Felix Philipp Ingolds Skorpioversa – Anthologika (Teil 8)

Anthologika

Teil 7 siehe hier

Albrecht Goes, eine Generation jünger als Hesse, ist von Popularität weitgehend verschont geblieben; heute, ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod (2000), ist er gründlich vergessen, obwohl sein schmales lyrisches Werk zu Lebzeiten unter Kennern und Verehrern respektvollen Zuspruch genoss. Dass Goes in Bodes Anthologie immerhin mit einem Gedichttext vertreten ist, kommt einer späten Wiederentdeckung gleich und ist als solche durchaus bemerkenswert.
Nicht anders als Hermann Hesse hängt auch Goes, unbeeindruckt von der Moderne, einem konservativen Lyrikverständnis nach, doch immerhin gelingt es ihm, da und dort auch unverkennbar eigene Töne, Ideen, Vorstellungen, Erwartungen dichterisch auf den Punkt zu bringen.
Als Vergleichstext zu Hesses «Stufen» rücke ich an dieser Stelle den (undatierten) Anthologiebeitrag von Goes ein – eine einzige Strophe, die unter dem Titel «Olévano, Blick auf Latium» dieselbe Thematik (Lebensgang, Lebenssinn, Lebensende, Nachleben) in einem versifizierten Monolog abhandelt:

Nun endlich, ganz zuletzt, auch dies begreifen:
Dass es ein Ganzes ist, dies: da zu sein.
Vorbei die Angst des Werks, die Lebensgeissel,
– Sag: Schreibtisch, Satzbau, Gleichnis und Gedicht,
Geschichte, Szene – sag: ich will, ich muss –
Nur noch: ich bin. Ich bin wie dieses Land,
Ein endlich Ding, doch voll Unendlichkeit.
Dein Teil bin ich, du Latium der Liebe,
Dein ander Ich, du Oleanderbaum.
Dies Mittagslicht: in mir geht’s auf und unter,
In mir wird Abend, gross und schattenblau.
Dann kommt die Nacht. Ich bin noch, der ich bin:
Der Mann aus Deutschland, dunkel, denkenschwer,
Nun aber Kreatur und heimgekehrt,
Und die Zypresse wird mich Bruder nennen.

… Fortsetzung hier

© Felix Philipp Ingold & Planetlyrik

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