Anthologika
Teil 9 siehe hier …
Egal, welche und wieviele Anthologien man sich vornimmt, noch jedesmal bestätigen sich zwei unspektakuläre Beobachtungen.
Erstens – auch «beste» und «wichtigste» Gedichte sind nicht fehlerfrei; zweitens – die Aussage solcher Gedichte ist in vielen Fällen, wenn man’s genauer nimmt, trivial. Gerade die bekanntesten, die meistgelesenen und meistzitierten, kurz: die populärsten Texte, die der geltende Kanon bereithält, sind von solcher Trivialität gekennzeichnet.
Doch die inhaltliche Nichtigkeit grosser Poesie bleibt in aller Regel unbeachtet, deshalb auch unkommentiert. Als einer der Ersten (und noch immer als einer der Wenigen) hat schon in den 1930er Jahren der Philosoph Alain (Chartier) auf diesen elementaren Sachverhalt hingewiesen mit der – leider nicht weiter ausgearbeiteten – allgemeinen Feststellung: «Man hat wohl erkannt, dass sich die Dichtung mit ganz und gar gemeinplätzigen Ideen begnügt; und gleichwohl ist es eine Tatsache, dass uns der Dichter das Denken beibringt.» Denn es sei keineswegs gemeinplätzig, dass eine gemeinplätzige Idee in dichterischer Form «würdig» vorgebracht wird. Bemerkenswert ist allemal, dass künstlerische Qualität durch gedankliche Gemeinplätzigkeit nicht gemindert wird.
… Fortsetzung hier …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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