Aufs Wort (genau) – Teil 18
Teil 17 siehe hier …
Beispiele dieser Art sind aus allen literarischen Kulturen zahlreich beizubringen. Das Pseudonym vereint in sich, wie schon ausgeführt, ganz unterschiedliche Qualitäten und Funktionen. Es kann als Name, als Begriff, als Kunst- oder Phantasiewort aufgefasst werden; als lässt sich zur Tarnung, zur Täuschung wie auch zur Selbstcharakterisierung einsetzen; und es stellt eine besondere Textsorte dar, die in knappster Form etwas zu verstehen gibt, das der ursprünglich geltende Eigenname nicht auszudrücken vermag. Jede Pseudonymisierung ist ein Übergriff auf den ererbten Namen, ein Akt, der heute fast ausschliesslich vom Namensträger selbst vollzogen wird, der aber – seit der Antike – auch von Herren gegenüber ihren Sklaven (oder Frauen), später von Kolonisatoren oder Missionaren gegenüber Ureinwohnern, von kirchlichen Autoritäten gegenüber Novizen, Konvertiten, Märtyrern und Heiligen praktiziert wurde, abgesehen davon, dass Päpste und Patriarchen mit ihrer Ernennung ins höchste Kirchenamt zumeist mit einem neuen Namen ausgestattet wurden oder sich einen solchen zulegten. Dass Jesus (nach Mt. 16, 18) seinem Jünger Simon Bar Jona, dem nachmaligen römischen Papst, den Namen «Petrus» zusprach, ist wohl das bekannteste Beispiel einer derartigen Umbenennung beziehungsweise Pseudonymisierung, die einer neuen Berufung oder Sinnbildung gleichkommt (Petrus – lateinisch für «Stein» – als Grundfeste der christlichen Kirche).
Die Besonderheit des Namens als Einzelwort kommt am deutlichsten in der Signatur zum Ausdruck. Egal, ob es sich um den eigenen Namen oder um ein Pseudonym handelt – in jedem Fall wird der Verfassername (Manuskript, Dokument, Brief usf.) durch den Schriftzug der Signatur dezidiert vom Text abgehoben, meist durch vergrösserte, verschnörkelte, «verfremdete» Schreibweise, bisweilen so, dass die Signatur unlesbar bleibt und lediglich «als solche» wahrgenommen wird: Verschleierung statt Selbstidentifikation.
… Fortsetzung hier
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