Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Anthologika (Teil 4)

Anthologika

Teil 3 siehe hier

Gravierend ist ausserdem – und das gilt für eigentlich alle deutschsprachigen Lyrikanthologien – das Fehlen dichterischer Übersetzungen, die eigentlich dem Corpus jeder Nationalliteratur zuzuordnen sind, gerade der deutschen, zu der allein im 20. Jahrhundert unter andern George, Rilke, Celan, Handke oder Christa Reinig nachhaltig beigetragen haben: Gelungene Gedichtübersetzungen zeichnen sich nicht durch philologische Treue aus, vielmehr dadurch, dass sie in der Zielsprache wie oder als Originaltexte zu lesen sind; eben dies sollte von jeder Anthologie dokumentiert werden. Und mehr als das – eine eigenständige Sammlung fremdsprachiger Lyrik in deutschen Übertragungen ist längst überfällig.
Doch Anthologien sind nicht primär nach dem zu beurteilen, was sie nicht zu bieten haben; über die Auswahl liesse sich in jedem Einzelfall mit valablen Gründen streiten. Dass die Kompilation von angeblich oder vermeintlich «besten» Gedichten jedoch nicht ausreicht … dass darüber hinaus umsichtige Komposition gefragt ist, steht ausser Frage.
Subjektive Entscheidungen und Bewertungen sind dabei nicht zu vermeiden, ja, sie sind die Voraussetzung dafür, dass die Anthologie mehr als eine Bestandsaufnahme ist … dass sie einen eigenen Kammerton gewinnt, der sie von gleichartigen andern Sammelwerken unterscheidbar macht.

… Fortsetzung am 5.12.2024 …

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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