Anthologika
Teil 23 siehe hier …
Bei Ann Cotten («Metonymie, wir», 2007) wird die pronominale Verwischung der Subjektposition im Gedicht selbst thematisiert:
Ich sprech für dich, lass gut sein.
Lass gut sein, sag ich. Sei
beruhigt, sage ich, ich formuliere,
da können, wenn ich fertig bin, wir beide rein.
Das Ich fungiert hier lediglich als unpersönliches Label und hat keine individuelle Authentizität, täuscht eine solche jedoch vor, womöglich unter Verwendung von partiell realen (alltagsweltlichen oder autobiographischen) Details.
Die Wechselbeziehung zwischen Authentizität und Fiktion, zwischen realem und lyrischem Ich ist faktisch nicht auszumachen; Gottfried Benn hat diese Ungewissheit eigens in Verse gebracht («Nur zwei Dinge», 1953):
Durch so viel Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?
[…] es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.
… Fortsetzung am 25.12.2024 …
© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik
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