3D seit je
Teil 1 siehe hier …
Rezeption und Wirkung (Verständnis) des Gedichts beruhen im Normalfall auf den internen Wechselbeziehungen zwischen Sprachtext (Grammatik, Syntax, Metaphorik), Akustik (Melodik, Metrik, Rhythmus) und Optik (Schrifttyp, Schriftbild), die ihrerseits – insgesamt – für die Bedeutung (Verständnis, auch Missverständnis, Unverständnis) grundlegend sind. Von daher ist das Gedicht tatsächlich als ein 3D-Objekt aufzufassen, das sich ausser der Interpretation stets auch den elementaren sinnlichen Erfahrungen von Hören und Sehen öffnet.
Gerhard Rühm führt dies – als Dichter, Rezitator, Musiker und Zeichner – seit Jahrzehnten in meisterlicher Manier vor, und er ist heute im deutschen Sprachbereich wohl der einzige Autor, der die Poesie in all ihren Dimensionen gleichermassen gekonnt praktiziert. Seit Jahrzehnten ist er, gleichsam als Avantgardist vom Dienst, solcherart an der Arbeit, derweil die heute mehrheits- und konsensfähige Lyrik bekanntlich ganz andere Prioritäten hochhält. Gefragt sind umgangssprachlich (oder auch, anders herum, fachsprachlich) imprägnierte, dabei diskursiv angelegte Gedichte, die durchaus ohne klangliche und visuelle Organisation auskommen. Doch so oder anders sind Klanglichkeit und Optik – auch wenn sie nicht bewusst wahrgenommen werden – in der Dichtersprache gewissermassen mitgegeben. Die Dreidimensionalität aller Poesie bleibt also notwendigerweise (oder sollte man sagen: naturgemäss) in jedem Fall erhalten, selbst dort, wo sie nicht angestrebt und auch nicht erwartet wird.
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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