Aufs Wort (genau) – Teil 32
Teil 31 siehe hier …
Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist ein kleines unaufwendiges Experiment, das Raymond Queneau unter Verwendung – oder vielleicht sollte man sagen: unter Missbrauch – einer der meistzitierten Gedichtzeilen Stéphane Mallarmés durchgeführt hat. Die Versuchsanlage bestand darin, die vokalische Instrumentierung des vorgegebenen Verses vollumfänglich beizubehalten, die Konsonanten aber freizugeben zur Permutation; dabei, dazu sollten gängige Wörter aus der französischen Gegenwartssprache im Austausch eingesetzt werden. Der Vers bei Mallarmé lautet:
Le vierge, le vivace et le bel aujourd’hui …
(Das Jungfräuliche, das Lebhafte und das Schöne heute …
oder auch: Das jungfräuliche, das lebhafte und schöne Heute …)
Raymond Queneau’s «isovokalische» Nachschrift (1962):
Le liège, le titane et le sel aujourd’hui … Etc.
(Der Kork, das Titan und das Salz heute … Usf.)
Abstrakta werden also durch konkrete Materialbezeichnungen beziehungsweise Adjektive durch Substantive ersetzt, was bei gleicher Klangqualität eine vollkommen andere, geradezu gegenläufige inhaltliche Lesart ergibt. Zu fragen, zu diskutieren wäre allerdings, inwiefern und wodurch die beiden Verse sich in poetischer Hinsicht bzw. Qualität unterscheiden. Es ist ein Leichtes, via das Gehör wahrzunehmen, dass der dichterische Vorrang bei Mallarmé liegt, schwierig jedoch, dies auch objektiv zu erkennen und argumentativ darzulegen. Ein poetischer Mehrwert ergibt sich allein schon aus der homophonen Anlage des Verses, die ihrerseits in und an sich zwei unterschiedliche Lektüren nicht nur ermöglicht, sondern nahelegt.
… Fortsetzung hier
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