen ist.

Wieland Schmidt, Der Tagesspiegel 30.10.1960

Räude und Marasmus. Der wirtschaftspolitische Angriff

Zum Thema:
Die beispiellose Wut, mit der die Öffentlichkeit etwa fünfzehn Jahre lang auf Ezra Pounds „politisches und menschliches Versagen“ reagierte, legt den Schluß nahe, daß sie die Rolle des Dichters als
vates recht ernst genommen hatte. Pounds wirtschaftstheoretischer Angriff auf die Gegenwart – denn auf diesen reduziert sich zum großen Teil sein politisches Engagement, wird heute gern unter dem Klischee „Pounds wirre Wirtschaftstheorien“ summiert, zumeist von Kritikern, die nicht gesonnen sind, sich mit Derartigem näher zu befassen und die den Sozialkredit von Douglas (von dem Pound ausgeht) nicht einmal vom Hörensagen kennen. Wir möchten hier eine gewiß unverdächtige Zeugenaussage in dieser Angelegenheit anführen:

In dieser Zeit kam es zum großen Börsenkrach. Ich wurde glücklicherweise nicht hineinverwickelt, weil ich Major H. Douglas’ Social Credit gelesen hatte, worin unser Wirtschaftssystem analysiert und auf ein Diagramm gebracht wurde. Douglas kam zu dem Schluß, daß grundsätzlich aller Profit aus den Löhnen käme. Daher bedeutet Arbeitslosigkeit den Verlust von Profit und eine Verringerung des Kapitals. Diese Theorie beeindruckte mich derartig, daß ich 1928, als die Arbeitslosenziffer in den Vereinigten Staaten vierzehn Millionen erreicht hatte, alle Wertpapiere verkaufte und mein Kapital flüssig hielt – so geschrieben von Charles („Charlie“) Chaplin (Die Geschichte meines Lebens, S. 333), der (auf S. 362) fortfährt: „Ich sprach mit… über das Buch Economic Democracy von Major Douglas und behauptete, seine Kredittheorie könne die augenblickliche Weltkrise wirkungsvoll lösen.

Nichts anderes hat Ezra Pound behauptet, dessen größter wirtschaftstheoretischer Fehlgriff vielleicht darin bestand, daß er die Theorien von John Maynard Keynes (The General Theory of Employment, Interest and Money, 1936), die in dieselbe Richtung gingen wie Douglas’ Bestrebungen, aus rein persönlichem Antagonismus verkannte. Keynes’ Theorien gehören heute zur wirtschaftlichen Orthodoxie. Wir leben nun schon solange in einer inflationären Phase, daß wir uns die deflationäre Periode der zwanziger und dreißiger Jahre, die sich wie eine große Lähmung über die Welt legte, kaum mehr vergegenwärtigen können. Unter dem System der Kreditdrosselung, den sog. „scarcity economics“, wurden in den kapitalistischen Industrieländern ständig eine Million Menschen arbeitslos gehalten, so daß sich alle Forderungen nach höheren Löhnen oder besseren Arbeitsbedingungen alsbald von selbst erledigten. Ein chronischer Mangel an Kaufkraft war in das industrielle System eingebaut. Die Menschen hatten kein Geld, sich Essen zu kaufen, indes ganze Ernten verfaulten – für Pound der schlagendste anschauliche Beweis dafür, daß Geld und Reichtum zwei grundverschiedene Dinge sind. Fünfundzwanzig Jahre des grauesten und hoffnungslosesten Elends für ein Großteil der arbeitslosen und arbeitenden Bevölkerung waren die Folgen der systematischen Geldverknappung.
Erst Keynes sollte mit dem Beweis durchdringen, daß die bis dahin als unvermeidlich geltende Arbeitslosigkeit kein Naturgesetz der Industriegesellschaft ist. Ruft man sich die lähmende Situation von damals vor das innere Auge, so wird man vielleicht eher die fiebrige Ungeduld und Unduldsamkeit verstehen, die Ezra Pound in seinem Bemühen, Abhilfe zu schaffen, entwickelte – eine Unduldsamkeit, aus der nicht sosehr Verrantheit spricht als Achtung vor dem menschlichen Leben – angesichts der zeitlichen Grenzen, die dem Einzelnen gesetzt sind. Denn für Pound ist die vornehmste Aufgabe aller Politik immer noch „das gute Leben“ (Aristoteles) – er ist auch hierin ganz wirtschaftlich orientiert.

Obwohl er entschiedene und systematische Ansichten über Ökonomie besaß, hatte er nahezu keine über Politik. Daß der letzte Teil seines Lebens zerstört werden sollte, weil man ihn mit dem italienischen Faschismus identifizierte, ist eine der seltsameren Ironien der modernen Geschichte. (Hugh Kenner)

War es eine Narrheit von Pound, ganz allein auf sich gestellt (denn er schloß sich weder den Wirtschaftsreformern noch den Faschisten an) gegen „die enorme organisierte Feigheit“ der Zeit („Canto XCV“) auf den Plan zu treten, so spricht daraus doch ein Naturell, dessen Schwinden aus unserer gesichtslosen Welt man bedauern möchte: „Ein Sklave ist einer, der darauf wartet, daß ein anderer ihn befreit“, definiert Pound. Er konnte einfach nicht begreifen, daß das richtige Verhältnis zwischen dem in Umlauf befindlichen Geldvolumen und den produzierten oder produzierbaren Waren, auf das er als die crux der Sache immer wieder verwies, von den Finanzgewaltigen weiterhin übergangen wurde. Auch hierbei spielt wohl seine tiefste Intuition eine entscheidende Rolle, wonach nämlich alle Redlichkeit (sinceritas) daraus besteht, daß die Dinge „sich decken“, daß sie „stimmen“. Dies ist tatsächlich der Lebensnerv der Cantos und man kann Pounds überwache Empfindlichkeit gegenüber dem Wucher, gegen „Räude und Marasmus“ als den Krankheiten der Neuzeit, gegenüber der Lüge, der Abstraktion, der Unredlichkeit in der modernen Umwelt sehr wohl als das unentwegte lrritans bezeichnen, um das sich die Perle seiner Dichtung gebildet hat. Insofern ist es auch ganz müßig, angesichts der späteren Auswüchse von Pounds kritischer Haltung, zu wünschen, er hätte sich nicht im öffentlichen Leben engagiert, sondern wäre bei seiner Dichtung geblieben – ohne den Sand im Getriebe hätte es keine Dichtung gegeben. Wenn er in den Cantos die Rolle des Geldes in der Geschichte zu einem seiner Themen macht, so besingt er die grundlegende Rolle der sinceritas für alle menschlichen und zwischenmenschlichen Bereiche der Geschichte, es ist somit eine Frage nach der Rolle der „Mittel“ – der Bar-Mittel, der Kunstmittel, des Wortmediums – des „Gerechten Preises“ für das, was die Natur uns schenkt und was der Mensch umschafft. „Durch Orage [einen Anhänger von Douglas] waren wir beide zu ähnlichen Auffassungen der Politik und Wirtschaft gekommen“, schreibt der politisch unverdächtige Herbat Read, „und wenn diese uns auch zu ganz verschiedenen Schlüssen führten, so waren wir uns doch über zwei Punkte immer einig – über das Übel, das in der nach-mittelalterlichen Gesellschaftsordnung dadurch ausgelöst wurde, daß die Kirche dem Prinzip des Wuchers stattgab und über die Abhängigkeit jedweder sozialen Revolution von ihrer Fähigkeit, mit dem Problem des Geldes fertig zu werden… Pound behauptet, und ich stimme mit ihm überein, daß ein inniger Zusammenhang besteht zwischen dem generellen Niedergang der Sensibilität, der uns eine der vulgärsten Zivilisationen in der Menschheitsgeschichte beschert hat, und den wirtschaftlichen Täuschungen, die von der religiösen und rechtlichen Anerkennung des Wuchers im ausgehenden Mittelalter herdatieren“ (The Tenth Muse, 1957).
Man möchte das „unpoetische nebensächliche Beiwerk“ der
Cantos kaum missen, wenn man sich einmal klar gemacht hat, daß Pound hiermit über das Feld des bloß Intellektuellen hinausstößt. Denn er weiß zu gut, daß das menschliche Leben nicht Literatur ist, daß nur ein kleiner Ausschnitt davon „poetisch“ sein kann, und setzt den Ballast von Fakten, Dokumenten, Gesetzesparagraphen, Alltagskram etc., in voller Absicht ein, damit sich sein Gedicht nicht auf Kosten der Wahrheit zu einer artifiziellen übermenschlichen poetischen Reinheit versteige.
Im Verlauf seines hitzigen Einsatzes für eine wirtschaftliche Neubesinnung verfestigte sich bei ihm allmählich der Wahn, daß nur absichtliche Unredlichkeit an maßgebender Stelle seinen Argumenten auf die Dauer die Ohren verschließen könne. Es mußte eine internationale Verschwörung des Finanzkapitals im Gang sein, eine Verschwörung, die übrigens keineswegs auf jüdische Finanzmagnaten beschränkt war (er prangert z.B. in den
Cantos Krupp und die IG-Farben genauso an wie das Haus Rothschild), denn: „die Demarkation richtet sich nach der Person, nicht nach der Rasse“, – wie er der Herausgeberin dieses Buches schrieb. „Bellum cano perenne“ – er singt nicht Waffentaten wie Vergil, sondern den ewigen Krieg:

Zwischen dem Wucherer und jedwedem Mann
der gediegne Arbeit tun will
(„Cantos LXXXV–LXXXVI“).

Pound forderte ein Phantom, einen persönlichen Gegner („den“ Wucherer) in die Schranken, er sah nicht, daß sein eigentlicher Gegner die anonyme Masse ist, die dem Denken entsagt hat und deren Wortführer er zu sein glaubte. „Sie sind mir ein Sadist“, schrieb ihm der Dichter E.E. Cummings, „Sie wollen die Leute zum Denken bringen“. Sein Ausgangspunkt war die lebendige Demokratie, wie sie Jefferson und Adams verstanden hatten.
Der englische Kritiker G.S. Fraser hat in seinem Buch
Ezra Pound eine Stelle aus Hannah Arendts Vita Activa angeführt, an der auf Grund der Unterscheidung von Gewalt, Stärke und Macht im Staate mehr Licht auf den Fall Pound geworfen wird, als es alle Bücher und Aufsätze bisher vermochten:

Merkwürdigerweise wird Macht durch Gewalt leichter vernichtet als Stärke, und obwohl Ohnmacht immer ein Kennzeichen der Tyrannis ist, in der die Untertanen der menschlichen Fähigkeiten zum Miteinandersprechen und Handeln beraubt sind, braucht eine Tyrannis doch keineswegs durch Unproduktivität und Schwäche der Einzelnen charakterisiert zu sein. Wenn der Tyrann ,aufgeklärt‘ genug ist, um seine Untertanen in ihrer Isoliertheit in Frieden zu lassen, können Künste und Wissenschaften blühen. Denn die natürliche und naturgegebene Stärke des Einzelnen, die er ohnehin mit niemandem sonst teilen kann, vermag sich nicht nur leichter der Gewalt zu entziehen als die Macht, sie ist in gewissem Sinne von der Gewalt sogar weniger in ihrer Eigenständigkeit bedroht als von der Macht. Denn mit der Gewalt kann der Einzelne auf viele Arten fertigwerden… er kann, mit anderen Worten, auf diese oder jene Weise seine Stärke und Integrität als Einzelner bekunden und bewahren. Macht aber kann diese Stärke wirklich vernichten; gegen die Macht der Vielen kommt keine Stärke von Einzelnen auf. Je mehr eine Staatsform wesentlich ein Machtgebilde ist, also vor allem im Falle der schrankenlosen Demokratie, desto schwerer wird es der Einzelne haben, sich in ihr zur Geltung zu bringen. Macht korrumpiert in der Tat, aber nur, wenn die Schwachen sich zusammentun, um die Starken zu ruinieren, nicht vorher. Der ,Wille zur Macht‘, wie ihn die Neuzeit von Hobbes bis Nietzsche als Laster oder Tugend der Starken auslegte, ist in Wahrheit eines der Laster der Schwachen und Schlechtweggekommenen, der von Neid, von Gier, von Ressentiment Geplagten… Wenn die Tyrannis der immer vergebliche Versuch ist, Macht durch Gewalt zu ersetzen, so ist Ochlokratie oder Mob-Herrschaft, die ihr genaues Gegenstück bildet, der erheblich aussichtsreichere Versuch, Stärke durch Macht zu kompensieren… ein Blick auf die uns ja nur zu vertrauten, typischen Gesellschaftsphänomene der Kliquenwirtschaft und des organisierten Beziehungsschwindels… genügt, um zu erfahren, wie die organisierte Macht der Vielen auf Gebieten, wo nicht Macht, sondern die jeweilige Stärke und Kompetenz des Einzelnen entscheidend sind, erreichen kann, daß diejenigen in den Vordergrund rücken, die nichts können und nichts wissen. Schließlich ist noch die rücksichtslose Entschlossenheit, mit der so viele unter den besten schaffenden Künstlern, Denkern, Gelehrten und Forschern sich in den Dienst der Gewalt zu stellen geneigt sind, zu verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welcher Konsequenz die moderne Gesellschaft ständig versucht, die Kraft ihrer Begabung zu unterminieren.

So könnte einem denn auch umgekehrt die dreizehnjährige Inhaftierung des Dichters in einer Anstalt „für kriminelle Wahnsinnige“ in ziemlich heillosem Lichte erscheinen: als typische Reaktion der gesichtslosen Macht der Vielen gegen die ohnmächtige Stärke des Einzelnen.
Hannah Arendt unterscheidet im Tätigsein des Menschen: die Arbeit, das Herstellen und das Handeln, worüber sie noch das Denken, die
vita contemplativa stellt. Jeder dieser vier Kategorien wohnt eine eigene Gesetzlichkeit der Lebenseinstellungen inne. Man kann sagen, daß Ezra Pound – im Unterschied zu den meisten Intellektuellen – zu jeder dieser Kategorien ein besonderes Verhältnis hat und es wäre aufschlußreich, die Cantos einmal danach zu entschlüsseln. Hier interessiert uns jedoch zunächst nur die Kategorie des Handelns, der Tat, deren virtù in dem Vollzug oder der reinen Aktualität liegt. Dies ist eine virtù, die dem Zeitalter der organisierten Macht der Schwachen denkbar fern liegen muß. Pound jedoch ist sie durchaus gegenwärtig, ja er spricht gar von einer „Poesie die mit Taten geschrieben ist“, von der „Drift in der Schicksalsluft“, einer Art Kontur in dem flüchtigen Stoff der Zeit. Ein historisches bzw. politisches Handeln dieser besonderen Art erscheint ihm dem künstlerischen Drang ebenbürtig und wesensverwandt:

als sei die DYNAMIS, die das Handeln erzeugt, so vollkommen in ihrer Mächtigkeit, daß das Gehandelte der verwandelnden Verdinglichung durch Homo faber entraten kann und für immer in der ihm eigenen ,Dynamik‘ schwingt. (H. Arendt)

Sehr häufig finden sich in den Cantos Stellen, an denen solche Taten mit großer Sympathie erfaßt werden, das moralische Urteil jedoch ausgesetzt ist – so z.B. in den vier Cantos, die sich mit der Person Malatestas beschäftigen. Auch an Mussolini bestach Pound vor allem eins: daß er inmitten der allgemeinen wirtschaftlichen Lethargie etwas unternahm. Die reine Aktualität des Handelns hat in Pounds Augen einen Wert, dem das moralische Ja oder Nein dazu sekundär ist. Daß wir uns hiermit auf sehr gefährlichem Boden bewegen, dürfte klar sein – gefährlich und gefährdet, wie alles Handeln, dessen Folgen letztlich nicht abzusehen sind. Auch dieser Bereich der vita activa als Tat und Wort wird von Hannah Arendt auf unvergleichliche Weise erkannt, wenn sie schreibt, daß „der tiefste Sinn der getanen Tat und des gesprochenen Wortes nicht am Erfolg hängt, ja daß dieser Sinn gerade ganz unabhängig von allen Siegen und Niederlagen weiter in der Welt bestehen kann, daß also das Gehandelte und Gesprochene trotz der Folgen, die sich unvermeidlich aus ihm ergeben, in diese Folgen niemals so verstrickt wird, daß es um seine eigenständige Intelligenz und mögliche Größe gebracht würde… Die Größe aber, bzw. der einer jeweiligen Tat in ihrer Einzigartigkeit zukommende Sinn, liegt weder in den Motiven, die zu ihr getrieben, noch in den Zielen, die sich in ihr verwirklichen mögen; sie liegt einzig und allein in der Art ihrer Durchführung, in dem Modus des Tuns selbst“.

Genau dies aber ist es, was Pound im Straflager von Pisa unter den größten Demütigungen für sich in Anspruch nimmt. Er tut es im Bewußtsein seiner unbedingten Integrität zur Zeit des Handelns, des Gar-nicht-anders-Könnens:

Doch daß man tat statt nicht zu tun
dies ist nicht Eitelkeit…
Der Fehler liegt im Nicht-Tun
Und in dem Kleinmut, der nichts wagte
(„Canto LXXXI“).

Eva Hesse

Räude und Marasmus: Der wirtschaftspolitische Angriff

Obwohl Pound während des Ersten Weltkrieges von Studien völlig in Anspruch genommen war, die sicher zu einem ordentlichen Dichter-Training gehören, fand er noch Zeit, nach den Ursachen des Konflikts zu fragen, der im Jahr 1918 seinem Ende zustrebte, und auf Mittel und Wege zu sinnen, durch die sich künftige Konflikte vermeiden ließen. Sein Umgang mit A.R. Orage, Redakteur des New Age und scharfer Kritiker der britischen Kriegführung wie auch der Bemühungen um die Gestaltung des Friedens, brachte ihn mit Männern zusammen, die sich überwiegend mit Staats- und Wirtschaftstheorien beschäftigten. Zu ihnen gehörte auch Major C.H. Douglas, der Begründer der Theorie des Sozialkredits. In einer seiner römischen Rundfunksendungen im Jahr 1942 sollte Pound sagen: „Nein, ich bin kein Anhänger der Sozialkreditbewegung, das ist eine Nebengasse, in die ich nicht eingebogen bin“; aber in den frühen zwanziger Jahren erschien sie ihm eher wie eine Prachtstraße, die zu einem Triumphbogen führen mochte.
Für Pound war das ersprießlichste unter den Menschenrechten die individuelle Freiheit – das Recht, alles zu tun, was keinem anderen schadet. Darum sollte die geistige Elite ihr Hauptbemühen darauf richten, „nicht nur die Unterdrückung zu beseitigen, sondern auch den Willen zur Unterdrückung selbst; den Willen, eine Unterdrückung aufrechtzuerhalten.“ Die Tyrannei des geistigen Durchschnitts, das Verlangen der „Provinzler“, jedermann in ein einheitliches Schema zu zwängen – sie mußten auf jeder Ebene bekämpft werden. Das zweckmäßigste war, festzustellen, zu wessen Vorteil das durchschnittliche Denken auf niedrigem Niveau gehalten wurde, und in wessen Interesse es lag, daß die Zeitungen Halbwahrheiten und Entstellungen brachten, oder daß die Verlagshäuser sich den freisinnigen Autoren versagten und die Universitäten dem außergewöhnlichen Mann ihre Pforten versperrten. Pound gelangte zu dem Schluß, daß der Feind weder in einer politischen Partei zu suchen sei, noch in einer gesellschaftlichen Schicht, noch in einer anderen Nation, sondern allein in einer kleinen festgefügten Gruppe von Drahtziehern, die, indem sie an einem Wirtschaftssystem festhielten, Parteien, Klassen und Nationen um ihres persönlichen Machtzuwachses willen ausnutzten und zwar teilweise kraft ihrer Kontrolle über Zeitungen, Verlage und Universitäten.
Kurz, Pound war zu einer wirtschaftlichen Geschichtsdeutung gelangt, die jedoch das Augenmerk keineswegs auf den Klassenkampf richtete. Gegenstand der Betrachtung ist vielmehr das Geld und die Regulierung des Geldumlaufs. Da die Sozialkredittheorie wohl eine wichtige Stufe auf Pounds gradus zu seiner derzeitigen Theorie gewesen ist, erscheint es ratsam, die maßgebenden Texte der Sozialkreditlehre zu zitieren und zu erläutern, um einen Begriff von Pounds theoretischen Gedankengängen der frühen zwanziger Jahre zu geben.
Die Theorie setzt mit einer Definition ein. Das Geld läßt sich bestimmen als „jedes Zahlungsmittel, das einen solchen Grad von Gültigkeit erreicht hat, daß ungeachtet des Materials, aus dem dieses Zahlungsmittel besteht oder des Grundes für seine Annehmbarkeit, niemand es im Austausch für sein Erzeugnis zurückweisen wird.“ Zweifellos ist Geld nicht mit Reichtum gleichzusetzen, und der Wohlstand einer Nation besteht nicht in ihrem Besitz an Banknoten oder Münzen. „Der wirkliche Reichtum einer jeden Nation beruht auf ihrer Fähigkeit, Güter (einschließlich der Dienstleistungen) zu erzeugen und zu liefern, wie, wann und wo immer sie benötigt werden. In gleicher Weise beruht der wirkliche Kredit einer Nation in dem Glauben an diese Fähigkeit, während der finanzielle Kredit einer Nation ganz einfach in der Veranschlagung dieser Fähigkeit in Währungseinheiten besteht, die ihren Ausdruck in einer monetären Form findet…“. Nun kann aber eine Industriegesellschaft ohne Kreditgeld nicht funktionieren. Tatsächlich hat der Finanzkredit einzig und allein die Aufgabe, den wirklichen Kredit in Bewegung zu setzen und zu lenken. Jedoch gibt es zwischen wirklichem Kredit und Finanzkredit eine Diskrepanz, durch die unsere wirtschaftlichen Schwierigkeiten verursacht sind. Der Ursprung des wirklichen Kredits ist die ganze Gesellschaft, der Finanzkredit aber ist das Monopol einiger weniger.

„Durch das ,Aufkaufen‘ des Geldes und durch die Forderung, kein wirklicher Kredit dürfe verwendet werden, es sei denn, daß sein Einsatz wieder ,Geld mache‘; und durch die Kontrolle des Geldumlaufs bei Erzeugern wie bei Verbrauchern sind [diese wenigen] tatsächlich in der Lage, den gesamten Wirklichen Kredit zu kontrollieren, der… eine kollektive Schöpfung und ein kollektives Eigentum ist – und sie kontrollieren ihn effektiv.

Die Problematik dieses Finanzsystems liegt darin, daß ein Teil des Geldes, das von einer Bank in Umlauf gesetzt wurde, etwa bei einem Darlehn an einen Erzeuger, den Verbraucher nicht erreicht, wodurch eine Verknappung der Kaufkraft entsteht. So führen z.B. die Darlehenszinsen eine solche Situation herbei: Der Schuldner wird gezwungen, mehr Geld zurückzuzahlen, als er erhalten hat; dieses Geld entzieht er der Allgemeinheit, die dadurch „Kredit“ für Verbrauchsgüter verliert. So muß dieses System, schon allein durch seine ihm eigene Mechanik, eine Gesellschaft hervorbringen, in der die wirtschaftliche Existenz der großen Masse „nur noch an einem Haar hängt“. Die Minderheit aber, die in zunehmendem Maße den Finanzkredit beherrscht, ist in der Lage, diese Mechanik beliebig anzukurbeln oder abzubremsen; sie kann die Industrie mit Geld überschwemmen oder den Geldzustrom unterbinden.
Offensichtlich besteht die einzige Abhilfe darin, die Überwachung des Finanzkredits wieder dem Staat zu überantworten – der ja, da er kein Privatunternehmen ist, nicht auf Gewinn hinzuarbeiten braucht; denn so könnte die Unstimmigkeit von Wirklichem Kredit und Finanzkredit vermieden und das Ende der Verknappung der Kaufkraft gewährleistet werden. Wenn diese Reform einmal durchgeführt wäre, dann, so glaubten die Verfechter des Sozialkredits, würden sich die gewerkschaftlichen und innerbetrieblichen Mißhelligkeiten von selbst erledigen; dann würde die Ausschüttung staatlicher Dividenden möglich, und was noch wichtiger ist, dann würde der internationale Handel so entschärft, daß aus einem „Kampf um die Märkte, der sich immer wieder zum Krieg anwachsen kann und der sich vom ,heißen‘ Krieg nur durch die Art der Waffen unterscheidet, ein freundschaftlicher Austausch des Produktionsüberschusses würde.“ (H. M. M., An Outline of Social Credit.)
Zu der gleichen Zeit, als Douglas und seine Gruppe für diese Abhilfe eintraten, versammelten sich die Diplomaten, um den Völkerbund zu gründen. Die Anhänger des Sozialkredits erhofften sich nichts davon, wie aus Douglas’ ironischen Bemerkungen über Woodrow Wilson hervorgeht:

… er kündigte den Eintritt der Vereinigten Staaten in die Weltpolitik mit einer Reihe von Reden an, die in silberschimmernde Beredsamkeit gekleidet waren, getragen von hehren Gefühlen, die das Denken der Menschen von den harten Gegebenheiten ablenken sollten; und dann heckten er und seine Zauberlehrlinge einen Vertrag und einen Völkerbund aus, die jedes dieser hehren Gefühle zum Gespött machten. –„Freie Statuten in aller Freimütigkeit ausgehandelt“; Mr. Lloyd George begibt sich nach Lympne, um mit Sir Philip Sassoon die politischen Richtlinien zu erörtern, bevor er mit M. Millerand die Völkerschicksale erneut wie Karten mischt; „Selbstbestimmung“ – und dabei sank bekanntlich die gewöhnliche, alltägliche Freiheit des amerikanischen Staatsbürgers in Mr. Wilsons Regierungszeit auf ein niedrigeres Niveau als selbst in Rußland unter dem Zaren.

Hinter Wilson, Lloyd George und Millerand steht Sassoon, ein Anführer jener gewandten Minderheit, der es weniger darum zu tun ist, die Welt zu einem sicheren Ort für die Menschheit zu machen, als darum, der Internationalen Finanz die Welt zu sichern. Douglas vermerkt eine interessante Möglichkeit:

The Spectator begann kürzlich mit einer Umfrage über das Thema der ,Jüdischen Gefahr‘… Den meisten Menschen ist dieser Mythos zweifellos vertraut, sollte es ein Mythos sein… Im voraus wird da das Bestehen großer, geheimer Organisationen angenommen, die nach Weltherrschaft streben… Ebensowenig wie The Spectator haben wir die Möglichkeit festzustellen, was an dieser Vorstellung bloßes Hirngespinst ist, oder, ob die ganze Angelegenheit nicht nur eine bösartige antisemitische Hetze bedeutet; aber wir dürfen mit jener Wochenschrift wohl annehmen, daß die Vorstellung womöglich nicht jeder Grundlage entbehrt, und daß wir jedenfalls, um mit der Zeitschrift zu reden, in unserem Land erheblich mehr Juden in wichtigen Stellungen haben, als wir verdienen… Wir glauben nun keineswegs, daß der durchschnittliche britische Jude solchen Machenschaften Vorschub leisten würde… aber in Anbetracht der seltsamen Indizien, die zur Erhärtung solcher Theorien vorgebracht werden, und in Anbetracht der lebenswichtigen Belange, die von dieser Frage berührt werden, geben wir zu, daß es weit besser ist, so viel Licht in diese Angelegenheiten zu bringen, wie zu ihrer Klärung erforderlich sein mag.

Douglas drückt sich hier vorsichtig aus, aber es kann keinen Zweifel daran geben, daß die Anhänger des Sozialkredits von den Juden – oder zumindest von den jüdischen Bankiers – keine hohe Meinung hatten. Der Social Crediter, die offizielle Zeitschrift der Bewegung, führt unter den Büchern, die von den Mitgliedern gelesen werden sollten, The Protocols of the Learned Elders of Zion an. Er druckt (wie schon The New Age) eine ganze Reihe anti-jüdischer Leserbriefe ab. In einer kurzen Analyse der englischen Geschichte schreibt Douglas die lange Depression von den Kreuzzügen bis zur Renaissance der Tatsache zu, „daß der Besitz des englischen Adels an die Juden verpfändet war“. Auch die hungrigen vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts waren, wie er versichert, „ebensowenig den Napoleonischen Kriegen zuzuschreiben wie die derzeitige Notlage der Industrie in diesem Land dem Krieg in Europa. Sie waren die Folge des mächtigen Einflusses, den Finanzleute wie die Rothschilds auf dieses Land gewannen, und der daraus resultierenden Verabschiedung der Englischen Bankakte von 1844 mit den anderen gesetzlichen Bestimmungen zur Einschränkung der Notenausgabe…“
Wenn Pound auch letztlich die Seitengasse des Sozialkredits links liegen ließ, so ist doch unverkennbar, daß er und die Douglas-Orage-Gruppe sich gegenseitig beeinflußt haben. Beide, er wie Douglas, hingen dem Gedanken an, daß der Schlüssel zum Verständnis der Geschichte in der Beobachtung liege, wieviel Geld jeweils im Umlauf war; beide waren sich darüber einig, daß der Völkerbund ein Handlanger der Tyrannei und Wilson eine Art Tyrann sei (Pound ist überzeugt, daß das Bundesreservebankgesetz, das Federal Reserve Act vom 23. Dezember 1913, den Ersten Weltkrieg ermöglicht hat, weil dieses Gesetz den Bankiers Gelegenheit bot, einen Krieg in Gang zu bringen, ohne ihn aus eigener Tasche bezahlen zu müssen); beide fanden sich auch bis zu einem gewissen Grad im Einklang mit der orthodoxen christlichen Einstellung gegenüber den Juden.
Obwohl sich Pounds volkswirtschaftliche Theorien in seinem Denken schon ziemlich früh herausbildeten, veröffentlichte er sie doch erst von den dreißiger Jahren an mehr oder weniger systematisch in Buch- oder Broschürenform. Zwischen 1933 und 1944 erschienen: das ABC of Economics; Jefferson and/or Mussolini, und die sechs „Money Pamphlets“. Die Tendenz dieser Schriften entsprach genau dem, was er Hemingway nahelegte:

… warum bedienen Sie sich nicht noch 24 Minuten lang Ihrer berühmten Birne, dann werden Sie begreifen, daß alle diese elenden Gemetzel durch das Geld verursacht werden. Wieso eigentlich?…
Sie haben einen Haufen erlebt und viel Mieses; aber
wieso kam es dazu? Weil irgendein sodomitischer Wucherer seine gottverfluchten Wolldecken und Flugzeuge verhökern wollte. Was ich in meinem Gedicht ja zu zeigen versuche…

In America, Roosevelt and the Causes of the Present War, erstmalig im Jahr 1944 veröffentlicht, drückte er es ein bißchen gewählter aus:

Kriege werden in ununterbrochener Folge von den großen Wucherern heraufbeschworen, vorsätzlich, um Verschuldung und Verknappung zu bewirken, so daß sie Zinsen für diese Schulden herausholen können, den Wert des Geldes hochtreiben können (das heißt, den Wert der verschiedenen Währungseinheiten, über die eben diese Wucherherren direkt oder indirekt verfügen); wobei sie den Wert der verschiedenen Währungseinheiten nach Belieben erhöhen und die Preise für die verschiedenen Lebensmittel nach Belieben heben oder senken, ganz ohne Rücksicht auf das menschliche Opfer, auf die gewachsenen Werte der Zivilisation und das kulturelle Erbe.

Die Todsünde unseres Jahrhunderts und der vorausgegangenen Jahrhunderte ist die Habsucht. Der Mechanismus, der sie in Gang setzte, war der Wucher – wobei unter Wucher eine „Gebühr“ zu verstehen ist, „die für den Nießbrauch der Kaufkraft erhoben wird, ohne Rücksicht auf die Produktion, oft ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten der Produktion“. Unter den großen Wucherern haben sich die Juden hervorgetan, aber die „Wucherherrschaft“ ist keineswegs eine ausschließlich jüdische Domäne. Als schwerwiegende Folge des Wuchers ist die Demokratie zu einer bloßen Spiegelfechterei reduziert worden:

Es ist einfach Zeitvergeudung, von dieser oder jener ,demokratischen Regierungsform‘ zu sprechen. Die wirkliche Regierungsgewalt war und ist hinter den Kulissen zu finden. Das ,demokratische‘ System funktioniert folgendermaßen: zwei oder mehr Parteien treten, unter der Regie der Wucherherrschaft, vor die Öffentlichkeit. Um der Form zu genügen und die Einfältigen zu beruhigen, gestattet man ein paar rechtschaffenen Männern und dem einen oder anderen unbeeinflußten Idealisten, ein wenig saubere Arbeit zu leisten, sofern sie nur nicht an die verschiedenen dunklen Machenschaften rühren. Die größten Schiebungen hängen mit der Hochfinanz und den Monopolen zusammen, vor allem mit der Monopolisierung des Geldes, sowohl innerhalb der Nation als auch im Zusammenspiel mit den verschiedenen ausländischen Währungen.

In seiner energischen Stellungnahme gegen die Praktiken des Wuchers wandte Pound zwischen 1934 und 1944 sehr viel Zeit und geistige Mühe daran, „eine Wechselbeziehung zwischen der Wirtschaftsauffassung des Faschismus und der des Kanonischen Rechts (das heißt den katholischen, mittelalterlichen Richtlinien der Volkswirtschaft) auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Sozialkredit-Programm von Major Douglas und dem Programm Gesells aufzuzeigen, wovon das letztere als ,natürliche Wirtschaftsordnung‘, zuweilen auch als ,Freiwirtschaft‘ bezeichnet wird.“
Von Douglas und Gesell hat Pound andernorts gesagt:

Zwei Männer haben der marxistischen Ära ein Ende gesetzt, Douglas, indem er das kulturelle Erbe als den großen und eigentlichen Ursprung der Werte betrachtete, und Gesell, indem er erkannte, daß Marx sich niemals die Frage nach der Funktion des Geldes gestellt hatte. Er nahm es als etwas Selbstverständliches hin.

Gesells Bemühungen zielten darauf ab, den Geldumlauf zu beschleunigen – das heißt, das Horten zu vereiteln – und zwar wollte er dies durch die Ausgabe von „Stempelscheinen“ erreichen. Pound erläutert die Theorie folgendermaßen:

Es sollte sich dabei um eine staatliche Banknote handeln, die der Inhaber am ersten Tag jedes Monats mit einer Stempelmarke von 1% ihres Nennwertes zu versehen hätte. Falls die Banknote die monatlichen Stempelmarken nicht in voller Höhe aufweist, ist sie ungültig. Das wäre dann eine Art BESTEUERUNG des Geldes. Bei der britischen Währung könnte sie in einer Höhe von 1/2 d. oder 1 d. für den Zehnschillingschein und von 1 d. oder 2 d. für das Pfund erhoben werden. Es gibt unzählige Möglichkeiten der Besteuerung, aber Gesells Steuer kann nur einen Menschen treffen, der in dem Augenblick, da die Steuer fällig wird, mindestens das Hundertfache des fälligen Steuerbetrages in der Tasche hat.
Mit Gesells ,Freigeld‘ hätten wir eine Währung, die sich nicht ungestraft horten ließe. Sie würde in ständigem Umlauf bleiben. Die Bankiers könnten sie NICHT in ihren Tresoren einsperren und die Allgemeinheit für ihre Herausgabe belasten. Es hätte den zusätzlichen Vorteil, daß es die Verkäufer verderblicher Ware nicht in solchem Maße benachteiligt, wenn sie mit Besitzern von theoretisch unverderblichem Geld verhandeln.

Eine Zusammenfassung der Poundschen Geldtheorie mag etwa so aussehen:

Das ZIEL eines vernünftigen und anständigen Wirtschaftssystems muß eine Regelung sein, wonach der bescheidene Staatsbürger Nahrung, Kleidung und Behausung in dem Maße haben kann, in dem sie zur Verfügung stehen. Geld ist ein frei umsetzbarer Gegenwert für Güter und Dienstleistungen; seine Funktion ist es, eine gerechte Verteilung der Lebensmittel und sonstigen Erzeugnisse eines Landes zu ermöglichen. Wenn wir das Geld für erhaltene Güter oder Dienstleistungen nicht umgehend hinlegen, heißt es, wir hätten ,Kredit‘ – das Vertrauen eines anderen Menschen, daß wir eines Tages das Geld ODER etwas in Geldwert Meßbares hinlegen können und werden. Der Staat hat Kredit. Dieser Kredit beruht letzten Endes auf der FREIGEBIGKEIT DER NATUR, auf dem nachwachsenden Gras, das die Schafe ernährt. Aufgabe des STAATES ist es, dafür zu sorgen, daß das GANZE Volk hinlänglich Geld in Händen hat, und daß dieses sich in entsprechend raschem UMLAUF befindet, damit die Verteilung des vorhandenen und möglichen Volkseinkommens gewährleistet wird. Diese Verteilung erfolgt über kleine Papierscheine. Wenn du nicht weißt, wie sie gemacht werden, wer sie ausgibt und wer sie kontrolliert, wird man dich um deine Existenz bringen. Die AUTORITÄT DES STAATES hinter dem gedruckten Geldschein bietet die beste Gewähr für eine GERECHTE UND ZUVERLÄSSIGE Währung. (Die Chinesen hatten das vor mehr als tausend Jahren begriffen, wie wir an der STAATSNOTE – nicht Banknote – der Tang-Zeit erkennen können.) Die STAATSHOHEIT beruht auf dem Recht der Geld-AUSGABE und in der Regulierung des Geldwertes. Nur der STAAT kann den GERECHTEN PREIS einer Ware mit Hilfe von staatlich kontrollierten Rohstoff-Beständen und durch Wiederherstellung eines Innungswesens in der Industrie wirksam festlegen. Eine Nation, deren Währung von Kräften AUSSERHALB der Nation abhängt, ist in Gefahr. STAATSGELD, das auf dem Nationalvermögen beruht, muß an Stelle des GOLDES treten, das von internationalen Wucherern manipuliert wird. (Diese Sätze sind What Is Money For? und Social Credit: An Impact entnommen.)

In Gold and Work hat Pound die Gesellschaft, die entstünde, wenn solche Prinzipien in die Tat umgesetzt würden, anschaulich geschildert:

Am vergangenen 10. September ging ich die Via Salaria entlang und geradenwegs in die Republik Utopia hinein, ein stilles Land, achtzig Jahre östlich von Fara Sabina gelegen. Da mir das fröhliche Wesen der Bewohner auffiel, erkundigte ich mich nach dem Grund ihrer Zufriedenheit, und mir wurde erzählt, das wäre auf ihre Gesetze wie auf die Erziehung zurückzuführen, die ihnen von ihren ersten Schultagen an zuteil werde. Sie behaupten (und darin stimmen sie mit Aristoteles und anderen alten Weisen aus Ost und West überein), daß unser Wissen von den Allgemeinbegriffen unserem Wissen um die Besonderheiten entspringt und daß alles Denken von den Definitionen der Wörter abhängt.
Um kleinen Kindern beizubringen, Einzelheiten zu beobachten, gibt es eine Art Spiel, bei dem eine Anzahl kleiner Gegenstände, z.B. drei Gerstenkörner, eine kleine Münze, ein blauer Knopf, eine Kaffeebohne, oder sagen wir: ein Gerstenkorn drei verschiedene Arten von Knöpfen usw. in der Hand gehalten werden. Die Hand wird kurz geöffnet, dann rasch wieder geschlossen, und das Kind muß sagen, was es gesehen hat. Für ältere Kinder wird das Spiel nach und nach schwieriger gestaltet, bis schließlich alle wissen, wie ihre Hüte und Schuhe gemacht werden. Ich erfuhr auch, daß es diesen Menschen, die gelernt haben, Begriffe zu bestimmen, gelungen ist, sich über ihre wirtschaftlichen Begriffe klar zu werden mit dem Ergebnis, daß verschiedene Mißbräuche der Börse und der Finanzwelt aus ihrem Land völlig verschwunden sind, denn niemand läßt sich länger zum Narren halten.
Und sie schreiben ihren Wohlstand einer einfachen Methode der Steuererhebung oder richtiger, ihrer einen Steuer zu, mit der nämlich die Währung selber belegt wird. Denn sie müssen auf jeden Schein von 100 Währungseinheiten am ersten jedes Monats eine Marke im Wert einer Einheit kleben. Und da der Staat seine Unkosten durch die Ausgabe neuer Noten bestreitet, braucht er niemals andere Steuern zu erheben. Auch kann niemand dieses Geld horten, denn nach hundert Monaten würde es seinen Wert ganz verloren haben. Dadurch wird das Problem des Umlaufs gelöst. Da nun das Geld nicht dauerhafter ist als andere Güter wie Kartoffeln, Getreide oder Stoffe, hat das Volk einen viel gesünderen Wertmaßstab entwickelt. Es betet das Geld nicht an wie einen Gott, es leckt nicht den gedunsenen Financiers und Syphilitikern der Börse die Stiefel. Und selbstverständlich ist es nicht von Inflation bedroht und sieht sich auch nicht gezwungen, den Wucherern zuliebe Kriege zu führen…
Über dem Eingang ihres Kapitols stehen die Worte: DER REICHTUM EINES LANDES IST SEINE REDLICHKEIT.

Daß Pound als Literat Wucher, ungerechte Besteuerung, staatlichen Zwang und die Übel des Industriestaates angriff, ist an sich nichts Neues. Er nimmt seinen Platz ein neben Emerson, Thoreau, Cooper, Howells, Clemens, Dickens, Morris, Ruskin, Carlyle, Shaw, den Aufdeckern der Korruption in Amerika und vielen anderen, als einer der Schriftsteller, die es ablehnten, ihrer sozialen Verantwortung auszuweichen. Mag sein, daß er, wie einmal gesagt wurde, 1910 in London als ein Ästhet und Epigone der Präraffaelitischen Bruderschaft eintraf. Er sollte jedenfalls in der Welt der Literatur zum freimütigsten Kritiker an der „pöbel-gesinnten geld-süchtigen Bande“ werden, „die den Erdkreis zu eigen hat“.
Seit drei oder vier Jahrzehnten werden immer wieder Klagen laut, daß die zeitgenössische Dichtung sich einer eigenen Sprache bediene, die nur einem kleinen Klüngel Eingeweihter verständlich sei, und daß die Dichter darum ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft vernachlässigt hätten. So weist Robert Spector auf Pounds Hochmut und Überheblichkeit in Sachen der „Kommunikation mit mehr als 95 Prozent seines ,ungebildeten Publikums‘“ hin. In Wirklichkeit aber gilt Pounds Hochmut und Überheblichkeit jenen 5 Prozent, die in seinen Augen dafür verantwortlich sind, daß 95 Prozent in Unwissenheit gehalten werden. Zugegeben, Pound hat schwierige Dichtung geschrieben, aber er hat seinen Angriff gegen den Feind nicht in einer Privat-Sprache vorgetragen und auch nicht für die Ohren einer exklusiven Minderheit. Im Gegenteil, er ist nur allzu deutlich geworden.
Nehmen wir die Gründung der Bank von England (die „Zinsnutz aus allem Geld zieht, das sie, die Bank, aus dem Nichts erschafft“) als Ausgangspunkt, so verfolgt er die Geschichte Englands:

… voran durch die Perioden des Wuchers,
Voran zum Haartuch, zu gehudeltem Mauerwerk,

Voran zu Londoner Bauten, Grundzins, ausblühende Ziegel,
(„Canto XLVI“)

Er vermerkt über die Errungenschaften des New Deal:

FÜNF Millionen Arbeitslose unter dem Nachwuchs
VIER Millionen erwachsne Analphabeten
15 Millionen in ,verfehlten Berufen‘ ohne viel Aussicht auf Arbeit,
NEUN Millionen im Jahr verletzte bei Betriebsunfällen, die zu verhüten waren,
Einhunderttausend Gewaltverbrechen. Die Vereinigten Staaten Amerikas
im dritten Jahr der Regierung Roosevelt, gez. F. Delano, sein Onkel.
FALL für die Strafverfolgung. Das heißt ein Fall, ein minderer Fall
In der Fortsetzungsfolge
Vereinigte Staaten Amerika, a. d. 1935
England ein schlimmerer Fall, Frankreich unter der Fäule der Landesverweser

(„Canto XLVI“)

Er beobachtet typische Einstellungen zum Schauspiel der Gegenwart:

der Rotz zum Brechen voll von Jasagern –
aaadas buckelt vor den Bonzen des Ortes
und stellt seine Vorzüge richtig,
aaaund die laudatores temporis acti betonen,
daß die Scheiße einst schwärzer und sämiger war,
und die Fabianer drängen auf die Verkäsung der Verwesung,
auf einen neuen Darmfluß, in Dragées gepaßt,
die Konservativen beim Klön, vornehm
aaain Gamaschen aus Hungerödemen;
und die Speichellecker treten den großen Reihen
aaaund maulen ob Hintansetzung,
ein uferloses Anliegen, Gegenklage auf die fällige Leckung

(„Canto XV“)

Er stellt eine entscheidende Ursache des Bürgerkriegs fest:

Schulden des Südens bei New York, das heißt bei den
Banken der Stadt, zweihundert Millionen,
Krieg, ich glaube nicht (aber haltet es, wie ihr wollt…)
Wegen der Sklaverei?
(„Canto XLVI“)

Und er erwähnt ein Ereignis aus jenem Krieg (nicht-militärischer Natur, aber dennoch bezeichnend):

’62, Bericht von dem Ausschuß:
Profite aus Waffen, der Regierung verkauft: Morgan
(Fall 97) verkaufte an die Regierung Regierungswaffen…
will sagen, die gehörten bereits der Regierung,
mit exorbitantem Gewinn
Dollars 160 tausend, auf einen Wuppdich für Mr Morgan
weil er den Goldkurs hinauftrieb.
„Eine Notlage auszubeuten“ (das heißt den Krieg)
Nach Gettysburg an einem Tag um 5 Punkte gefallen –
Hausse auf Gold und Baisse auf die Union
„Geschäfte blühten dank der Rückschläge des Krieges.“

(„Canto XL“)

Er schildert eine spätere Variante dieser Art von maßgeblicher Persönlichkeit.

aaaranghöchste Presbyter durch die Bank
Direktoren, die operierten durch Dachgesellschaften,
Diakone, die Wohnblocks in den Slums besaßen,
Alias Wucherer in excelsis,
aaaschlechthin die Quintessenz des Wuchers,
Schacherer mit Arbeitsstellen, stöhnend über ihre 20%,
aaaund die schlimme Zeit,
Und das Platzen der brasilianischen Effekten,
aaa(südamerikanische Effekten)
Und die Unsicherheit der Kapitalsanlage überhaupt
Es sei denn der Anlage in neuen Bank-Bauten
ergiebig in weiteren Bank-Bauten
Und kaum förderlich der Verteilung;

(„Canto XII“)

Und er weist mit einer freien Wiedergabe eines Textes von John Adams darauf hin, der anhaltende Erfolg ihrer Unternehmungen erkläre sich zu einem Teil daraus,

… daß Gewaltherrschaft
oder absolute Macht… unumschränkte Souveränität
sich gleich bleibt, ob als Mehrheit einer Volksvertretung,
als aristokratische Kammer, als oligarchischer Klüngel,
als alleinherrschender Kaiser, gleicherweis willkürlich, blutig
und des Teufels in jeder Hinsicht. Wo immer sie gewaltet
blieb nicht aus die Vernichtung aller Aufzeichnungen,
Memoiren und ihr nicht-genehmen historischen Werke, sowie
die Verfälschung all derer, die sie voll List aufbewahrten…

(„Canto XXXIII“)

Textstellen wie diese esoterisch zu finden, erscheint mir pervers. Das zugrundeliegende Übel wird herausgeschält; die Übeltäter werden genannt; die Auswirkungen geschildert. Und mögliche Lösungen – durchaus sachliche – werden vorgeschlagen. So auch in dieser Wiedergabe der Lehre von C.H. Douglas:

Eine Fabrik
hat noch einen weitren Aspekt, nämlich den finanziellen;
Sie verleiht Kaufkraft (Löhne und Dividenden,
die nicht andres als Kaufkraft sind), doch sie bewirkt auch die Preise
Oder die Werte, finanzielle Werte heißt das.
Sie zahlt die Arbeiter aus und zahlt
für die Rohmaterialien.
Was sie an Löhnen auszahlt und Dividenden
bleibt flüssig als Kaufkraft, und diese Kaufkraft ist geringer,
perforza geringer – kriegt das in euren Hirnkasten –
als die Gesamtausgaben der Fabrik, alle zusammengenommen
(in Form von Löhnen, Dividenden UND Zahlung für Rohmaterialien
Bankgebühren etcetera)
und alles, das heißt das Ganze, der Gesamtbetrag
wird der Gesamtheit der Preise hinzuaddiert,
die die Fabrik bewirkte, die jede verdammte Fabrik bewirkt
und darum ist da und muß immer ein Klotz da sein
und die Kaufkraft kann niemals
(unter dem jetzigen System) die Preise einholen,
die ihr davonlaufen,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaund das Licht wurde so blendend hell
in diesem Flöz des Paradieses,
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaadaß das menschliche Denken verdunkelt ward.

(„Canto XXXVIII“)

Kurzum, nicht Pounds Dunkelheit, sondern seine Klarheit, nicht seine Scheu vor der Verantwortung, sondern seine tatkräftige Annahme der Verantwortung – die Umsetzung seines Denkens in die Tat – liegen dem größten Teil der Kritik, wenn nicht der gesamten Kritik an Pound als Mensch und als Dichter, zugrunde. Es könnte kaum anders sein. Er griff die Unfruchtbarkeit der Philologie an, die Käuflichkeit der Presse, die Beschränktheit der kommunistischen Führer in monetären Fragen, die Bösartigkeit des Finanzkapitalismus, die Verwirrung und den Mangel an Willenskraft bei den Liberalen, den Dogmatismus der katholischen Welt, die Passivität und Unterwürfigkeit des Anglikanismus, die moralische Blindheit des Protestantismus, die Schimmerlosigkeit der Verleger und der journalistischen Kritik. Das heißt, er wandte sich gegen jenes Segment der Gesellschaft, das sich am ehesten Gehör zu verschaffen vermag, gegen jene Gruppen, denen eine Entgegnung am leichtesten fällt, gegen jene Gruppen, die alle diese öffentlichen Organe beherrschen.
Dazu kommt, daß er den Faschismus pries und manche Juden abfällig beurteilte. Um die Cantos zu verstehen, bedarf es einer gewissen Kenntnis von Pounds Geldtheorien, denn sie gehören wesentlich zur raison d’être und zum Sinn der Dichtung. Dazu muß seine Einstellung zu den Juden erörtert werden, da sie sich in erster Linie aus den Geldtheorien und der Lektüre von Brooks Adams’ historischen Untersuchungen herleitet. Jedoch spielt sein angeblicher Faschismus, abgesehen von vereinzelten Textstellen, keinerlei Rolle in den Cantos. Es wäre überhaupt nicht nötig, darüber zu reden, wäre auf journalistischem Niveau nicht so viel davon hergemacht worden, bis dieser Faschismus dem Leser wie ein Löwe den Weg verstellt und ihn von dem eigentlichen Gegenstand der Untersuchung ablenkt, nämlich von Pounds Dichtung.
Pound ist wohl niemals „eingeschriebenes Mitglied“ der Faschistischen Partei Italiens gewesen. Der Mercure de France (vom 1.4.1949) erhielt nach Veröffentlichung eines Artikels, in dem Pound beschuldigt wurde, Faschist geworden zu sein und nach Anweisungen der italienischen Regierung über den Rundfunk gesprochen zu haben, Briefe von Luigi Villari, „Ancien Fonctionnaire du Ministère Italien de la Culture Populaire, dont la radio dépendait“, von Carlo Scarfoglio, „Journaliste antifasciste dès le début du regime de Mussolini“, von Camillo Pellizzi, „Prolesseur d’Uniuersite en Italie“, von Mrs. Dorothy Pound (der Frau des Dichters) und von anderen, in denen alle bezeugen, daß Pound kein Faschist gewesen ist und daß er sich nach der Kriegserklärung der Vereinigten Staaten an Italien weigerte, weitere Rundfunkansprachen zu halten, bis man ihm versprach, er dürfe auch weiterhin seiner persönlichen Ansicht freien Ausdruck geben und würde nicht zu Äußerungen genötigt werden, die seinem Loyalitätsbewußtsein zuwiderliefen. Kurzum, er verlangte das Recht der freien Rede und erhielt es – und das in einer Diktatur und im Krieg. (In der Sendung vom 19. April 1942 sagte er: „Man hat mir Mikrophon-Freiheit geboten, und ich werde ganz ohne Rückendeckung davon Gebrauch machen…“) Gewiß, er hat sich dieses Rechtes bedient, um die Politik Präsident Roosevelts anzugreifen, besonders im Hinblick darauf, daß dieser die Vereinigten Staaten ohne Rücksicht auf den Volkswillen in einem Zustand des nicht erklärten Krieges auf die Seite Englands gebracht hatte, im Hinblick darauf, daß er die Vereinigten Staaten in die chinesisch-japanische Situation hineinmanövriert hatte, bis Pearl Harbor unvermeidbar geworden war. Damit aber gab er der schon lange bestehenden Ansicht Ausdruck, daß Roosevelt die Verfassung der Vereinigten Staaten in Frage gestellt habe. (Mrs. Pound bemerkt in diesem Zusammenhang, daß Pound von der faschistischen Theorie nur übernommen habe, was mit den in der amerikanischen Verfassung niedergelegten Grundsätzen in Einklang stand.) Fast gleichlautende Ansichten über Roosevelts Politik wurden damals in angesehenen (oder doch zumindest außerordentlich populären) Zeitungen sowohl vor dem Krieg als auch während des Krieges geäußert, ohne daß ihre Redakteure wegen Hochverrats vor Gericht gestellt wurden. Pounds Verfehlung lag offenbar nicht darin, daß er solche Ansichten hegte oder über den Rundfunk aussprach, sondern dies über einen feindlichen Sender tat. Nach einer Feststellung in Twentieth-Century Authors (herausgegeben von Kunitz and Haycraft, 1942) machte Pound bei Ausbruch des Krieges Anstalt, Italien zu verlassen und in die Staaten zurückzukehren, jedoch wurde ihm die Einreisegenehmigung von amerikanischen Konsulatsbeamten verweigert. Wenn das zutrifft, so wäre es wahrlich eine ironisch-unheilvolle Verkettung von Umständen, die den Dichter in die Anstalt von St. Elizabeth brachte.
Nach all dem hat es den Anschein, als ob man Pound streng nach dem Buchstaben des Gesetzes des Hochverrats beschuldigen könnte. Es hat aber auch den Anschein, als ob man ihm genaugenommen nur zur Last legen sollte, einige Jahre lang – und zwar aus wohlerwogenen Gründen – italophil gewesen zu sein.
Als Pound zu Anfang der zwanziger Jahre das Nachkriegs-London unerträglich fand, zog er nach Paris, wo er seine überquellende Energie darauf richtete, allen möglichen jungen Künstlern Gehör zu verschaffen – so organisierte er Konzerte, stand bei literarischen Zeitschriften Pate, schrieb Briefe und Rezensionen, las und redigierte Manuskripte. Bei Brancusi nahm er Unterricht in Bildhauerei und bei George Antheil in der Komposition, mit Ford Madox Ford arbeitete er an der Herausgabe literarischer Zeitschriften, beriet Hemingway stilistisch, kämpfte Joyce durch, half Eliot bei der Arbeit an The Waste Land und so weiter.
Trotz seiner Vitalität konnte Pound das Tempo, das er sich selber gesetzt hatte oder das ihm die Anforderungen der Zeit setzten, nicht ewig durchhalten, und so tauschte er schließlich den Aufenthalt in dem „entnervten Zentrum“ gegen ein Zuhause im „wiedererwachenden Italien“ ein.
Hier in Italien, wenn überhaupt irgendwo noch, war für Pound Urgestein. Nicht nur weil Italien ein riesiges Museum der bildenden Kunst und eine Schatzkammer historischer Überreste war, auch nicht weil „Götter in der blauenden Luft“ schwebten (obwohl beides ins Gewicht fiel), sondern weil Italien nach einer langen Periode der Lethargie bergauf schritt, während es mit dem Gespann England und Frankreich immer schneller bergab ging, Amerika sich in allen Himmelsrichtungen zugleich verlief und „der Verrat an der Verfassung in allen Adern schwärte“. In Italien sah Pound mit eigenen Augen die Wirkung, die Mussolini auf die Nation ausgeübt hatte. Seine Beobachtung deckte sich mit der von Lincoln Steffens:

Ebenso wie die Russen vor Lenin, waren die Italiener beunruhigt und zerstritten, bis Mussolini auftrat und sagte: „Laßt George mal ran!“ Als Mussolini sagte, das Volk solle mit dem Regieren aufhören und an die Arbeit gehen – er würde schon alles machen – war es fast so, als seufzte ganz Italien auf und sagte ,Amen‘. Und die Menschen kehrten an die Arbeit zurück und arbeiteten, wie sie nie zuvor gearbeitet hatten.

Über Mussolini schrieb Pound in jener ersten Zeit:

Ich persönlich halte große Stücke auf Mussolini. Wenn man ihn mit amerikanischen Präsidenten vergleicht (den drei letzten) oder mit britischen Premierministern usw., kann man es tatsächlich nicht, ohne ihn zu beleidigen. Wenn die Intelligenz nichts von ihm hält, kommt es daher, daß sie nichts vom ,Staat‘ versteht, nichts vom Regieren und keinen besonders stark entwickelten Sinn für Wertmaßstäbe besitzt. überhaupt, um was für eine Intelligenz handelt es sich hier schon?

Pound sah damals in Mussolini einen Mann von ungeheurer Energie und Willenskraft, „einen OPPORTUNISTEN, der RECHT hat, das heißt, der bestimmte Überzeugungen besitzt und der sie durch die Verhältnisse hindurch vorantreibt, oder die Verhältnisse mit ihnen zurechthämmert und formt“; er sah einen Italiener „getrieben von einer grenzenlosen, tiefen Sorge um das Wohlergehen Italiens, kein Italien der Bürokratie, kein Italien des Staatsapparates, der dem Volk künstlich übergeordnet ist, sondern ein organisches Italien, zu dessen Aufbau noch der einfachste Pflüger und die einfachste Olivenpflückerin gehören…“ Und Pound, stets ein Verfechter des „klaren mediterranen Denkens“ unterstützte dies: Da „es um EUROPA nun einmal so bestellt ist – der hinterwäldlerische deutsche Epileptiker, größtenteils noch im Morast des siebzehnten Jahrhunderts versunken, mit einem Haufen alter, vergammelter Militaristen, die ihren syphilitischen Wilhelm zurückholen wollen, und noch mehr Leuten, die nach Pogromen lechzen, und Frankreich gänzlich auf den Schwindel des Comité des Forges reingefallen – halte ich mich an ein starkes Italien als das einzig mögliche Fundament oder den einzigen Ankergrund, oder wie man es nennen mag, für das gute Leben in Europa.“
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Pound diagnostiziert, London sei „voll Todesangst vor dem Denken“ und Paris „müde, sehr müde“, Italien hingegen „voller Auftrieb“. Er zitiert einen italienischen Schriftsteller, der gesagt hat „… es ist entsetzlich, von soviel Energie umgeben zu sein und… und… keine Idee zu haben, mit der man sie beseelen könnte“. Mussolinis Leistung lag, so glaubte Pound, darin, diese Energie konstruktiv zu nutzen und eine „fortdauernde Revolution“ in die Wege zu leiten. Die wesentliche und sofortige Wirkung dieser Revolution bestand in:

grano, bonifica, restauri, Getreide, Trockenlegung der Sümpfe, Instandsetzungsarbeiten, Neubauten und, ich möchte dies auf eigene Faust hinzufügen, EINER NEU-ERWACHTEN INTELLIGENZ in der Nation und einer neuen SPRACHE in den Debatten der Kammer.

In einer Rundfunksendung vom 20. April 1942 bemerkt Pound:

Die Italiener sind die größten Nörgler der Welt… italienischer Individualismus; die Entwicklung der Persönlichkeit geht bis zur Überspanntheit…

und er behauptet, daß „allein das faschistische System diesen Menschen Zusammenhalt geben“ könne.
So sagte das von Mussolini neubelebte Italien Pound in einer Weise zu, wie es weder London noch Paris getan hatten. Das soll nun nicht heißen, daß er zum Faschismus bekehrt wurde. Er sagt dazu:

Mussolini hat Nationen von andersartigem historischem Gefüge niemals aufgefordert, die Kuppeln und Giebel des Faschismus zu übernehmen. Verpflanzte man ihn nach England, würde er seine Wurzeln wie Douglas kraftvoll bis zum Witanagemot schlagen.

Aber die zugrundeliegenden Ideen hätten, kraft ihrer Gleichartigkeit mit denen von Konfuzius und Jefferson, universale Gültigkeit, wenn sie auch in ihrer äußeren Erscheinung und in der Art und Weise ihrer Verwirklichung durch den ihnen eigenen Schauplatz und die jeweiligen Probleme ihrer Kultur bedingt würden. (Über Hitler und den Nationalsozialismus hatte er nicht viel zu sagen, weil er hierüber, wie er angibt, keine Kenntnis aus erster Hand besaß.)
Ganz offensichtlich hat er also die Rundfunkansprachen, die ihn vom Konzentrationslager über den Hochverratsprozeß in die Irrenanstalt gebracht haben, nicht als bestallter Propagandist der Faschisten und keineswegs mit hochverräterischem Vorsatz gehalten, sondern als ein non-konformistischer Amerikaner, der sich gegen den Kurs stellte, den sein Land eingeschlagen hatte. Im Grunde waren seine Ansprachen fast ausschließlich Wiederholungen dessen, was er zwei Jahrzehnte lang in Prosa und Dichtung gesagt hatte – daß nämlich der Materialismus, die Praktiken des Wuchers, die konformistische Verhaltensweise und das wirtschaftliche Analphabetentum alle Kultur abwürgten. Wie schon erwähnt, sind dies Grundgedanken der Cantos, die auf verschiedenen Ebenen der Sprache immer und immer wieder vorgebracht werden. Nirgends in den Cantos wird von der Übernahme der faschistischen Regierungsform als der Rettung für irgend eine Nation gesprochen. Es gibt zwar einige wohlwollende Hinweise auf Mussolini, aber verglichen mit John und Quincy Adams, Thomas Jefferson oder Andrew Jackson spielt er eine völlig untergeordnete Rolle.
Wenn die Indizien Pound von der Anklage des Faschismus freisprechen, so ist das Entlastungsmaterial in der Frage des Antisemitismus nicht gar so überzeugend. Es ist ein heikles Thema. Viele Juden, die sich der Verfolgung ihrer Rasse im Verlauf der Jahrhunderte bewußt sind, insbesondere dessen, was sich während der letzten drei Jahrzehnte ereignete, bewußt auch, daß an sich belanglose Sticheleien von heute sich zu Verfolgungen von morgen auszuwachsen vermögen, könnten jede Äußerung, die nicht eindeutig philosemitisch ist, sehr wohl als antisemitisch verstehen. Es ist tatsächlich so, daß man sich wie auf dünnem Eis bewegt, sobald man über einen angeblichen Antisemiten schreibt, und dabei weit vorsichtiger sein muß, als wenn man sich mit einer Person von kommunistischer oder ähnlicher Tendenz befaßt. Allein das Bemühen, objektiv vorzugehen, birgt schon die Gefahr in sich, verdächtig zu wirken.
Die Frage stellt sich meiner Ansicht nach folgendermaßen: gibt es verschiedene Grade und Spielarten des Antisemitismus? Oder kann ein Mensch ebensowenig „etwas“ antisemitisch sein, wie eine Frau „etwas“ jungfräulich?
Pound selber ist ein eingefleischter Begriffs-Trenner. Stets hat er nach Genauigkeit gestrebt und nach dem monadischen Wesenskern jedes Gedankens. Schon sehr früh in seiner geistigen Entwicklung fand er in Remy de Gourmont, dem Autor des Essays „La Dissociation des Idées“ einen Gleichgesinnten. De Gourmonts Methode bestand darin, einen Begriff, der allgemein als Einheit aufgefaßt wurde, zu prüfen und ihn in seine bislang übersehenen, wenn nicht gar vergessenen Bestandteile aufzugliedern. Er gelangte dabei zu dem Ergebnis, daß der Mensch bezeichnenderweise „seine Ideen nicht in Übereinstimmung mit der Logik oder mit der nachprüfbaren Richtigkeit aneinanderreiht, sondern gemäß seinen Wünschen und seinen Interessen“. Ebenso wie de Gourmont beseitigt Pound rechts und links Klischees. (Er war zeitweise so sehr an Semantik interessiert, daß er an C.K. Ogden schrieb und den Plan skizzierte, einen Canto in Basic English zu schreiben.) Tatsächlich, was den unvorbereiteten Leser an den Cantos am meisten verwirrt, ist der Umstand, daß er in dieser Dichtung eher „Bedeutungsfragmente“ (die übersehenen oder vergessenen Bestandteile) als den einheitlich hingenommenen gängigen Begriff vorgesetzt bekommt. So bietet Pound in „Canto XIII“ statt verallgemeinernder Ausführungen über Kungs Lehre Denkfragmente, die der Leser selber zusammensetzen muß:

Und Kung sprach das Wort aus: „Ordnung“
Und: „brüderliche Scheu“
Sagte nichts übers „Jenseits“
Bloß:
aaa„Ins Unmaß verfallen kann jeder
„Übers Ziel zu schießen ist leicht,
„Schwer unentwegt in der Mitte zu stehn“
Und sie fragten: „Wenn ein Mann einen Mord begeht,
aaaSoll sein Vater sich vor ihn stellen?“

Und Kung sprach:
aaa„Er soll sich vor ihn stellen.

Selbstverständlich kann Pound sehr wohl begrifflich denken und herkömmliche Essays mit normal aus dem Besonderen abgeleiteten allgemeinen Begriffen schreiben und seine Sätze dabei logisch und grammatikalisch miteinander verbinden. Und die Kritiker haben ihn energisch aufgefordert, in den Cantos zu dieser Methode zurückzukehren. Er hat diese Aufforderung nicht beachtet.
Was nun den Antisemiten betrifft, so dürfte für ihn typisch sein, daß er viel eher Klischees verwendet, denn daß er die Begriffe bis auf den Grund aufbricht. Von Pound müßte man erwarten, daß er auch hinsichtlich der Juden seine Begriffstrennungen vornimmt. Und er trifft wirklich Unterscheidungen.
Da er das Wort „antisemitisch“ als „Idioten-Terminologie“ betrachtet, vermerkt er es übel, wenn es auf ihn selber angewandt wird. Jedoch hat er nichts dagegen, wenn es durch die Bezeichnung „anti-kabbalistisch“ ersetzt wird. Darin liegt bereits ein Unterscheiden zwischen den „harmlosen“ und den „schädlichen“ Juden, wie er es auch in seiner Sendung vom 1. Mai 1942 tat:

Laßt die armen Juden zufrieden, laßt Mikes (Michael Golds) ,Juden ohne Geld‘ zufrieden; aber tretet den Shatkans und Sassoons entgegen, die unter euch sind und deren Geld arbeitet…

Eine ähnliche Begriffstrennung wird in der Sendung vom 30. April vorgenommen:

Fangt kein Pogrom an. Das heißt, fangt nicht mit dem Umbringen kleiner Juden an, wie man es früher tat. Solche Methoden sind völlig sinnlos. Freilich, wenn jemand den genialen Einfall hätte, ein Pogrom ganz oben vorzunehmen… dafür ließe sich einiges sagen. Aber im großen und ganzen sind doch gesetzliche Maßnahmen vorzuziehen. Die sechzig Itzigs, die diesen Krieg angestiftet haben, könnte man nach St. Helena verbannen, als eine Art Vorbeugungsmaßnahme der Welt, und noch ein paar Ober-Itzigs, das heißt nicht-jüdische Itzigs dazu.

Mit diesen Äußerungen hat sich Pound zumindest von Dachau und Buchenwald, von den Gaskammern und den Viehwagen-Transporten distanziert. Andererseits hat er hier (wie auch in anderen Sendungen und Schriften) die Überzeugung bekundet, der Einfluß jüdischer Finanz sei derartig, daß er sich im ganzen vorigen Jahrhundert wie eine Weltverschwörung auswirkte. In „Canto LII“ zum Beispiel erwähnt er die „kleinen Jidden… die für die Blutrache einiger prominenter Juden an den Gojim zahlen.“
Kaum ein liberal gesinnter Mensch wird sich hier nicht fragen, wie ein so belesener Mann wie Pound zu einer solchen Ansicht kommt. Und wenn er in Abram Sachars A History of the Jews liest, daß die Montefiores, Salomons und Goldsmids in England, die Pereires in Frankreich, die Bischoffsheims in Deutschland und die Rothschilds im 19. Jahrhundert überall in Europa so mächtig wurden, daß sie den Lauf der Geschichte beeinflussen konnten, so wird er wohl mit dem Verfasser des Buches, einem Präsidenten der Brandeis Universität, darin übereinstimmen, daß ein solcher Einfluß nicht unbedingt die Bildung von Cliquen zur Beherrschung der internationalen Finanz nachziehen mußte.
Liest nun ein amerikanischer Liberaler das Buch, so wird er kaum zu den gleichen Schlüssen kommen wie ein europäischer Katholik aus der Klasse der Grundbesitzer, von ähnlicher Bildung. Beide sind das Produkt ihrer Umwelt; beide haben Vorurteile; es ist unwahrscheinlich, daß einer von ihnen die eingehenden Untersuchungen vornimmt, die notwendig wären, um Professor Sachars Schluß zu überprüfen. Das bedeutet nun nicht, daß der liberal Denkende unrecht und der angenommene Grundbesitzer recht hat, sondern nur, daß der Glaube an die Macht von jüdischen Finanziers und sogar an die geheimen Organisationen, die sie angeblich bildeten, nicht unbedingt ein Merkmal des Ungebildeten, des Wirrkopfes oder des Böswilligen sein muß.
Man mag sich erinnern, daß Brooks Adams zwischen der Gesellschaft, in der ein kriegerischer, phantasievoller Geist bestimmenden Einfluß gewann und derjenigen, in der das wucherische Denken vorherrschte, streng unterschied. Das 19. Jahrhundert wertete er folgendermaßen:

eine jener tiefgreifenden, fast unmerklichen Wandlungen stand bevor, die durch eine Umwälzung der Bedingungen, unter denen sich Menschen miteinander messen, das Gesicht der Zivilisationen ändert; es war eine Wandlung, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu der entscheidenden Abkehr von dem kriegerischen, phantasievollen Geist geführt hat.

Oder, wie er genauer formuliert: „Vom Jahr 1810 ab hat die Natur das wucherische Denken begünstigt, ganz wie sie es auch in Rom von Augustus Tod an begünstigt hatte“, ein Vorgang, der, wie er behauptet, „Roms Verweichlichung kennzeichnete“. Und noch genauer:

… die scharfsinnigsten Geister stiegen sogleich über die Leichen der schwächeren auf, und die Rothschilds behaupteten sich als die Diktatoren der Weltmärkte.

Pounds Befund deckt sich mit dem von Adams. Und in seinen Cantos bedient er sich zweier historischer Gestalten, um die beiden Geistestypen, die sich im 19. Jahrhundert entwickelten, zu veranschaulichen: Napoleons als des Repräsentanten der kriegerischen und phantasievollen Denkweise (der allerdings von den Juden als ihr Befreier von mittelalterlicher Diskriminierung gepriesen wird); und Rothschilds als des Repräsentanten des Wucher-Denkens. Es muß darauf hingewiesen werden, daß dieser Konflikt der Denkweisen des 19. Jahrhunderts in früheren Cantos mit der Darstellung des Konfliktes zwischen dem kriegerischen, phantasievollen Malatesta und der landgierigen Kirche vorweggenommen wurde. Womit gesagt werden soll, daß Pound den Geist des Wuchers angreift, wo er ihn findet – bei Juden, bei italienischen Katholiken, bei protestantischen Schotten und Briten (etwa in der Person des Gründers der Bank von England), bei Amerikanern (mit besonderer Anspielung auf Nicholas Biddle) und so weiter.
Seine Kritik an den Rothschilds scheint schärfer als die an anderen. Jedoch werden in dem zusammenfassenden Absatz, in dem Napoleons Sturz geschildert wird („Canto L“) die Juden nicht einer besonderen Aufmerksamkeit preisgegeben; die schlimmsten Schimpfworte sind Nicht-Juden vorbehalten:

England und Österreich machten sich stark für Despoten
aber voll Rücksicht auf den Geschäftsgang
aaaaaaaaaaaaaaaaden Papst zu re-installieren, doch
keine Republiken: Venedig, Genua, Lucca
und Polen aufzuteilen. In ihrer Seele war Wucher
in ihrer Hand blutige Unterdrückung
und dieser Hund, der Rospigliosi,

kam nach Toskanien herein und machte Leibeigene aus
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaalteingesessenen Toskanern.
Unflat auf dem Thronsessel Englands, Unflat auf dem
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaösterreichischen Sofa
In ihrer Seele war Wucher und in ihren Köpfen Dunkel
und Leere; öliger Schmer warn vier Georgs,
Jauche in Spanien, Wellington ausgehalten von einem Juden
und ohne Schimmer von dem was er bewirkte.
„Laßt den Herzog und haltet euch an das Gold!“
In ihrer Seele war Wucher und in ihren Herzen Feigheit
in ihrem Denken Gestank und Zersetzung
zwei Eiterherde zusammen: Talleyrand raß von Schanker,
und, aus der Hölle grebretzt, Metternich
die Senkgrube stank wie heute und immer
aaaaaaaaaa„Von der Brigantine Inconstant“
einhundert Tag lang gegen den Huckauf der Hölle,
Hoffnung fisselt vom März in den Juni
aaaaaaaaaaNey aus dem Sattel
Grouchy aufgehalten
aaaaaaaaaaBentincks Wort wurde selbstredend
Nicht von England gehalten. Genova unter Sardegna. Hoffnung
fisselt von Cannes, März, bis nach Flandern.

Und Pound läßt Napoleon seine Niederlage ganz im Brooks-Adamsschen Sinn erklären:

aaaaaaaaaaaaaaaaaaaa„Nicht etwa“,
sprach Napoleone, „wegen der Liga der Läuse,
sondern weil ich gegen den ,Zeitgeist‘ war! Das war mein Verderben.
Daß ich meiner eigenen Zeit zuwiderlief, rückwärts gewendet“

Daß in den Cantos Unerfreuliches über Juden gesagt wird, ist nicht zu leugnen. Aber nicht ausschließlich Unerfreuliches. In „Canto XXII“ beschreibt Pound Juden in der Synagoge und findet, daß sie von seinen beiden Lieblingstugenden beseelt sind: von hilaritas und humanitas. Nicht Pound, sondern ein Mohammedaner äußert sich hier antisemitisch, und das Ereignis, das nicht erfunden ist, wirkte sich so nachhaltig auf Pound aus, daß er es für wert befand, es festzuhalten, denn es war: „der erste Schock: auf mohammedanische Vorurteile zu stoßen – rassische, nicht soziale Vorurteile“.
Doch für den jüdischen Finanzmann empfindet Pound keinerlei Zuneigung. „Canto LXXIV“ enthält die freimütigste diesbezügliche Äußerung:

sicher bedingt durch den Laich des gr. Mayer Anselm
Was der alte Morgenthau vom eselohrigen Militaristen
aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaain Byzanz gehört hatte:
aaa„Wieso aufhören?“ „Um erneut anzufangen, wenn wir stärker sind.“
und dem jungen Morgenthau den Tip aus den Augiasställen von Paris
Sieff anwesend, oder auch nicht,
wie es sich eben traf,
aaaaaaaaaaaaaaaderart bedingend.
Mayer Anselm, ’ne Rrromanze, ja ja, gewiß doch
um so törichter von dir, zwei Jahrhundert später
aaaaaaaaaaaaaaadrauf reinzufallen

vom Stuhl die blonden Bastarde, ja stoßt sie.
aaaDer Jud ist ein Stimulans und die Gojim
nur zu oft Hornvieh, sie ziehn zum gängigen Schlachten
mit der größtmöglichen Gefügigkeit.

Hier erheben sich folgende Fragen: Hat ein Jude in Paris dem „jungen Morgenthau“ gegenüber wirklich den Ausspruch getan „vom Stuhl die blonden Bastarde, ja stoßt sie“? Und sollte dies der Fall sein, erwartet denn Pound von seinem Leser, er sollte von einem solchen Zeugnis auf eine jüdische Verschwörung schließen? Es ist interessant, wie Pound noch im Guide to Kulchur von „Mayer Anselm“ hatte feststellen können, daß er „sagen wir, Belange, eine Rasse (seine eigene) zu ,rächen‘ hatte. Er bediente sich der EINZIGEN Waffe [der Waffe des Geldes], die einer winzigen Minderheit, einem einsamen Streiter gegen die organisierte Macht der Gojim, gegen Schwulst, Militarismus, Phrasen und Meinungsmache zur Verfügung stand“. Für Pound sitzt der Haken da: die jüdische Minderheit, die in so dramatischer Weise der Ausbeutung durch die Christen entging, steht nun im Begriff, die Funktion und die Charaktereigenschaften der früheren Ausbeuter zu übernehmen.
Nun könnte ein Unbefangener womöglich zu Pounds Entlastung vorbringen, seine Einstellung sei nicht gegen die Semiten sondern gegen den Wucher gerichtet; er hasse nicht alle Juden ausnahmslos, weil sie Juden seien, hingegen ein paar Juden, weil sie mit dem Geld Mißbrauch trieben. Er könnte zur Erhärtung anführen, daß Pound im Guide to Kulchur das rassische Vorurteil als Ablenkungsmanöver kennzeichnet und meint:

Es ist unsinnig, daß der Angelsachse den Juden verunglimpft, nur weil er ihn auf seinem eigenen Gebiet schlägt.

In Anbetracht der ständigen Angriffe auf die Juden wegen ihres „Weltbürgertums“ ist es interessant, daß sich Pound dort selber als Nomade bezeichnet und dazu bemerkt:

Es steht mir nicht zu, den semitischen Bruder seiner ähnlichen Veranlagung wegen zu tadeln.

Und im Jahr 1954 hat Duarte de Montalegre all dies in einer Sendung vom Vatikan tatsächlich zu seiner Entlastung vorgetragen:

Das Wesentliche in Ezra Pounds Botschaft läßt sich in den Worten zusammenfassen: „Er hat den Wucher angeprangert.“ Deswegen haben ihn so viele Menschen für einen Anti-Semiten gehalten, wodurch sie selber den Fehler begingen, eine üble Praktik mit einer ganzen Rasse zu identifizieren. Ist dieses Mißverständnis erst einmal ausgeräumt, bleiben keine ernstzunehmenden Gründe für die Anschuldigung bestehen.

Da die Kritik an der jüdischen Finanz in den Cantos nur eines und noch dazu ein unwesentliches Thema unter vielen darstellt, kann der Leser sehr wohl zu einer gewissen Übereinstimmung mit Montalegre gelangen, wobei selbstverständlich berücksichtigt werden sollte, daß Pound das Alte Testament für ein fast durchweg böses Buch hält, dem er einen verderblichen Einfluß zuschreibt; daß er ähnlich wie George Santayana auf seiner anfänglichen Meinung beharrt, das Christentum hätte insofern Schaden genommen, als es das jüdische Element seiner Lehre über das, was von Griechenland hereinfloß, die Oberhand hat gewinnen lassen. Aber er wird darin ebensowenig einen Angriff gegen die Juden als solche erblicken, wie Pounds Kritik an Aristoteles [Aristoteles’ Ethik] im Guide to Kulchur einen Angriff gegen die Griechen als solche darstellt. Wenn er in den Cantos einer offenbar antisemitischen Äußerung begegnet, wird er sie gegen andere Äußerungen abwägen, etwa die folgenden:

WUCHERER haben keine Rasse. Ich weiß nicht, wie lange das ganze jüdische Volk als Sündenbock für den Wucherer herhalten soll…

… das internationale Wuchertum enthält mehr an Calvinismus, mehr an protestantischem Sektierertum als an Judaismus.

Sogar Pounds Anti-Rothschild-Bemerkungen müssen im Licht seiner Frage betrachtet werden, ob „der Antisemitismus, ein Ablenkungsmanöver wie nur je eins, nicht vielleicht ein Krieg im Dunkeln der fünf protestantischen Dynastien der Schweiz gegen Rothschild sein könnte, dem sie, soweit wir Einblick haben, vielleicht niemals den Einbruch in das von Necker geschaffene Monopol verziehen haben. Selbstverständlich konnten SIE Rothschild nicht als Zinseneinnehmer und Monopolisten angreifen. Tatsächlich bliebe ihnen nichts weiter übrig als solche Flüsterpropaganda.“
So könnte der sachliche Analytiker aus einer unbefangenen, nicht-jüdischen Haltung heraus die Meinung vertreten, daß wir uns bei der Frage von Pounds angeblichem Antisemitismus einer ganzen Anzahl möglicher Antworten gegenübersehen:

1. Er ist ohne jede Einschränkung Antisemit;
2. Er ist in erster Linie anti-monotheistisch und daher (soweit er überhaupt „anti“ ist) sowohl anti-christlich als auch antisemitisch;
3. Er ist nicht gegen die Juden, sondern gegen den Wucher;
A. Er hat recht damit, die jüdischen Finanziers besonders anzugreifen;
B. Er hat unrecht damit, da die jüdischen Finanziers den Wucher nicht stärker betreiben als die nicht-jüdischen und von den letzteren zahlenmäßig weit übertroffen werden;
C. Er betrachtet die Juden nicht für sich allein; sie nehmen ihren Platz in einem System ein, dem französische, griechische, britische, amerikanische, deutsche und andere Bankiers, Rüstungsfabrikanten, Journalisten, Politiker und so weiter in gleicher Weise angehören.
4. Er ist antisemitisch, weil er, der nicht für die Juden ist, gegen sie sein muß.
5. Er ist theoretisch kein Antisemit, ist es aber der praktischen Auswirkung nach gewesen, da er das antisemitische Lager bestärkte, das seine Äußerungen übernahm, ohne seine Begriffstrennungen zu berücksichtigen.

Der Analytiker könnte auch darauf hinweisen, daß sich diese Antworten nicht gegenseitig ausschließen; es wäre ein durchaus realistischer Standpunkt, eine Verbindung von 3B oder 3C und 5 vorzunehmen. Was jedoch dem Leser der Cantos möglich ist, gilt nicht für den Leser der Rundfunktexte, auch wenn es zutrifft, wie wir gesehen haben, daß Pound seinem Zorn konsequent nur gegen die jüdischen Finanziers freien Lauf läßt. Aber seine offensichtliche Verranntheit in dieses Thema, der ehrenrührige Ton, in dem er Namen nennt, und seine Weigerung, irgendeinen ausgleichenden Hinweis auf jüdische Tugenden mitzugeben, erschweren es einem wirklich sehr, hier etwas von einer humanistischen Bildung zu entdecken. Man könnte einwenden, daß all das, wenn man es innerhalb der eigentlichen Grenzen literarischer Kritik betrachtet, von geringer Bedeutung ist. Eine kritische Würdigung von The Faerie Queene oder von Paradise Lost ist ja auch nicht von dem Anti-Katholizismus oder dem Anti-Monarchismus der jeweiligen Autoren abhängig. Andererseits kann man an diesem Thema nicht vorbeigehen, da die Cantos, ebenso wie die Werke Spensers und Miltons, eine Ideendichtung sind.

Clark Emery , aus Eva Hesse (Hrsg.): Ezra Pound. 22 Versuche über einen Autor, Athäneum Verlag, 1967

Der Tod Ezra Pounds

– Auszug aus einem Gespräch über den Gebrauch der Mantra-Silbe AH (Tibetanisch, aus dem Sanskrit; AH steht für Reinigung der Sprache und Erkenntnis grenzenloser Räumlichkeit), live im Rundfunk übertragen, wird von einem Professor unterbrochen, der den Raum mit der Nachricht von Ezra Pounds Tod betritt. – Hrsg. – Radio Talkshow des Senders KDNA, St. Louis, Missouri, vom 1. November 1972. –

Professor: Wissen Sie schon?

Allen Ginsberg: Was?

Professor: Ezra Pound ist tot.

Ginsberg: AH… für Ezra Pound. Wann ist er gestorben?

Professor: Keine Ahnung. Hab’s eben in den Nachrichten gehört – in den letzten paar Stunden wohl.

Ginsberg: Ruhe in Frieden, Ezra. Wunderbarer Mann – ist bestimmt sehr friedlich gestorben – in einem Zustand körperlicher Abgemagertheit und geistiger Würde. Er war wie Prospero – weise, ein großer Lehrer – und ein großer Guru, und am Ende ein großer Schweigender. Dasselbe Schweigen, das bei uns heute abend ein paarmal für Augenblicke herrschte, wahrte er tage- und stundenlang, und in den letzten zehn Jahren hat er nicht mehr den Mund aufgemacht und nichts mehr gesagt, es sei denn er hatte etwas zu sagen, etwas Vernünftiges und Scharfsinniges. Und wenn er dann einmal den Mund aufmachte, kam immer was Trockenes, Sachliches heraus.

Moderator: Die Preisvergabe der American Academy of Arts and Sciences an ihn war ja in letzter Zeit ziemlich umstritten.

Ginsberg: Pound wird von einem Haufen neofaschistischer Scholastiker angegriffen – von den neoreaktionären CIA-Hetzern wird Pound angegriffen. Irving Kristol greift Ezra Pound an –. Irving Kristol, ehemaliger Herausgeber der Zeitschrift Encounter, als sie noch vom CIA finanziert wurde, großer Kämpfer für Recht und Ordnung an den Universitäten, schrieb an Harper & Row, die sollten ihr Buch über die Verflechtung des CIA in den Opiumhandel Indochinas erstmal dem CIA zur Prüfung vorlegen (was schon vor der Veröffentlichung zu Zurückhaltung geführt haben wird). Dieser I—– K—– brachte es fertig, der New York Times zu schreiben, Pound verdiene den Preis nicht, weil er moralisch korrupt sei, schließlich habe er ja mal den Faschismus unterstützt. I—– K—–, der gerade eine Anzeige unterzeichnet hat, daß er den Massenmörder Nixon wählen werde! Dolles Aha-Erlebnis!

Moderator: Wie denken Sie darüber, jemandem mit den Ansichten, die Pound vertrat, einen Preis zu verleihen?

Ginsberg: Irrelevant! Wenn der Preis das Glück hat, ihn zu finden, soll der Preis sich freuen. Der Preis braucht ihn – nicht er braucht den Preis. Ja, man sollte ihm sämtliche Preise verleihen. Es ist eine Schande, daß er den Nobelpreis und all die anderen Preise nicht bekommen hat – er war der größte Dichter unserer Zeit!, der größte Dichter unserer Zeit… Ist das ein Segen heut abend, daß er tot ist.

Moderator: Wie meinen Sie das – größter Dichter unserer Zeit?

Ginsberg: Er war der einzige Dichter, der Sprache als vom Körper gesprochen wahrnahm und in Zeilen einzuteilen begann, die rhythmisch gesungen werden konnten, ohne dem gesunden Menschenverstand Gewalt anzutun, ohne in hysterischen Fantasien oder roboterhafte metronomische Repetiererei zu verfallen, in diesen abgedroschenen Nachhall längst verjährter Ausdrucksformen; er war der erste Dichter seit Walt Whitman, der für Amerika neue Formen erschloß – er war sicher der größte Dichter seit Walt Whitman… der Mann, der in venedischen Bibliotheken die Manuskripte Monteverdis entdeckte und sie im 20. Jahrhundert herausbrachte, damit wir sie hören konnten. Der Mann, der sich bei seinen höchst geistreichen Forschungen über Vokale mit den großen Musikern der Renaissance beschäftigte, um zu hören, wie die damals Vokale hörten und sie Silbe für Silbe in Musik umsetzten, dabei auf die Musik Vivaldis stieß und ihn ans Licht der Öffentlichkeit brachte –

Moderator: Hat ein Buch über Harmonie geschrieben.

Ginsberg: Hat ein Buch über Harmonie geschrieben, hat eine Oper über Villon geschrieben. Das Buch über Harmonie kenne ich nicht.

Moderator: Wie stehen Sie dazu – einige Juden haben sehr heftig auf die negativen Sachen reagiert, die er über die Juden gesagt hat.

Ginsberg: Pound hat mir gesagt, er finde die Cantos „von vorne bis hinten dumm und ignorant“, sie seien ein Fehlschlag und „reiner Mist“, und seine „größte Dummheit“ seien seine „dummen spießigen antisemitischen Vorurteile“ gewesen – hat er 1967 in einem Gespräch mit mir gesagt. Ich habe ihm geantwortet, für mich habe mit den Cantos zum erstenmal ein Individuum über ein ganzes Leben hin alle seine größeren Obsessionen und Gedanken und den ganzen Regenbogen seiner Ideen und Leidenschaften und Zuneigungen und Entdeckungen und Wahrnehmungen aufgezeichnet; sie seien also eine genaue Darstellung seines Geistes, und deshalb könne man sie nicht in Kategorien wie Erfolg oder Mißerfolg stecken, sondern müsse sie nach der Aktualität ihrer Darstellung beurteilen; und zum erstenmal habe da ein Mensch über 50 Jahre hin seine ganze Gedankenwelt aufgezeichnet und diese Gedanken auch zuende gedacht – und damit ein Modell seines Bewußtseins über eine Zeitspanne von 50 Jahren gebaut –, und schon deswegen seien sie eine große menschliche Leistung. Einschließlich sämtlicher Fehler natürlich.

Moderator: Also ähnlich wie bei Leaves of Grass, oder? Wieder wie Whitman, der dies ja in Leaves of Grass unternahm.

Ginsberg: Ja, genau. Pound demaskierte oder entmystifizierte auch das Wesen der Banken, des Geldes und der Währung; seine Vorstellungen von den Banken und der halluzinatorischen Rolle der Banken, die jeden von der Tatsache ablenken, daß das Geld, das sie in Form von Krediten herausgeben, in Wirklichkeit von der Regierung stammt, weil es ja von der Regierung gedeckt wird; die Banken könnten es sonst nicht als echte Kredite, Papiergeld, Schecks vergeben – die Regierung kann nur dann Geld von den Banken leihen, wenn die Regierung selbst die Banken deckt, also leiht die Regierung Geld von sich selber, weil die Berechtigung, die die Banken zum Geldverleihen haben, einschließlich der, Geld an die Regierung zu verleihen, allein auf der Tatsache beruht, daß die Bundesregierung die Banken deckt. Pound entmystifizierte diese sehr simple Tatsache, die das Denken der Amerikaner seit 100 Jahren vernebelt hatte, mit der Folge, daß Abbie Hoffman sich auf den Balkon über der Börse in Wall Street stellte und diese ganzen Geldsüchtigen und Gewohnheitsmaterialisten mit Gratisgeld bewarf.
Also ich denke, Pound hat viele Leute auf vielerlei Weise beeinflußt, meist auf sehr revolutionäre und charmante Weise; Imamu Amiri Baráka z.B. dürfte den Partikularismus seiner Schwarzen Revolution größtenteils von Pound haben. Der Reinertrag und die Summe von Pounds Energie läuft schließlich auf die Befreiung der Stimme hinaus, auf die Befreiung des Vokals, die Befreiung des Sprachbewußtseins, die Reinigung der Sprache; Pounds Karma wäre demnach AH.

Moderator: Sehen Sie persönlich über Pounds Verhältnis zum Faschismus hinweg, oder akzeptieren Sie das einfach?

Ginsberg: Nein. Ich sehe das als Teil des Charakters und der Gemütslage, Ge-müts-la-ge. Beide sind wechselhaft. Ich glaube, es hat ihm beliebt, eine Zeitlang geistig krank zu sein – wenn Sie sich die Schallplatten anhören, die im St. Elizabeths aufgenommen wurden, hören Sie eine gereizte, mürrische Stimme. Wenn Sie sich aber die Platten anhören, die 1958 in Mailand entstanden sind – darunter eine sehr rare Aufnahme von „With Usura“ – und die späteren Aufnahmen, ’66 in Spoleto, hören Sie die Stimme von Prospero persönlich, dessen jeder dritte Gedanke der an sein Grab ist: der gute alte freundliche Mann spricht mit papierdünner Flüsterstimme und großer Intensität und Bedeutsamkeit Silbe für Silbe jeden Gedanken des früheren jungen Mannes. Endlich war er also von seiner Not erlöst, bereute; wie Prospero versenkte er seine Bücher und seinen Zauberstab des Stolzes „tiefer als je ein Senkblei sank“ und flüchtete sich in sein Schweigen, das er nur noch bei seltenen sinnreichen Gelegenheiten mit gutgelaunten Ratschlägen brach, wie als er einmal zu mir sagte: „von vorne bis hinten dumm und ignorant“

Moderator: Wer hat eigentlich gesagt, er sei der letzte Amerikaner, der die Tragödie Europas vollständig miterlebt habe?

Ginsberg: Das trifft auf ihn zu, immerhin ist er mit 86–87 gestorben. Schon vor dem 1. Weltkrieg war er nach London gegangen und hatte die besten Männer seiner Generation vom Kriegswahn zerstört werden sehen, schrieb eine Menge Elegien über den „Charm, smiling at the good mouth, / Quick eyes gone under earth’s lid“, kannte also den 1. Weltkrieg und kannte Geschichten vom Bürgerkrieg von seinen Großvätern in Idaho und Philadelphia, und während des 2. Weltkriegs und zwischen den Kriegen war er ebenfalls in Europa, und dann noch während der ganzen Nachkriegszeit.
Bei seinem 82. Geburtstag hatte ich die Ehre, in seinem Haus einen Joint zu rauchen und ihm mit diesem Harmonium, auf dem ich heute abend spielte, Hare Krishna vorzusingen, und ihm Sergeant Pepper von den Beatles vorzuspielen, was er noch nie gehört hatte, und Bob Dylan – einen Nachmittag lang habe ich ihm Dylan und Sergeant Pepper und Donovans „Sunshine Superman“ vorgespielt.

Moderator: Und wie hat’s ihm gefallen?

Ginsberg: Nun, gesagt hat er nichts, er saß einfach da, und manchmal spielte ein ironisches Lächeln um seine Lippen. Aber ich fragte Olga Rudge, was er denken würde – also, ob es ihm gefallen hätte –, und sie sagte: „Nun, wenn es ihm nicht gefallen hätte, wäre er aufgestanden und aus dem Zimmer gegangen!“ Aber er hielt die rund 2 Stunden Beatles und Dylan durch, hat sie also immerhin gehört. Das war nett. Ein geduldiger Mann.
Kennengelernt habe ich ihn in einem Theater in Spoleto, bei einer Oper. Ich kam rein, und er saß unten im Parkett und ich oben in einer Loge, also ging ich vor dem Beginn der Zauberflöte runter, stellte mich neben ihn und nahm seine Hand, und dann standen wir einfach da und starrten uns lange an, ganz still und ruhig, da keiner von uns etwas zu sagen hatte. Und er blieb immer noch so stehen – einfach so – also legte ich ihm meine Hand auf den Nacken, um ihn behutsam dazu zu bringen, sich zu setzen. Ich wußte ja nicht, ob er wußte, ob er sich setzen sollte oder nicht, und ich war selbst unsicher, also dachte ich, mach irgendwas, faß ihn an, damit er wieder von den Füßen kommt.
Dann fuhr ich ihn in Rapallo besuchen, wo er in den 20er Jahren mit Yeats gelebt hatte, und stieg mit dem Harmonium auf einen hohen Berggipfel, wo er ein kleines bescheidenes Haus mit herrlicher Aussicht auf das blaue Mittelmeer und die Küste hatte, und setzte mich davor unter einem Baum auf einen Stuhl und sang für ihn Hare Krishna und Hari Om Namo Shivaye und Gopala Gopala Devaki Nandana Gopala; dann gingen wir zum Essen rein und Olga Rudge – er hatte kein Wort gesagt – meinte: „Ezra, warum fragst du Mr. Ginsberg nicht, ob er sich die Hände waschen möchte?“ Also sagte er: „Sie sagt, Sie möchten sich bitte die Hände waschen.“ Und dann sagte er den ganzen Nachmittag nichts mehr, abgesehen von einmal, als ich ihm erzählte, wie ich 1958 zusammen mit Burroughs Louis Ferdinand Céline besucht hatte, den ich für den größten französischen Romanschriftsteller hielt. Ich hatte Céline gefragt, wer von den französischen Schriftstellern ihm gefiele, und er hatte geantwortet, der Schweizer C.F. Ramuz, und Henri Barbusse, der Verfasser von Sur le Feu (Das Feuer, 1. Weltkrieg), und Barbusse, meinte er, habe die französische Sprache ein wenig aufgemöbelt, desgleichen Paul Morand, dessen Buchtitel mir nicht einfallen wollte, als ich Pound diese Geschichte erzählte, und Olga sagte: „Ezra, wie hieß noch dieses Buch von Morand, das dir so gut gefallen hatte – seine späteren Sachen haben dir nicht gefallen, nur dieses eine.“ Er war gerade dabei, Spaghetti zu löffeln, hob den Kopf und sagte: Ouvert la Nuit und aß seine Spaghetti zuende. Dieses Buch war 1928 oder so erschienen – sein Geist war also ganz lebendig, und komisch. Und danach sagte er den ganzen Tag kein Wort mehr. Wir fuhren nach Portofino, setzten uns an einen Cafétisch am Kai zwischen Hafen und Fischernetzen in die Sonne, und ich plapperte alles aus mir raus, was ich zu sagen hatte, alles was mir einfiel, hielt dann eine Weile den Mund, schwieg wie beim Meditieren und dachte die ganze Zeit, es sei, als wäre ich mit Prospero zusammen; angenehmer Gedanke. Es lastete kein Druck auf diesem Schweigen – da war eine Menge Raum, und man brauchte sich keine Sorgen deswegen zu machen. Es war wie das Schweigen dieser heiligen indischen Männer, die ein Schweigegelübde abgelegt haben, wie Meher Baba – dieses Schweigen hatte etwas Baba-haftes an sich.
Mehrere Monate später besuchte ich ihn dann in Venedig in der Calle San Gregorio, wo er mit Olga Rudge gleich neben der Pensione Ciei wohnte, wo er wohl jeden zweiten Tag essen ging und seine Post abholte und ein paar Leute empfing. Ich blieb da drei Wochen, las sämtliche Cantos durch und ein sehr gutes Buch über Pound von Clark Emery, Ideas into Action, University Press of Miami, Coral Gables, Florida – die beste Beschreibung der Cantos, die ich kenne. Die beste Analyse, die besten Erläuterungen – erleichtert das Verständnis seiner Theorien über Geschichte und das Bankwesen ungemein.
Ich benutzte die Pisaner Cantos als Führer durch Venedig: „und in dem Taufstein rechts, wenn man eintritt / sieht man die goldnen Gewölbe von San Marco.“ Also ging ich zur San Marco-Kirche und suchte rechts nach einem Taufstein, fand ihn auch, aber es war kein Wasser drin, und die goldenen Gewölbe von San Marco waren nicht drin zu sehen. Nach mehreren Tagen, in denen er nichts gesprochen hatte, ging ich wieder zu ihm und sagte:

Ich war da und konnte die goldenen Gewölbe in dem Taufstein rechts nicht finden.

Und plötzlich machte er den Mund auf und sagte:

Ah, das war vor vielen Jahren. Später wurde dort eine Kupferrinne um das Taufbecken gelegt und die mit Wasser gefüllt, so daß also in der Mitte kein Wasser mehr ist, in dem die goldenen Gewölbe sich spiegeln könnten.

Weiter sagte er kein Wort – bis ich eine andere präzise Frage hatte: „Wo lag Salvati’s?“ „Die Straße rauf, die Glasbläserei.“ Und dann die Sache mit der Dummheit und Ignoranz von vorne bis hinten, und daß die Cantos Mist wären. War damals also wirklich ein ganz bescheidener Mensch. Ich erzählte ihm von LSD, und ein bißchen von Gras, und fragte ihn, ob ich mich verständlich ausdrücke, worauf er sagte: „Sie scheinen zu wissen, wovon Sie reden.“ Ich fragte ihn, ob er Basil Buntings Briggflatts bekommen habe, und er antwortete nicht, aber dafür ging ein breites Lächeln über sein Gesicht – er lächelte wirklich so wie eine Cartoon-Figur von Crumb lächelt –, und nickte. Basil Bunting war ein großer Dichter, der in den 20er Jahren mit ihm und Yeats in Rapallo gelebt hatte, und der mit einem großen epischen 30-Seiten-Gedicht, Briggflatts, wieder aus der Versenkung aufgetaucht war.

Moderator: Ein britischer Dichter aus dem Norden –

Ginsberg: Yeah, aus Newcastle, Northumbria; er hat Pound die große Lektion beigebracht, daß „Dichten = condensare“ ist – Dichtung ist Kondensation, Verdichtung von Gedanken. Pound sagte: „Bunting hat mir mal gesagt, Gedichte spielten auf zu vieles an und stellten zu wenig dar.“ Darauf ich: „Nun, vorigen Monat habe ich Bunting in New York gesehen, und da sagte er: ,Lesen Sie Pound, wenn Sie Kompaktes, Kondensiertes, exakte Präzision in der Sprache suchen.‘“
Die Unterscheidung zwischen Darstellung und Anspielung ist interessant. Anspielung – er macht das ja sehr oft – man spielt auf eine Situation an, ohne sie zu beschreiben, ohne die Tatsachen darzustellen – so daß eine spätere Generation nicht mehr herausfinden kann, wovon man eigentlich spricht. Z.B. „jener Mann im Weißen Haus“ oder sowas – dieser ganze abstrakte Haß, der Nixon und davor Johnson entgegengebracht wurde, ohne die besondere dazugehörige Form.

Moderator: An welchen der Cantos denken Sie jetzt besonders?

Ginsberg: An den letzten großen Canto

The scientists are in terror
aaaaaand the European mind stops
Wyndhamn Lewis chose blindness
aaaaarather than have his mind stop…
When one’s friends hate each other
aaaaahow can there be peace in the world?
Their asperities diverted me in my green time…
Time, space,
aaaaaneither life nor death is the answer
And of man seeking good,
aaaaadoing evil.
In meiner Heimat
aaaaawhere the dead walked
aaaaaaand the living where made of cardboard.

„In meiner Heimat“ – Amerika – „wo die Toten umgingen, und die Lebenden aus Pappe waren.“ Sein allerschönstes Stück, und ziemlich spät entstanden. Zu der Zeit, als er ständig angegriffen wurde.

Moderator: Wirklich ein schönes Stück.

Ginsberg:Ja, mit einem großen verzweifelten Schluß. Er hat das um 1955 oder ’60 geschrieben, glaube ich. Ist in den Entwürfen und Fragmenten der letzten Cantos erschienen. Dabei ist es so elegant, wenn er sagt: „Wenn die Freunde sich hassen, / Wie kann dann Frieden sein in der Welt?“ Sehr chinesisch, wahrscheinlich eine Paraphrase auf Konfuzius, ja wirklich. Und dann dieser sehr seltsame Sprung für einen alten Mann – die ganz abstrakte Zeile: „Zeit, Raum / Weder Leben noch Tod ist die Antwort.“ Der Tod ist also auch nicht die Antwort.

Moderator: Hört sich beinahe wie Lear an.

Ginsberg: Nun, das hört sich an wie Chuang-Tzu, wie Buddha. Wie irgendein chinesischer Philosoph der Leere.

Moderator: Aber die Taoisten hat er doch immer abgelehnt.

Ginsberg: Nein, im Grunde hatte er eine taoistische Position inne, oder eine konfuzische Position. Gewisse taoistische Grundlagen akzeptierte er, er war nur gegen religiöse Schmeichelei und Beweihräucherung, glaube ich, gegen tote Rituale. Und der Kult des Weihrauchverbrennens des 11. Jahrhunderts oder so war wohl einer seiner Lieblingsprügelknaben. Aber er war pragmatischer Mystiker – interessierte sich anscheinend für Erigena und Duns Scotus und solche Leute – Plotmus wohl auch. Es gibt da einen Vers an Eliot:

aaa„mi-hine eyes hev“
aaaaaawell yes they have
seen a good deal of it
aaaaaaaathere is a good deal to be seen
fairly tough and unblastable

Steht in den Cantos.
Mal sehen, ob mir noch andere Einzelheiten dieses Gesprächs mit Pound einfallen. Ich habe ihm das St. Francis Canticle of All Creatures vorgesungen, das ich damals gerade irgendwie zu vokalisieren versuchte, weil es ja ein Lied war und St. Francis es vermutlich gesungen hat. Also sang ich es zu einem C-Akkord, monochordal.
Ich bat ihn um einen Segen für Sheri Martinelli, eine alte Freundin von ihm aus der Zeit, als er im St. Elizabeths war, die viele Jahre unter seiner Abwesenheit gelitten hatte. Schließlich lächelte er und nickte: „Ja“, was ein Jahr später, ’68, am Rand des Pazifischen Ozeans, Sheri Martinelli zu Tränen rührte.
Ich erzählte ihm, daß die jüngeren Dichter alle von ihm lernten, alle von ihm abstammten und in gewisser Weise Formen, die er erschlossen hatte, weiterentwickelten. Darauf er:

Das ist sehr schmeichelhaft, dürfte aber schwer zu beweisen und zu begründen sein.

Schreibheft, Heft 27, April 1986
Aus dem Amerikanischen übertragen von Werner Schmitz

 

NACH DEN ,CANTOS‘

Ganz am Ende, der Ehrgeiz
besiegt wie die Eitelkeit, die Seele
kühl wie der Körper – „Ich habe
meine Mitte verloren / da ich antrat
gegen die Welt“ – zitternde Hände
und Augen feucht schon in der Frühe,
Gäste sprechen von ihm als wäre er
nicht unter ihnen, Proteus Old Ez,
Schwunggeld-Prophet etc., die Systeme
haben sich noch nicht aufgefressen,
europäisches Denken dreht sich weiter
im Kreise, ganz am Ende, „zwei Mäuse
und eine Motte als Wegführer“, da
kommen Wucher, der Wurm, USURA und
neschdek, Rothschild (der überlebt),
sind gnädig, vergeben Stipendien
auf seinen Namen, vergeben dem Luchs,
der das Feuer behütet und spricht
nur noch mit Blattläusen, wildem Gras,
vergeben ihm seine Erfindung,
DAS PARADIES, in einem Käfig bei Pisa.

Peter Hamm

 

 

Fakten und Vermutungen zur Herausgeberin + Kalliope +
Johann-Heinrich-Voß-Preis
Porträtgalerie: Autorenarchiv Isolde Ohlbaum + Keystone-SDA
Nachrufe auf Eva Hesse: FAZ ✝︎ SZ

 

 

Stefan Troller: Ein Mann auf dem Weg zur Toteninsel

Hans Magnus Enzensberger: Überlebenskünstler Ezra Pound

 

 

Michael Reck: Prospero. Ein Gespräch zwischen Ezra Pound und Allen Ginsberg
DU, Heft 9, September 1968

Franco Antonicelli: Ein Besuch bei Ezra Pound
DU, Heft 2, Februar 1967

Pierre Imhasly: Dichtung in vielen Zungen
DU, Heft 2, Februar 1967

Zum 80. Geburtstag des Autors:

Hans-Jürgen Heise: Ezra Pound zum 80. Geburtstag
Die Tat, 29.10.1965

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Steve Lake: Ezra Pound
Akzente, Heft 5, Oktober 1985

Zum 45. Todestag des Autors:

 

 

Zum 50. Todestag des Autors:

Hans-Ulrich Fechner: Vor 50 Jahren ist der Dichter Ezra Pound gestorben
Die Rheinpfalz, 1.11.2022

Willi Winkler: Bürgerkrieg unter friedlichen Affen
Süddeutsche Zeitung, 27.10.2022

 

 

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Nachrufe auf Ezra Pound: Die Tat ✝︎ Merkur ✝︎ Tumba

 

Ezra Pound liest Canto XLV.

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