Alles in einem
Borges lesen!
Teil 2 siehe hier …
Auch als Lyriker hält Jorge Luis Borges fast durchweg am Erzählen fest, obwohl er sich mehrheitlich an strengen prosodischen Vorgaben (Metrum, Reim, Strophik usf.) orientiert. Doch selbst in seinen zahlreichen perfekt gebauten Sonetten überwiegt der narrative den lyrischen Impetus – man könnte sie (wie die meisten seiner Gedichte) ohne Zeilenbrüche linear ausschreiben und bekäme damit einen Mikroessay oder eine Kürzestgeschichte zu lesen.
So gesehen ist Borges, der eine Vielzahl von Fremdsprachen beherrschte, ein einsprachiger Autor, will heissen: ein Autor mit integralem Personalstil, der alles, was er jemals schriftlich gefasst hat, in immer gleicher Ausprägung unverwechselbar durchwirkt – die zahlreichen Rezensionen und Aufsätze ebenso wie die Vorlesungen und seine phantastischen Geschichten. «Einsprachig» waren in solchem Verständnis auch Franz Kafka oder Marina Zwetajewa, die ihren Stil (man könnte auch sagen: ihre Rhetorik) in literarischen Texten wie in Briefen oder Tagebüchern gleichermassen zur Geltung brachten. Dies im Unterschied etwa zum «mehrsprachigen» Vladimir Nabokov, der für jede Textsorte – Roman, Drama, Gedicht, Essay, Vortrag – einen jeweils andern, dem Genre angepassten Stil praktizierte.
Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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