Alles in einem
Borges lesen!
Teil 3 siehe hier …
Vladimir Nabokov ist (wie jeder «mehrsprachige» Autor) «ganz» Dichter, wenn er ein Gedicht schreibt, er ist «ganz» Dozent, wenn er eine Vorlesung hält, und er ist «ganz» Erzähler, wenn er Lolita auf ihrem Trip durch die USA imaginiert. Borges indes hält in jedem Fall seinen integralen Personalstil hoch, ist Dichter auch dann, wenn er erzählt, und Essayist oder Erzähler, wenn er Gedichte schreibt.
Fragt sich nur, inwieweit und auf welcher Ebene diese Unterscheidung relevant sein kann. Verhilft sie zu besserem Verständnis des Autors, des Werks? Der Poetik, der Qualität der Texte? Ist es letztlich eine Frage der Literaturpsychologie? Oder generell der Typologie von Autorschaft? Was – oder wen – hat man verstanden, wenn man Borges’ «Sandbuch», sein lyrisches «Lob des Schattens», seine «Sieben Nächte» (Vorträge) verstanden hat? Was hat man gelesen, wenn man sein Gesamtwerk gelesen hat? Ein ingeniöses Erzählwerk, das sich mitunter als Dichtwerk oder auch als Denkwerk anbietet – alles in einem, und doch in einzigartiger Vielfalt.
Und wenn Borges darauf besteht, jedes Wort sei ein potentieller Text, enthalte beliebig viele Gedichte und Geschichten, stehe somit für die ganze Literatur ein, dann steht jedes Wort auch für alle literarischen Genres und Gattungen ein. Eins für alles.
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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