Aufs Wort (genau) – Teil 25
Teil 24 siehe hier …
Homophonie, Assonanz, Reim und auch die Anagrammatik lassen besonders deutlich erkennen, dass der Klangleib der Wörter nichts mit deren Bedeutung zu schaffen hat, auch wenn dies durch gewisse Redensarten, Sprichwörter oder poetische Fügungen nahegelegt wird. Eins der frühesten und meistzitierten Beispiele dafür findet sich bei Heraklit, der die Lautähnlichkeit von griech. «bíos» (Leben) und «biós» (Bogen) zum Anlass genommen hat, die beiden Begriffe auf der Bedeutungsebene zu verschränken und daraus eine «Wahrheit» abzuleiten: Das «Leben» ist demnach stets vom todbringenden «Bogen», d.h. vom Tod schlechthin bedroht. Die Begriffspaarung gewinnt eine zusätzliche, eine dialektische Dimension dadurch, dass ihre lautliche Übereinstimmung nicht eine Gleichheit evoziert, sondern im Gegenteil einen Gegensatz (Leben vs. Tod). Einen eher seltenen Sonderfall bietet die Onomatopoesie (Onomatopöie) als sprachliche Klangnachahmung natürlicher, oft tierischer Laute, doch hier muss naturgemäss gelten, dass ein «Wauwau» oder ein «Ia» dem Hundegebell beziehungsweise dem Schrei des Esels nachgeordnet, weil eben bloss nachgebildet ist.
Doch bleiben derartige – gewollte wie ungewollte – Übereinstimmungen zwischen Wortlaut und Wortbedeutung die seltene Ausnahme. In aller Regel ist das Gegenteil der Fall. Zwischen den klangähnlichen beziehungsweise klangidentischen Begriffen «Ahle», «Aale», «Allee», «alle» gibt es keinerlei semantischen Zusammenhalt, und ebenso verhält es sich bei gleichklingenden Wörtern, die unterschiedlichen Sprachen angehören: Dem deutschen «Rock» entsprechen lautgenau der arabische Vogel «Rok», das tschechische «rok» (Jahr), das russische «rok» (Schicksal), das französische «rauque» (rau) und «roc» (Fels), das englische «(to) rock» (schaukeln, wiegen), was zur naheliegenden, ebenso unbedarften wie grundsätzlichen Frage Anlass gibt – weshalb das gerade so und nicht anders (umgekehrt) sei? Dass ähnlich klingende Wörter einander auch bedeutungsmässig ähnlich wären, könnte und möchte man logischerweise eher erwarten als deren mehrheitliche Bedeutungsdifferenz, wie obige Beispiele sie belegen.
… Fortsetzung hier
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